Dexheimer Geschichtsverein e.V.

Dexheim in seiner Vergangenheit

Rheinhessens zentrale Lage, sein natürlicher Reichtum an fruchtbaren Böden und günstige klimatische Bedingungen waren es, die die Region schon früh zu einem kultur- und machtpolitischen Mittelpunkt werden ließen. Bereits zur Altsteinzeit (Paläolithikum) durchstreiften Wildbeuter die weite Steppenlandschaft zwischen Rhein und Donnersberg. Zum sesshaften Ackerbauern wurde der Mensch in der Jungsteinzeit (Neolithikum). Fassbar werden die hier ansässigen Menschen, Kelten, Römer und Franken durch Funde in der Dexheimer Gemarkung, die Aufschluss über Lebensweise und Kultur geben. Erste Spuren keltischer Besiedlungen können bereits in der Spätbronzezeit etwa 1300 bis 800 v. Chr. festgestellt werden. Dexheims Geschichte begann also schon lange vor seiner ersten urkundlichen Erwähnung.

Unter Julius Cäsar geriet das heutige Rheinhessen ins Blickfeld der Römer, als sie das römische Herrschaftsgebiet bis nach Gallien ausdehnten. Zur Versorgung der römischen Truppen gab es überall in Rheinhessen Landgüter, die sog. „villae rusticae. Zum Bau ihrer Kastelle nahmen sie den Lehm aus der Dexheimer Gemarkung für ihre Ziegel. Mit den Römern begann eine Epoche wirtschaftlichen und kulturellen Aufschwungs. Neue Bodenbewirtschaftungsformen, Obst- und Weinanbau, der Ausbau alter und die Anlage neuer Handels- und Militärstraßen förderten die Erschließung des Landes. Zahlreiche Funde belegen die römische Besiedlung unserer Gemarkung. So machte man 1863 einen Grabfund mit einem steinernen Sarg und reichlichen Beigaben aus römischer Zeit auf einem Feld „In der Benswiese“. Weitere Römerfunde machte der Verein zur Erforschung rheinischer Geschichte und Altertümer 1895 bei der Aufdeckung von 6 Gräbern auf dem „Grasberg“. Ähnliche Funde gab es bei Rodungsarbeiten am „Schänzchen“ und auf dem „Grasberg“.

Im 5. Jahrhundert brach die römische Herrschaft links des Rheins jedoch durch den zunehmenden Druck der Völkerwanderung zusammen. Die Franken traten schließlich das Erbe Roms an und machten die Region am Rhein zum Herzstück ihres Reiches. In jener Phase fand zweifellos ein Wechsel in der Führungsschicht statt, ansonsten jedoch verschmolz die keltisch-römische Bevölkerung mit den fränkischen Eroberern. Doch anderes änderte sich grundsätzlich: An die Stelle der auf ein Territorium bezogenen Staatlichkeit der Römer trat das fränkische System des Sippenverbandes. Mit diesem neuen System eng verbunden war die „Grundherrschaft“. Kennzeichen dieses politisch wichtigen Gebietes wurde eine starke territoriale Aufsplitterung des Landes. Königsgut, Kirchenbesitz, Grafschaftsrechte und Grundherrschaften lagen punktuell im Land verstreut. Sie gründeten jetzt jene Dörfer, deren Ortsnamen auf „-heim“ enden. Bis heute gilt, dass die sog. Heim-Orte in fränkischer Zeit gegründet wurden.

Die erste urkundliche Erwähnung Dexheims findet sich nun im „Lorscher Codex“ in einer Schenkungsurkunde, in der Karl der Große 774 ein großes Gut in der Gemarkung „Thechidesheim“ dem Kloster Lorsch schenkte. Solche Urkunden sind häufig die ersten schriftlichen Dokumente über die Existenz vieler rheinhessischer Dörfer. Allerdings gab der Lorscher Abt Volcland später das Gut in einer feierlichen Abtretung vom 20. Februar 1147 wieder an das Reich zurück, um das Kloster von einem unerschwinglichen Königszins zu befreien.

 

Die zweite Erwähnung ist in einem Akt enthalten, in dem König Arnulf von Kärnten aus dem Geschlecht der Karolinger 889 die Kirche im Ort Dechidesstein im Gau Wormsfeld mit „Höfen, Hörigen, Zehnten und allem Zubehör“ dem Kloster Fulda schenkte. Dafür sollten die Mönche für den König und seine Vorfahren beten.

Nach dem Teilungsvertrag von Verdun im Jahre 843 gehörte Rheinhessen zum fränkischen Ostreich und damit zum Kernland des deutschen Königtums. So war auch Dexheim, wie Oppenheim, ein freies Reichsdorf und Nebenhof des bedeutenden Königshofes Nierstein. Als Reichslehen unterstanden sie dem Kaiser und wurden von einem Vogt aus ritterlichem Geschlecht verwaltet. Die Abgaben bzw. den „Zehnten“ bezahlten die Dexheimer an die kaiserliche Kellerei in Nierstein. Zahlreiche Adelsfamilien wohnten in Dexheim und unterhielten ihre Güter in der Dexheimer Gemarkung. Freihöfe besaßen etwa die Herren von Gabsheim, Schmittburg, Gemmingen, Dienheim sowie der katholische Orden der Karthäuser und das Domstift Mainz. Unter der Herrschaft des Stauferkaisers Friedrich II. wurde Dexheim mit Nierstein und der Burg Schwabsburg sowie der Stadt Oppenheim zu einem kleinen reichsunmittelbaren Territorium zusammengeschlossen. Diese Verwaltungseinheit, zu der auch der rechtsrheinische Kornsand gehörte, bestand bis zum Jahre 1801.

Als freies Reichsdorf durfte Dexheim den schwarzen Reichsadler mit roten Fängen und Schnabel auf goldenem Grund im Wappen führen, das später jedoch in Vergessenheit geriet. Bei der Wiedereinführung des Reichswappens Mitte des 20. Jahrhunderts wurde übrigends fälscherlicherweise angenommen, dass auch der Reichsapfel im Wappen geführt werde (s. Abb.). Es wird heute noch als Ortswappen geführt.

Verpfändungen und Verlehnungen von königlichen Gütern dienten im frühen Mittelalter dazu, Geld in die königliche Kasse zu spülen bzw. Gefolgsleute gewogen zu halten. Auch Dexheim wechselte mehrfach seine Besitzer. So hatte der Kaiser Dexheim 1315 aus Geldmangel an den Erzbischof von Mainz verpfändet und 1353 wieder zurückgelöst. Im Jahre 1375 hatte der Habsburger Kaiser Karl IV., einer der fähigsten Herrscher der frühmittelalterlichen Geschichte, das Reichsgut Oppenheim mit Nierstein, Dexheim, Schwabsburg, die Burg Oppenheim und die Burg Schwabsburg an Kurfürst Ruprecht von der Pfalz als Pfand „für Nutzen und Dienst“ übergeben. Dieser „Dienst“ bestand übrigends u.a. darin, Karls ältesten Sohn Wenzel 1376 zum deutschen König zu wählen. Von dieser Zeit an hörte Dexheim auf, ein Reichsdorf zu sein; es war ein pfälzisches Dorf geworden und wurde dem Oberamt Oppenheim zugeteilt. Die drei Gemeinden Nierstein, Dexheim und Schwabsburg wurden gleichsam als eine Gemeinde angesehen. Im Jahre 1586 wurde hierzu u.a. folgendes festgehalten: „Obwohl dieses drey unterschiedlich Flecken und Dörfer, so ist es doch eine Gemeinde, haben ein Gericht und ein Recht, genießen auch miteinander Wasser, Waidt, gemeine Allmendt und andere Nutzbarkeit“. So blieb es bis zum Untergang des pfälzischen Kurstaates 1792.

Der Dreißigjährige Krieg war auch für Dexheim furchtbar. Eine Urkunde von 1647 gibt uns davon einen Eindruck. Fast alle Häuser waren zerstört, nur das Schloss der Herren von Dienheim sowie einige Häuser in der Nähe waren bewohnbar. Spanier, Schweden, Franzosen und Kaiserliche wechselten sich hier ab und drangsalierten die Bevölkerung. Das Land befand sich in einem trostlosen Zustand. Die Felder waren seit Jahren nicht mehr bebaut, mit Unkraut und Dornengestrüpp überzogen. Die Weinberge in der Ebene und an den Berghängen lagen wüst, waren schändlich zugerichtet, fast alle Rebpfähle herausgerissen und verbrannt. In den Wäldern trieben sich Wölfe herum. Räuber und Wegelagerer machten die Landstraßen unsicher. In den Jahren 1636 bis 1638 herrschte eine große Hungersnot. Undenheim war viele Jahre unbewohnt, die Westhofener kehrten erst 1648 zum größten Teil wieder zurück, die Dexheimer hatten auf einer Rheininsel ausgeharrt.

Im Jahre 1647, ein Jahr vor dem „Westfälischen Frieden“, ließen die Karthäuser und die Gemeinde Dexheim ihre in dieser Gemarkung liegenden Felder vermessen. Aus dem Messbrief, den der Feldmesser Adam Borngässer von hier anfertigte, ist ersichtlich, dass die Grenzen der Äcker verschwunden und die Häuser in der Zöller- und Dalheimerstraße verbrannt und 36 Familien ausgestorben waren, das war die Hälfte der hiesigen Einwohner.

Vom 30-jährigen Krieg hatte sich Dexheim gerade erholt, als der französische König Ludwig XIV. im pfälzischen Erbfolgekrieg 1689 die Pfalz verwüstete und auch Dexheim erneut zerstörte. An den Pfingsttagen 1689 sank in Dexheim das Schloss der Freiherren von Dienheim in Trümmer, dann wurde die befestigte Dorfkirche gesprengt und in Brand gesteckt – nur der Turm blieb stehen. So wurden nach und nach alle größeren Gebäude zerstört. Das Elend im Dorf wurde immer schlimmer. Viele Einwohner starben durch Übergriffe und Gewalttaten der französischen Soldaten oder durch Hunger und ansteckende Krankheiten oder waren spurlos verschwunden.

 

Bald darauf kamen neue politische Veränderungen in unsere Gegend. Bereits im Spätherbst 1794 hatten die französischen Revolutionsheere das linke Rheinufer besetzt. Seit dem Frieden von Campo Formio 1797 war Rheinhessen und damit auch Dexheim der französischen Republik angegliedert, was durch den Frieden von Luneville 1801 formell bestätigt wurde. Bis 1814 blieb Dexheim unter französischer Herrschaft. Die Verwaltung des Gebietes war nach französischem Vorbild reorganisiert und damit auch die Departementseinteilung übernommen worden. Dexheim gehörte von nun an zum Departement de Mont Tonnerre, dem Departement Donnersberg. Die Reformen bedeuteten grundlegende Veränderungen in allen Lebensbereichen. So wurde beispielsweise der letzte Rest der Leibeigenschaft beseitigt. Die Privilegien des Adels und des Klerus wurden aufgehoben, Jagdrecht und Zehntenabgabe sowie adlige Titel wurden beseitigt und ein freier Bauernstand geschaffen sowie das Personenstandsregister eingeführt. 1798 wurde sogar die Einführung der französischen Sprache verfügt. Auch französische Münzen und Maße wurden eingeführt. Gerechnet wurde nun in Francs und Centimes, Kilogramm und Gramm, Hektoliter und Liter. Andererseits wurden Handel und Produktion nicht nur in Mainz sondern auch in ländlichen Gegenden gefördert. So wurde beispielsweise der Zuckerrübenanbau in der Pfalz neben dem Weinbau zu einem der wichtigsten wirtschaftlichen Faktoren. Ferner wurde die aus dem Mittelalter stammende Tradition, Tote bei den Kirchen und Klöstern zu bestatten verboten. Nach einer Verordnung Napoleons aus dem Jahre 1804 wurde das Bestattungswesen in allen Einzelheiten geregelt. Grabstätten durften künftig nur noch außerhalb der Stadt eingerichtet werden und wurden unter die Aufsicht der politischen Gemeinde gestellt. In unserem Dorf wurde 1808 ein neuer Friedhof in den Weidengärten angelegt. Aus dieser Zeit stammen noch die beiden rund 200 Jahre alten Linden am Eingang des Dexheimer Friedhofs.

 

Viele junge Männer mussten jedoch für Napoleon in den Kriegsdienst ziehen. Für seine andauernden Kriege benötigte Napoleon auch Geld. Deshalb wurde unter anderem auch eine Tür- und Fenstersteuer erhoben. In vielen Häusern wurden Fenster zugemauert oder verkleinert, da kleine Fenster steuerfrei waren.

 

Mit dem Übergang Blüchers über den Rhein in der Neujahrsnacht 1813/1814 fand auch die französische Vorherrschaft in Dexheim ein Ende. Nach dem Wiener Kongress kamen große Teile des Departement Donnersberg durch Staatsvertrag zwischen Preußen, Österreich und Hessen-Darmstadt am 30. Juni 1816 als Landesteil „Rheinhessen“ bis 1919 an das Großherzogtum Hessen-Darmstadt und danach bis 1945 zum Volksstaat Hessen. Nach dem zweiten Weltkrieg wurde es von Hessen getrennt und war ab 1947 ein Regierungsbezirk des neu geschaffenen Bundeslandes Rheinland-Pfalz. In den Jahren 1968 bis 1972 kam es dann im Zuge einer Verwaltungsreform zum neuen Regierungsbezirk Rheinhessen-Pfalz.

 

Zur Struktur unseres Dorfes ist für das Jahr 1824 vermerkt: dass Dexheim ein „nach Oppenheim eingepfarrtes Dorf, ¾ Stunden westlich jener Stadt gelegen, mit 93 Häusern, 1 Kirche und 571 Einwohnern“ war. 1842 waren es dann 717 Einwohner. Diese Zahl blieb bis ins Jahr 1925 nahezu unverändert. Noch im Jahre 1961 zählte die Einwohnerstatistik gerade mal 791 Bürger. Ab 1985 stieg die Bewohnerzahl auf 1.000 Einwohner an, 2006 wurden - auch durch die Entwicklung neuer Baugebiete - rund 1.531 Bewohner gezählt.

 

Am 01. November 1900 war noch eine andere Zeit angebrochen. Dexheim war an die rund 10 km lange Nebenbahnstrecke von Nierstein nach Undenheim angeschlossen, die im Volksmund liebevoll den Namen „Valtinche“ bekam. Vorbei war die Zeit der langen Fußmärsche und Ochsen- oder Pferdetouren. Am 29. Mai 1960 befuhr der letzte Güterzug diese Strecke. Heute sind die Gleise demontiert, der Dexheimer Bahnhof seit 1974 abgerissen und die Strecke zu einem Wirtschafts- und Fahrradweg ausgebaut. Nur die Bahnhofstraße erinnert heute noch daran, dass hier einmal ein Bahnhof stand.

 

Dexheim hat also bereits eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Weitergehende Informationen zur Dexheimer Geschichte sind in den Geschichtsblättern des Dexheimer Geschichtsvereins zu finden.