Frei-Laubersheim in Rheinhessen

Die Frei-Laubersheimer Katharinenkapelle

Bildstrecke zur Katharinenkapelle[Bild: W. Zeiler]

 

Zu Beginn des 14. Jahrhunderts hatten die Menschen infolge mehrerer Missernten große Hungersnöte erleiden müssen.[Anm. 1] Im weiteren Verlauf dieses Jahrhunderts erreichte 1347 die Pest Deutschland, die unvorstellbares Leid über die ohnehin geplagten Menschen brachte. Mehr als ein Drittel der Bevölkerung wurde vom „Schwarzen Tod“ dahingerafft und in den folgenden Jahrzehnten breitete sich diese Seuche immer wieder aus. Das 14. Jahrhundert gilt daher als eine Zeit unvorstellbarer Existenzangst und verzweifelter Suche nach Schutz. Diesen Schutz hofften die Gläubigen bei den Heiligen zu finden.

Es wird vermutet, dass die Katharinenkapelle in diesem 14. Jahrhundert zu Ehren der Hl. Katharina von Alexandria errichtet wurde. Katharina von Alexandria war zu Beginn des 4. Jahrhunderts als Märtyrerin für ihren Glauben enthauptet worden. Im 13. und 14. Jahrhundert erlebte die Verehrung dieser Heiligen einen ungeheuren Aufschwung. Neben Maria war sie die am meisten verehrte Heilige dieser Zeit. Auf Gemälden wird sie meist mit einem zerbrochenen Rad, mit Schwert, Buch und Krone dargestellt.

Urkunden über den Bau der Kapelle existieren nicht. A. Bernhard weist drauf hin, dass in der näheren Umgebung von Frei-Laubersheim zu Beginn des 14. Jahrhunderts mehrere Altäre zu Ehren der Hl. Katharina gestiftet wurden, z.B. 1301 in dem von der Hl. Hildegard gegründeten Nonnenkloster St. Ruppert bei Bingerbrück und 1313 im Benediktinerkloster Sponheim. „Vielleicht sind diese Daten auch für die Zeit der Erbauung der Katharinenkapelle Hinweise, wobei man das Jahr der Grundsteinlegung um die Wende des 13. zum 14. Jahrhundert annehmen kann"[Anm. 2]

Mathes gibt eine andere Erklärung für den Bau der Kapelle. „Die Sage“, schreibt Mathes, „erzählt von einer Gräfin Katharina, vom benachbarten Rheingrafenstein, die diese Kapelle erbauen ließ..... und es ist nicht ausgeschlossen, dass sie mit dem im Tal gelegenen „Häuschen“ dem Lager der Pestkranken, in Zusammenhang steht.“[Anm. 3]

Frühe Hinweise auf die Katharinenkapelle

Auch wenn Zeit und Anlass des Kapellenbaus unsicher sind, so weiß man doch, dass die Kapelle vor 1516 erbaut worden sein muss. In der „Kreuznacher Waldbegehung“ von 1516 findet sich der Eintrag „By sant Catharine“.[Anm. 4] In weiteren Dokumenten aus früheren Jahrhunderten finden sich ebenfalls Hinweise auf die Kapelle. Z.B. heißt es im Frei-Laubersheimer Morgenbuch von 1585: "Wingertt undten an Sanct Catharinen"[Anm. 5]

Ein weiterer Hinweis wurde imKreuznacher Ratsprotokoll vom 11. Mai 1664 dokumentiert. An diesem Tag besichtigte der Kreuznacher Rat die "altstadtseitige Gemarkungsgrenze" [= rechts der Nahe gelegener Gemarkungsbereich] und hatte dazu die Schultheißen der Nachbarorte eingeladen - den Schultheißen aus Frei-Laubersheim um 10 Uhr vormittags an die Catharinenkapelle. "Zu Frei-Laubersheim an der Capell hat der Stadtbaumeister H.Hans Schilling dem Rat und den Schützen so mitgegangen das Mittagsims gereicht, [...] auf Stadtkosten wie üblich.[Anm. 6] Auch im Kreuznacher Grenzsteinbuch vom Anfang des 17. Jahrhunderts wird zur genauen Lokalisierung der Grenzsteine der Catharinenwald und die Catharinenkirche angegeben. „Der 28. Stein stehet ahn der Cathariner Kirchen ist ein großer und dicker Stein, und kehret das Wappen zum Catharinen Waldt. Der 29. Stein stehet von der Catharinenkirch etwas beyseith ahm berg, ist ein schöner hoher Stein und kehrt das Wappen dem Cathariner Waldt zu ...“[Anm. 7]

Die heute noch bekannten Flurnamen weisen ebenfalls auf die Existenz der Katharinenkapelle bzw. -kirche hin: „Katharinenwald“, „An der Katharinenkirche“  und „Hinter Katharina“.

Das Aussehen der Kapelle

Über Größe und Aussehen der Katharinenkapelle geben uns die Dokumente leider keine Auskunft. Die vorhandenen Mauerreste lassen jedoch den Schluss zu, dass die Kapelle einen dreiseitig geschlossenen Chor besaß. An den Knickpunkten sowie auch in der Mitte der Längsfronten waren jeweils Streben vorhanden. Die gegenüber dem Chorbereich liegende Fassade „ barg offensichtlich die Eingangstür und war gerade abgeschlossen“.[Anm. 8]
Die durch 6 Stützpfeiler verstärkten Kirchenwände weisen darauf hin, dass die Kapelle ein schweres Gewölbe zu tragen hatte. Damit war die Katharinenkapelle keine der üblichen kleinen Feld- bzw. Waldkapellen. Der durch die Grundmauern umschlossene Raum umfasst ca. 30 qm. Eine Messe konnte in diesem beengten Raum nur mit wenigen Gläubigen gefeiert werden. 

Erstaunlich ist in diesem Zusammenhang die Darstellung der Katharinenkapelle auf einer Militärkarte von Cyriacus Blödner ( 1674-1733). Auf dem Kartenausschnitt aus dem Jahr 1713 ist die Katharinenkapelle mit dem Symbol für Kirchen dargestellt. Unterhalb des Symbols steht:"S. Catharine" und zwar in gleich großer Schrift wie die Ortsnamen (!) auf dieser Karte.[Anm. 9]Man könnte also vermuten, dass diese Kapelle für den Kartografen die gleiche Bedeutung hatte, wie die eingezeichneten Orte. Obwohl der Kartenausschnitt von Frei-Laubersheim über Kirn bis hin zum Rhein reicht, also ein relativ großes Gebiet abbildet, finden sich auf dieser Karte nur noch drei Mal solche Kirchensymbole, nämlich für die spätromanische Kirche St. Clemenz bei Trechtingshausen am Rhein, für das Kloster Sponheim und für das Kloster St. Katharina in Sankt Katharinen. Dass diese, nach den noch vorhandenen Grundmauern, doch relativ kleine Katharinenkapelle  für den Kartenzeichner so bedeutungsvoll war, dass er sie in diese Karte in dieser auffallenden Form aufgenommen hat, bleibt rätselhaft. Insbesondere,wenn man bedenkt, dass die Kapelle zu dieser Zeit nachweislich bereits über 100 Jahre, wahrscheinlich sogar schon seit über 200 Jahren eine Ruine war. 

 Die Zerstörung der Kapelle

Über den Zeitpunkt ihrer Zerstörung ist uns nichts überliefert. Der älteste Hinweis über den Verfall der Kapelle stammt aus der Zeit des 30-jährigen Krieges. Im Jahr 1627 wurde die kirchliche Situation im Oberamt Kreuznach untersucht. Der abschließende Bericht enthält über Frei-Laubersheim unter anderem folgende Bemerkung: „Außerhalb des Ortes waren 2 Kapellen, eine vom Hl. Nikolaus, die andere von der Hl. Katharina; erstere ist mit allen Besitzungen und Einkünften zerstört, von der zweiten steht heute noch das Chor, aber über die Einkünfte weiß niemand etwas zu sagen.“[Anm. 10]
Die von der Kommission befragten Frei-Laubersheimer wussten demnach zu dieser Zeit schon nichts mehr über die ehemaligen Einkünfte und Besitzungen, die zur Katharinenkapelle gehörten. Es ist also anzunehmen, dass die Zeit des Verfalls der Kapelle schon weit mehr als ein Menschenalter zurück lag.

Bernhard vermutet, dass die Kapelle ein „Opfer der ´bilderstürmerischen´ Reformation des Jahres 1566“ geworden ist.[Anm. 11] In diesem Jahr 1566 wurden in der gesamten Grafschaft die Hl. Messe und die religiösen Bilder abgeschafft,[Anm. 12] aber auch Altäre und prunkvolle Taufsteine.[Anm. 13] Man darf aber dabei nicht vergessen, dass über unser Gebiet zu dieser Zeit zwei Herren unterschiedlicher Konfession gleichzeitig herrschten, nämlich der protestantische Kurfürst von der Pfalz und der katholische Markgraf von Baden. Auch wenn der Kurfürst bei der Einführung des neuen Bekenntnisses wenig Rücksicht auf die mit seinem katholischen Mitregenten getroffenen Vereinbarungen nahm[Anm. 14], von unmittelbaren Kirchenzertörungen ist nichts bekannt. Vorstellbar wäre jedoch die Auflösung der Funktion der Kapelle als Ort religiöser Handlungen, was dann in den folgenden Jahrzehnten auch zum Verfall des Bauwerks selbst geführt haben könnte.

Denkbar wäre aber auch, dass die Katharinenkapelle bereits während des Landshuter Erbfolgekrieges, also 1504 zerstört worden ist.[Anm. 15]
Bei diesem Krieg ging es um die Durchsetzung von Erbansprüchen in Bayern, die der Sohn des pfälzischen Kurfürsten, Kurprinz Rupprecht, geltend machte. Der Pfalzgraf und sein  Sohn stellten sich in dieser Sache gegen Kaiser Maximillian, der daraufhin die Acht gegen Rupprecht aussprach.[Anm. 16] Das war das Signal für die kaisertreuen „Nachbarn der Pfalz..., um von allen Seiten auf dieselbe loszubrechen und sich für die durch den Pfalzgrafen in der Vergangenheit erlittene Unbill zu rächen.[Anm. 17] „Dieser heiße und blutige Krieg -  beinahe des ganzen Reiches gegen den genannten Rheinischen Pfalzgrafen Philipp -  hat fast fünf Monate gedauert.[Anm. 18] Dabei wurden nicht nur ganze Ortschaften eingeäschert, sondern auch Kirchen verwüstet, niedergebrannt und eingerissen. Landgraf Wilhelm schlug sein Lager bei Planig auf und hat dort „ringsum alles verwüstet“.[Anm. 19] Herzog Alexander von Zweibrücken plünderte pfälzische Dörfer und Klöster und diese wurden dann „ - soweit sie sich nicht mit Geld freikauften – angezündet und verbrannt“.[Anm. 20] „Graf Emich von Leiningen war Brandstiftungsmeister, ein Krüppel, der weder Gott noch Menschen achtete, und hat rings im Umkreis alle pfälzischen Dörfer eingeäschert ... Er scheute sich auch nicht, die Gott geweihten Kirchen einzuäschern ... Das Dorf Bosenheim wurde auf seinen Befehl zugleich mit der Kirche  ... in Asche gelegt. Ebenso ist das Dorf Lanßheim mit seiner Kirche und den Glocken durch Brand untergegangen, desgleichen Winzenheim, ... Büdesheim, Laubersheim und mehrere andere Dörfer, deren Namen alle aufzuzählen zu abscheulich wäre. Sie wurden durch diese Raserei in ähnlicher Weise angezündet und gänzlich vernichtet.“[Anm. 21] Die Beispiele mögen genügen, um zu zeigen,dass die Zerstörung der Katharinenkapelle bereits in diesem brutalen und nur auf Zerstörung ausgerichteten „Bayrischen Krieg“[Anm. 22], erfolgt sein könnte.

1788, also über 150 Jahre nach Abfassung des Visitationsberichtes von 1627, schreibt Johann Goswin Widder über die Kapelle: „Nördlich vom Dorfe lag auf einem Berge eine Kapelle, von St. Katharine genannt, wovon nur noch das zerfallene Gemäuer und der Name des Katharinenberges oder Waldes übrig ist.“[Anm. 23] 

Die Mauersteine der Kapelle sind nach Mathes um 1800 ins Dorf abtransportiert und „zum Teil [ ] zu Neubauten verwandt worden. Scheune und Stall von Altbürgermeister Baußmann sind an ihren Außenwänden mit solchen Steinen gemauert“.[Anm. 24]

Der Frei-Laubersheimer Lehrer A. Bernhard legte zusammen mit seinen Schülern in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts die verschütteten Grundmauern der Kapelle frei. „Ihre Reste blieben die letzten Jahrhunderte durch Rosselsteine (dies ist bei Rodarbeiten in felsigem Porphyrgelände anfallendes Gestein) verschüttet und von wuchernden Eichenhecken bewachsen, bis ich als Lehrer 1935 mit den Schülern der oberen Klasse (Volksschule Frei-Laubersheim) ihr nachgrub und die Grundmauern der Kapelle freilegen konnte“.[Anm. 25]

Sonderbar ist - und auch Mathes weist daraufhin -  dass noch um 1800 Steine abtransportiert wurden, obwohl die Kapelle schon weit mehr als 200 Jahre zerstört war. Und Baumaterial wurde zu allen Zeiten gebraucht. Man muss also annehmen, dass es dort eine Menge Steine zu holen gab!

Vieles bleibt unklar und auch ein wenig geheimnisvoll, was aber auch den besonderen Reiz dieses Denkmals ausmacht. Wie sah die Kirche aus, von außen und von innen? Wann läutete die Glocke der Katharinenkirche zum ersten und wann zum letzten Mal? Der Weg hinauf zu den Resten der Katharinenkapelle lohnt jedoch in jedem Fall, allein schon wegen der Aussicht auf  Frei-Laubersheim und dem Blick hinein ins rheinhessische Hügelland.

Nachweise

Verfasser: Dipl.-Hdl. Wolfgang Zeiler

Verwendete Literatur:

  • Gemeinde Frei-Laubersheim (Hrsg.): Festschrift Weinfest der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach 10. bis 13. Juni 1983 in Frei-Laubersheim. Frei-Laubersheim 1983.
  • Mathes, Hans: Die Flurnamen von Frei-Laubersheim. Mark und Geschichte des Dorfes. Gießen 1984.

Erstellt: 2010

Aktualisiert am: 30.06.2014

Anmerkungen:

  1. Friedrich-Wilhelm Henning: Das vorindustrielle Deutschland 800 bis 1800, Paderborn1974, S.125 Zurück
  2. Bernhard, Adolf: Geschichte der Katharinenkapelle; in: Festschrift Weinfest der Verbandsgemeinde Bad Kreuznach vom 10. - 13. Juni 1983 in Frei-Laubersheim, S.31 Zurück
  3. Mathes, Hans: Die Flurnamen von Frei-Laubersheim Inaugural-Dissertation, Gießen 1984, S. 82. Zurück
  4. ebd. S.82. Zurück
  5. ebd. 83.   Zurück
  6. Velten, Karl: Der Stadt Creutznach Rats-Chronik von 1509 - 1695. masch.schr. in 3 Bdn, T.1: 1509-1620 Zurück
  7. Geib, Karl: Historische Topograhie von Kreuznach, Kreuznach 1937, Fotomechanischer Nachdruck in unveränderter Form, 1981, S.9. Zurück
  8. Landesamt für Denkmalpflege: Auszug aus: Beschreibung, Wertung und Bedeutung des Kulturdenkmals (Katharinenkapelle Frei-Laubersheim) Zurück
  9. Reiniger, Wolfgang: Landkarten und Ortspläne des Kreises Bad Kreuznach 1668-1897, Bad Kreuznach 1987, S.33 Zurück
  10. Brück, Philipp Anton:  Die kirchliche Lage in den kurpfälzischen Oberämtern Kreuznach und Stromberg im Januar 1627; in: Geschichtliche Landeskunde, Band III, Festschrift Johannes Bärmann, Teil 1, Franz Steiner verlag, Wiesbaden, 1966, S. 109. Zurück
  11. Bernhard, a.a.O: S.31 Zurück
  12. Polke, Johannes (Hrsg,): 425 Jahre Reformation  An Nahe und Glan, Köln 1983, S.19 Zurück
  13. Rosenkranz, Albert: Geschichte der evangelischen Gemeinde  Kreuznach Zurück
  14. Dotzauer, Winfried: Die Vordere Grafschaft Sponheim als pfälzisch-badisches Kondominium, Bad Kreuznach 1963, S.10f. Zurück
  15. Böhn, Georg Friedrich: Die Pfalzgrafschaft, in: Geschichte des Landes Rheinland-Pfalz, Freiburg 1981, S. 37 Zurück
  16. Ranke, Leopold von: Deutsche Geschichte im Zeitalter der Reformation, Wien o.J., S. 81. Zurück
  17. ebd. S.81 Zurück
  18. Velten, Carl: Des Abtes Johannes Trithemius Chronik des Klosters Sponheim, Bad Kreuznach 1969, S. 233 Zurück
  19. ebd. S.229 Zurück
  20. ebd. S.230 Zurück
  21. ebd. S.229 Zurück
  22. Lebensbeschreibung des Ritters Götz von Berlichingen, Stuttgart  1962, S.26. Anm.: Götz von Berlichingen, der den Krieg den bayrischen Krieg nannte, kämpfte auf der Seite des Kaisers und verlor seine Hand in der Schlacht vor Landshut 1504 Zurück
  23. Widder; Johann Goswin: Beschreibung der Kurfürstlichen Pfalz am Rhein, Frankfurt 1788 Zurück
  24. Mathes, a.a.O.: S.82 Zurück
  25. Bernhard, a.a.O.: S.30 Zurück