Nieder-Wiesen in Rheinhessen

Burg Nieder-Wiesen

Im südlichsten Zipfel der Gemarkung Nieder-Wiesen befindet sich auf dem Ausläufer des Kahlenberges eine ausgedehnte unvollendete Burganlage. An dieser Stelle soll, so berichtet es die Nieder-Wiesener Pfarrchronik, ein namentlich nicht genannter Nieder-Wiesener Dorfherr versucht haben, eine Burg zu errichten. Als Bauherren kommen, sollte diese auf keine weitere Quelle gestützte Nachricht zutreffen, die Raugrafen, die Herren von Nieder-Wiesen oder die Herren von Morschheim in Frage.
Der Name der Burg ist unbekannt, zu ihr gibt es keine schriftliche Überlieferung. Die Burgstelle befindet sich gut 1 km vom Ortskern entfernt. Sie wurde also nicht primär zum Schutz des Dorfes errichtet. Ihr Standort erklärt sich vielmehr aus der Nähe zum nahen Vorholz. Dem Wald Vorholz kam schon im Mittelalter große Bedeutung zu, da hier im weiten Umkreis die beste Stelle war, um wertvolles Bau- und auch Feuerholz zu schlagen. So bildeten im Hochmittelalter 17 Ortschaften um Alzey herum eine Forstschaft, denen es erlaubt war, Holz im Vorholz schlagen. In der Nieder-Wiesener Pfarrchronik heißt es weiter, das Mauerwerk der Burg sei bereits bis zu den Tür- und Fensteröffnungen vollendet gewesen. Dann aber sei es zu einem Streit mit dem Pfalzgrafen gekommen, der den Bauarbeiten ein Ende setzte. Wenn man annimmt, dass es die Herren von Morschheim waren, die ihre gewonnene Stellung im Dorf ausnutzten und sich auf dem Kahlenberg (Schlossberg) eine gewaltige Burg errichteten, war es vielleicht ihr begehrlicher Blick auf das Vorholz, der die Pfalzgrafen zum energischen Handeln veranlasste. Doch die Heidelberger verhinderten nicht nur den Burgenbau, sondern halfen vielleicht auch tatkräftig mit, die Morschheimer aus ihrer dominierenden Stellung in Nieder-Wiesen zu verdrängen. Denn nach dem Tod des Raugrafen Philipp (1397) gingen dessen Rechte im Ort, wahrscheinlich über seine Tochter Anna, an Philipp III. von Dhaun-Oberstein über. Diese Rechte wurden 1441 dem Simon von Guntheim zu Lehen übertragen, die andere raugräfliche bzw. obersteinische Hälfte des Ortes erwarb der Guntheimer im Jahr 1453. Damit war er im Besitz des ganzen Dorfes. Erst Anfang des 16. Jahrhunderts kam der guntheimische Besitz mit Zustimmung des Dhauner Lehnsherrn wieder in die Hände der Herren von Morschheim zurück.

Baubeschreibung
Die Burgstelle auf dem „Schlossberg“ wurde bisher immer als vorgeschichtliche Anlage eingestuft und deshalb von der Burgenforschung fast nicht beachtet. Dabei hat bereits Stümpel 1971 in den Alzeyer Geschichtsblättern auf diese bemerkenswerte hochmittelalterliche Burganlage hingewiesen. Die folgende Beschreibung der Anlage folgt eng den Ausführungen Stümpels: Ein mächtiger Halsgraben riegelt auf einer Länge von ca. 90 Metern den Bergsporn fast gradlinig ab. Er ist etwa zwölf bis 15 Meter breit und teilweise fünf bis sechs Meter tief. An der Stelle, wo man das Eingangstor vermuten darf, (Zugbrücke?) ist der Graben heute zur Hälfte verfüllt. An den beiden Enden des Halsgrabens biegt der Graben nahezu rechtwinklig ab und zieht bis zum südwestlichen Steilabfall weiter. Die seitlichen Gräben verlieren allmählich an Breite und Tiefe. Die von diesem Graben umschlossene Plateaufläche hat annähernd Trapezform und ist ca. 5.000 Quadratmeter groß. Der Anlage am Steilabfall ist 15 Meter tiefer ein durch einen weiteren Graben geschütztes Halbrund von 70 Meter Breite und 35 Meter Tiefe vorgelagert. Man hat hier wohl einen natürlichen Absatz zu einer Terrasse ausgebaut, die Kante noch künstlich steiler gemacht und als zusätzliche Sicherung den Graben angelegt, der ca. acht Meter unter dem Terrassenniveau verläuft. Dieser Graben ist an der Frontseite nur noch ungefähr zwei Meter breit und kaum einen Meter tief, verbreitert sich aber nach den bergseitigen Enden zu auf sechs bis sieben Meter. Dort ist er auch rund einen bis zwei Meter tief. Der Grabenaushub scheint als Wall vor der äußeren Grabenkante abgelagert worden zu sein. Zwischen „Hauptburg“ und „Vorburg“ sind noch zwei Geländestufen erkennbar, deren hintere sich mit zwei bis drei Metern Breite und maximal zwei Metern Höhe unmittelbar an den Steilhang der „Hauptburg“ legt. Nach Norden verlässt diese Stufe die „Vorburg“ und zieht sich an den Festungsflanke entlang, um in Höhe des hinteren Halsgrabens auf diesen einzuschwenken. Soweit die Beschreibung Stümpels. Von aufstrebenden Mauern – wie dies in der Nieder-Wiesener Pfarrchronik angedeutet wird - ist heute nichts mehr zu erkennen. Die vielen im Burggelände verstreut liegenden und teilweise bearbeiteten Steine deuten aber an, dass Mauerteile in Angriff genommen worden sind bzw. die Errichtung unmittelbar bevorstand. Die Burgstelle erweckt den Eindruck, als seien die wichtigsten Grabungs- und Planierungsarbeiten bereits beendet gewesen. Steine lagen bereit, um von den Maurern verarbeitet zu werden. Die Burg wäre als vollendete Anlage mit Sicherheit eine der mächtigsten Burgen der Umgebung gewesen.

Nachweise

Redaktionelle Bearbeitung: Stefan Grathoff

Verwendete Literatur:

  • Grathoff, Stefan: Nieder-Wiesen. In: Pfälzischen Burgenlexikon online. Unter Zuhilfenahme von: Bechtolsheimer 1916, S.319; Böhn 1958, S. 175; Brilmayer 1905, S.343; Dehio, Rheinland-Pfalz/Saarland 1984, S.750f; Frey 1836/37, S. 297; Kofler 1884, S.43; Lucae 1993, S.166ff.; Stephan 1965, S.109ff.; Stümpel 1971, S.64f.; Tillmann 1958-61, S.735
  • Landesamt Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz. Band 20.1: Kreis Alzey-Worms. Bearb. v. Michael Huyer und Dieter Krienke. Worms 2013.

Aktualisiert am: 24.10.2014