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Charlotte Waterbeck

Künstlerin, geb. 1910, gest. 1960.

Vor vierzig Jahren, am 17. August, verstarb im rheinhessischen Sprendlingen eine bemerkenswerte Frau: Charlotte Waterbeck. Wer sich dort im Jahr 2000 nach dem Namen Waterbeck erkundigt, muss nicht unbedingt erwarten, dass die Familie noch überall bekannt wäre. Dies mag daran liegen, dass außer dem Familiengrabstein auf dem Sprendlinger Friedhof nichts an eine Persönlichkeit erinnert, die vor allem in den 1950er Jahren weit über die Grenzen Rheinhessens hinaus künstlerisch tätig und bekannt war.

Aber dennoch, das Werk von Charlotte Waterbeck ist längst nicht vergessen: In Wohnzimmern und Fluren von Freunden und Bekannten der Familie oder im Heimatmuseum finden sich - und dies in einem unverkennbaren Stil - zahlreiche Gemälde, Skizzen, Zeichnungen, Drucke, die ein vielseitiges, kreatives Schaffen bezeugen. Das Heimatjahrbuch des Kreises Mainz-Bingen wurde in den fünfziger Jahren durch zahlreiche Illustrationen gestaltet, darüber hinaus finden sich weitere Zeichnungen in Publikationen über Rheinhessen und in den Ausgaben der lokalen Presse.

Fast alle in Sprendlingen, die sich glücklich schätzen dürfen, ein Andenken an Charlotte Waterbeck zu besitzen, können eine kleine Geschichte erzählen: Im ehemaligen badischen Amtshaus in der Schmittstraße habe sie gewohnt; sie habe es nicht immer einfach gehabt, mit ihrer Kunst zu überleben; es sei eine feine Person gewesen, die zu damaliger Zeit schon viel gereist sei; in Hannover habe ein bekannter Onkel gearbeitet: August Waterbeck (1875-1947).

Dass diese Erinnerungen an Charlotte Waterbeck übrig geblieben sind, verdanken wir insbesondere ihrer Schwester Hilde, die ihren Lebensabend im Theresienheim in Sprendlingen verbrachte. Sie übergab den Nachlass, nachdem sie im Alter selbst nicht mehr dazu in der Lage war, in verantwortungsvolle Hände. Auf diese Weise ist es uns vierzig Jahre nach ihrem Tod möglich, einen Einblick in ein Künstlerleben zu gewinnen, das in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts begann.

Charlotte Waterbeck wurde am 24. Januar 1910 im westfälischen Coesfeld geboren. Sie verbrachte ihre Kindheit und Jugend in der Eifel und an der Mosel, bis die Vater 1924 die Mühle im ehemaligen badischen Amtshaus in der Schmittstraße kaufte. Von hier besuchte Charlotte die Schulen der „Englischen Fräulein“ in Bingen und Mainz. In Mainz studierte sie bei Professor Bruno Panitz (Skizzen) und bei dem Bildhauer Köllner. An der badischen Landeskunstschule in Karlsruhe bildete sie sich in verschiedensten Arbeitstechniken der Grafik und Malerei fort. Seit 1933 veröffentlichte sie erste graphische Blätter in ihrer Geburtsstadt Coesfeld und nahm dort auch für ein Jahr ihren Wohnsitz. An der Tübinger Kunstanstalt war sie als Entwurfszeichnerin beschäftigt, bis 1938 endgültig als freischaffende Künstlerin tätig wurde.

Der Bodensee, das Berchtesgardener Land, Westfalen, die Mosel und Eifel und schließlich Rheinhessen, Italien, die Schweiz finden sich in ungezählten Landschaftsporträts in ihrer Natur und Architektur treffend wiedergegeben. Aber nicht nur die Landschaft und die Architektur interessierten die Künstlerin, sondern auch die Menschen - das zeigen eindrucksvolle Charakterstudien und Porträts. Charlotte Waterbeck teilte als alleinstehende Frau zudem ein Schicksal vieler Künstler. Zum Broterwerb war sie gezwungen, sich an Ausschreibungen für Prospekte, Etiketten oder Briefmarken zu beteiligen. Bescheidener Lohn und in einigen Fällen eine schlechte Zahlungsmoral von Auftraggebern waren die Kehrseite eines kreativen Künstlerlebens.

Im Heimatjahrbuch des alten Kreises Bingen hat Franz Rector das künstlerische Werk Charlotte Waterbecks gewürdigt. Sicher war es vierzig Jahren an der Zeit, den Nachlass und das Werk der Künstlerin erneut aufzuarbeiten. Ein erster Schritt dazu wurde im August 2000 mit einer Ausstellung im Sprendlinger Heimatmuseum getan. Durch die Mitwirkung zahlreicher privater Leihgeber, verbunden mit Objekten aus dem Museumsbestand, war es möglich, nach vielen Jahren erstmals einen kleinen Querschnitt aus dem Schaffen Charlotte Waterbecks zu zeigen.

Eine zweite Ausstellung fand in der evangelischen Kirche von Wolfsheim anlässlich der dortigen Kirmes am 24. September des Jahres 2000 statt. Eine weitere Schau des Werkes folgte in der Kreisverwaltung Mainz-Bingen und in der Verbandsgemeindeverwaltung Gau-Algesheim. 2002 wurde mit Unterstützung der Heimatfreunde Mainz-Bingen ein Erinnerungsband an das Lebenswerk von Charlotte Waterbeck herausgegeben unter dem Titel: „Filter der Landschaft der Künstlerin Charlotte Waterbeck“. Der Band enthält neben dem Abdruck zahlreicher Zeichnungen und Gemälde Textbeiträge zu einer bemerkenswerten Frau aus Sprendlingen.

Stationen eines Künstlerlebens:

24. Januar 1910 - Charlotte Waterbeck wird in Coesfeld/ Westfalen geboren. Ihre Kindheit verbringt sie mit vier Schwestern und einem Bruder in der Eifel und an der Mosel.

1924 -  Der Vater erwirbt die Mühle im ehemaligen badischen Amtshaus in der Schmittstraße in Sprendlingen.

Charlotte besucht die Schulen in Trier (Ursulinen) in Bingen (Englische Fräulein)  und in Mainz. Sie studiert 1930 bei Prof. Bruno Panitz und Prof. Köllner an der Kunstgewerbeschule. Anschließend geht sie zur Badischen Landeskunstschule in Karlsruhe (Prof. Hubbuch).

1933 - Aufenthalt in Luxemburg. 1934 - 1935 wohnt Charlotte in Coesfeld. Seit 1933 erste Veröffentlichungen ihrer Graphiken.

1937 - Aufenthalt in Holland. Beschäftigung an der badischen Kunstanstalt in Karlsruhe.

Seit 1938 freischaffende Künstlerin, Zeichnerin und Malerin in Sprendlingen. Künstlerische Arbeiten in verschiedenen Techniken (Rötel, Öl, Kohle, Kreide, Aquarell, Plastik).

Aufenthalte am Bodensee, im Berchtesgadener Land, an der Mosel, in der Eifel. In den 1940er Jahren Modellierarbeiten, beeinflusst von ihrem in Hannover bekannten Onkel, dem Bildhauer August Waterbeck.

Seit Beginn der 1950er Jahre Veröffentlichung  von Zeichnungen in zahlreichen heimatkundlichen Publikationen, Mitarbeit an Heimtjahrbüchern, insbesondere Heimatjahrbuch für den Landkreis Bingen seit 1956. Entwürfe für Prospekte, Plakate, Etiketten und Bücher.

1956 und 1957 Reisen in die Schweizer Alpen und nach Italien. 1958 Zeichnungen im Kreis Birkenfeld.

1960 - Unfall und Erkrankung. Nach einer kurzen Erholungsphase stirbt Charlotte Waterbeck am 17. August 1960 in einem Krankenhaus in Bad Kreuznach.

Nachweise

Verfasser: Fritz Schellack

Literaturhinweise:

  • Rector, Franz: Charlotte Waterbeck. In: Heimatjahrbuch Landkreis Bingen 1960, S. 71-75.
  • Hattemer, Günter F./ Hinkel, Erich/ Maurer Heinrich J./ Schellack, Fritz/ Schmitt, Adam [Red.]: Filter der Landschaft der Künstlerin Charlotte Waterbeck. Hrsg. v Vereinigung der Heimatfreunde am Mittelrhein e.V. Idar-Oberstein 2002. (174 S.)