Oberwesel am Mittelrhein

Stadtbefestigung

Die Stadtbefestigung ist mit ihren sechzehn (von ehemals einundzwanzig) Türmen und der noch fast vollständig stehenden Mauer eines der besterhaltenen Bauwerke dieser Art im Rheinland. Mit ihrem Bau dürfte bald nach 1213 (1220?) begonnen worden sein. Um 1240 wird die Mauer um die Kernstadt erhöht. Im Jahr 1257 wurde die Befestigung erstmals erwähnt. König Richard von Cornwall stellte damals in einer Urkunde fest, dass die Stadt von einer Mauer umgeben ist.
Nach Schwarz wurde die Mauer um die südliche Vorstadt um 1250, kurz danach auch die um den Vorort Niederburg errichtet und um 1350 die Mauer um Kirchhausen gezogen. Für Dehio wurden die beiden Vorstädte im Norden (Niederburg, mit dem ehem. Zisterzienserinnenkloster Allerheiligen) und im Süden (Kirchhausen, mit dem Liebfrauenstift) erst um 1400 bzw. Mitte 15. Jahrhunderts (1444?) in den Befestigungsgürtel einbezogen.
Im Weseler Krieg (1390/91) war die Stadtmauer beschädigt worden. Nach Beendigung der Feindseligkeiten wurden die Schäden beseitigt und die Mauer weiter verstärkt.
Die Tatsache, dass die Stadtmauer nicht mit der Burg in Verbindung stand, ist für das Gebiet des Mittelrheins einmalig. Der Bering ist wegen des schmalen Ufergeländes, das für den Bau zur Verfügung stand, nur 150-300 cm breit. Der Gesamtumfang des Befestigungswerkes beträgt, mit Einschluss der spätmittelalterlichen Erweiterungen, aber immerhin 1.200 m.
Das Straßensystem ursprünglich unregelmäßig leiterförmig mit zwei Längsverbindungen (Unter- und Obergasse) und vielen Quergassen; die heutige Hauptstraße erst 1828-30 ausgebrochen.

Die Stadtmauer in Zahlen

Ochsenturm

Mit einer Länge von insgesamt 2575 Metern umschloss sie einst die ganze Stadt. Zumeist ist die Mauer auf Streifenfundamenten errichtet, die 1.50 m unter das heutige Straßenniveau hinabreichen. nur an dem steilen Hanggelände des Michelfeldes und in der Nähe des Haags Turmes wurde die Mauer auf PfeilerfUndamente gegründet. Fast immer beträgt die Mauer-stärke 2,40 m. Auf dem Michelfeld und um Kirchhausen war sie nur 1,80 m stark. Am Rhein entlang hatte die Mauer eine Höhe von 8,0 m bis 8,50 m. Um die Vorstadt Niederburg lag die Mauerkrone 16 m über der Grabensohle, auf dem Michelfeld 11 m. Am Ende des Mittelalters sicherten 22 Türme die Stadt; davon waren 8 Türme Tortürme. Drei große Stadttore hatten keinen eigenen Turm. Hinzu kamen noch 13 Mauerpforten. Von den ehemals 22 Türmen sind 16 heute noch erhalten; von dreien sind die Stümpfe noch zu erkennen.

Die Topographie und das alte Wegenetz diktierten den Verlauf der Mauer. In Oberwesel waren die naturräumlichen Gegebenheiten für eine Stadtbefestigung nicht günstig. Die Stadt liegt eingeengt zwischen steilem Berghang und Strom auf einem schmalen Uferstreifen. Der wird zudem noch von zwei tief eingekerbten Bächen mit ihren Schuttkegeln zerschnitten. So beträgt die Nord-Südausdehnung etwa 1200 m, die Ost-Westausdehnung an der breitesten Stelle keine 300 m, an der schmalsten kaum 150 m Die strategisch ungünstige Form der Stadtmauer als extrem langgezogenes, aber sehr schmales Trapez machte es erforderlich, die Mauer mit vielen Treppenaufgängen zu versehen, um bei Gefahr die Wehrgänge rasch besetzen zu können. Die vielen Lauftreppen sind geradezu ein Charakteristikum der Oberweseler Stadtbefestigung. Über den strategischen Nutzen hinaus erleichterten die vielen Treppen aber auch den Mauerbau, weil man sich die Montage von Aufzügen ersparen konnte. Das Baumaterial wurde über die Treppen hoch getragen.

Koblenzer Tor

Aus dem 13. Jahrhundert sind große Teile der Altstadtbefestigung, vor allem die Mauer am Rhein, erhalten. Der alte Verlauf der Mauer im Norden beim Kölner Torturm zum Niederbachtal und im Süden beim Turm der Villa Nova ist deutlich ablesbar; Wernerkapelle und Martinskirche waren von Anfang an mit umschlossen. Mit Beginn der trierischen Epoche am Anfang des 14. Jahrhunderts wurden die Mauer durch Schalentürme verstärkt (vgl. Bacharach). An der Nordostecke steht der 25 m hohe, um 1400 bei der Ummauerung der Vorstadt Niederburg errichtete runde 0chsenturm mit einem über Rundbogenfries vorkragendem Zinnenkranz und im Durchmesser stark verringertem, achtseitigem Aufsatz von 12 m Höhe (ursprünglich darauf spitzer Helm), ein italienischer Turmtyp, den anscheinend katzenelnbogische Burgen vermittelten (vgl. Braubach, Marksburg) und der in dieser Zeit für Stadtbefestigungen beliebt war (vgl. Andernach). Es folgen nach Süden u. a. Steingassen-, Hospital-, Haagscher Turm (ehem. Roter Turm, 1862 durch den englischen Maler Haag ausgebaut) und der südliche Vorort Kirchhausen mit rechteckigem Zehnerturm; die türmchenbewehrte Südfront der Liebfrauenkirche und die durch ein Tor mit ihr verbundene Michaelskapelle liegen merkwürdigerweise im Zuge der Mauer. Am Berghang sind Pulver- wie Kuhhirtenturm und nördlich von St. Martin der Mühlenturm zu nennen, bei dem die Mauer zum Niederburger und Koblenzer Torturm abfällt.

Quelle: Dehio, Georg: Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler. Rheinland-Pfalz Saarland. Bearb. von Hans Caspary u.a. Darmstadt 1985; Schwarz, Anton Ph.: Eine Zeitreise durch Oberwesel. Historischer Stadtführer. Hrsg. vom Bauverein Historische Stadt Oberwesel. 2000; redakt. Bearb. S.G.