Bibliothek

Die Remilitarisierung des Rheinlandes am 07. März 1936

Hohenzollernbrücke in Köln. Über diese Brücke, beziehungsweise deren Vorgängerbau, marschierte die Wehrmacht 1936 in das entmilitarisierte Rheinland ein. [Bild: © Raimond Spekking [CC BY-SA 4.0] (via Wikimedia Commons)]

Am 07. März 1936 fand die „Operation Winterübung“ statt, so wurde die Remilitarisierung des Rheinlandes vom NS-Regime genannt. Dabei überquerte eine vergleichsweise kleine Gruppe von 22.000 Soldaten bei Köln den Rhein und bezog Stellungen in unmittelbarer Nähe des östlichen Rheinufers. Etwa 3.000 Soldaten sollten bis in die Städte Aachen, Saarbrücken und Trier vordringen und dort Stellungen aufbauen.[Anm. 1] Die Soldaten hatten einen sofortigen Rückzugsbefehl bei eventuellem Kontakt mit französischen Truppen. Durch die geringe Anzahl der Soldaten sollte der Eindruck eines deutschen Friedenswillens und eines lediglich symbolischen Charakters der Aktion vermittelt werden.[Anm. 2]

Um die Gründe der Remilitarisierung, ihre Folgen und die Reaktionen der Westmächte verstehen zu können sind einige Vorbemerkungen nötig.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde 1919 im Versailler Vertrag eine 15-jährige Besetzung des linken Rheinufers durch alliierte Truppen und eine Entmilitarisierung des Rheinlandes festgeschrieben.[Anm. 3] Auf der Konferenz von Locarno 1925 wurde diese Entmilitarisierung vom Deutschen Reich noch einmal bestätigt. Des Weiteren verpflichteten sich Deutschland, Frankreich und Italien auf dieser Konferenz dazu, auf eine gewaltsame Veränderung ihrer Grenzen zu verzichten. Großbritannien und Italien übernahmen die Garantie, bei einer Vertragsverletzung der jeweils geschädigten Seite beizustehen.[Anm. 4] Für Adolf Hitler und die Politik des NS-Regimes waren die Bestimmungen, die in den beiden genannten Verträgen standen, Hindernisse und es wurde eine Revision der Verträge angestrebt. Die Entmilitarisierung des Rheinlandes war hinderlich für die Außenpolitik Hitlers, da jede Expansionsbestrebung Deutschlands durch eine französische Besetzung des Rheinlandes beantwortet werden konnte.[Anm. 5] Nachdem die Gründung einer deutschen Luftwaffe und die Wiedereinführung der Wehrpflicht in Deutschland 1935 nur verhaltene Reaktionen der Westmächte hervorrief, obwohl es sich bei diesen Vorgängen um Brüche des Versailler Vertrages handelte,[Anm. 6] nahm Hitler mit der Remilitarisierung des Rheinlandes die weitere Revision dieses Vertrages in Angriff. Das Rheinland und insbesondere die Schwerindustrie des Ruhrgebietes, das auch als „Waffenschmiede des Reiches“ bezeichnet wurde, wieder unter die komplette Kontrolle des Deutschen Reiches zu bringen war ein Hauptgrund der Remilitarisierung.[Anm. 7] Eine militärische Ausdehnung des Reiches nach Westen, sowie das Hinzugewinnen weiterer Menschen für die allgemeine Wehrpflicht waren weitere Gründe für die Remilitarisierung.[Anm. 8]

Weder Frankreich, noch die Garantiemächte Großbritannien und Italien schritten ein. Der italienisch-äthiopische Krieg in Abessinien hatte im Vorfeld zu Verstimmungen zwischen Frankreich und Großbritannien, die sich nicht auf Sanktionen gegen Italien einigen konnten, und zu einer Annährung Italiens an Deutschland, geführt.[Anm. 9] Auch das deutsch-britische Flottenabkommen sorgte für eine Empörung in Frankreich und eine weitere Distanzierung der französischen Regierung von Großbritannien.[Anm. 10] Von deutscher Seite aus wurde der Schritt der Remilitarisierung aufgrund des französisch-russischen Beistandsvertrags gerechtfertigt, in dem sich beide Länder zu Neutralität im Falle eines Angriffes durch eine dritte Macht verpflichteten. Hitler sah diesen Vertrag als Bruch des Vertrages von Locarno und ließ verlauten, dass er sich nun ebenfalls nicht mehr an diesen Vertrag gebunden fühle.[Anm. 11]

Vor der Besetzung des Rheinlandes versicherte sich Hitler bereits bei der italienischen Regierung über ein Nichteingreifen Italiens. Benito Mussolini, der sich aufgrund der Sanktionen gegen Italien, wegen des Kriegs in Abessinien und aufgrund des französisch-russischen Beistandsvertrages dem Deutschen Reich immer mehr annäherte, stimmte am 22. Februar 1936 zu, Hitler hinsichtlich des Rheinlandes Handlungsfreiheit zu gewähren.[Anm. 12]

Deutsche Militärs und Diplomaten äußerten durchaus Bedenken zu dem Plan der Rheinlandbesetzung. Werner von Fritsch, bis 1938 Oberbefehlshaber des Heeres, sagte beispielsweise, dass auf das Risiko eines Krieges, den er bei einer deutschen Besetzung des Rheinlandes kommen sah, nicht eingegangen werden dürfe. Konstantin von Neurath, deutscher Außenminister bis 1938, befürchtete eine „automatische, allgemeine Konzentration“ der Großmächte gegen Deutschland und viele Diplomaten fürchteten, dass ein „Odium des Vertragsbruchs“ an Deutschland hängen bliebe.[Anm. 13] Letztlich setzte sich aber trotzdem Hitler durch, der vorgeblich die Befürchtung äußerte, die entmilitarisierte Zone im Rheinland werde eine unantastbare Einrichtung wenn er nicht eingreife und dass Passivität auf Dauer keine erfolgreiche Politik gegen die „bolschewistisch verseuchten Demokratien“ sei.[Anm. 14]

Somit marschierte die Wehrmacht am 07. März 1936 im Rheinland ein. Der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, Joseph Goebbels, reiste zusammen mit ausgewählten Journalisten nach Köln um diesen Einmarsch von der Hohenzollernbrücke aus zu beobachten. Die Journalisten bekamen zehntausende Schaulustige zu sehen, die sich dort versammelt hatten um die Soldaten der Wehrmacht mit Blumen und Begeisterungsrufen zu empfangen. Goebbels sprach von einem „Rausch der Begeisterung“.[Anm. 15] In Wahrheit war dieser Empfang von Parteibeauftragten der NSDAP für die Journalisten organisiert worden. Der Großteil der Bevölkerung des Rheinlandes rechnete mit einer militärischen Reaktion Frankreich und fürchtete eine französische Besatzung.[Anm. 16] Eine militärische Reaktion Frankreichs und auch der anderen Staaten blieb jedoch aus.

In einer von Frankreich vorangetriebenen Sitzung des Völkerbundrates am 19. März 1936 wurde zwar einstimmig festgestellt, dass Deutschland den Artikel 43 des Versailler Vertrages gebrochen habe, zu militärischen Interventionen oder wirtschaftlichen Sanktionen kam es jedoch nicht. Die britische Regierung erließ ein  Memorandum - die sogenannten „Londoner Vorschläge“, die besagten, dass die Frage der Vereinbarkeit des französisch-russischen Beistandsvertrages mit den Locarno-Verträgen durch den internationalen Gerichtshof in Den Haag geklärt werden sollte. Bis dahin sollte das Deutsche Reich einen 20 km breiten Streifen an der französischen Grenze räumen, der dann mit internationalen Friedenstruppen besetzt würde. Ins übrige Rheinland sollten keine weiteren Truppen mehr geschickt werden und keine Festungsanlagen gebaut werden. Dieses Memorandum wurde aber von Hitler schlichtweg abgelehnt, ohne dass daraus Konsequenzen hervorgingen.[Anm. 17]

Diese sehr verhaltenen Reaktionen der Westmächte sind auf verschiedene Arten zu erklären. Frankreich war zwar dem Deutschen Reich militärisch immer noch massiv überlegen, doch durch die deutsche Aufrüstung wäre eine Reaktion Frankreichs keine bloße Polizeiaktion gewesen, sondern ein richtiger Krieg. Dies wollte weder die französische Bevölkerung, noch das Militär – zumal man sich in Frankreich gerade im Wahlkampf befand.[Anm. 18] Außerdem hatte Hitler im Zuge der Remilitarisierung des Rheinlandes zum einen ein Dreierbündnis zwischen Großbritannien, Frankreich und Deutschland sowie einen Dreier-West-Luftpakt und einen Nichtangriffspakt mit Frankreich angeboten, zum anderen sprach er sich auch für Verhandlungen zu einer Rückkehr Deutschlands zum Völkerbund aus.[Anm. 19] Gerade diese mögliche Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund beschwichtigte auch die britische Regierung. Die Times sah in diesem Angebot Hitlers gar „a chance to rebuilt“.[Anm. 20] All diese Zugeständnisse Hitlers waren lediglich Taktik, um die Westmächte zu beschwichtigen.

Die erfolgreiche Besetzung des Rheinlandes hatte für Deutschland und Europa verschiedene Folgen. Zum einen wurde die deutsche Machtstellung in Europa verbessert, was auch zu einer Neuausrichtung einiger europäischer Staaten führte. So löste sich Belgien 1936 aus einem Bündnis mit Frankreich und wurde neutral. Auch die skandinavischen Länder gingen in die Neutralität. Italien und Polen orientierten sich nach Deutschland und auch mit Rumänien und Ungarn baute Deutschland gute Beziehungen auf. Gleichzeitig sorgten die Vertragsbrüche Hitlers für den Verlust von Hitlers’ Glaubwürdigkeit auf internationaler Ebene.[Anm. 21] Wichtig war zudem die innenpolitische Wirkung der Remilitarisierung des Rheinlandes. Die Aktion diente nämlich auch dazu, „die nachlassende Begeisterung der Bevölkerung für das NS-Regime wieder aufzufrischen“.[Anm. 22] Die Remilitarisierung des Rheinlandes war ein weiterer Schritt in Richtung des verheerenden Zweiten Weltkriegs.


Nachweise

Verfasser: Lutz Luckhaupt

Verwendete Literatur:

Anmerkungen:

  1. Schmidt, Rainer F.: Die Aussenpolitik des Dritten Reiches 1933-1939. Stuttgart 2002, S. 197. Zurück
  2. Giro, Helmut-Dieter: Frankreich und die Remilitarisierung des Rheinlandes 1936. Hitlers Weg in den Krieg? Göttingen 2006, S. 68. Zurück
  3. Scriba, Arnulf: Der Versailler Vertrag. URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/aussenpolitik/versailles/ [letzter Aufruf: 26.09.2016]. Zurück
  4. Asmuss, Burkhard / Scriba, Arnulf: Die Konferenz von Locarno 1925. URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/weimarer-republik/aussenpolitik/locarno/ [letzter Aufruf: 26.09.2016]. Zurück
  5. Prinz, Claudia: Der Einmarsch ins Rheinland 1936. URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/aussenpolitik/rheinland [letzter Aufruf: 26.09.2016]. Zurück
  6. Prinz, Claudia: Die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht 1935. URL: https://www.dhm.de/lemo/kapitel/ns-regime/aussenpolitik/wehrpflicht [letzter Aufruf: 26.09.2016]. Zurück
  7. Deist, Wilhelm: Heeresrüstung und Aggression 1936-1939. In: Klaus Hildebrand / Ferdinand Werner (Hg.), Deutschland und Frankreich 1936-1939. München 1981, S. 129-152, hier S. 132. Zurück
  8. Schmidt, S. 201-202. Zurück
  9. Robertson, Esmonde M.: Zur Wiederbesetzung des Rheinlandes 1936. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 10,2 (1962), S. 178-188, hier S. 181-182. Zurück
  10. Ebenda, S. 181. Zurück
  11. Ebenda, S. 180. Zurück
  12. Ebenda, S. 184. Zurück
  13. Schmidt, S. 193-194. Zurück
  14. Ebenda, S. 194. Zurück
  15. Ebenda, S. 198. Zurück
  16. Giro, S. 69. Zurück
  17. Schmidt, S. 200-201. Zurück
  18. Ebenda, S. 198. Zurück
  19. Ebenda, S. 194. Zurück
  20. Robertson 1961, S. 185. Zurück
  21. Schmidt, S. 201-202. Zurück
  22. Robertson, Edmonde M.: Hitler und die Sanktionen des Völkerbunds. Mussolini und die Besetzung des Rheinlands. Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 26,2 (1978), S. 237-264, hier S. 255. Zurück