0.Wegekreuze in der Pfalz
0.1.Teil 3: Eine kleine Pilgerreise durch den Landkreis Germersheim
von Wolfgang Höpp
„Ihr Alle
die ihr vorüber gehet
am Wege, gebet Acht
und schauet, ob ein
Schmerz gleich sei
meinem Schmerze "
*Klagelieder, Capitel 1, Jerm. Vers 12*
Mit dieser Inschrift fordert ein Wegekreuz in Bellheim im Landkreis Germersheim die Passanten zum Innehalten, zur Besinnung oder auch zu einem kurzen Gebet auf.
Der Landkreis Germersheim verfügt mit insgesamt 29 Ortsgemeinden über 13 Kommunen, innerhalb deren Gemarkungsgrenzen sich jeweils mindestens ein Wegekreuz befindet. Die 37 allein im Landkreis dokumentierten Wegekreuze zeugen von der unerschütterlichen Volksfrömmigkeit und der tiefen Verwurzelung im christlichen Glauben unserer Vorfahren früherer Jahrhunderte. Als kulturell wertvolle und erhaltungswürdige Monumente bereichern sie die reizvolle Landschaft von Schwegenheim im Norden bis Scheibenhardt im Süden.
Die Geschichte der Wegekreuze, gelegentlich auch Flurkreuze genannt, lässt sich bis weit ins Mittelalter zurückverfolgen. Die ältesten noch erhaltenen Exemplare stammen aus der Epoche des Hochmittelalters vom 11. bis 13. Jahrhundert. Gemeint sind die sogenannten in Stein gehauenen Sühnekreuze, welche ursprünglich gedacht waren als Erfüllung von Sühneverträgen zur friedvollen Beendigung teils mörderischer, grauenvoller Blutfehden.[Anm. 1]
Zur Zeit der Gegenreformation der katholischen Kirche, die bereits Mitte des 16. Jahrhunderts einsetzte, erfuhr die Motivation zur Errichtung von Wegekreuzen in überwiegend katholisch geprägten Ortsschaften ideell einen regelrechten Schub, flankiert von der ausgeprägten Kunstfreudigkeit des Barock.
Wegekreuze aus unterschiedlichen Materialien, aus Sandstein, Holz, Gusseisen oder auch aus Metall erfüllen mannigfache Funktionen:
An markanten Kreuzungen, auf Wegen und Straßen, am Feldesrain, auf freier Flur oder im Wald dienen sie Wanderern, Pilgern und Durchreisenden zur Orientierung, sind sozusagen Kompass in unbekanntem Gebiet. An gefährlichen und unübersichtlichen Stellen in der Gemarkung mahnen sie den Ortsfremden zu erhöhter Vorsicht und fungieren somit als Warnschild vor Gefahr für Leib und Leben. Unfallkreuze wiederum sind aus Anlass schwerer Unglücksereignisse errichtet worden, gedenken der zu Tode gekommenen Unfallopfer und sind zugleich Mahnmal für die Lebenden.
Wegekreuze waren und sind bis heute beliebte Ziel- und Ausgangspunkte für kirchlich religiöse Prozessionen aller Art, für Bitt- und Dankprozessionen ebenso wie für die traditionellen katholischen Palmsonntags- und Fronleichnamsprozessionen.
Für die Region Südpfalz sind die sogenannten Missionskreuze typisch. Bereits während der Gegenreformation zogen verstärkt kleinere Gruppen von zwei oder drei Patres des Jesuitenordens oder anderer Ordensgemeinschaften in missionarischer Absicht von Dorf zu Dorf, von Pfarre zu Pfarre. Sie blieben dort mehrere Tage oder gar Wochen zur Volksmission mit dem Ziel der "Erneuerung und Bekehrung des christlichen Volkes". Als bleibender Beweis ihres konfessionellen Engagements und gewissermaßen auch zur Dokumentation des gelungenen Missionswerkes wurde wie beispielsweise in Lingenfeld ein mit der markanten Inschrift "Rette Deine Seele" und den Jahreszahlen der in diesem Fall insgesamt fünf Visitationen versehenes Missionskreuz an einer strategischen oder allseits bekannten Stelle im Ort errichtet.
Wetter- und Hagelkreuze, Pest-, Votiv- und die sogenannten "Fünf-Wunden-Kreuze" runden schließlich das breite Spektrum der Spezies Wegekreuz ab.
Bei allen Versuchen, das von der staatlichen Denkmalpflege anerkannte Kulturgut „Wegekreuz“ auf Dauer zu retten, bleibt die ernüchternde Erkenntnis, dass unsachgemäße Restaurierungsversuche, der expandierende Straßenbau, die verstärkte Ausweisung von Neubaugebieten, aber auch Flurbereinigungen und nicht zuletzt Wind und Wetter in der Vergangenheit zum Verlust vieler Wegekreuze geführt haben und in der Zukunft ohne die dringend gebotene Rücksichtnahme noch führen werden.
Leider Gottes wird den Wegekreuzen vor Ort auch nicht die nötige Beachtung geschenkt, die sie verdienen, weil vielfach Geschichts- und Fördervereine fehlen.
So gibt es im Landkreis Germersheim, wie in vielen anderen rheinland-pfälzischen Landkreisen auch, bisher nur wenige Ausnahmen, die eindrucksvoll demonstrieren, wie effektiv und erfolgreich eine fachgerechte Sanierung der in die Jahre gekommenen christlichen Denkmäler im Zusammenspiel von Kommunen, Sachverständigen, Handwerkern und Bürgerschaft aussehen kann. Als herausragendes Beispiel wäre hier vorzugsweise das Missionskreuz in Bellheim zu nennen.
0.2.Bellheim
4 Wegekreuze
- „Rotes Kreuz“ südlich des Ortes am Rülzheimer Weg, Flur „Am Schwabsweg“, Kruzifix, Sandstein, 19. oder Anfang 20. Jahrhundert.
- Südöstlich des Ortes an einem Feldweg, Flur „Häßlichberg“, Kruzifix, Sandstein, 19. oder Anfang 20. Jahrhundert.
- Westlich des Spiegelbachs und nördlich der Obermühle, Flur „Kehlwiesen“, Kruzifix, bezeichnet 181X.
- „Bellheimer Missionskreuz“ auf dem Kirchplatz bei der Pfarrkirche St. Nikolaus, heller Sandstein, 1893 gestiftet und 2019 renoviert und eingeweiht.
0.3.Berg
Westlich des Ortes, an der K 20, an der Straße nach Neulauterburg Flur „Neistücke“, Kruzifix, bezeichnet 1880.
0.4.Freckenfeld
Sühnekreuz am Straßeneck K 10 / Am Bildstöckel gegenüber dem Friedhof.
0.5.Hagenbach
- Wegekreuz in der Bahnhofstraße in Hagenbach.[Bild: Gerd Eichmann [CC BY-SA 4.0]]
2 Wegekreuze
- Westlich des Ortes, bei der Abzweigung des Geranienweges von der Friedensstraße, Flur „Heilige Äcker“. Kruzifix mit Metallkorpus, bezeichnet 1895.
- Mitte des Ortes, in der Bahnhofstraße, sonst keine weiteren Angaben.
0.6.Hatzenbühl
- Wegekreuz "Am Bildstöckel" in Hatzenbühl.[Bild: Gerd Eichmann [CC BY-SA 4.0]]
- Wegekeuz in der Lindenstraße, Ecke Fliederweg in Hatzenbühl.[Bild: Gerd Eichmann [CC BY-SA 4.0]]
5 Wegekreuze
- Lindenstraße, Ecke „Am Bildstöckel“, Balkenkreuz, Rotsandstein, wohl aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
- Lindenstraße, Ecke Fliederweg, barockes Balkenkreuz, 18. Jahrhundert.
- Nordwestlich des Ortes an der K11, an der Straße nach Hayna, Flur „Lange Gewanne“, Balkenkreuz Rotsandstein, bezeichnet 1897, Kreuz wohl älter (18. Jahrhundert).
- Nordöstlich des Ortes an einem Feldweg, Flur „Unterer See“, Sockelkreuz, bezeichnet 1727.
- Sühnekreuz an der Ecke K 10/Am Bildstöckel gegenüber dem Friedhof.
0.7.Hördt
„St. Georg-Missionskreuz“, Kirchstraße hinter Nr. 15, 1909, mit Inschrift.
0.8.Jockgrim
- Wegekreuz in der Hatzenbühler Straße in Jockgrim.[Bild: Wikipedia-Nutzer Pfalz39 [CC BY-SA 4.0]]
4 Wegekreuze
- Hatzenbühler Straße, Ecke Holzäckerweg, Balkenkreuz Rotsandstein, Metallkorpus, bezeichnet 1860.
- Am nördlichen Ortsausgang, untere Buchstraße vor Nr. 1c, Balkenkreuz, Metallkorpus, bezeichnet 1861.
- Südlich des Ortes, an der Straße nach Wörth, Flur „Im Gewanne“, nachbarockes Kruzifix, Rotsandstein, bezeichnet 1824.
- Gedenkkreuz am Schweinsheimer Kirchel, etwa 10 m abseits.
0.9.Knittelsheim
- Das Wegekreuz in Knittelsheim.[Bild: Rudolf Wild [CC BY-SA 4.0]]
Westlich des Ortes an der L 509, auf dem Weg nach Ottersheim, Flur „In den Elfmorgen“, Balkenkreuz, bezeichnet 1721.
0.10.Leimersheim
Sühnekreuz, auf dem Friedhof vor der Leichenhalle, aufgestellt wegen eines Mordes an einem Zöllners, Errichtungsdatum umgeändert in 1811.
0.11.Lingenfeld
2 Wegekreuze
- Südwestlich des Ortes, an der Druslach, ohne weiteren Angaben.
- Missionskreuz in der Ortsmitte, Eintrag: „Rette deine Seele, 1902-1925-1936-1951-1965“. Üblich waren bei der Missionierung der Christen zurück zum katholischen Glauben höchstens zwei Ortsbesuche. Dass die Missionare, die überwiegend aus Jesuiten bestanden, Lingenfeld innerhalb von gut 60 Jahren fünfmal heimsuchten, lässt tief blicken!
0.12.Neupotz
Hauptstraße, Ecke Hinterstraße, Kruzifix, Rotsandstein, bezeichnet 1861.
0.13.Rheinzabern
- Wegekreuz in der Jockgrimer Straße in Rheinzabern.[Bild: Wikipedia-Nutzer Syntaxys [CC BY-SA 4.0]]
7 Wegekreuze
- Bahnhofstraße bei Nr. 17, Nischenkreuz, bezeichnet 1805.
- Hauptstraße, bei Nr. 59, Sandstein, bezeichnet 1738.
- Jockgrimer Straße, Ecke Römerbadstraße, Sandstein, bezeichnet 1845.
- Nordöstlich des Ortes an einem Feldweg, Flur „Am Wanzenheimer Weg“, Balkenkreuz, bezeichnet 1731.
- Nordöstlich des Ortes bei der „Wanzenheimer Mühle“, Flur „Am Mühlweg“, spätbarocker Sockel eines Kruzifix, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts.
- Nordöstlich des Ortes in der Verlängerung der Neupotzer Straße beim Friedhof, Flur „Wasserbeitz“, Kruzifix, graugelber Sandstein, bezeichnet 1723.
- „Weißes Kreuz“, östlich des Ortes in Verlängerung der Maximilianstraße, Flur „Am weißen Kreuz“, Kreuzigungsgruppe bezeichnet 1787.
0.14.Rülzheim
4 Wegekreuze
- „Am Gaswerk“, Germersheimer Straße, Kruzifix mit eisernem Korpus, bezeichnet 1865.
- Nordwestlich des Ortes an der L 493, Flur „Im Steingebiß“, Abzweig eines Feldweges von Straße nach Herxheim, Kruzifix mit eisernem Korpus, bezeichnet 1871 mit Inschrift.
- Östlich des Ortes an der L 493, an der Straße nach Hördt, Flur „Heide“, Kruzifix mit eisernem Korpus, bezeichnet 1880.
- Südlich des Ortes beim Dieterskirchel, barockes Sandsteinkruzifix bezeichnet 1777.
0.15.Schaidt (Wörth)
Sühnekreuz in der Gartenmauer des Anwesens „Speyerer Straße 58“.
0.16.Scheibenhardt
Westlich des Ortes, an der L 545, an der Straße zur Bienwaldhütte, Distrikt „Am Herrgott“, Sandsteinsockel, bezeichnet 1739.
0.17.Schwegenheim
Sühnekreuz im Schwegenheimer Wald, ca. 300 m östlich der Straße nach Gommersheim.
Nachweise
Verfasser: Wolfgang Höpp
Verwendete Literatur:
- Nachrichtliches Verzeichnis der Kulturdenkmäler im Auftrag des Kultusministeriums Rheinland-Pfalz 1999 – Kreis Germersheim.
- Weinmann, Fred: Das Schmugglerkreuz in Leimersheim. Speyer 1975.
- www.suehnekreuz.de
Erstellt am: 30.06.2021
Anmerkungen:
- Weinmann, Fred: Das Schmugglerkreuz in Leimersheim. Speyer 1975. Siehe auch www.suehnekreuz.de. Zurück