0.Eine Kirche - Zwei Konfessionen: 27 Simultankirchen im Landkreis Bad Kreuznach
"Lasset die Catholischen in die Kirche, so soll sie gebautet werden"
So lautet die Antwort der Herrscher über Fürfeld, der Herren Boss von Waldeck und der Herren von Waldeck, auf einen Brief, der anlässlich eines möglichen Neubaus der Fürfelder Kirche 1716 geschrieben wurde.
Es geht hierbei um die Errichtung einer simultanen Kirche im Ort.
Was ist eine Simultankirche?
Eine Simultankirche, auch "Simultaneum" genannt, ist ein von mehreren christlichen Konfessionen in konfessioneller Parität genutzter Sakralbau und historische Folge der Reformation, sowie des wenige Jahre später erfolgten innerevangelischen Schismas der Reformbewegung in Lutheraner, Reformierte und Calvinisten.
Die Gründung von Simultaneen ereignete sich im 17. und besonders im 18. Jahrhundert.
Neben der Reformation gab es noch weitere geschichtliche Ereignisse, die die Errichtung von Simultankirchen begünstigt haben:
- Die erste Okkupation der linksrheinischen Gebiete durch die Truppen Ludwigs XIV. erfolgte im Rahmen der sogenannten Reunionskriege ab 1683: Mit der Armee kam auch der katholische Glaube in das inzwischen überwiegend evangelisch gewordene Land zurück und wurde rigoros durchgesetzt.
- "Cuius Regio, Eius Religio": Mitte und Ende des 17. Jahrhunderts konvertierten in der rheinhessischen Region mehrfach Herrscher vom protestantischen Glauben zum Katholizismus und die Bevölkerung musste folgen.
- Zur Gegenreformation der katholischen Kirche kam es schon ab Ende des 16. Jahrhunderts. Die katholische Gegenbewegung wurde im übrigen sehr stark durch die Jesuiten mitgetragen, die die Menschen besonders im Einflussbereich der Kurpfalz für den katholischen Glauben regelrecht missionierten. (Missionskreuze)
- Der Friede von Rijswijk 1697 markierte das Ende des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-1697) und bedeutete auch die Anerkennung des Simultaneums.
- Die Pfälzische Kirchenteilung 1705-1715 wurde durch den in Düsseldorf ansässigen Pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm (1658 - 1715), auch liebevoll "Jan Wellem" genannt, veranlasst und konsequent realisiert. Ab diesem Zeitraum wurden die damals vorhandenen Kirchen, auch die im damaligen Landkreis Bad Kreuznach, im Verhältnis fünf Gotteshäuser für die Protestanten, zwei für die Katholiken, aufgeteilt. Wo das aus örtlichen Gegebenheiten nicht möglich war, wurden kurzerhand Simultankirchen geschaffen oder vom jeweiligen Herrscher den Gemeinden mit mäßigem Erfolg einfach aufoktroyiert.
Als Ergebnis ist festzuhalten, dass die Simultankirchen von der Grundidee her sowohl Ultima Ratio des friedvollen Zusammenlebens der Konfessionen miteinander als auch Zeichen der religiösen Toleranz und damit auch eine frühe Form der Ökumene bedeuteten.
Die 25 vorhandenen Simultaneen im heutigen Landkreis Bad Kreuznach haben die Menschen vom 17. bis ins 20. Jahrhundert tief bewegt, was gerade das Beispiel Neu-Bamberg im 19. Jahrhundert eindrucksvoll zeigt.
0.1.Bad Kreuznach
1311 bis 1332 entstand auf der Insel Wörth die Pauluskirche, auch Wörthkirche genannt. Nach der Reformation 1517 kam die Kirche in reformatorische Hände, die darin evangelische Gottesdienste feierten. Im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) war Kreuznach anno 1620 Stützpunkt der spanischen Truppen unter General Spinola. 1624 begann im Chor des Gotteshauses wieder der katholische Gottesdienst durch die ortsansässigen Jesuiten und die Gegenreformation in dieser Region. 1626 wurde in diesem Zusammenhang der calvinistische Glaube in Kreuznach verboten und 1632 endete schließlich die Zwangskatholisierung. Die schwer beschädigte Kirche ging zwar 1635 an die Calvinisten, aber 1636 wurden darin auch wieder katholische Gottesdienste durch die Jesuiten abgehalten.
Die Pauluskirche war somit simultan geworden. 1652 kam es zum Vergleich der Konfessionen mit dem Ergebnis, dass die Kirche fortan dem Gebrauch der reformierten Gemeinde oblag. Ab 1698 war die Pauluskirche dann wieder simultan, die Katholiken im Chor und die reformierte Gemeinde im durch eine Mauer getrennten Langhaus. Es kam in dieser Zeit aber immer wieder zu Streitereien zwischen den Konfessionen mit der Konsequenz, dass 1781 das Simultanverhältnis von beiden Seiten auf alle Zeit beendet wurde.
0.2.Bad Sobernheim
- Ev. Matthiaskirche in Bad Sobernheim[Bild: giggel [CC BY 3.0]]
Nach dem Friedensschluss von Rijswijk 1697 wurde den Katholiken das Mitbestimmungsnutzungsrecht an der Matthiaskirche vertraglich zugestanden. Dieses hatten die Franzosen unter der Herrschaft Ludwigs XIV. eingeführt. Das Simultaneum bestand schließlich bis 1896. Die Katholiken wurden mit einer Ablösesumme entschädigt und verpflichteten sich bis Ende 1898 in ein neues Kirchengebäude umzuziehen. 1998/2000 kam es dann zum Bau der heutigen katholischen Pfarrkirche St. Matthäus.
0.3.Biebelsheim (Herrschaft Österreich 1789)
Vor der Reformation bestand in Biebelsheim eine dem Hl. Martinus geweihte Kirche. Das spätgotische Gotteshaus stammt aus dem Jahr 1486 und ist ein Saalbau mit einem sterngewölbten Chor, einer Sakristei und einem Dachreiter. Infolge der Reformation und der anschließenden evangelischen Glaubensspaltung wurde den Katholiken der Sakralbau zunächst entzogen, ihnen aber das Mitbenutzungsrecht als Simultankirche auf Anordnung der damaligen französischen Besatzung vom 13. Februar 1685 auf Dauer eingeräumt und durch die Pfälzische Kirchenteilung 1705 bestätigt. Daran änderte auch die rheinhessische Kirchunion im Jahre 1822 bis heute nichts.
0.4.Bockenau (Kurpfalz 1789)
Von 1748 bis 1905 wurde die Simultankirche von beiden Konfessionen, Reformierte und Katholiken genutzt. Ende des 19. Jahrhunderts traf man eine vertragliche Regelung, das Simultaneum unter der Voraussetzung aufzulösen, dass 1906 die neue katholische Kirche bezugsfertig sei. 1905 wurde schließlich die Pfarrkirche, ein romanisierender Saalbau in der Waldböckelheimer Straße errichtet, die dem Hl. Laurentius geweiht ist.
0.5.Boos
- Die evangelische Kirche in Boos.[Bild: AK Bino [CC BY-SA 4.0]]
Die Nachfolgekirche des Gotteshauses aus dem 11. Jahrhundert diente ab 1709 bis heute ohne jegliche Störungen als "Simultankirche". Das bedeutet aber konkret, dass die Kirche zwar den Protestanten formell gehört, aber die Katholiken dreimal im Jahr Gottesdienst darin halten dürfen und zwar an Weihnachten, Ostern und Pfingsten.
0.6.Bosenheim (Kurpfalz 1789)
Bedingt durch die Reformation 1517 löste sich die katholische Kirchengemeinde unmittelbar danach auf und die verbliebenen Katholiken wurden der benachbarten Pfarrei Pfaffen-Schwabenheim zugeteilt. Allerdings haben die Kreuznacher Franziskanerpatres im Rahmen der nun einsetzenden Gegenreformation Ende des 16. Jahrhunderts die notwendigsten Kasualitäten der wenigen im Ort verbliebenen Katholiken, wie Beerdigungen, Hochzeiten und Taufen ohne Widerstand der Protestanten erledigt. In den Jahren 1744/45 mußte aber die bisherige Kirche außer dem Chor wegen Baufälligkeit abgerissen werden. Die reformierte Kirchengemeinde baute sich daraufhin an der gleichen Stelle eine neue Kirche und erlaubte den Katholiken die anfallenden Kasualitäten, jetzt aber auf Anfrage, dort zu erledigen.
0.7.Dörrebach
Die katholische Pfarrkirche Maria Himmelfahrt stammt wahrscheinlich aus dem 12. oder 13. Jahrhundert. Im Zuge der Reformation wurde die Kirche zunächst protestantisch, dann "lutherkatholisch", reformiert, calvinistisch und ab 1556 endgültig lutherisch. Im Jahre 1689 erfolgte die Einführung des Simultaneums durch einen französischen Kommissar während des Pfälzischen Erbfolgekrieges (1688-1697). Die gemeinsame Nutzung der Dörrebacher Simultankirche führte in den folgenden Jahrzehnten und Jahrhunderten immer wieder zu Streitigkeiten um die Gottesdienstordnung und um den Einsatz des Inventars. Dieser permanter Dissens konnte aber erst im Jahre 1900 mit dem Bau der evangelischen Kirche in der Seibersbacher Straße beigelegt werden.[Anm. 1]
0.8.Dorsheim (Kurpfalz 1789)
Die jüngste Simultankirche im Landkreis Bad Kreuznach steht in Dorsheim. 1833/34 wurde aus den herumliegenden Trümmern und Steinen von der im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) zerstörten Kapelle aus dem 15. Jahrhundert ein Gebäude mit zwei Schulsälen und einem Betsaal für 3400 Reichstaler in der Weinbergstraße erbaut. Da die Protestanten zur Deckung der Kosten beigetragen hatten, wurde ihnen die Mitbenutzung des Betsaales gestattet. Allerdings kam es immer wieder zu Reibereien, so dass auf Regierungsbeschluss 1895 das Gotteshaus kurzerhand zur Simultankirche erklärt wurde. Seit 1923 trennt immer noch eine Wand den katholischen vom evangelischen Teil ab.[Anm. 2]
0.9.Ebernburg
Die "Alte Johanneskirche" aus dem 13. Jahrhundert fiel nach der Reformation den Protestanten zu. Aber ab 1684 wurde die Wehrkirche im romanischen Stil auf Anordung der französischen Besatzer zur Simultankirche. Wie üblich gab es danach Reibereien und Streitereien unter anderem um die Benutzung und Gottesdienstordnung des Gotteshauses. Ab 1902 wird das Gotteshaus schließlich bis heute nur noch von der protestantischen Konfession genutzt. Die Katholiken bauten sich im Gegenzug von 1915 bis 1918 eine eigene Kirche, die dem Heiligen Johannes dem Täufer geweiht ist.
0.10.Frei-Laubersheim (Kurpfalz)
Nach dem Dreißigjährigen Krieg (1616-48) hatte die damalige Besatzungsmacht Ende des 17. Jahrhunderts dafür gesorgt, dass die örtliche Kirche St. Mauritius von beiden Konfessionen, Katholiken und Protesanten als Simultankirche genutzt werden konnte. Zwischen 1689 und 1698 scheint sich die protestantische Gemeinde immer mehr der französischen Besatzungsverordnung aus dem Jahre 1689 zur Wiederherstellung der Rechte an die katholische Kirche zu widersetzen und mit der Zeit die Katholiken wieder aus der Kirche zu drängen. Der ganze Widerstand nutzte nichts, es blieb vorläufig beim Simultaneum. Wobei es den Katholiken wegen des damals schon vorhandenen Priestermangels zunächst nicht möglich war, den Simultanstatus mit regelmäßigen Gottesdiensten aufrecht zu erhalten. Von 1791 bis 1796 wurde die gemeinsam genutzte Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen und eine neue ebenfalls simultane Kirche erbaut. Und so kam es, dass die Pfarrkirche in Frei-Laubersheim bis in die 60iger Jahre des vergangenen Jahrhunderts gemeinschaftlich genutzt wurde. Im April 1966 wurde dann aber die Beendigung der gemeinsamen Nutzung vertraglich geregelt: Es wurde bestimmt, dass mit der Fertigstellung einer eigenen evangelischen Kirche deren bisherige simultane Nutzung beendet werden sollte.
0.11.Fürfeld (Freiherrn von Kerpen, Reichsritterschaft 1789)
Die Glaubensspaltung wurde bereits 1540 vom damaligen Territorialherrn Hartmut von Kronberg in Fürfeld eingeführt. Zur Zeit des Rijswijker Friedens 1697 waren die Herren von Kronberg evangelisch und die Herren Boss zu Waldeck, die auch einen Besitzanspruch an Fürfeld hatten, wiederum katholisch. Entsprechend dieser konfessionell-gemischten Ortsherrschaft war auch die örtliche Kirche beiden Konfessionen zugänglich. Ab 1689 lässt sich ein Simultaneum eindeutig datieren, nachdem 1716 Bad Kreuznacher Franziskaner neben dem ortsansässigen evangelischen Pfarrer die Seelsorge übernommen hatten. Wie so oft, entstanden nach 1697 auch hier Schwierigkeiten bei der Gestaltung und Durchführung der Gottesdienste und seiner Ordnung. Die gleichen Probleme scheinen auch noch 1716 bestanden haben, denn als damals die Kirche baufällig wurde, wurde der Wunsch nach einer Renovierung mit dem Willen verbunden: "Lasset die Catholischen mit in die Kirche, so soll sie neu gebaut werden". Die Eintracht währte nicht lange, so dass das Simultaneum durch einen Vergleich bereits am 8. Februar 1772 beendet wurde. Die Katholiken bekamen zum Bau einer eigenen Kirche St. Josef und St. Aegidius in der Kreuzstraße 18, der von 1774 bis 1776 nach langem Rechtsstreit dauerte, 4000 fl. aus dem zivilen Gemeindevermögen und das nötige Bauholz gestellt.
Die Protestanten errichteten sich anstelle der maroden bisherigen Simultankirche von 1774 bis 1776 ebenfalls ein eigenes Gotteshaus in der Rathausstraße 21.
0.12.Gutenberg (Kurpfalz 1789)
Die Pfarrei gehörte seit dem Hochmittelalter als Filialkirche zu Roxheim. Bis zur Reformation war Gutenberg katholisch und die evangelische Konfession wurde 1566 auch dort eingeführt. Nach der katholischen Gegenreformation besonders während des 17. Jahrhunderts und dem Friedensschluss von Rijswijk anno 1697 wurde den Katholiken ein Nutzungsrecht aller kirchlichen Einrichtungen und Besitzungen, die ursprünglich der evangelische Gemeinde gehörten, zugestanden. Die 1769 erbaute Barockkirche wurde damit zur Simultankirche erklärt.
In den 1960er Jahren endete aber das Simultanverhältnis. Die Kirche musste innen wie außen dringend saniert werden. Da aber den Katholiken das Geld dazu fehlte, plante die evangelische Gemeinde, eine neue Kirche zu bauen. Nach einer Intervention beim zuständigen Bistum in Trier gab es eine Zusage, das Geld für einen Kirchenneubau zu erhalten. Die katholische Kirchengemeinde beschloss daraufhin das Simultaneum zu beenden und eine neue Kirche zu errichten. Am 3. April 1966 wurde schließlich das aktuelle Gotteshaus mit dem Namen "Mariä Geburt" in der Gräfenbachstraße 5 feierlich eingeweiht.[Anm. 3]
0.13.Hackenheim (Kurpfalz 1789)
Auch in Hackenheim ging die katholische Kirchengemeinde nach der Reformation wegen des rapiden Mitgliederschwundes ein. Im Rahmen der Gegenreformation auch Rekatholisierung genannt, feierten am 25. Januar 1689 Kreuznacher Franziskanerpatres nach langer Zeit wieder einen katholischen Gottesdienst in der Kirche auf dem nahen Michaelsberg. Die Protestanten waren aber schon Anfang des 18. Jahrhunderts in der Minderheit, so dass die Kirche in dieser Zeit nicht mehr zu protestantischen Gottesdiensten genutzt wurde. Die Franziskaner hielten die Pfarrseelsorge noch bis 1803 in der Kirche aufrecht, bis von 1807 bis 1809 eine neue Kirche gebaut und wieder dem Hl. Michael geweiht wurde.
0.14.Hargesheim (Kurpfalz 1789)
Eine ganz besondere Art von "Simultaneum" finden wir in Hargesheim vor. 1730 wurde mit dem Bau der katholischen und 1731 mit dem Bau der evangelischen Kirche auf dem Grundstück der 1622 durch einen Brand zerstörten Kapelle St. Valentin in der Kirchstraße 13/15 begonnen. Einmalig ist aber die Tatsache, dass die beiden Kirchengebäude zwar untrennbar baulich zusammengefügt waren, aber voneinander getrennte Kirchenräume hatten. Das unechte "Simultaneum" wurde 1959 aufgelöst, als die Katholiken bedingt durch den starken Zuzug ihrer Gläubigen nach dem Zweiten Weltkrieg sich ein eigenes größeres Gotteshaus namens St. Bernhard in der Schillerstraße 2 bauten.
0.15.Ippesheim (Grafschaft Falkenstein / Fürstentum Bretzenheim 1789)
Zum Simultaneum kam es durch die Verordung des damalige Kommandanten der französischen Besatzung anlässlich der Reunionskriege Ludwigs IV. in Ippesheim. 1710 gab es nur 10 Katholiken in zwei Häusern, aber trotzdem setzte die französische Führung das Vorhaben konsequent durch. Das Simultaneum hat sich bis 1842 gehalten, bis zu dem Zeitpunkt, in dem die gemeinsame Kirche wegen Baufälligkeit abgerissen werden musste. Die Protestanten bauten sich 1892 eine eigene Kirche, die Christuskirche in der Frankfurter Straße 2. Die Katholiken haben es im Gegensatz dazu bis heute nicht geschafft, sich im Ort ein eigenes Gotteshaus zu errichten.
0.16.Kirn
- Die katholische Pfarrkirche St. Pankratius in Kirn.[Bild: Henry [CC BY-SA 2.0]]
Der östliche Teil der ehemaligen Stiftskirche wurde im 15. Jahrhundert mit romanischen Elementen wie dem Turm aus dem 11./12. Jahrhundert in der Kirchstrasse errichtet. Das Gotteshaus war 200 Jahre lang eine Simultankirche mit einem von den Katholiken genutztem Chorraum und einer evangelisch genutzten Halle. Das Gotteshaus wurde durch ein Hochwasser in Mitleidenschaft gezogen, sodass es 1892 abgerissen und durch ein neues Langhaus ersetzt werden musste. Die Katholiken machten aus der Not eine Tugend, beendeten das Simultaneum und errichteten noch im gleichen Jahr eine neue Kirche im Kolpingweg, die sie dem Hl. Pankratius weihten.
0.17.Langenlonsheim (Kurpfalz 1789)
Der erste Sakralbau war die um 1200 erbaute St. Nikolaus Kirche, die später unter demselben Namen um 1475 erwähnt wurde. Nachdem die Kirche am Anfang und Mitte des 16. Jahrhunderts mehrfach beschädigt wurde, wurde sie 1588 schließlich als evangelische Pfarrkirche neu gebaut. Vom 12. April 1697 an wurde die Kirche zur Simultankirche, d.h. das Gotteshaus stand den Katholiken und den Protestanten abwechselnd zur Verfügung. Das änderte sich erst mit dem Neubau der katholischen Kirche St. Johannes der Täufer in der Oberen Grabenstraße im Jahre 1908. Damit endete nach gut 200 Jahren das Simultaneum in Langenlonsheim.
0.18.Neu-Bamberg (Kurmainz 1789)
Zur Zeit der Reformation war Neu-Bamberg fest in Kurpfälzer Hand und die Bevölkerung damit protestantisch. 1663 gehörte Ort dann wieder zu Kurmainz. Von 1714 bis zur französischen Besetzung Rheinhessens 1794 hatte Neu-Bamberg ein eigenes Kurmainzer Amt. In dieser Zeit zogen viele katholische Familien in den Ort und die Kirche St. Georg wurde kurzerhand simultan genutzt. Die Katholiken durften das Gotteshaus bei Kasualitäten wie zum Beispiel Beerdigungen und an jedem zweiten Feiertag benutzen. Die sonntäglichen Gottesdienste und die täglichen Andachten fanden für die Katholiken aber in der nahe gelegenen Bergkapelle auf dem Schlossberg statt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts nutzten beide Konfessionen die Kirche zu genau festgelegten Zeiten. Aber um 1850 kam es zunehmend zu gravierenden Schwierigkeiten: Nach mündlicher Überlieferung gipfelten sie darin, "dass in einer hellen Mondnacht Grüppchen besonders aufrechter Protestanten die Sakristei der Kirche abrissen und so vollendete Tatsachen schufen. Auch der damalige Bürgermeister Johann Schleicher soll mit von der Partie gewesen sein. Am Ende konnte der Streit und die eindeutige Sachbeschädigung nur gerichtich geklärt werden. Aufgrund des abschließenden Urteils des Hessisch-Darmstädtischen Landgerichtes in Mainz verzichteten die Katholiken auf jeglichen Anspruch an der Georgskirche und den dazu gehörenden Friedhof. Die Protestanten mussten aber 1000 Gulden Abfindung an die katholische Kirchengemeinde zahlen, den geweihten Altarstein und das Sanktuarium herausgeben". Die Katholiken wiederum bauten die ehemalige Burgkapelle zur heutigen katholischen Kirche St. Dionysius aus und legten den Friedhof neu an.[Anm. 4]
0.19.Pfaffen-Schwabenheim (Kurpfalz 1789)
Die Kirche teilt ihre geschichtliche Entwicklung mit dem dortigen Kloster der Chorherren des Augustinerordens. Im Jahre 1566 wurde das Chorherrenstift durch den Pfälzischen Kurfürst Friedrich aufgehoben und das Gotteshaus der reformierten Gemeinde zugesprochen.
Zur Zeit der ersten französischen Besetzung Mitte Ende des 17. Jahrhunderts kamen die Katholiken wieder zur simultanen Nutzung ihrer ehemaligen Kirche. Vorübergehend verdrängenden aber diesmal die Reformierten die Katholiken aus der Kirche. Am 19. Februar 1697 feierte aber Pater Ignatz Anton Martells nach dieser Unterbrechung wieder eine Messe in der Ortskirche. Das zog nun wiederum weitere Geistliche an, die die Seelsorge nicht nur in Pfaffen-Schwabenheim sondern auch in den benachbarten Gemeinden wie Bosenheim, Pleitersheim, Sprendlingen und Zotzenheim übernehmen konnten.
1802 wurde das Stift im Zuge der Säkularisierung endgültig aufgehoben und 1808 die Simultankirche nach dem sog. "Reichsdeputationshauptschluss" als Filialkirche sowohl der katholischen Pfarrei Badenheim als auch der evangelischen Gemeinde Bosenheim zugeordnet. Gemäß einem Vertrag von 1904 ging das Alleineigentum der Simultankirche auf die katholische Pfarrgemeinde Pfaffen-Schwabenheim über. Nach einer umfangreichen Restauration erfolgte am 5. August 1912 die erneute Weihe der Kirche. Die evangelische Gemeinde erhielt eine Abfindung von 20.000 Goldmark und baute sich ein eigenes Gotteshaus. Das Sakralgeäude wurde 1908 bezogen und erhielt genau 100 Jahre später 2008 den Namen "Gustav Adolf-Kirche".
0.20.Planig (Kloster St. Jakob zu Mainz Herrschaft 1789)
Die heutige evangelische Kirche ist der Nachfolger eines romanischen Baus aus dem 12. Jahrhundert. 1567 führte Friedrich von Löwenstein die Reformation in Planig ein und übergab die Kirche den Lutheranern. Den wenigen verbliebenen Katholiken im Ort wurde für 90 Jahre die Benutzung der Kirche verboten. 1655 gestatteten die Lutheraner den durch die Rekatholisierung, sprich Gegenreformation, bedingten stetigen Zuwachs an Katholiken die Messfeier in der protestantischen Kirche abzuhalten. Ab 1675 kam es wegen der Benutzung des Hochaltars zum Zerwürfnis und den Katholiken wurde erneut der Zutritt zur Kirche verwehrt.
Mit Hilfe eines Offiziers und neun Soldaten aus der französischen Armee konnten die Katholiken 1685 den Zugang zur Planiger Kirche erzwingen. Einige Lutheraner die Widerstand leisteten wurden danach in der französisch besetzten Burg Landsberg (Obermoschel) unter Arrest gestellt. Im gleichen Jahr wurde das Simultanverhältnis vertraglich geregelt, also der gemeinsame und gleichberechtigte Besitz der Kirche für Lutheraner und Katholiken festgeschrieben. Obwohl im Vertrag vereinbart war, das Gotteshaus in gutem Einvernehmen zu benutzen, wird in den folgenden Jahren von erheblichen Streitereien berichtet. Das ging das ganze 18. und das 19. Jahrhundert hindurch so weiter.
Nach jahrelangen Planungen wurde schließlich im Jahre 1899 die neue katholische Kirche St. Gordianus in der Biebelsheimer Strasse 4 gebaut und am 10. Oktober 1900 feierlich eingeweiht.
0.21.Pleitersheim (Kurpfalz als Kondominium mit den Grafschaften Falkenstein und Nassau-Saarbrücken bis 1714, danach Kurmainz bis 1789)
Im Jahre 1697, noch vor dem Frieden von Rijswijk, wurde in Pleitersheim wieder mit dem katholischen Gottesdienst begonnen und damit begann auch dort das Simutaneum. Wobei diese Einrichtung danach mit erheblichen organisatorischen Schwierigkeiten verbunden war, denn die katholischen Geistlichen kamen aus den Nachbargemeinden, um in Pleitersheim regelmäßig Gottesdienste zu halten. Bis zum Jahr 1745 war eine regelmäßige heilige Messe zwar gewährleistet, aber schon 1767 beschwerten sich die Pleitersheimer Katholiken über die benachbarten Pfaffen-Schwabenheimer Pfarrer:"Sie halten uns keinen Gottesdienst, als nur auf St. Blasij am Aschermittwoch" (Blasiussegen).
Im Jahre 1758 wurde auf Kosten der geistlichen Administration ein neuer Altar für die Katholiken errichtet, was wiederum Unmut bei den Protestanten erzeugte. Die Probleme von beiden Konfessionen darin Gottesdienste zu halten, sind allerdings über die Jahrhunderte geblieben. Das führte letztendlich dazu, dass dieses holprige Simultaneum endgültig 1978 beendet wurde. Die ehemalige Simultankirche ist seitdem im Besitz der evangelischen Kirchengemeinde Pleitersheim.
0.22.Rüdesheim (Kurpfalz 1789)
Das Simultaneum wurde durch einen Erlass des katholischen pfälzischen Kurfürsten Johann Wilhelm 1697 in Rüdesheim eingeführt. Das heißt, die Katholiken konnten in der Kirche vor Ort nach Jahrzenten der Entbehrung wieder ihren Gottesdienst feiern. Nachdem 1897 das Simultaneum in Rüdesheim aufgelöst war und die zurückgegangene Zahl der Katholiken ihren Anteil an den Unterhaltskosten nicht mehr aufbringen konnten, trat die katholische Kirchengemeinde ihr Recht am Kirchengebäude an die Protestanten ab. Erst 1958 konnten die Rüdesheimer Katholiken wieder im Ort Gottesdienst feiern, nachdem eine ehemalige Militärbaracke als Notkirche eingerichtet worden war.
0.23.Seibersbach
- Die evangelische Kirche in Seibersbach.[Bild: KFrank [CC BY-SA 4.0]]
Das Simultaneum wurde 1689 mit der Pfarrei Seibersbach und Dörrebach sogar noch vor dem Frieden von Rijswijk 1697 mit jeweils zwei Simultankirchen eingeführt. So hat es aber im gesamten Verlauf des Simultaneums immer wieder Streit zwischen den Katholiken und Protestanten gegeben. Das führte schließlich so weit, dass das Simultaneum zum 1. Januar 1900 aufgelöst wurde. Den Protestanten wurde in den vorausgegangenen Verhandlungen von 1896 die Simultankirche in Seibersbach und den Katholiken die Simultankirche in Dörrebach zugesprochen.
0.24.Volxheim (Kurpfalz bis 1714, danach Kurmainz bis 1789)
Auch in Volxheim wurde es den Katholiken während der französischen Besetzung Mitte/Ende des 17. Jahrhunderts wieder ermöglicht ihre "alte" Kirche aus der Vorreformationszeit wenigstens simultan zu nutzen. Dieser Zustand wurde durch den Rijswijker Frieden 1697 rechtskräftig bestätigt. Für die Pfarrseelsorge in Volxheim waren jetzt die Kreuznacher Franziskaner zuständig. Die Kirche wurde aber bei der Pfälzischen Kirchenteilung 1705 den Reformierten zugesprochen und die Katholiken nach einer Verordnung der Religionskommission auf das örtliche Rathaus verwiesen, in dem sie ihre Gottesdienste bis auf Weiteres abhalten konnten. (Kapellenrathaus)
Die Pfarrgüter wurden ebenfalls den Reformierten überschrieben und nachdem Volxheim durch den Austauschvertrag vom 6. Juni 1714 an Kurmainz gekommen war, stellte der neue Territorialherr das katholische Simultanrecht wieder her. Sogleich gab es zwischen beiden Konfessionen Streit um die Gottesdienstordnung, weil beispielsweise die vereinbarten Gottesdienstzeiten von beiden Konfessionen nicht eingehalten wurden.
Als die Simultankirche immer baufälliger wurde, hielten die Reformierten ab 1743 ihren Gottesdienst fast ein halbes Jahrhundert lang in einer Scheune oder je nach Witterung sogar auf dem freien Feld ab. Die Lage eskalierte in der Form, dass es am 3. Juni 1786 zu einem Auflösungsvertrag kam. Die Katholiken verzichteten darin auf ihr Simultanrecht und bekamen dafür einen Bauplatz und die kleinere der beiden Glocken aus der alten maroden Kirche. Vier Jahre später errichteten die Katholiken ihre eigene Kirche, die sie dem Hl. Matthäus weihten. Die Reformierten erbauten sich aus übergeordneten Administrationsmitteln auf dem "alten" eigenen Kirchbauplatz am Marktplatz ihr eigenes Gotteshaus.
0.25.Weinsheim (Kurpfalz)
Ab 1687 bzw. 1697 wurde der katholische Gottesdienst wieder im Ort praktiziert. Die Kirche war somit simultan. Vorher wichen die wenigen nach der Reformation noch verbliebenen katholischen Gläubigen zum Gottesdienstbesuch in die Nachbarorte aus. 1811 musste die Simultankirche wegen Baufälligkeit allerdings abgerissen werden. 1908 wurde nach jahrelangen Planungen die katholische Herz Jesu Kirche in der Schulstraße 27 errichtet. Den Protestanten verblieb das von 1823-1825 neu gebaute ansehnlich gestaltete Gotteshaus in der Kirchgasse 20.
0.26.Winterburg
Die nach der Reformation protestantisch gewordene Kirche aus dem Mittelalter wurde Anfang des 18. Jahrhunderts zerstört und diente vorher der simultanen Nutzung. Diese endete aber mit dem frühklassizistischer Neubau der evangelischen Kirche in der Soonwaldstraße 15 von 1882 bis 84.
Nachweise
Verfasser: Wolfgang Höpp
Verwendete Literatur:
- Brilmayer, Karl Johann: Rheinhessen in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichte der bestehenden und ausgegangenen Städte, Flecken, Dörfer, Weiler und Höfe, Klöster und Burgen der Provinz Rheinhessen nebst einer Einleitung. Gießen 1905.
- Landesamt für Denkmalpflege (Hrsg.): Kulturdenkmäler für Rheinland-Pfalz. Band 5.1: Kreis Bad Kreuznach. Stadt Bad Kreuznach, bearb. v. Edith Ruser und Herbert Dellwing, Düsseldorf 1987.
- Rosendorn, Kurt: Die rheinhessischen Simultankirchen bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Quellen und Abhandlungen zur Mittelrheinischen Kirchengeschichte, Band 3. Speyer 1958.
Erstellt am: 22.09.2022