Kirchberg im Hunsrück

Frühmittelalterliche Siedlung

Kirchberg Ortsteil Denzen (Rhein-Hunsrück-Kreis)

 

Frühmittelalterliche Siedlung

 

Zu besichtigen: Die frühmittelalterliche Grabplatte befindet sich im Museum Bonn, die vermutete frühmittelalterliche Siedlung ist bisher archäologisch noch nicht nachgewiesen.

 

Anfahrt: über B50/E42  nach Kirchberg

 

Frühmittelalterliche Siedlung

 

Auf einer antiken Straßenkarte, die in einer mittelalterlichen Abschrift überliefert ist (Tabula Peutingeriana), findet sich der Ort Dumnissus, der mit dem seit 1928 zu Kirchberg eingemeindeten Dorf Denzen gleich zusetzen ist. Im Ortsnamen Kirchberg hat sich zwar kein Wortbestandteil des alten Namens erhalten, doch wird allgemein angenommen dass sich Denzen sprachlich von Dumnissus herleitet. Die Bedeutung der römischen Siedlung Dumnissus in wirtschaftlicher, verkehrstechnischer und militärischer Hinsicht war auf das engste mit der großen römischen Fernstraße von Trier nach Mainz verknüpft. Als nach dem Ende des römischen Reiches auch die Verkehrsstraßen verkümmerten, ging die Bedeutung der Straßensiedlung verloren.

 

Franken

 

Das Römische Reich als ordnende Kraft hatte sich aufgelöst. Es hinterließ westlich des Rheins trotz der Wirren und kriegerischen Auseinandersetzungen eine Landschaft, mit den römisch geprägten Städten wie z.B. Trier und einer entlang der Flussläufe Rhein und Mosel nach wie vor ansässigen romanischen Bevölkerung. Dort gab es weltliche und kirchliche Verwaltungen, wurden Handel und Wirtschaft gepflegt und das Geldsystem weitergeführt.

Mit der Konsolidierung der Verhältnisse nach dem Zusammenbruch des römischen Reiches gewinnt die alte römische Straße für den langsam wachsenden Handel wieder an Bedeutung neue Ansiedlungen entstehen an den Verkehrswegen.

Felder, Wiesen und Wälder lagen offen und konnten von einer Siedlergemeinschaft übernommen werden. In wieweit durch Steinmauern abgegrenztes Areale in die Hand der jeweiligen Könige überging, ist in der Forschung noch nicht genau geklärt. Bemerkenswert ist, dass z. B. ehemalige Kastelle später zu königlichem Besitz zählten. Dazu mag auch das eine oder andere Villengelände gehört haben, über das der König dann verfugen bzw. von dem er Steuern einziehen konnte.

Aus dem Areal des römischen Besitzes von Dumnissus war ein fränkisches Königsgut geworden. Im Jahre 995 nennen die Schriftquellen ein Hofgut „praedium Domnissa dictum“. Die neue Hofstelle wurde nicht im Bereich des alten Dumnissus an der alten Fernstraße errichtet, sondern etwa 1 km nordöstlich des Stadtkerns von Kirchberg in der Quellmulde des Heimbaches. Bisher ist der archäologische Nachweis dieses Hofgutes nicht gelungen.

Die römischen Gutshöfe mit ihren landwirtschaftlichen Einrichtungen verfielen, sobald die römischen Besitzer sie aufgegeben hatten. Die fränkisch-germanischen Siedler mieden die Steingebäude fast vollständig. Nur in seltenen Fällen gibt es Hinweise auf eine kurzfristige, reduzierte Weiterbenutzung. Die Anwesen wurden in der Regel nicht in die neu entstehenden Siedlungen der Franken mit einbezogen.

Der Verfall römischer Gutshöfe signalisiert den Unterschied zwischen der Landwirtschaft, wie sie unter römischer Herrschaft betrieben wurde und derjenigen, wie sie bei germanischen Stämmen üblich war. In römischer Zeit war das Land von mehr oder weniger großen Gutsbetrieben überzogen, die einen beträchtlichen Überschuss erwirtschafteten und Städte sowie militärische Lager mit Nahrungsmitteln versorgten. Die provinzialrömischen Gutsbesitzer betrieben die Landwirtschaft nicht nur für den eigenen Unterhalt, wie dies bei den frühmittelalterlichen Bauern der Fall war, sondern auch als Wirtschaftsunternehmen zum Gelderwerb. Die germanischen Siedler fanden für die römischen Steinhäuser keine Verwendung. In viel späteren Zeiten - als Steingebäude üblich wurden - nutzte man die abgelegenen Ruinen als »Steinbrüche«. So verschwanden die Zeugnisse römischer Landwirtschaft mit der Zeit oberirdisch fast vollständig.

Die fränkische Bevölkerung links des Rheins lebte in dorfartigen Siedlungen ohne Steingebäude. Bei der Wahl eines Siedlungsplatzes war für die Bewohner die Nähe zu einem Wasserlauf von großer Bedeutung. Die Siedlung selbst zog sich leicht hangaufwärts auf trockenem Grunde. Das zugehörige Gräberfeld lag meist oberhalb in einer Entfernung von 200-400 m. Die Landwirtschaftsflächen erstreckten sich in unmittelbarer Nachbarschaft rund um die Siedlung. Die Fluren richteten sich zwar nach dem Gelände, waren aber durchaus planmäßig angelegt.

Angehörige der Franken hatten nicht nur im römischen Heer gedient, sondern siedelten jeweils auf der Grundlage eines Vertrages mit dem römschen Staat, dem foedus, als Foederaten auf römischem Boden. Fränkische bzw. andere germanische Söldner im Heer und Foederaten an den Grenzen unterstanden dabei römischem Recht. Sie verstanden sich als Römer und gleichzeitig als Angehörige ihres germanischen Stammes. In römischen Diensten lernten sie Errungenschaften dieser antiken Kultur mit ihren Gesellschaftsformen und Normen, aber auch mit ihrer Verwaltung kennen und schätzen. Nach dem endgültigen Zusammenbruch des Römischen Reiches übernahmen sie mit Hilfe der verbliebenen romanischen Bevölkerung Teile der noch bestehenden Infrastruktur. Dies war ein nicht zu unterschätzender Vorteil, der besonders die Franken in der Folgezeit befähigte, ihren Vorsprung gegenüber den anderen germanischen Stämmen bis hin zu einer Vormachtstellung im westlichen Europa auszubauen.

Das Rhein- und Moseltal wies in der Römerzeit eine gleichmäßig intensive Besiedlung auf. Auch in der älteren und jünge­ren Merowingerzeit ist eine mehr oder weniger dichte Besiedlung des engen Rheintales nachzuweisen. Da Flusstäler bereits seit der Merowingerzeit besiedelt waren, blieben beim weiteren Landesausbau nur geringe Möglichkeiten der Landgewinnung. Seit dem 8. Jahrh., besonders aber vom 9. bis 12./13. Jahrh., setzte auf Grund der Bevölkerungszunahme im Altsiedelland den Flusstälern nun auch im dicht bewaldeten Hunsrück eine Rodungsphase zur Erschließung neuer Siedlungsräume ein, auch wenn hier im Vergleich zum Altsiedelland ein deutlich raueres Klima herrscht und weniger ertragreiche Böden vorhanden sind. An dieser herrschaftlich gelenkten Rodung waren viele beteiligt, darunter der König, aber auch kirchliche Institutionen und hochadelige Familien. Auch wenn eine genaue zeitliche Schichtung dieses Besiedlungsvorganges anhand der Siedlungsnamen schwierig und zudem regional unterschiedlich ist, zeigt sich nach überwiegender Meinung eine ältere, karolingerzeitliche Rodungsperiode an Ortsnamenendungen auf -weiler, -hausen, -bach sowie -hofen. Sie konzentriert sich vor allem südlich und östlich von Simmern. Im Untersuchungsgebiet liegen die frühen Ortsnamen Bubach und Mörschbach, und die Ortschaft Beltheim nordwestlich von Braunshorn wird bereits in der Karolingerzeit erwähnt. Wohl in einer zweiten, jüngeren Rodungsperiode des 10. bis 12. Jahrhunderts, die durch Orte mit Endungen auf -schied und -roth (Dudenroth) gekennzeichnet ist, wurden die angrenzenden Zonen der Hochfläche besiedelt.

Bis ins 12. Jh. gilt diese Neubesiedlung, die vor allem die geschlossene Einheit der Hunsrückhochfläche bis oberhalb von 450 m Höhe erfasste, im Wesentlichen als abgeschlossen.

 

 

Fränkische Gräber

 

Die ersten sicheren Spuren einer nachrömischen Ansiedlung sind Gräber des 7./8. Jahrhunderts, die im Jahre 1894 im Osten Kirchbergs vor der mittelalterlichen Stadtbefestigung beim Neubau der katholischen Schule aufgedeckt worden waren. Einige der Gräber enthielten Waffenbeigaben. Im Chorfundament des zweiten Kirchenbaus der Michaelskirche fand sich eine Grabplatte des 8. Jahrhunderts. In der Kirche fanden sich zwei beigabenlose Skelettgräber. Die Sitte den Toten Beigaben mit in das Grab zu geben, endete im 8. Jahrhundert n. Chr.

Bei dem Grabstein handelt sich um eine quadratische Platte aus Kalkstein, schwach erkennbar ist eine Inschrift, die in lateinischer Sprache die Eingangsformel: „Hier ruht in Frieden…. „, verfasst. Das Feld wird von zwei Linien eingefasst. Der epigraphische Befund wird unter Vorbehalt in das 6.-7. Jahrhundert datiert. Damit wäre bisher der früheste Zeitpunkt der nachrömischen Besiedlung Kirchbergs gegeben. Es wäre sogar denkbar, dass sich die frühchristliche Gemeinde Kirchbergs in einem Holzbau versammelt hatte, der noch vor dem ersten Steingebäude errichtet worden war.

Das Siedlungsbild Kirchbergs in fränkischer Zeit mag folgendermaßen ausgesehen haben. Auf der höchsten Stelle befand sich eine Holzkirche, später ein Saalbau unweit des Verkehrsweges umgeben von einer lockern Bebauung kleinerer Gehöfte. Eine größere Hofanlage fand sich im Quellmuldenbereich des Heimbaches. Ein kleiner Friedhof lag östlich der Kirche etwa 200 m östlich der heutigen Straßenkreuzung.

 

M. Thoma

 

Literatur:

H. Eiden, N. Müller-Dietrich, Die Ausgrabungen in der Michaelskirche 1967/68. Ein Vorbericht. (Kirchberg 1969).

E. J. Nikitsch, Das früheste Zeugnis für das Christentum im Hunsrück. Hunsrücker Heimatblätter 128 Jahrg. 45, 2005, 409-411.

R. Friedrich, Siedlungskundliche Studien zu einer Gruppe von Burghügeln im Hunsrück. In: Festschrift H. W. Böhme, Interdisziplinäre Studien zur europäischen Burgenforschung. Teil II, Veröff. Deutsche Burgenvereinigung e. V. Reihe A: Forschungen. Bd. 9 (Koblenz 2005) 55-74.