Sankt Goar am Mittelrhein

Inschriften an und in St. Goarer Kirchen

Die nachfolgenden Inschriften wurden dem Buch " Die Inschriften des Rhein-Hunsrück-Kreises I (Boppard, Oberwesel, St.Goar)" entnommen, das von Eberhard Nikitisch herausgegeben wurde und in  Wiesbaden 2004 erschienen ist. Es ist zugleich Bd. 60 der Reihe "Die Deutschen Inschriften".

Evang. Stiftskirche: Bauinschrift

Außen am östlichen Strebepfeiler der nördlichen Seitenschiffskapellen, in den obersten Sandsteinquader unter dem Wasserschlag in sieben Zeilen eingehauen. Äußerst stark verwittert, links oben und in der Mitte erheblich beschädigt, zudem dick mit roter Farbe überstrichen.

Erg. nach NN., Steintafel.

H. 35, B. 90, Bu. 3 cm. – Gotische Minuskel mit Versalien.

   [Hein](n)e[r] war ir v(or)sta(n)<u>de</u>(n) - Diese kirch ist mit

   a[n]g[e]/fa(n)[ge(n)] nach sa(n)ct Mar[x] am neste(n) <u>da</u>ge -  da ma(n)   

   gemeyn / [jare] zalt von c(ri)st gebv(r)t m - ccccxliiiid) dis - pylers ort -

   Der / [erst] stey(n) war gelacht -

   Vo(n) - h(e)r(n) phlips des edln macht - /

    In dogende wol erzog(en) -

    Graff vnd herr zv kaczenele(n) - /boge(n) -

    Dem got ge<u>be</u> daz ewige gut -

    Vnd wer sey(n) / hulfe zum buwe dut -

    Hans wynt werkmeister

Datum: 26. April 1444.

Deutsche Reimverse.

Abgesehen von der Beobachtung, daß die zahlreichen, in der Regel als vergrößerte Gemeine ausgeführten Versalien im gereimten Teil der Inschrift zur Kennzeichnung der Reimanfänge eingesetzt wurden, erlaubt die schlechte Erhaltung keine näheren Aussagen zur Gestaltung der Schrift. Als Worttrenner dienen unregelmäßig gesetzte kleine Quadrangeln.

Die für die Baugeschichte der heutigen Kirche zentrale, wohl daher schon früh abschriftlich überlieferte Inschrift bezieht sich auf die nur hier belegte Grundsteinlegung (des Langhauses) am 26. April 1444 durch den Patronatsherrn Graf Philipp d. Ä. von Katzenelnbogen. Sie nennt in deutscher Sprache zuerst den als Vorstand der Kirche fungierenden (vermutlich kurz zuvor verstorbenen) Dekan Heinrich Mulner als eigentlichen Bauherrn, dann die Datierung sowie den inschriftentragenden Pfeiler als genauen Ort des Baubeginns und endet mit der Nennung des Werkmeisters Hans Wynt. Dazwischen berichtet sie in Reimform von der Grundsteinlegung als guter Tat des Grafen Philipp, dem sie mit den anderen, die sich finanziell am Bau beteiligen, das ewige Heil in Aussicht stellt.

Vor Beginn der Arbeiten dürfte das Langhaus der romanischen Vorgängerkirche abgerissen worden sein, erhalten blieben die Krypta mit dem Grabmal des hl. Goar sowie Teile des Chors, beider Chorflankentürme und des Westturms. Der nur durch die Inschrift bekannte, sonst nicht bezeugte Hans Wynt war als werkmeister (magister operis) für die praktische Durchführung der Bauarbeiten zuständig. Der Neubau der Stiftskirche als stattliche dreischiffige Emporenhalle durch den 1479 verstorbenen Graf Philipp d. Ä. dürfte auch im Zusammenhang mit dem Ausbau der überhalb St. Goars gelegenen Burg Rheinfels als landesherrliche Residenz der Grafen von Katzenelnbogen zu sehen sein.

 

Evang. Stiftskirche: Grabplatte der Gräfin Adelheid von Katzenelnbogen, geb. Gräfin von Waldeck

Im Boden der ebenerdigen Kapelle des südlichen Chorflankenturms (ehemalige Taufkapelle), vermutlich noch am ursprünglichen Standort quer vor den heutigen Altarstufen. Große Platte aus rotem Sandstein mit leicht vertiefter Umschrift zwischen zwei sorgfältig ausgeführten Rundstäben. In der Mitte des schmucklosen Feldes quer verlaufende, ehemals durch zwei Metallklammern fixierte Bruchstelle.

H. 250, B. 127, Bu. 5 cm. – Gotische Majuskel.

   ANNO - D(O)M(INI) - MILL(ESI)MO - CCC - XXIX - OBIIT -                                

   ALHEYDIS -  COMIT/ISSA - DE - KATZENEL/NBOGEN - IN - DIE -

   BEATI - EGIDII - ABBATIS - / + S(ANCTE) - GEWERE  ORA - PRO -

   ME +

Im Jahr des Herrn 1329 starb Adelheid, Gräfin von Katzenelnbogen, am Tag des heiligen Abtes Ägidius (1. September). Heiliger Goar, bitte für mich.

Die fast quadratisch proportionierten Majuskeln sind für die Entstehungszeit erstaunlich feinstrichig gearbeitet und weisen regelmäßige, verhältnismäßig weite Spatien auf. Das A ist durchgängig leicht trapezförmig, also mit fast senkrecht stehenden Schäften und weit überstehendem Deckbalken gebildet, während E, M und N ausschließlich in der unzialen bzw. runden Variante vorkommen. Nur bei T werden runde und kapitale Varianten verwendet. Nicht alle Bogenenden münden konsequent in einen Dreieckssporn: So bleibt bei E der Ansatzpunkt des Abschlußstriches am Bogen dünnstrichig, ebenso wie gelegentlich bei G und S nur ein dünner Strich statt des Dreieckssporns angesetzt ist. Als Worttrenner dienen kleine Kreise.

Die Verstorbene, eine Tochter aus der Ehe Graf Ottos I. von Waldeck mit Landgräfin Sophie von Hessen, war seit dem 23. Januar 1314 mit Graf Wilhelm I. von Katzenelnbogen in dessen zweiter Ehe verheiratet. Neben ihrer Grabplatte erhielt sie ein beeindruckendes, allerdings inschriftenloses Epitaph. Einer 1393 eingerichteten Seelgerätstiftung ihres Sohnes Eberhard VI. ist zu entnehmen, daß Adelheid in der Stiftskirche St. Goar vor dem Altar Johannes des Evangelisten begraben lag. Als Standort dieses bislang nicht lokalisierten Altares dürfte die ehemalige Taufkapelle in Frage kommen, da sich dort im Boden sowohl die Grabplatte der Verstorbenen, als auch eine als Wandmalerei ausgeführte, namentlich bezeichnete Darstellung des Heiligen befindet. Nicht auszuschließen ist, daß zunächst auch ihr Epitaph in der Kapelle aufgestellt war und erst später an seinen heutigen Standort versetzt wurde.

Da sich die Grablege der Grafen von Katzenelnbogen zu dieser Zeit bei den Klarissen in Mainz bzw. im Zisterzienserkloster Eberbach befand, stellt sich die Frage nach der Ursache für das abweichende Begräbnis in St. Goar. Ein naheliegender Grund besteht sicher darin, daß Adelheid in ihrem Ehevertrag unter anderem die Stadt St. Goar und die oberhalb davon gelegene Burg Rheinfels als Wittum erhalten hatte. Der Hauptgrund für ihr Begräbnis dürfte aber in dem von Graf Wilhelm I. nachdrücklich betriebenen Ausbau der Burg Rheinfels als Residenz der älteren Linie der Grafen von Katzenelnbogen zu suchen sein, wobei der Gedanke an die gleichzeitige Errichtung eines Erbbegräbnisses in der damaligen Stiftskirche eine entscheidende Rolle gespielt haben könnte. Bezeichnenderweise ließen die St. Goarer Stiftsherren etwa um 1330 ein neues Grabdenkmal des regional hochverehrten St. Goar anfertigen und in der Krypta aufstellen.

Adelheid wurde mit großem Aufwand in St. Goar begraben, ebenso ihr 1350 verstorbener Sohn Diether, damaliger Abt des Benediktinerklosters Prüm. Graf Wilhelm von Katzenelnbogen, ihr Ende 1331 verstorbener Ehemann, wurde allerdings doch in Eberbach bestattet und erhielt dort ein grandioses Grabdenkmal – allerdings vorfinanziert vom Eberbacher Konvent.

 

Evang. Stiftskirche: Fürbitte eines unbekannten Stiftsherrn, zw. 1469 u. 1479 bzw. 1489

Wandmalerei im dritten Gewölbefeld von Osten im südlichen Seitenschiff. Die vier größeren Kappen des Sterngewölbes sind mit den inschriftlosen Darstellungen der vier Kirchenlehrer Hieronymus, Gregor, Augustinus und Ambrosius geschmückt. Im Zwickel unterhalb des schreibend an seinem Pult sitzenden Gregor kniet ein vergleichsweise klein dargestellter Stiftsherr im weißen Chorhemd, das runde Birett zwischen den betend gefalteten Händen und die Almutie über dem rechten Arm. Vor ihm sein Wappen, über ihm ein gewundenes Schriftband mit der schwarz auf Weiß gemalten Fürbitte. Die Malerei wurde 1906/07 von A. Bardenhewer aufgedeckt und restauriert.

Gotische Minuskel mit Versal.

O pastor aulice gregori b(ea)tissime ora <u>de</u>um p(ro) [me]

O Hirte am Himmelshof, seligster Gregor, bitte Gott für mich.

Wappen: unbekannt.

Die kräftig ausgeführte Minuskel zeigt – vermutlich als moderne Zutat – Zierlinien beim unteren Bogen des g. Das Versal ist rot hervorgehoben.
Obwohl der Schlußstein des Gewölbes das Wappen der 1479 ausgestorbenen Grafen von Katzenelnbogen trägt, dürfte als Stifter der Gewölbemalereien der unbekannte adelige Kanoniker anzusehen sein, der sich als ungewöhnlichen Adressat seiner Fürbitte den Papst und Kirchenlehrer Gregor den Großen ausgesucht hatte.

Evang. Stiftskirche: Fürbitten des Stiftsherrn Konrad Erkel (?), zw. 1469 u. 1479 bzw. 1489

Wandmalerei auf der Schildwand westlich des Nordportals. Zu Füßen der überlebensgroß dargestellten hl. Elisabeth von Thüringen kniet ein Stiftsherr mit betend gefalteten Händen und abgelegtem Birett. Über der einem Bettler Brot und eine Kanne Bier reichenden Heiligen befindet sich ein Spruchband mit der schwarz auf Weiß gemalten Fürbitte (A), über dem Stiftsherrn ein zweites mit einer weiteren Fürbitte (B), vor ihm sein Wappenschild. Die Malerei wurde 1906/07 durch A. Bardenhewer aufgedeckt und restauriert.

Bu. ca. 5 (A), ca. 3 (B) cm. – Gotische Minuskeln mit Versalien.

A O pulcerrima virginu(m) tuu(m) peto salva conradu(m)

B Elizabet propicia conra[di] terge vicia

O schönste der Jungfrauen, ich bitte dich, rette deinen Konrad. – Gnädige Elisabeth, nimm Konrads Sünden hinweg.

Wappen: unkenntlich.

Ein Hexameter (A), ein Pentameter oder eine Vagantenzeile (B).

Die der gotischen Majuskel entlehnten Versalien der kräftig ausgeführten Minuskel sind rot hervorgehoben. Worttrenner fehlen.

Bei dem Stifter der Wandmalerei könnte es sich um den von 1455 bis 1480 als Kanoniker des Stiftes St. Goar nachgewiesenen Konrad Erkel gehandelt haben.

 


Quelle: Nikitsch; Redakt. Bearb. AKZ

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