Bibliothek

Prof. Dr. Dr. Karl Lehmann

Mainzer Bischof von 1983 bis 2016 und Kardinal seit 2001, geb. 1936 Sigmaringen, gest. 2018 in Mainz

Am 3. Juni 1983 wählte das Mainzer Domkapitel den Theologieprofessor Dr. Dr. Karl Lehmann zum Bischof von Mainz, die Ernennung in durch Papst Johannes Paul II. erfolgte am 23. Juni. Sein Vorgänger im Amt, Kardinal Herrmann Volk, vollzog als Hauptkonsekrator am 2. Oktober 1983 im Mainzer Dom die Bischofsweihe. Das Pauluswort "Steht fest im Glauben!", das sich der neue Bischof zum Motto gewählt hatte, weist auf die Gefährdung des christlichen Glaubens in der modernen Lebenswelt hin. Diesen Glauben wollte Bischof Lehmann den Menschen von heute in ihrer Sprache und im offenem Gespräch vermitteln.
Karl Lehmann wurde am 16. Mai 1936 als Sohn eines Lehrers in Sigmaringen geboren. Er studierte Philosophie und Theologie an der Universität Freiburg/Breisgau und war von 1957 bis 1964 Student an der Pontificia Universitas Gregoriana in Rom. 1962 wurde er mit "summa cum laude" zum Doktor der Philosophie promoviert; das Thema der Dissertation lautete: "Vom Ursprung und Sinn der Seinsfrage im Denken Martin Heideggers".
Geprägt wurde der junge Theologe durch die Erfahrung des Zweiten Vatikanischen Konzils, das im Herbst 1962 eröffnet wurde. Aus unmittelbarer Nähe konnte er das oft konfliktgeladene Ringen um das "Aggiornamento", der Annäherung der Kirche an die modernen Lebensverhältnisse, beobachten und erleben.
Am 10. Oktober 1963 empfing Karl Lehmann in Rom durch den Konzilsvater Julius Kardinal Döpfner die Priesterweihe. Schon als Student war Lehmann in Rom Mitarbeiter des jesuitischen Konzilstheologen Karl Rahner. Mit ihm kehrte er nach Deutschland zurück und arbeitete von 1964 bis 1967 als dessen Assistent am Seminar für Christliche Weltanschauung und Religionsphilosophie an der Philosophischen Fakultät der Universität München. 1967 wurde der Dr. phil. Karl Lehmann mit "summa cum laude" zum Doktor der Theologie mit einer Arbeit zum Thema "Auferweckt am dritten Tage nach der Schrift" promoviert. Er ging 1967 mit Karl Rahner nach Münster, der an den dortigen Lehrstuhl für Dogmatik berufen wurde. In Münster habilitierte Lehmann im Fach Dogmatik. Im Juli 1968 wurde er auf den Lehrstuhl für Dogmatik und Theologische Propädeutik an die Universität Mainz berufen. 1971 folgte er einem Ruf auf den Lehrstuhl für Dogmatik und Ökumenische Theologie an der Universität Freiburg/Breisgau, den er bis zu seiner Wahl zum Bischof von Mainz im Jahr 1983 innehatte.
Bereits drei Jahre nach seiner Bischofswahl wurde Bischof Lehmann zum Stellvertretenden Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz gewählt (24. September 1985) und zwei Jahre später (22. September 1987) zu deren Vorsitzenden. In diesem Amt wurde er 1993 und 1999 für jeweils sechs Jahre bestätigt. Seit 1993 ist er auch Erster Vizepräsident des Rates der Europäischen Bischofskonferenzen (CCEE).
Lehmanns Forschen und Lehren war niemals Selbstzweck, sondern stets eingebunden in die Anforderungen von Kirche, Staat und Gesellschaft. Dies drückt sich aus in seiner Mitarbeit in zahlreichen Gremien und Institutionen. So war von 1968-1977 an der Vorbereitung und Durchführung der Gemeinsamen Synode der deutschen Bistümer beteiligt und mitverantwortlich für die Veröffentlichung der dort getroffenen Beschlüsse und Arbeitsergebnisse; von 1969 bis 1983 war er persönliches Mitglied des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken. Seit 1969 war er Mitglied des Ökumenischen Arbeitskreises evangelischer und katholischer Theologen und seit 1989 dessen Vorsitzender. Bereits 1969 wurde er in die Glaubenskommission der Deutschen Bischofskonferenz berufen. Er war von 1974 bis 1984 Mitglied der Internationalen Theologenkommission beim Heiligen Stuhl und von 1986 bis 1998 Mitglied der römischen Glaubenskongregation; er gehörte seit 1998 der römischen Kongregation für die Bischöfe an. Seit 1987 war er korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz und seit 1991 Mitglied der Europäischen Akademie der Wissenschaften in Salzburg. Karl Lehmann war auch als Bischof weiter als akademischer Lehrer tätig. So lehrte er als Honorarprofessor an der Universität Freiburg/Breisgau und der Universität in Mainz. Er ist Ehrendoktor der Universität Innsbruck, der Catholic University Washington, der Katholischen Theologischen Akademie Warschau und der Karl-Franzens-Universität in Graz.
Am 16. Mai 2016 trat Karl Kardinal Lehmann aus Altersgründen von seinem Bischofsamt zurück. Er starb am 11. März 2018 im Alter von 81 Jahren in Mainz. Die Exequien für Lehmann fanden am 21. März 2018 statt. Nach einer Prozession durch die Mainzer Innenstadt wurde der verstorbene Altbischof von Mainz in der Bischofsgruft des Domes beigesetzt.

"Mit Nüchternheit und Zuversicht" ist eine Schrift überschrieben, die anlässlich des 10-jährigen Bischofsjubiläum von Bischof Lehmann erschienen ist. Damit ist die des Persönlichkeit des Mainzer Bischofs zutreffend charakterisiert. Bischof Lehmann verstand sich als Wegweiser im Glauben und als Mitgestalter der Gesellschaft. Klar und nüchtern in der Sache, aber herzlich und charmant im Umgang stellte er sich entschieden und freimütig den Herausforderungen einer Zeit, in der Religion und Kirche für viele Menschen fragwürdig geworden sind. Er sprach die Sprache von heute und suchte den Dialog mit allen gesellschaftlichen Gruppen. Kennzeichnend für den Theologen und Bischof Lehmann war, dass er in seinen Denken und Handel stets auch die jeweilig andere Seite mit einbezog. Regelmäßig nahm der Bischof Stellung zu den politischen, wirtschaftlichen, technischen, biologischen, sozialen und kulturellen Fragen, die existentiell die Menschen betreffen. Sicher bewegte er sich in der modernen Medienwelt.
Der Manager, Organisator und Vorsitzender der Deutschen Bischofkonferenz verstand sich aber vornehmlich als Priester und Seelsorger. Der Theologe Lehmann fand trotz der Beanspruchung durch seine offiziellen Ämter immer wieder Zeit zu neuen Veröffentlichungen. In seinem Bischofswappen ist ein Buch abgebildet, die aufgeschlagene Bibel, zugleich Symbol für das Buch überhaupt und ein Erkennungszeichen des Lesers und Schriftstellers Karl Lehmann, dessen Bibliographie über 1000 Titel umfasst. Als Beispiel für die von ihm angesprochen Themen seien die Titel einiger neueren Veröffentlichungen genannt: Hat das Christentum Zukunft? (2000); Für eine gerechte Förderung der Familie - ein Auftrag für die ganze Gesellschaft (1999); Fundamentalismus als Herausforderung an Staat, Kirche und Gesellschaft (1999); 50 Jahre Grundgesetz (1999); "Christus gestern, heute, in Ewigkeit: Sein ist die Zeit" (1999); Einig im Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft? (1998); Die Zukunft der Seelsorge in den Gemeinden (1995); Vom Dialog als Form der Kommunikation und Wahrheitsfindung in der Kirche heute (1994).
Dass der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, bei den Kardinalerhebungen nie berücksichtigt wurde, hatte nicht nur die meisten deutschen Katholiken befremdet. Die deutsche Öffentlichkeit diskutierte immer wieder die möglichen Gründe. Umso größer war die Überraschung als am 28. Januar 2001 Papst Johannes Paul II. den Mainzer Bischof in das Kardinalskollegium berief. Diese Ernennung wurde in Deutschland zu einem Medienereignis. Mit der ihnen eigenen Begeisterungsfähigkeit feierte die Mainzer Bevölkerung auf ihre Art diese Ernennung. Tausende stürmten den Dom. Durch eine dicht stehende applaudierende Menge musste sich der Prozessionszug den Weg zum Pontifikalamt in der Domkirche bahnen. Die Stadt Mainz verlieh Kardinal Karl Lehmann die Ehrenbürgerwürde.
Bischof Lehmann war mit seiner scheinbar unerschöpflichen Energie, seiner Unerschrockenheit, Aufgeschlossenheit, und vor allem seiner Heiterkeit ganz ein Bischof, wie in die Mainzer sich wünschen. Der 2002 verstorbene Mainzer Altoberbürgermeister Jockel Fuchs sah in dem Schwaben Lehmann "viele Mainzer Züge" verwirklicht.
Der offizielle Titel Kardinal Lehmanns lautet: Seine Eminenz Karl Kardinal Lehmann Kardinalpriester der Hl. Römischen Kirche durch Gottes Barmherzigkeit und des Heiligen Apostolischen Stuhles Gnade Bischof des Heiligen Stuhles von Mainz.

Nachweise

Verfasser: Werner Marzi und Heiko Schneider

Quelle: 2000 Jahre Mainz - Geschichte der Stadt digital