Mombach in Rheinhessen

Die Bevölkerungsgeschichte der Pfarrei Mombach

von Elmar Rettinger

Die Kirchenbuchaufzeichnungen in Mombach beginnen, wenn auch zunächst lückenhaft, 1638 mit den Taufen. Die Heiraten setzen 1652 ein und die Begräbnisse ab 1651. Abgesehen von den neunziger Jahren sind die Register vollständig überliefert und geben ein anschauliches Bild von der Bevölkerungsentwicklung in der Pfarrei. Da der verkehrsgünstig gelegene Ort der Festung Mainz unmittelbar vorgelagert ist, kann man davon ausgehen dass Mombach durch die Ereignisse um Mainz immer in besonderem Maße mit betroffen wurde. [Anm. 1]

Oft finden sich Nachrichten über Einquartierungen von Soldaten im Ort. Es lag für die Dorfbewohner nahe, sich in Kriegszeiten in den Schutz der Festung zu flüchten. Allerdings verlagerte sich das Ziel der Fluchtbewegungen wie auch in Budenheim zunehmend auf die andere Rheinseite in den Rheingau, wo man sich besseren Schutz erhoffte. 1644 lassen sich in Mainz acht Familien aus Mombach nachweisen, die während der Kriegsereignisse Schutz in der Festung gesucht hatten. [Anm. 2] 1664 quartierte sich der französische Kommandant v. Fürstenberg beim Mombacher Oberschultheißen ein. [Anm. 3]

Die Pest 1666 ging vergleichsweise glimpflich an Mombach vorüber, insgesamt starben „nur“ 30 Personen. Größer waren dagegen die Bevölkerungsverluste im Zusammenhang mit dem Pfälzischen Erbfolgekrieg. Obwohl die Aufzeichnungen unvollständig sind, enthält das Begräbnisregister für 1689 43 Einträge. Während der Besetzung und Belagerung der Stadt waren Mombacher Einwohner teils nach Mainz teils in den Rheingau geflohen. Der Pfarrer erwähnte im Kirchenbuch, dass die in dieser Zeit Geborenen und Verstorbenen nicht mehr korrekt ermittelt werden konnten: „Tempore obsidionis Mogunt. quorundam filii baptizati sunt Moguntiae aliquarum in Rhingavia...“. [Anm. 4]

 Der Verlauf der vitalstatistischen Kurven für das 18. Jahrhundert ist vom sprunghaften Verlauf, wie er für exponierte Gemeinden typisch ist, geprägt. Am stärksten fallen die Jahre 1730, 1735, 1743 und 1766 ins Auge. Auch wenn bis 1792 die Festung nicht mehr belagert wurde, war dennoch immer wieder Militär in Mombach präsent. 1708 hatte der Ort Kriegskontributionen an die Franzosen zu leisten, 1710 mussten Fourage an die kaiserlich-österreichische Generalität und 1713 Geld und Korn wiederum an die Franzosen geliefert werden. [Anm. 5] Dass die unmittelbar im Vorfeld der Festung gelegene Gemeinde ein bevorzugter Standort für Militär war, belegen neben den häufigen Nachrichten über Einquartierungen auch die Tauf- und Begräbniseinträge von Militärangehörigen in den Kirchenbüchern.

Für die hohe Sterblichkeit 1730, die vor allem erwachsene Personen betraf, ist möglicherweise die aus Russland eingeschleppte Grippeepidemie verantwortlich, die Wittmann für das Jahr 1729 erwähnt. [Anm. 6] 1735 waren im Polnischen Thronfolgekrieg fremde Truppen um Mainz präsent. Anlässlich einer Bestattung 1735 heißt es: „tempore tumultus bellici ob transmigrationem militium Caesareum“. Zwei Kinder wurden 1736 „ob tempus belli et turbationem migrantium Militum Caesareorum“ zu Hause getauft. [Anm. 7] 1736 hatten die Mombacher Korn an die Franzosen zu liefern. [Anm. 8] 1740 hielten sich österreichische Truppen im Ort auf. [Anm. 9] 1743 wurde der Sohn eines Luxemburgischen Soldaten getauft, „hic in castris iacentis“. Im gleichen Jahr beerdigte der Militärgeistliche („Pater castrensis“) die Frau eines katholischen Soldaten aus dem österreichischen Heer. Die Soldaten dürften die Ruhr eingeschleppt haben. Im August/September des gleichen Jahres sind einige Fälle dieser Krankheit erwähnt. [Anm. 10]

Die Ereignisse in den neunziger Jahren mussten Mombach zwangsläufig stark in Mitleidenschaft ziehen. 1793 verließ ein Teil der Einwohner aus Angst vor den Franzosen den Ort. Der Pfarrer notierte die Taufe dreier Kinder, die außerhalb der Pfarrei geboren wurden: „Hoc tempore 3 baptizati sunt infantes aliis in locis quia Parentes propter incursiones gallorum emigraverant...“. [Anm. 11] In Mombach stieg 1793 die Sterblichkeit gegenüber dem Vorjahr um fast 100 Prozent von 32 auf 62 Verstorbene an, was einer Mortalitätsrate von 112,5 entspricht. [Anm. 12] Während der zweiten Belagerung der Stadt durch die Franzosen war auch der Pfarrer von Ende Oktober 1794 bis zum 29. Oktober des folgenden Jahres nach Mainz geflohen. [Anm. 13] Die Vitalstatistik belegt die eingangs geäußerte Vermutung, dass der Ort durch seine exponierte Lage in Kriegszeiten besonders gefährdet war. Daher überrascht es nicht, dass in Mombach der Anteil der Jahre, in welchen die Sterbekurve die der Geburten überstieg, im 18. Jahrhundert mit 23 Prozent überdurchschnittlich hoch war.

Nachweise

Verfasser: Elmar Rettinger

Verwendete Literatur:

  • Rettinger, Elmar: Die Umgebung der Stadt Mainz und ihre Bevölkerung vom 17. bis 19. Jahrhundert. Ein historisch-demographischer Beitrag zur Sozialgeschichte ländlicher Regionen. Stuttgart 2002 (Geschichtliche Landeskunde 53).
  • Rödel, Walter G.: Mainz und seine Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert. Demographische Entwicklung, Lebensverhältnisse und soziale Strukturen in einer geistlichen Residenzstadt. Stuttgart 1985 (Geschichtliche Landeskunde 28).
  • Schreiber, Arnold: Aus der Vergangenheit Mombachs. In: Festschrift zur 80-Jahrfeier der Freiwilligen Feuerwehr Mainz-Mombach 1952, Mainz 1952, S. 5-63.
  • Wittmann, Josef: Chronik der merkwürdigsten Naturereignisse insbesondere des Rheintals 1500- 1800. [ca. 1810]. (Rheinisch-Naturforschende Gesellschaft, 17).

Aktualisiert am: 19.10.2014

Anmerkungen:

  1. Schreiber, Mombach. Zurück
  2. Rödel, Mainz, S. 40. Zurück
  3. Schreiber, Mombach, S. 23. Zurück
  4. KB Mombach Taufregister, Begräbnisregister 1689 Zurück
  5. Schreiber, Mombach, S. 23. Zurück
  6. Wittmann, Chronik, Eintrag zum Jahr 1729. Zurück
  7. KB Mombach Taufregister 1736. Die heutige Ingelheimer Aue– damals noch eine Rheininsel – wurde von Mainz wohl als eine Art Quarantänestation benutzt. Mehrfach finden sich Eintragungen, dass Personen auf die „Insula Ingelheimensis“ gebracht wurden, dort verstarben und in Mombach beigesetzt wurden. Zum Beispiel 1729: „...adolescens peregrinus deportatus ad insulam Ingelheimensem ab urbe Moguntina...“; KB Mombach Begräbnisregister 1729. Zurück
  8. Schreiber, Mombach, S. 23. Zurück
  9. Schreiber, Mombach, S. 23. Zurück
  10. KB Mombach, Begräbnisregister 1743. 1747 lagerten wiederum hessen-darmstädtische Soldaten in Mombach, wahrscheinlich Teile der Truppen, die bei Maastricht geschlagen worden waren. Schreiber, Mombach, S. 23. Zurück
  11. KB Mombach, Taufregister  Zurück
  12. bezogen auf die Bevölkerung 1798. Zurück
  13. KB Mombach, Taufregister.  Zurück