Bad Ems im Rhein-Lahn-Kreis

Zur Geschichte von Bad Ems

0.1.Vor- und Frühgeschichte

Die ältesten Funde aus dem heutigen Gebiet von Bad Ems stammen aus der Jungsteinzeit, belegen lediglich, dass es um das Jahr 2000 v. Chr. Wanderungsbewegungen durch das untere Lahntal und die umliegenden Höhenzüge gegeben hat. Die erste temporäre Siedlungstätigkeit lässt sich erst etwa ab dem Jahr 1250 v. Chr. in Form von Grabbeigaben nachweisen, die zum einen im Bereich des Lindenbach an der heutigen Bahnstation Bad Ems-West und zum anderen im Emsbachtal im Areal der heutigen evangelischen Martinskirche gefunden wurden.[Anm. 1] Die Formen und Verzierungen der Funde weisen sie als Vertreter der sogenannten Urnenfelderkultur (ca. 1300 v. Chr. – 800 v. Chr.) aus. Ab dem achten vorchristlichen Jahrhundert, der Hallstattzeit (800 - 450 v. Chr.), lassen sich somit auch eindeutige Siedlungstätigkeiten auf den Höhenzügen um das heutige Bad Ems nachweisen. Im Bereich der evangelischen Martinskirche wurde Einzelfunde aus dem 6. und 5. Jahrhundert v. Chr. nachgewiesen. Die typischen Grabhügel, in welchen die unverbrannten Toten bestattet wurden, deuten auf die Hunsrück-Eifel-Kultur (Ende 7. Jahrhundert – ca. 250 v. Chr.) hin. Andere Funde aus dieser Zeit in der Region stammen aus den Wäldern des unteren Lahngebietes, wie bei Becheln, dem Oberlahnsteiner Forsthaus und vom Trümmerborn, einem Höhenzug, der der Bismarckhöhe zugeordnet wird.[Anm. 2] Abschließend findet sich im späteren Siedlungskern des Dorfes Ems eine Siedlung aus dem 5. Jahrhundert v. Chr., welche der keltischen Latène-Kultur zugewiesen wird. Weitere Siedlungskonzentrationen lassen sich auch im Umland nachweisen, wurden aber wahrscheinlich aufgrund eines Bevölkerungsrückganges früher aufgegeben.

0.2.Die Römerzeit

Gaius Julius Caesar übertrat zwar in den Jahren 55 und 53 v. Chr. den Rhein, die römische Besiedlung in und um Ems begann aber erst um das Jahr 90 n. Chr. im Zuge des Ausbaus und der Sicherung des Limes, einem römischen Grenzwall, der das Imperium vor den „Barbaren“ schützen sollte und durch das heutige Gebiet von Bad Ems verlief.[Anm. 3] Die Lahn stellt hierbei den Endpunkt für den Abschnitt dar, der heute von der Forschung als „Strecke 1“ [Anm. 4] bezeichnet wird. Gesichert wurde dieser Limesabschnitt u.a. durch das Kastell Ems, welches zwischen dem Anfang des zweiten und Mitte des dritten Jahrhunderts errichtet worden ist. Es handelte sich um ein so genanntes Numeruskastell, das mit seinem rechteckigen Grundriss eine Fläche von ungefähr 1,3 ha einschloss. Da dieses Kastell bereits seit dem Mittelalter überbaut ist, gilt es als Bodendenkmal und konnte nur punktuell ergraben werden. Bei diesen punktuellen Grabungen konnte aber herausgefunden werden, dass dieser militärische Stützpunkt über ein Kastellbad verfügte, welches mit einer für die damalige Zeit hochinnovativen Fußbodenheizung (hypocaustum) ausgestattet war. Am südlichen Ufer der Lahn begann „Strecke 2“ [Anm. 5] des Limes. Auch dieser Abschnitt wurde durch ein so genanntes Kleinkastell auf der Schanz gesichert. Dieses war jedoch wesentlich kleiner als das Kastell Ems. Da es sich auch hierbei ebenfalls um ein überbautes Bodendenkmal handelt, ist es bisher nicht gelungen, die genaue Größe und das Aussehen des kleinen Kastells näher zu bestimmen. In der Nähe des Kleinkastells wurden seit der Mitte des 19. Jahrhunderts immer wieder Ziegelfunde gemacht, welche mit Legionsstempeln versehen waren, weshalb man davon ausgeht, dass dort eine Ziegelei gestanden hat. Eine bauliche Nutzung der Thermalquellen in römischer Zeit ist für den Bereich von Bad Ems nicht anzunehmen, da entsprechende Funde bei der Vielzahl an Bauarbeiten bereits ans Tageslicht hätten kommen müssen. Es wurden zwar römische Münzfunde im Bereich des Kurhauses gemacht, aber diese stammen aus der gleichen Bodenschicht wie Funde aus dem 17. Jh. Die oberflächliche Nutzung der Erzvorkommen am Blöskopf konnte nachgewiesen werden. Abgebaut wurden Blei- und Silbererze in Pingen, die am Hang des Blößkopfes noch zum Teil erkennbar sind. Gefunden wurden Reste eines kleinen Hüttenwerkes, welches ähnlich wie der anfängliche Limes mit Wall und Graben befestigt war. Wie an anderen Stellen des Limes auch, vermutet man, dass die römischen Soldaten am betreffenden Streckenabschnitt im heutigen Bad Ems immer mehr durch solche Personen, die eine „germanische“ Abstammung hatten, ersetzt wurden. Endgültig zogen sich die Römer wohl um 260 n. Chr. vom Limes zurück, der nicht mehr zu halten war. [Anm. 6] Infolgedessen strömten die verschiedenen Volksgruppen von der anderen Seite in den Bereich des Imperiums. Man spricht in der Forschung auch von der Zeit der Völkerwanderung.

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0.3.Mittelalter in Ems

Immer wieder finden sich aus der Zeit der Völkerwanderung Siedlungsspuren im Emsbachtal, ob es sich hierbei aber um eine kontinuierliche Siedlung handelt, konnte bisher noch nicht abschließend geklärt werden. [Anm. 7] Die Volksgruppe der Franken, die nach den beiden siegreichen Schlachten gegen die Alamannen im 5. Jahrhundert das Rheingebiet dominieren, begann im 6. Jahrhundert das untere Lahntal zu besiedeln. Nachweise davon stammen nicht nur aus Ems, sondern auch aus Lahnstein und Diez. In Ems selbst findet sich ein fränkischer Reihengräberfriedhof, aus welchem Waffen, Tongefäße und Schmuck geborgen wurden, darunter auch die sogenannte Emser Spange. [Anm. 8]

Im 8. Jahrhundert, wahrscheinlich unter der Herrschaft Pippins d. Mittleren (687-714), wurde die Christianisierung vorangetrieben, was sich im späteren Dorf Ems daran ablesen lässt, dass der fränkische Friedhof aufgegeben wurde. Vermutlich wurde in diesen Jahren eine Holzkirche errichtet, die im 12. Jahrhundert durch eine im romanischen Stil gestalteten Kirche, die dem heiligen Martin geweiht war, ersetzt wurde. Diese Kirche wurde auf dem Areal des ehemaligen Numeruskastell angelegt. Aus dem Jahr 880 stammt die erste urkundliche Erwähnung des Ortes, der in dieser als aumenzu bezeichnet wird. Ableiten lässt sich dieser Begriff vom altdeutschen Wort für den Emsbach, Aumantia. Im Laufe der Jahrhunderte entstand dann durch verschiedene Lautverschiebungen der Begriff „Ems“, wie sich an diversen Urkunden belegen lässt. [Anm. 9] Aus dem 9. Jahrhundert ist ebenfalls bekannt, dass es einen Fronhof gegeben hat, der in privater Hand gewesen ist. In einem Zeitraum von etwa einhundert Jahren entwickelte sich daraus eine Grundherrschaft, die unter der nominellen Oberhoheit von Lehnsherren stand. Es handelte sich um die konradinischen Gaugrafen, deren Geschlecht im Jahr 1036 ausstarb. Die Grafen vom Wied erbten die Lehnshoheit über diesen Fronhof, der aber im zwölften Jahrhundert in den Besitz des St. Kastorstiftes in Koblenz überging. Dieses Stift hatte den größten Anteil an Landbesitz im Dorf Ems, andere geistliche Besitztümer lassen sich für das Kloster Arnstein und den Deutschen Orden nachweisen.

Der Ortskern des mittelalterlichen Dorfes Ems erstreckte sich westlich und südlich der Martinskirche, der Platz an der Linde diente als Dorfmittelpunkt. Dort errichtete man im 15. Jahrhundert auch das Rathaus, eine Mühle ist bereits ab dem Jahr 1311 belegt, gehörte aber wahrscheinlich ebenfalls dem St. Kastorstift. [Anm. 10]

Neben dem Weinbau und der Landwirtschaft spielte auch der Bergbau im Mittelalter eine wichtige Rolle. Die ältesten bekannten Stollen stammen aus dem 12. Jahrhundert und stehen wohl in einem direkten Zusammenhang zur kaiserlichen Urkunde aus dem Jahr 1158. Mit diesem Schriftstück verlieh Kaiser Friedrich I., genannt Barbarossa (um 1122 - 1190), dem Erzbischof Hilin von Trier die Rechte an den Emser Silbergruben. Die Vögte des Dorfes Ems versuchten vergeblich ihm dieses Recht und die damit verbundene lukrative Einnahmequelle abzustreiten. Das 12. und 13. Jahrhundert war ein Zeitraum des intensiven Bergbaus, der aber relativ abrupt endete, weil man mit den zeitgenössischen technischen Möglichkeiten an seine Grenzen stoß. Vom späteren technischen Schub der Möglichkeiten im 16. Jahrhundert finden sich in Ems jedoch keine Spuren, vielleicht hatte man die alten Stollen schlichtweg vergessen.

Ab dem 13. Jahrhundert übten die Grafen von Nassau die Vogteigewalt über die kirchlichen Besitzungen des Stiftes St. Kastor aus und somit waren sie auch die Vögte des Dorfes Ems. Diesen Einfluss bauten sie in den folgenden zwei Jahrhunderten zu einer Landesherrschaft aus. Eine Angehörige dieses Grafenhauses, die Gräfin Anna von Nassau heiratete im Jahr 1393 den Grafen Dieter von Katzenelnbogen. Durch diese Eheschließung erhielt auch das Grafenhaus Katzenelnbogen einen Anteil an den Vogteirechten. Der genannte Anteil schwankte zwar in seinem Umfang, verblieb jedoch bis zum Aussterben des Hauses im Jahr 1479 in deren Besitz. Ab diesem Zeitpunkt bis zum Jahr 1802 teilten sich die Grafen von Nassau (ab 1702 Fürsten von Nassau-Oranien) und die Landgrafen von Hessen (später: Hessen-Darmstadt) die Vogteirechte; eine sehr konfliktträchtige Situation für die Zukunft. [Anm. 11]

Um 1320 wird das Wildbad in Ems, also die Thermalquellen, erstmals schriftlich erwähnt. Wahrscheinlich planten die Vögte schon früh deren Ausbau und wirtschaftliche Nutzung. Dafür spricht auch die Verleihung der Stadtrechte aus dem Jahr 1324, womit die Grafen das Recht hatten einen Markt abhalten zu lassen und den Ort zu befestigen. [Anm. 12] Der Ausbau begann kurze Zeit später, um die Mitte des 14. Jahrhunderts mit dem Bau eines Turms oberhalb der Quelle, die sich heute unter dem Rundbau auf dem Kurplatz befindet. Erstmals erwähnt wird dieser Turm im Jahr 1382. Seine Funktion bestand in der Absicherung des Badevergnügens auf den Lahnwiesen.

Ebenso am Ausbau der Thermalquellen waren die Grafen von Katzenelnbogen interessiert. So vergaben sie beispielsweise im Jahr 1438 zusammen mit den Grafen von Nassau den Auftrag die Badeanlagen gemäß der vertraglich festgesetzten Bedingungen auszubauen. Die Pächter, ein Vater mit seinem Sohn, erhielten dafür als Entlohnung die Anlagen als Pacht auf Lebenszeit. Diese neue Bauphase lässt sich bereits 1473 nachweisen, es wurden Fachwerk- und Steingebäude ebenso errichtet wie eine Kapelle, die im darauffolgenden Jahr geweiht wurde. Durch diese Baumaßnahmen entstanden das Ober- und das Unterbad. Das Oberbad, welches den Turm mit den davon östlich liegenden Gebäuden umfasste, wurde vor allem von den Mitgliedern des Grafenhauses Nassau genutzt. Das Unterbad, welches ungefähr dem westlichen Teil der heutigen Brunnenhalle entsprach, war wiederum vornehmlich das Areal der Landgrafen von Hessen. Der mittelalterliche Badebetrieb bot den Gästen aber mehr als das reine Genießen der heißen Quellen. Es fanden sich Herbergen und Schenken und Bader, die versuchten die Gäste mit Hilfe von Techniken wie dem Schröpfen oder dem Aderlass von ihren großen und kleinen Leiden zu befreien. Auch in den Bädern selbst wurde für Abwechslung gesorgt. Es wurde Bier und Wein ausgeschenkt und Spielleute sorgten für die Unterhaltung der Anwesenden. Auch kannten die Besucher dieser Bäder keine Trennung nach Geschlechtern. Im späten Mittelalter war die geschlechterübergreifende gemeinsame Nutzung des Bades üblich, wobei es Sitte war, fast vollständig unbekleidet in die Quellen zu steigen.

Die Baumaßnahmen verfehlten ihre Wirkung nicht, das Emser Bad wurde zunehmend interessanter für Gäste, auch für solche von hoher Geburt und Rang. So finden sich in den Gästelisten neben Fürsten, Grafen und Markgrafen auch hohe Geistliche wie die Erzbischöfe von Mainz, Köln, Trier und Magdeburg. Der einzige Wehrmutstropfen für dieses Klientel war, dass sie ihre gewohnten Luxusgüter noch selbst mit nach Bad Ems mitbringen mussten. Trotz dieser hochrangigen Besucher war Ems schon damals kein Adelsbad. Dies zeigt sich auch in der Einrichtung des „Gudeludebadt“, welches im Jahr 1473 erstmals erwähnt wurde. Es handelte sich hierbei um ein „Armenbad“, das eigens für diese soziale Schicht errichtet worden war. Jenes Bad verfügte über eine eigene Thermalquelle und stand westlich des heutigen Kurhauses und demnach separiert vom Badebetrieb für die gehobenen Gäste. [Anm. 13]

0.4.Ems in der Frühen Neuzeit

Durch die im vorherigen Abschnitt geschilderten Baumaßnahmen, vor allem im späteren Bad Ems, wuchs Ems über seinen ursprünglichen Dorfcharakter hinaus, eine Bezeichnung als Stadt wäre jedoch nicht gerechtfertigt. In den Quellen wird Ems alsFlecken bezeichnet. Die Forschung nennt solche Ortschaften auch „Minderstädte“. [Anm. 14] Trotzdem versuchte man in Ems an zeitgenössische städtische Entwicklungen anzuknüpfen, so beispielsweise durch den bereits erwähnten Bau eines Rathauses, der Etablierung eines Rates und eines Bürgermeisters. Im Jahr 1581 errichteten die Landgrafen von Hessen zudem den großen Lahnbau im Stil der Renaissance auf dem Gelände, welches auch heute vom Kurschloss geprägt ist. Es ragte jedoch damals noch in die Lahn hinein. [Anm. 15]

Die Frühe Neuzeit ist eine Epoche, die von ungünstigen Wetterlagen, Missernten, Seuchen und Kriege geprägt war. Diese Katastrophen prägten auch in Bad Ems die Menschen. So sorgten beispielsweise die Zerstörungen und Plünderungszüge während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648) dafür, dass der Ort Ems zeitweise geräumt werden musste. Die Bewohner zogen sich in Ortschaften wie das nahegelegene Braubach zurück, die über bessere Verteidigungsmöglichkeiten verfügten. Aber auch wenn man dort einen gewissen Schutz vor kriegerischen Überfällen hatte, vor Seuchen und dem Hungertod konnte man nicht fliehen. Im Jahr 1638 kehrte im wahrsten Sinn des Wortes der „Rest“ der ehemaligen Bewohner in das völlig zerstörte Ems zurück: es waren 21 der ehemals 100 Familien, über die 80 anderen Familien sind keine Zeugnisse überliefert, was bedeutet, dass sie entweder verstorben oder umgezogen sind. [Anm. 16] Trotz des Endes des Dreißigjährigen Krieges kam Ems nicht zur Ruhe, in der Nacht vom 7. zum 8. September des Jahres 1712 überquerten französische Soldaten, die am Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1714) teilnahmen, den Rhein und drangen nach Ems vor. Die Franzosen begnügten sich jedoch nicht mit dem Verursachen von immensen materiellen Schäden, sondern sie nahmen auch 20 Bewohner gefangen, verschleppten diese und gaben sie erst nach der Zahlung eines Lösegeldes wieder frei. [Anm. 17] Auch Großbrände richteten in Ems verheerende Schäden an: Bereits im Jahr 1683 brannte es im Ort, im Jahr 1720 erneut. Der letztgenannte Brand forderte drei Tote, 46 Häuser und viele Nebengebäude wurden von den Flammen zerstört, was viele bis dahin wohlhabende Einwohner in die Armut stürzte. [Anm. 18]

Der bereits angesprochene Zeitraum des 17. und 18. Jahrhunderts zeichnete sich jedoch nicht nur durch viele kriegerische Auseinandersetzungen aus, sondern auch durch Missernten und Seuchen, die auch in Ems nicht folgenlos blieben. So sorgten die Begleiterscheinungen der „kleinen Eiszeit“ dafür, dass die Weinwirtschaft immer mehr zurückging und dafür vermehrt Obstbäume gepflanzt wurden. Die Menschen der damaligen Zeit konnten sich nicht erklären, warum sich das Klima so zu ihrem Nachteil verändert hatte. Man suchte einen Sündenbock und fand ihn: Wie in vielen anderen Gebieten Deutschlands kam es auch in Ems zu Hexenprozessen. Der erste überlieferte Prozess stammt aus dem Jahr 1593, wurde aber eingestellt. Im Zeitraum der Jahre 1629 - 1631 finden sich in den Akten des Hessischen Hauptstaatsarchivs Zeugnisse von fünf Hexenprozessen, von denen im Folgenden drei vorgestellt werden sollen:

Der erste stammt aus dem Jahr 1629. Die Gemeinde führte einen Prozess gegen die Bäckersfrau Elsbeth Schäfer aufgrund folgender Vorwürfe:

  • Mord an einer Frau durch vergifteten Wein
  • Mord an einem Säugling durch Berührung
  • Mord an einem kranken Kind durch Berührung

Nach der Anwendung von Folter gestand Elsbeth Schäfer alle ihr vorgeworfenen Taten. Trotz dieses Geständnisses und der Denunziation anderer wurde sie öffentlich erneut gefoltert und anschließend hingerichtet. [Anm. 19]

Im Prozess gegen die Hebamme und Heilkundige Ehle Jost finden sich detaillierte Protokolle über die Arten der angewendeten Folter, wie beispielsweise die Verwendung des Zuges und des „spanischen Stiefels“. Die Frau zerbrach an der Folter und gestand aus Angst vor der erneuten Durchführung des Martyriums. Öffentlich bestätigte sie diese Aussage und wurde anschließend auf dem Hexengreen, einem Richtplatz auf der Ostspitze der Insel Silberau hingerichtet.[Anm. 20]

Der letzte Prozess, der hier erwähnt werden soll, richtete sich gegen die damals bereits schon über 90jährige Krämerin Sophia, die von ihrem Schwiegersohn angezeigt wurde. Ihr Alter schützte sie vor dem herkömmlichen Verfahren und es wurde ein Gutachten aus Marburg eingeholt. Sophia wurde danach zwar freigelassen, wurde jedoch gezwungen Ems zu verlassen. [Anm. 21]

Während sich in den meisten anderen Gebieten des Landes die Zünfte bereits im Mittelalter ausgebildet hatten, findet sich in Ems der erste Nachweis einer solchen Organisation erst aus dem Jahr 1687, als Bäcker und Brauer eine eigene Zunftordnung erlassen. [Anm. 22] Diese regelte nicht nur die Ausbildung von Lehrlingen, sondern enthielt auch schon Angaben, die wir heute als Verbraucherschutzmaßnahmen bezeichnen würden und die strenge Qualitätsvorgaben machten. Der späte Nachweis einer Zunft in Ems lässt vermuten, dass Handwerk und Gewerbe bis zu diesem Zeitpunkt eine untergeordnete Rolle gespielt haben. Ebenfalls im 17. Jahrhundert finden sich die ersten Nachweise von Köhleraktivitäten in den umliegenden Wäldern von Ems. Diese versorgten das Hüttenwerk im Emsbachtal mit Energie. Reste dieser Tätigkeit sind noch heute an vielen Berghängen in Form von Podesten der ehemaligen Kohlenmeier erkennbar. Ebenso wurden zwei weitere Mühlen in Ems errichtet. Mit dem Beginn des 18. Jahrhundert ist ein wirtschaftlicher Aufschwung zu verzeichnen, welcher auch daran zu erkennen ist, dass sich ab dem Jahr 1700 vermehrt Handwerker und Logierwirte in Ems ansiedeln, was zum einen in direktem Zusammenhang mit dem massiven Anstieg der Anzahl der Emser Badehäuser steht und zum anderen mit dem Aufschwung im Bergbau. [Anm. 23]

Das bereits im vorherigen Abschnitt thematisierte Armenbad sorgte immer wieder für Beschwerden durch die besser gestellten Kurgäste. Für Instandsetzungsarbeiten am Gebäude fanden sich nur selten Investoren, sodass das Haus bereits im Jahr 1652 als baufällig beschrieben wurde. Die Bettelordnung von 1716 dämmte die Anzahl der armen Kurgäste sehr stark ein, da von nun an nur noch denjenigen armen Kurgästen der Zutritt gewährt wurde, denen ihr Bedürfnis nach einer Kur von einem Arzt schriftlich bescheinigt worden war. Im Zuge der geistigen Bewegung der Aufklärung und des damit verbundenen Aufschwungs in den Wissenschaften entstanden auch detaillierte Anweisungen zur richtigen Durchführung einer Kur. Diese bereiteten dem geselligen Beisammensein, das sich am Ende des Mittelalters etabliert hatte, ein Ende. Das gesellige Leben verlagerte sich auf die Kurpromenade und die Kursäle. Neben dem Baden gab es nun Trinkkuren mit dem heilenden Trinkwasser. Auch in der Phase des intensiven Bauens ab etwa 1700 lässt sich dieser Wandel aufzeigen, denn von nun an wurde darauf geachtet, dass es für Männer und Frauen getrennte Badebecken gab. Auch wurde es üblich Badegewänder zu tragen, die den ganzen Körper bedeckten. Da sich die beiden Ladesherren Hessen und Nassau aufgrund von internen Zwistigkeiten nur selten auf gemeinsame Bauvorhaben einigen konnten, kam der Anstoß zu weiteren Bauten aus privaten Initiativen. So wurden am Ende des 17. Jahrhunderts verschiedene neue Gebäude errichtet: private Badehäuser wie das Steinerne Haus, das 1968 aufgrund von Straßenbauarbeiten abgerissen wurde, das herrschaftliche Haus „Vier Türme“ sowie Bürger-, Handwerks- und Gästehäuser, die auf beiden Seiten der Lahn errichtet wurden. Aber auch der Mainzer Erzbischof, dessen Kurmainzer Gebiet nur wenige Ruderschläge vor den Thermalquellen endete, baute auf der heutigen Seite des Bahnhofes ein Anwesen, das in stark veränderter Form noch heute besteht und als „Mainzer Haus“ bekannt ist. In diesem Gebäude wurde im Jahr 1786 die sogenannte Emser Punktation unterschrieben, die den Einfluss der Erzbischöfe des Heiligen Römischen Reiches gegenüber der Gewalt des Papstes stärken sollte.

Im Jahr 1695 erkannten die beiden Landesherren, dass sich ihre internen Rivalitäten lediglich negativ auswirkten und teilten das Bad aus diesem Grund offiziell unter sich auf. Dies war der maßgebliche Anstoß für neue Bauvorhaben. So begannen die Landgrafen von Hessen mit dem Bau des „Neuen Bades“, eines dreigeschossigen Gebäudes, dessen Erdgeschoss sich bis heute in der Form der Brunnenhalle des Kurgebäudes erhalten hat. [Anm. 24] Der ehemalige Haupteingang ist heute noch erkennbar, da sich darüber das Wappen der Landgrafen von Hessen befindet. Nassau baute indes das neue nassauische Badehaus mit einem sich daran anschließenden Ostflügel, der heute ebenfalls am Gebäude erkennbar ist. Ein Westflügel war zwar ursprünglich geplant, wurde aber aus Kostengründen oder aufgrund erneuter Auseinandersetzungen mit den Landgrafen von Hessen nicht verwirklicht.

Im gleichen Zeitraum wurde ein neuer Gesellschaftssaal errichtet, der mit der im Jahr 1720 erlassenen Gebührenordnung die Grundlage für den in Ems einsetzenden Spielbetrieb lieferte. Durch die vielen Bauprojekte wuchsen das Dorf und der Kurort Ems nun allmählich zusammen. Trotz des brachliegenden Erzabbaus gab es vermehrt ab der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts Hüttenwerke an der unteren Lahn, die vom Unternehmer Jean Mariot aus Lüttich betrieben wurden. Zu diesen zählt z.B. die Emser Hütte am Emsbach, die ab dem Jahr 1662 Eisenerze aus Dernbach zu Kanonen verarbeitete. Nach Erschöpfung der Vorkommen wurde die Hütte im Jahr 1729 stillgelegt. Im Jahr 1743 erhielten zwei Bergleute die Konzession, die „alten Bergewerke“ wieder in Betrieb zu nehmen. Diese hatten lange den Charakter eines Kleinbetriebes und erzielten trotz eines genossenschaftlichen Zusammenschlusses keinen Profit. Die Bendorfer Gesellschaft Remy, Hoffmann & Co. erwarb diese Gruben im Jahr 1780 und verbesserten die Bedingungen des Abbaus durch technische Neuerungen und weitere Innovationen, sodass die Emser Gruben am Ende des 18. Jahrhunderts Arbeitsplätze für 120 Menschen boten und sich der Bergbau zu einer wichtigen Einnahmequelle für Ems und dessen Bewohner entwickelten, die laut eines landgräflichen Erlasses aus dem Jahr 1781 bevorzugt einzustellen waren. Im Zuge des Aufschwunges wurden auch neue Schmelzhütten errichtet. So die Emser Hütte oberhalb des Dorfes Ems am Emsbaches. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S. 68,69.

Um das Jahr 1800 wurde der Fronhof des St. Kastorstiftes aufgegeben und als Zehnthof neu errichtet. Es handelte sich hierbei um ein großes einstöckiges Haus mit Zehntscheuer und Kelterhaus, welches hauptsächlich als Weingut des Stiftes, aber auch als Stelle zur Zins- und Pachtabgabe für die an das Stift gebundenen Bauern genutzt wurde. In den gleichen Zeitraum fällt auch der Niedergang des Einflusses des Kastorstiftes, da immer mehr Rechte an die Landesherren und die Bevölkerung übergingen.

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0.5.Das 19. Jahrhundert

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts besuchte jährlich eine dreistellige Anzahl von Kurgästen Ems. Am Ende des Jahrhunderts waren es über zehntausend. Der Besucherandrang sorgte bereits in den 1820er Jahren für einen neuen Bauboom, der vor allem durch den Ausbau der Römerstraße geprägt war. [Anm. 25] Diese Straße verband bis dahin das Dorf und den Kurort Bad Ems. Durch die Errichtung verschiedener Hotels und Logierhäuser gestaltete sich dieser Übergang bald fließend, was noch heute im Stadtbild sichtbar ist. Ebenfalls noch erkennbar ist die Bautätigkeit auf der anderen Lahnseite, wo viele prächtige Landhäuser im Villenstil entstanden, beispielsweise die Villen Balzer und Nova, sowie das Schloss Balmoral. [Anm. 26] Die Gründe für den rapiden Anstieg der Kurgastzahlen waren vielfältig. So hatte die hohe Anzahl von prominenten Besuchern in Ems eine anziehende Wirkung. Der Kurort Bad Ems und das dortige Heilwasser genossen ferner einen hervorragenden Ruf in der Medizinwelt. Schließlich wurden auch die Transport- und Reisemöglichkeiten durch den Bahnanschluss im Jahr 1858 entscheidend verbessert. [Anm. 27]

Betrachtet man die Zusammensetzung der Kurgäste lässt sich nun feststellen, dass es einen hohen Anteil an Ausländern gab, überproportional häufig stammten die Gäste aus Frankreich und Russland. Wie bereits erwähnt, war Ems ein sehr beliebter Kurort für bekannte und/oder hochgestellte Persönlichkeiten. [Anm. 28] Zunächst soll der russische Schriftsteller Fjodor M. Dostojewski (1821- 1881) erwähnt werden. Im örtlichen Casino konnte er zwar nicht mehr spielen, es hatte zum Zeitpunkt seines ersten Besuches bereits geschlossen, aber er beschrieb Ems in einem Brief an seine Frau als einen idyllischen und schönen Ort. So schreibt er:

„Was ist die Schweiz, was die Wartburg im Vergleich … zu dieser letzten Hälfte des Weges nach Ems … Das Städtchen Ems liegt in einer tiefen Schlucht zwischen bewaldeten Hügeln … An Felsen (die malerischsten der Welt) lehnt sich das Städtchen … Es gibt Promenaden und Gärten – und alles reizend.“[Anm. 29]

Der Zeit seines Lebens unter Geldnöten leidende Schriftsteller beschwerte sich gegenüber seiner Gattin aber auch über die horrenden Preise und die schlechte Ausstattung der Zimmer in Ems. Diese negativen Faktoren schienen der Produktivität seiner Arbeit aber nicht abträglich gewesen zu sein. So entstanden in Ems Teile seiner Werke „Der Jüngling“ (1874) und die „Brüder Karamasow“ (1879). Jacques Offenbach (1819-1880) gehört ebenfalls zu den Prominenten unter den Kurgästen in Ems. Während seiner Aufenthalte komponierte er mehrere Einakte, welche er auch im Kursaal aufführen ließ. Weiterhin entstanden in Ems aber auch große Teile seines wohl bekanntesten Werkes „Orpheus in der Unterwelt“. Auch von ihm sind uns Zeugnisse seiner Einschätzung des Kurortes überliefert:

„Ich gestehe, dass ich für Ems eine ganz besondere Vorliebe habe, nicht nur, dass es die Quelle meiner Gesundheit ist, es regt in mancher Hinsicht auch meine schöpferische Phantasie an.“[Anm. 30]

In Ems wurden offensichtlich aber auch mehr oder weniger geheime Liebschaften gepflegt. So findet sich im örtlichen Museum in Ems ein Brief der Fürstin Katarina Dolguriki aus dem Jahr 1870, worin sie schreibt, dass sie in Ems auf ein Treffen mit ihrem Geliebten hoffe. Bei diesem handelte es sich um keinen geringeren als Zar Alexander II. (1818 - 1881), der die Fürstin Katharina nach dem Tod seiner Frau im Jahr 1880 sogar ehelichte. Allerdings darf man sich von diesen Eindrücken nicht täuschen lassen, der Anteil der adligen Badegäste lag nie über 20% und damit war Ems auch in der Zeit seiner größten Blüte kein Adelsbad. Was sich aber eindeutig feststellen lässt, ist, dass die Anzahl der Badegästesprunghaft anstieg, wenn bekannt war, dass dort hochrangige Gäste logierten, wie der bereits genannte Alexander II., aber auch der deutsche Kaiser Wilhelm I. (1871 -1888) sorgten für diese Wirkung. Das Motto „sehen und gesehen werden“ existierte also schon damals. Kaiser Wilhelm I. war auch der Protagonist der Episode, die sich um die sogenannte „Emser Depesche“ im Jahr 1870 abspielte und die zum deutsch-französischen Krieg führte.
In medizinischer Sicht gab es im 19. Jahrhundert erhebliche Verbesserungen: Das berühmte Quellwasser wurde nun nicht mehr ausschließlich für die Behandlung von Asthmaerkrankungen verwendet, sondern fand auch zunehmend Verwendung bei HerzKreislauf-Erkrankungen. Es entstanden weitere Quellenprodukte, die teilweise bis heute in ganz Europa vertrieben werden. Zunächst begann man das Quellwasser in Krügen abzufüllen und so zu vertreiben. Im Jahr 1858 wurde die erste „Emser Pastille“ hergestellt, die so erfolgreich wurde, dass es sogar Versuche gab, sie zu kopieren. Diese wurden aber durch die Zuteilung einer Schutzmarke unterbunden. Heute wird dieses Medikament von der Firma Siemens hergestellt und hat eine Produktionshöhe von 100 Millionen Stück pro Jahr. [Anm. 31]

Die erste Hälfte des 19. Jahrhundert stellte die größte Blütezeit des Kurbetriebs und der sich anschließenden Wirtschaftszweige dar. In der zweiten Hälfte des Jahrhunderts ging die Bedeutung von Bad Ems jedoch allmählich zurück. Der Hauptgrund dafür war das Aufkommen der Seebäder, die sich nach und nach zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz entwickelten. Hingegen erfuhren andere Wirtschaftszweige, die nicht direkt in Verbindung zum Kurbetrieb standen, am Anfang des 19. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung. Hans-Jürgen Sarholz charakterisiert den Aufschwung im Bergbau folgendermaßen: Es „vollzog sich […] eine rasante Entwicklung von eher ländlichen, vorindustriellen Flecken zu einem der bedeutendsten Standorte des Metallerzbergbaus in Westdeutschland. Mit der Übernahme der Emser Gesellschaft durch die spätere Stolberger Zink AG im Jahr 1909 Gruben, Aufbereitung und Hütte zu einem der führenden Industrieunternehmen im Rheinland.“ [Anm. 32] Abschließend ist zum 19. Jahrhundert zu bemerken, dass es in Ems ein ungewöhnlich hohes Bevölkerungswachstum gegeben hat, welches zum einen auf die höhere Lebenserwartung durch die technischen und medizinischen Innovationen der Zeit beruht und zum anderen hauptsächlich auf den vermehrten Zuzug zurückzuführen ist. So gibt es eine Statistik aus dem Jahr 1854, welche belegt, dass 43% der Bürger, die an diesem Jahr in Ems wohnten, nicht dort geboren worden waren, so Sarholz. [Anm. 33]

0.6.Das 20. Jahrhundert

Der Erste Weltkrieg schadete dem Bergbau in Ems nicht, erst die Wirtschaftskrise der späten zwanziger Jahre sorgten für existenzielle Schwierigkeiten. Hinzu kamen immer wieder kehrende Konflikte mit der Kurleitung, welche Angst vor einer Beeinträchtigung der unterirdischen Thermalquellen hatten. Heute gilt es als bewiesen, dass das Vorantreiben der Stollen sich negativ auf die Quellen auswirken.
Während des Zweiten Weltkrieges erlebte der Emser Bergbau noch einmal eine kurze Blüte, sodass im Jahr 1941 die 15. Tiefbausohle in 900m Tiefe erreicht werden konnte. Ende März des Jahres 1945 sorgte ein Stromausfall nach einem amerikanischen Granatbeschuss für einen Ausfall der Pumpen. Daraufhin sammelte sich immer mehr Wasser in den Stollen. Alle sich unter Tage befindenden Bergleute konnten die Schächte über Notleitern verlassen, aber der Abbau wurde nicht wiederaufgenommen, die Aufbereitung wurde auf die Insel Silberau verlegt und dort noch bis zum Jahr 1959 weiter betrieben. Die Kriegsauswirkungen des Ersten Weltkriegs machten auch vor Bad Ems nicht halt. Auch hier litt man unter der mangelnden Versorgungslage. [Anm. 34] Dies wurde aber noch durch den exzessiven Schleichhandel einiger Hoteliers, die ihren Gästen auch in Kriegszeiten die exklusivsten Wünsche erfüllen wollten, verschlimmert. Kriegstote waren ebenso Ems zu beklagen, insgesamt ließen 185 Männer ihre Leben in diesem Krieg. Bei Kriegsende herrschte in Bad Ems für wenige Tage ein Arbeiter- und Soldatenrat. [Anm. 35] Entsprechend den Bedingungen des Versailler Vertrages gehörte Bad Ems zum rechtsrheinischen Brückenkopf, welcher durch französischen Soldaten besetzt wurde. Zeitweise wohnten damals bis zu 4000 Soldaten in der Stadt, die bis zur Fertigstellung einer neuen Kaserne in den Hotels und Logierhäusern untergebracht waren. [Anm. 36] Dies hatte zur Folge, dass die Kapazität für die Unterbringung der Kurgäste nur noch die Hälfte der Vorkriegszeit betrug. Weiterhin kam es auch immer wieder zu Spannungen zwischen der Bevölkerung und den vor Ort stationierten Soldaten.

Das Jahr 1922 stellt ein einschneidendes Datum für den Kurbetrieb in Bad Ems dar. Die Kurleitung wurde aufgelöst, der Kurbetrieb wurde nun Eigentum des preußischen Staates. Dieser investierte unter anderem in einen neuen Golfplatz vergab Bäderkredite an die Kurorte. Langfristig zeigten diese Maßnahmen aber kein Erfolg. Die ersten Privatkliniken ließen sich in Bad Ems nieder, unter anderem auch die heutige Malbergklinik. Die Probleme der Weimarer Republik, wie das des „Vielparteienstaates“, sind auch in Bad Ems nachweisbar und gipfelten im sogenannten Separatistenputsch. Dieser verlor durch den Schutzentzug der Franzosen aber seine Basis, sodass die vorübergehend eingerichtete Rheinische Republik wieder aufgegeben wurde. Die Weltwirtschaftskrise traf aber nicht nur den Bad Emser Bergbau. Auch in Bad Ems kämpfte man sowohl mit der Inflation, wobei das Separatistengeld als zusätzliche Belastung wirkte, als auch mit der Massenarbeitslosigkeit. Diese Phänomene schürten die Begeisterung für extremistisch ausgerichtete Parteien und deren Führer, sodass bei der Wahl im November des Jahres 1932 KPD und NSDAP 50 Prozent der Wählerstimmen erhielten. Am Abend vor der sogenannten Machtergreifung des Adolf Hitler gab es auch in Bad Ems einen „Fackelzug“ der SA durch die Stadt, der von Freudenfeuern begleitet wurde. [Anm. 37] Mit der Wahl vom 5. März des Jahres 1933 wurde die NSDAP in Bad Ems die stärkste Partei. Der Bürgermeister wurde abgelöst und durch einen Nationalsozialisten ersetzt. Was auf den höheren politischen Ebenen durchgesetzt wurde, machte auch vor Bad Ems nicht halt: die Gleichschaufltung, die Durchdringung der Kommunalverwaltung mit Anhängern der NSDAP und Diskriminierung von Juden. Im Sommer 1933 fand die erste Hetze von politischen Gegnern durch die Stadt statt. Der Kriegsalltag in Bad Ems war geprägt durch die Einberufung junger Soldaten und später auch das vermehrte Auftreten von Fliegeralarm. In Bad Ems wurden, so wie beispielsweise im Kurhaus und im Hotel Römerbad, Lazarette eingerichtet, um die zahlreichen Kriegsverletzten zu versorgen. Es kamen aber auch Kriegsgefangene und Ostarbeiter zum Arbeitsdienst nach Ems. Die Fliegerbomben forderten auch in Bad Ems Todesopfer und zerstörten Häuser. Im Gegensatz zu den Verwüstungen anderer Orte, ging diese Zeit für Bad Ems aber recht glimpflich aus.

Am Ende des Krieges, dem 26. März 1945 wurden gemäß dem Befehl Adolf Hitlers alle Lahnbrücken gesprengt, so auch jene in Ems. Doch schon einen Tag später wurden beide Seiten des Flusses von den Amerikanern besetzt, die bis zum 10. Juli dortblieben. Anschließend war Bad Ems erneut Bestandteil der französischen Zone. Erneut begann eine Zeit der Besatzung. Im Ort wurden französische Militärbehörden eingerichtet, zeitweilig waren bis zu 900 Soldaten in der Stadt stationiert. Deren Einquartierung erforderte die Umsiedlung einiger Bürger, worauf diese mit Unruhen reagierte. Die daraus resultierende Wohnungsnot wurde durch die Ankunft von Vertriebenen und Ostflüchtlingen in Bad Ems noch weiter verschlimmert. Spürbar besser wurde die Situation erst im Jahr 1953, als die Besatzungstruppen die Stadt verließen.
Ein wirtschaftlicher Umschwung konnte bereits 1948 durch die Währungsreform erreicht werden. So wurden durch die Niederlassung des Statistischen Landesamtes Rheinland-Pfalz in Bad Ems neue Arbeitsplätze geschaffen. Keiner der bisherigen Gewerbezweige konnte jedoch an die Erfolge der Vorkriegszeiten anknüpfen, was sich an den seitdem sehr niedrigen Gewerbesteuereinnahmen der Stadt ablesen lässt.

Im Jahr 1969 wurde Bad Ems Kreisstadt des Rhein-Lahn-Kreises und bereits drei Jahre darauf ebenso der Mittelpunkt der neu eingerichteten Verbandsgemeinde, die die Orte Arzbach, Becheln, Dausenau, Fachbach, Frücht, Kemmenau, Miellen und Nievern umfasste. Deren Verwaltung saß bis 1992 im Alten Rathaus (Römerstraße 92), wo heute das Stadtmuseum untergebracht ist und zog danach in das neue Rathaus (Bleichstraße 1), in dem wiederum zuvor das ehemalige Marienkrankenhaus war. [Anm. 38]

Die Nachkriegszeit ist durch einen beständigen Rückgang des Kurbetriebes geprägt, sodass man immer wieder versuchte, neue Wege zu finden, den historischen Ort für den Tourismus attraktiv zu gestalten. Ein Meilenstein auf diesem Weg war die Eröffnung der Umgehungsstraße im Jahr 2006: nun verläuft die Hauptverkehrsader nicht mehr durch das historische Kurviertel.
Der Kurbetrieb wurde für weite Teile der Bevölkerung geöffnet, vermehrt wurden nun Kuren gesetzlich Versicherten zugänglich gemacht. In den späten sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts wurde ein neues Kurgebiet auf der Bismarckhöhe eingerichtet. [Anm. 39] Dort wurden ab dem Jahr 1976 verschiedene Kliniken eröffnet, die teilweise bereits wieder geschlossen sind. Das eigentliche Staatsbad wurde 1972 in eine GmbH umgewandelt und schließlich teilweise privatisiert. Bestrebungen dahingehend, private Investoren zu gewinnen, sind seitdem ununterbrochen nachweisbar.

Während in den siebziger und achtziger Jahren das neue Stadtviertel „Bismarkhöhe“ bebaut wurde, verlagerten sich die baulichen Aktivitäten in den neunziger Jahren auf das Emsbachtal. Die wirtschaftliche Entwicklung des westlichen Stadtteils wurde durch einen Platz mit Geschäften, Praxen und gastronomischen Betrieben gefördert.[Anm. 40] Das kulturelle Leben der Kurstadt Bad Ems ist heute vielfältig. Veranstaltungen wie der Bartholomäusmarkt, der sich unter anderem durch Deutschlands größten Blumenkorso auszeichnet, und Einrichtungen wie das Künstlerhaus Schloss Balmoral sowie das Kur- und Stadtmuseum zeichnen die Stadt aus und sind geprägt durch das Engagement von Vereinen und Einzelpersonen. [Anm. 41]

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Nachweise

Verfasserin: Stephanie Eifert
Redaktionelle Bearbeitung: Jasmin Gröninger
Verwendete Literatur:

  • Sarholz, Hans-Jürgen: Geschichte der Stadt Bad Ems, Bad Ems, 2. Auflage, 1996.
  • Sarholz, Hans-Jürgen: Bad Ems, Steifzug durch die Geschichte, Bad Ems, 2. Auflage, 2010.
  • Sommer, Hermann: Zur Kurnach Ems. Ein Beitrag zur Geschichte der Badereise von 1830 bis 1914. Stuttgart 1999 (Geschichtliche Landeskunde Band 48.).
  • VG Bad Ems-Nassau, URL: www.vgben.de/bad-ems-nassau/gemeinden/stadt-bad-ems, Aufruf am 28.08.2019

Veröffentlicht am: 11.02.2020

Anmerkungen:

  1. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.11. Zurück
  2. Vgl. Ebd, S.14 Zurück
  3. Ebd. Zurück
  4. Sarholz, Bad Ems, 1996, S. 15. Zurück
  5. Ebd. Zurück
  6. Vgl. Ebd. S.24.  Zurück
  7. Vgl. Ebd. S.24. Zurück
  8. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.15; Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S. 26
     Zurück
  9. Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S.28. Siehe auch Ebd. S.31, 32, 34. Zurück
  10. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.18. Zurück
  11. Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1994, S 38, ff. Zurück
  12. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.22. Zurück
  13. Vgl. Ebd., S.34. Zurück
  14. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.22. Zurück
  15. Vgl. Ebd. S.32. Zurück
  16. Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S.98. Zurück
  17. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.23.; Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S.99.  Zurück
  18. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.23. Zurück
  19. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.25; Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S. 103, 104., 105; Siehe auch Bach, Adolf: Hexenprozesse in der Vogtei Ems. Bad Ems 1927. Zurück
  20. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.25; Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S. 105, 106, 107 Zurück
  21. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.26; Vgl. Sarholz, Bad Ems, 1996, S.107, 108.  Zurück
  22. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.25.  Zurück
  23. Mehr zum Emser Bergbau siehe: Sarholz, Streifzug 2010, S.64-76. Zurück
  24. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.41. Zurück
  25. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.47, 48 Zurück
  26. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.79. Zurück
  27. Vgl. Sommer, Kur, 1999, S.95, 96, 97 Zurück
  28. Mehr dazu vgl. Tabelle, in Sarholz, Streifzug, 2010, S.60, 61. Zurück
  29. Zit. Nach Dostojewski, in: Sarholz, Streifzug, 2010, S.58. Zurück
  30. Zit. Nach Offenbach, in: Sarholz, Streifzug, 2010, S.59. Siehe auch Sommer, Kur, 1999, S.75.  Zurück
  31. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.63. Zurück
  32. Ebd., S.69. Zurück
  33. Vgl. Ebd., S.82 Zurück
  34. Vgl. Sarholz, Streifzug, 2010, S.94. Zurück
  35. Vgl. Ebd., S.95 Zurück
  36. Vgl. Ebd., S.95. Zurück
  37. Vgl. Ebd., S.98 Zurück
  38. Vgl. Ebd., S.104. Zurück
  39. Vgl. VG Bad Ems-Nassau (Internetquelle), Aufruf am 28.08.2019. Zurück
  40. Vgl. VG Bad Ems-Nassau (Internetquelle), Aufruf am 28.08.2019 Zurück
  41. Vgl. VG Bad Ems-Nassau (Internetquelle), Aufruf am 28.08.2019. Zurück