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Albert Stohr

Diözesanbischof mit einer Amtszeit 1935-1961.

Im Mainzer Journal erschien am 13. April 1932 unter der Überschrift "Warum wir Hitler nicht wollen" ein Artikel, in dem sich der "Theol.-Prof. Dr. Stohr-Mainz, M.d.L." mit der nationalsozialistischen Weltanschauung, vor allem mit dem "neuen Blutmythus" des NS-Propagandisten Alfred Rosenberg auseinandersetzte. Bei diesem Dr. Stohr handelt es sich um den am Mainzer Priesterseminar lehrenden Professor für Dogmatik und Mitglied des Hessischen Landtages Albert Stohr. Dieser wurde nach dem Tode von Bischof Ludwig Maria Hugo am 10. Juni 1935 vom Domkapitel zum neuen Bischof von Mainz gewählt, am 17. Juli vom Papst bestätigt und am 24. August zum Bischof geweiht und inthronisiert.

Albert Stohr wurde am 13.11. 1890 in Friedberg in der Wetterau (Hessen) geboren. Seine Eltern waren der Reichsbahnobersekretär Emil Stohr und Elisabeth Stohr, geb. Braun. Er besuchte das Gymnasium in Friedberg, machte dort das Abitur, trat 1909 in das Priesterseminar Mainz ein und wurde 1913 zum Priester geweiht. Nachdem er sechs Jahre als Kaplan in Mainz (St. Emmeran) und in Viernheim und als Subrektor im Mainzer und Bensheimer Konvikt tätig gewesen war, setzte er ab 1920 seine wissenschaftliche Ausbildung an der Universität Freiburg, wo er 1921 promovierte, fort. Nach Studienaufenthalten in Rom und Berlin und zwischenzeitlichen Pfarrvertretungen in Bingen-Dietersheim und Ober-Hilbersheim, habilitierte er sich 1924 in Freiburg bei Martin Grabmann für Dogmatik. 1925 zum Professor ernannt, war er von 1926 - 1935 Inhaber des Lehrstuhls für Dogmatik am Mainzer Prieserseminar und des Lehrstuhls für theologische Propädeutik am Pädagogischen Institut Mainz. Darüber hinaus war er Mitarbeiter der Eltviller Zweigstelle des Deutschen Instituts für wissenschaftliche Pädagogik.

Er engagierte sich im Katholischen Akademikerverband und in der Görres-Gesellschaft und beteiligte sich an den allgemeinbildenden, für ein breites Publikum gedachten Vorlesungen im Frankfurter Hof. 1931 - 1933 war er Abgeordneter des Zentrums im Hessischen Landtag. Obwohl ihn die Vielzahl dieser Aufgaben voll in Anspruch nahm, war er regelmäßiger Mitarbeiter in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften.

Albert Stohr, der als Wissenschaftler schon früh die Inhumanität des Nationalsozialismus offengelegt und auch als Zentrumsabgeordneter sich mit ihm auseinandergesetzt hatte, zog denn auch als Bischof den vollen Hass der neuen Herren auf sich. Er war vielen persönlichen Schikanen ausgesetzt, wurde in seiner Amtsführung oftmals behindert und musste die Schließung zahlreicher kirchlicher Einrichtungen hinnehmen. Die Fuldaer Bischofkonferenz ernannte ihn und den Präses der Katholischen Jugend Ludwig Wolker 1937 zum Jugendreferenten. Immer noch kamen zu kirchlichen Großveranstaltungen, soweit sie nicht schon im Voraus verboten wurden, viele Tausend Menschen, so bei der Männerwallfahrt zur Liebfrauenheide am 6. September 1936 oder am 16. August 1936 zur Jugendwallfahrt nach Marienthal. Im gleichen Jahr erteilte er 160 katholischen Jugendführern Exerzitien auf Schloss Braunshardt. Dies entsprach seinem Konzept der Verinnerlichung der Jugendbildung. Die religiöse Aufrüstung sollte auch die jungen Leute gegen die Verheißungen der Nationalsozialisten resistent machen.

Am 21. März 1937 wurde von allen Kanzeln die Enzyklika "Mit brennender Sorge" von Papst Pius XI. verlesen. Darin übte der Papst massive Kritik an der nationalsozialistischen Religionspolitik und der nationalsozialistischen Weltanschauung. Das NS-Regime verstärkte daraufhin den Kirchenkampf, hob die noch bestehenden kirchlichen Verbände, Orden und Schulen auf. Mit seinen mutigen Hirtenbriefen versuchte der Bischof die Gläubigen zu festigen. Später hat man ihm und den meisten anderen Bischöfen vorgeworfen, dass sie sich nicht noch "lauter und vernehmlicher" angesichts der Verbrechen in den Konzentrations- und Vernichtungslager geäußert hätten.

Der geistige, organisatorische und materielle Wiederaufbau und die Linderung der aktuellen Not durch eine intensive Aktivität der kirchlichen Caritas (Betreuung der Kriegsgefangenen, Einbindung der Flüchtlinge und Heimatvertriebenen, Sorge für die Obdachlosen usw.) und ihrer verschiedenen Einrichtungen bestimmten die Herausforderungen der Nachkriegszeit. Wieder einmal war das Bistum Mainz politisch geteilt. Während der linksrheinische Teil zur französischen Besatzungszone und seit 1948 zum Land Rheinland-Pfalz mit der Hauptstadt Mainz gehörte, fiel der rechtsrheinische Teil an die amerikanische Besatzungszone und an das neu umschriebenen Land Hessen mit der Hauptstadt Wiesbaden. Damit war der 1821 begründete Status eines hessisches Landesbistums beendet. Die Anzahl der Katholiken erhöhte sich durch die innerdeutschen Wanderungsbewegungen von 420.000 im Jahr 1945 auf 710.000 im Jahr 1962.

Mit dem Namen von Bischof Albert sind nach 1945 vor allem verbunden: die Wiedereröffnung des 1939 geschlossenen Mainzer Priesterseminars, die Errichtung einer Katholischen Fakultät an der 1946 auf Initiative der französischen Besatzungsmacht eröffneten Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, die Wiedereinführung des Religionsunterrichts an öffentlichen Schulen, die Einrichtung von Bekenntnisschulen, die Gründung eines Seelsorgeamtes, der Zusammenschluss der katholischen Männervereine im Kettelerwerk, die gemeinsam mit den Bistümern Fulda und Limburg gegründete und unterhaltene Rhabanus-Maurus-Akademie im Jahr 1948, die Durchführung des Katholikentages mit über 180.000 Teilnehmern in der Ruinenstadt Mainz, der Wiederaufbau zerstörter und der Bau neuer Kirchen, die Wiederherstellung des Mainzer Doms, die Schaffung neuer Seelsorgebezirke und neuer Seelsorgestellen.

Die liturgische Erneuerung, die nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zu einer weltweiten Liturgiereform in der Katholische Kirche führte, wurde von Bischof Stohr mit vorbereitet. Bereits 1941 ernannte ihn die Fuldaer Bischofskonferenz zusammen mit Bischof Simon Konrad Landersdorfer von Passau zum Leiter der Liturgischen Kommission. Bischof Albert Stohr, der 1959 in die Theologische Kommission zur Vorbereitung des Zweiten Vatikanischen Konzils berufen wurde, erlebte dessen Eröffnung nicht mehr. Er starb am 3. Juli 1961 auf einer Firmreise in Seligenstadt.

Nachweise

Verfasser: Werner Marzi

Quelle: 2000 Jahre Mainz - Geschichte der Stadt digital

Erstellt am: 09.06.2009