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Einquartierungen und ungewohnte Bräuche

In zeitgenössischen Zeugnissen wurde die Besatzungszeit oft als „schwere Zeit“ bezeichnet. Doch die Alltagserfahrungen der Menschen waren sehr unterschiedlich.

Eintreffen der Einquartierungskommission in Bad Kreuznach, 8. Dezember 1918. Im Hintergrund das Kurhaus, davor der Fürstenhof, der vom französischen Militär besetzt wurde[Bild: Stadtarchiv Bad Kreuznach, NL Gampper]

Während manche Dörfer keine oder nur vorübergehende Einquartierungen hatten, waren z.B. im 520 Einwohner zählenden Uffhofen bei Flonheim fast ein Jahr lang 1.400 Soldaten stationiert. In Mainz waren auf dem Höhepunkt Mitte 1924 über 2.400 Wohnungen komplett und über 4.000 teilweise beschlagnahmt. In der Pfalz waren es Ende 1926 immer noch knapp 9.500 Wohnungen. Die Besatzungstruppen nutzten vorhandene Kasernen und Übungsplätze, so in Koblenz, Landau, Worms und Mainz. Mancherorts wurden nachträglich Kasernen gebaut und Bordelle eingerichtet. Weitere Unterkünfte wurden durch Einquartierungen und Requisitionen in privaten Häusern und Wohnungen geschaffen. Auch beschlagnahmten die Besatzer öffentliche Gebäude wie Schulen, Turn- und Festsäle sowie Sportplätze.

Bad Kreuznach, 23. Dezember 1918

„Abends kommt eine andere [Autokolonne] u. wir bekommen unsere Einquartierung. Das hatte lange gedauert, bis der Quartiermacher sich mit Mutter u. mir verständigt hatte. Er wollte hier ‚kuschee‘ u. ‚mangschee‘. Oben sind zwei Betten im Stübchen zurecht. Und zum ‚mangschee‘ boten wir ihm unsere Wohnstube an. Er sagte aber, das sei mein ‚Büro‘ u. dort müsste ich arbeiten. Um 5 Uhr wollte er noch mit 3 od. 4 Kameraden kommen. Es kamen aber nur 2 Mann; die waren mit dem oberen Stübchen sehr zufrieden: bon! Und aus der Wohnstube wollten sie uns nicht vertreiben, sie gingen wo anders hin ‚mangschee‘. Gegen 8 Uhr rückten sie ohne uns zu stören ruhig und still in ihre Klause.“ (Emil Weirich, Tagebuch, Privatbesitz Renate Weirich)

Familie Sattel mit französischen Soldaten im Hof in der Ludwigstraße, Schifferstadt[Bild: Privatbesitz Beate Steigner-Kukatzki]

Die Einquartierungen verschärften nicht nur die vielerorts bestehende Wohnungsnot, sondern machten ein unmittelbares Aufeinandertreffen von Franzosen und deutscher Zivilbevölkerung unvermeidlich. Später wurden auch neue Gebäude für französische Armee- und Zivilangestellte geschaffen.

Amerikanische Soldaten in Neuwied bei der Familie Brüchweh, 1919[Bild: Kreismedienzentrum Neuwied, Sammlung Kupfer]

Soldaten in Uniform verkehrten auf den Straßen, ihre Flaggen wehten an Gebäuden, Militärfahrzeuge, fremdsprachige Warn-, Orts-, Straßen- oder Hinweisschilder, z.B. mit der Aufschrift „Cantonnement normal/Logement“ an Gebäuden, leiteten die Soldaten im öffentlichen Raum und informierten über Einquartierungen. An Anschlagtafeln hingen Plakate oder zweisprachige Wandzeitungen, je nach Ort französisch/deutsch oder englisch/deutsch.

Die Ausrichtung auf das Militärische, die Anwesenheit neuer Symbole, einer neuen Sprache und fremden Geldes irritierten und ließen die Menschen die vertrauten Verhältnisse vermissen.

Die Hunsrück-Bäuerin Maria Elisabetha Glasmann (1860-1942) über den Einzug der französischen Truppen in ihrem Dorf im Dezember 1918

„Die Soldaten waren überhaupt anständig und dankbar, ließen sich nichts zuschulden kommen, erwiesen uns gerne kleine Gefälligkeiten und waren auch reinlich. Wenn wir geputzt hatten, gingen sie auf den Fußspitzen.“ (Tagebuch meines Lebens, 1973, S. 224)

Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)