Bingen in Rheinhessen

Alte Stadtmauern von Bingen - von Reiner Letzner

Abb.1: Hypothetische Fläche der Festungsanlage graue Rasterung Quelle (1)
Abb.1: Hypothetische Fläche der Festungsanlage graue Rasterung Quelle (1)[Bild: Heising, Alexander]

Die Ursprünge der Stadt Bingen reichen weit in die vorrömische Zeit zurück. Die bevorzugte Lage am Rhein-Nahe-Eck hat seit eh und je die Menschen bewogen, am heutigen Tor zum Mittelrhein zu siedeln. Da sich in Bingen die von Mainz kommende Römerstraße rheinabwärts nach Koblenz und nach Trier über den Hunsrück teilte, haben hier die Römer das Castel Bingium errichtet, das mit einer Mauer umschlossen war.
Im Jahr 371 n.Chr. berichtet Ausonius in seinem Gedicht Mosella von der nova moenia veteri Vinco (neue Mauern um das alte Bingen). Zu dieser Befestigungsanlage gehörte  auch ein schwer zu überwindender tiefer Schutzgraben, der in den Jahren 1999/2000 in Teilen freigelegt werden konnte und auf dem Parkplatz südlich der Basilika markiert ist. Bingen war damals eine der größten und wichtigsten Städte am Rhein. Bei der etwa 5 Hektar (Ausdehnung ca. 225 m x 225 m) großen, durch Graben und Stadtmauer geschützte Fläche - Abb. 1 -  handelt es sich vermutlich um die spätantike Urzelle, aus der sich die mittelalterliche Stadt entwickelt hat.  

Abb.2: Matthäus Merian 1646
Abb.2: Matthäus Merian 1646[Bild: Matthäus Merian]
Abb.3: Gottfried Mascop Stadtplan von Bingen 1577, Format ca. 28*43 cm
Abb.3: Gottfried Mascop Stadtplan von Bingen 1577, Format ca. 28*43 cm[Bild: Gottfried Mascop]

Die Geschichte der Stadt ist von zahllosen kriegerischen Auseinandersetzungen begleitet, in deren Verlauf die Bausubstanz mehrfach völlig zerstört wurde. Im 2. Weltkrieg wurden mehr als 65 % aller Gebäude Bingens vernichtet. Weitgehend erhalten hat sich jedoch über die Jahrhunderte der Stadtgrundriss mit seinen charakteristischen Straßenzügen und Gassen, die stark von der vorhandenen Topographie bestimmt wurden. Die Niederlegung der alten Stadtmauer zur Stadterweiterung erfolgte um 1820. Geblieben sind nur wenige Mauerreste. Ein Kupferstich von Matthäus Merian aus dem Jahr 1646 - Abb. 2 - gibt das imposante Panorama der seinerzeit stark befestigten Stadt wieder.     
Den ältesten Stadtplan von Bingen hat Gottfried Mascop im Jahr 1577 - Abb. 3 - aus der Vogelschau gefertigt.

Abb.4: Verschneidung des Binger Stadtplanes von Eickemeyer 1769 mit der amtlichen Katasterkarte. Quelle (3)
Abb.4: Verschneidung des Binger Stadtplanes von Eickemeyer 1769 mit der amtlichen Katasterkarte. Quelle (3)[Bild: Eickemeyer [gemeinfrei]]

Einen hochgenauen Stadtplan von Bingen hat der Mathematik-Professor und Militär-Ingenieur Johann Christoph Eickemeyer im Jahr 1769 gezeichnet.
Dieser Plan wurde von dem 1998 aufgelösten Katasteramt Bingen mit der amtlichen Katasterkarte verschnitten, so dass sich alle heute nicht mehr vorhandenen öffentlichen Gebäude, Höfe und Gärten, Stadtmauern und Stadttore, aber auch alle privaten Grundstücke mit ihrer Bebauung auf ca. 1 Meter genau in die Örtlichkeit übertragen lassen. Wegen einer besseren Übersichtlichkeit wurden die Flurstücksnummern in der Abb. 4 ausgeblendet und auf eine Darstellung der alten privaten Grundstücke mit ihrer Bebauung verzichtet. Der Originalplan kann heute beim Vermessungs- und Katasteramt Bad Kreuznach eingesehen werden. 
Ein visueller Vergleich der heutigen Katasterkarte mit dem alten Stadtplan zeigt eine  Fülle von Identitäten bei dem Gebäudebestand und der Straßenführung. Bei detaillierten stadthistorischen Untersuchungen wird sich herausstellen, dass eine Vielzahl von Gebäuden bereits bei der geometrischen Grundlegung im Jahre 1769 errichtet war, obgleich dies die neu verputzten oder verklinkerten Außenfassaden nicht vermuten lassen.      

Abb.5: Ausschnitt aus Abb. 4 - Verschneidung des Binger Stadtplanes von Eickemeyer 1769 mit der amtlichen Katasterkarte. Quelle (3)
Abb.5: Ausschnitt aus Abb. 4 - Verschneidung des Binger Stadtplanes von Eickemeyer 1769 mit der amtlichen Katasterkarte. Quelle (3)[Bild: Eickemeyer [gemeinfrei]]
Abb. 6: Loerturm ("Roter Turm") Kreuzgewölbe mit runder Deckenöffnung
Abb. 6: Loerturm ("Roter Turm") Kreuzgewölbe mit runder Deckenöffnung [Bild: Reiner Letzner][Bild: Reiner Letzner]

Der Kartenausschnitt mit dem gut erhaltenen Loerturm "„Roter Turm"“, - Abb. 5 - der anscheinend als Aufbewahrungsort der Waffen und Hilfsmittel zur Stadtverteidigung diente und dessen Kreuzgewölbedecke noch völlig intakt ist, zeigt den genauen Verlauf der heute nicht mehr vorhandenen Stadtmauer. 

In einem Ratsprotokoll vom Februar 1552 sind alle Türme und Tore der Stadtmauer mit Angabe der Ortschaften, die mit unterschiedlicher Mannschaftsstärke zum Wachdienst an der Mauer verpflichtet waren, aufgeführt. Dafür erhielten diese Ortschaften in Gefahrenzeiten Schutz innerhalb der Binger Mauern mit „Leib, Gut und Vieh“ und genossen das Privileg, zollfrei zu sein. Die Aufzählung im Uhrzeigersinn nach Josef Brilmayer – Binger Wochenblatt 14.05.1998 – beginnt am Turm am Eingang des Burggrabens von der Cronstraße aus.

Tor/Turm/Pforten Jos. BrilmayerStadtplan von Mascop 1577Stadtplan von Eickemeyer 1769
Geierslay Turm Grundriss
Aspisheimer Turm Grundriss
Gensinger Turm Grundriss
Gautor mit ZollstelleGaupforteGauthor
Büdesheimer TurmGrundrissGrundriss
Kustorserekerpforte
Saupforte
NeupforteNeupfort
Kapitelhaus
NahetorNahpfortNahetor
Loerturm ("roter" Turm)GrundrissGrundriss
Durchlass an der Mönchsgasse heute AmtsstraßeLoerpfort
Durchlass an der Judengasse heute RathausstraßeJudenpfort
SalztorSalzpfortSalzthor Wach- und Zollhaus
Zollhaus
Enkerspforte
Weißer TurmGrundrissGrundriss
Kebigenturm
DraistorDreispfortMaynzerthor/Wachthaus

Nachweise

Verfasser: Reiner Letzner

Verwendete Literatur:

  • Heising, Alexander: Nova moenia veteri Vinco, Neue Mauern um das alte Bingen. Mitteilungsblatt zur rheinischen Landeskunde Themenheft Bingen, Jahrgang 4, 2002.
  • Wiegers, Hilke: Bingen am Rhein. Auf Schatzsuche in einer geschichtsträchtigen Stadt. 2007. ISBN – 13: 978-3-00-020465-4
  • Letzner, Reiner: Augenspaziergang durch alte Gassen und Fluren des Binger Raumes. Landesamt für Vermessung und Geobasisinformationen Rheinland-Pfalz 2002. Das Buch enthält als Anlage auch vier farbige Nachdrucke (DIN A 3): Stadtplan Bingen und Ämterkarte Chr.Eickemeyer 1769 und Binger Waldkarte von Andreas Trauttner 1773.
  • Kneib, Gottfried: Der Kurmainzer Kartograph Gottfried Mascop, Mainzer Zeitschrift, Jahrgang 1987/88 - (1992/93), Zabern - Verlag, Erscheinungsjahr 1995.
  • Letzner, Reiner: 95 Jahre Katasteramt Bingen – ein Amt im ehemaligen und Großherzogtum Hessen. Nachrichtenblatt der Vermessungs- und Katasterverwaltung Rheinland-Pfalz 1998, Heft 4, S. 308-316.
  • Letzner, Reiner: Einwohnerstatistik für die Stadt Bingen nach dem Stadtplan von   Eickemeyer aus dem Jahr 1769.

Aktualisiert am: 19.05.2014