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Friedrich Nausea

Friedrich Nausea als Domprediger in Mainz (1526-1534)

Geb. 1490, gest. 1552.

Friedrich Nausea wurde um 1490 in Waischenfeld in der Fränkischen Schweiz geboren. Seine Studien der Theologie, Jurisprudenz, Poetik und Rhetorik führten ihn nach Leipzig, Pavia, Pa­dua und Siena. In Pavia wirkte er als Lehrer der Poetik und Rhetorik. 1523 promovierte er dort zum Doktor der Rechte. Das Diplom eines Doktors der Theologie erhielt er 1534 in Siena. Der schon früh durch literarische Schriften hervorgetretene, hochbegabte Mann wurde 1523 Sekretär des Bischofs von Bologna und päpstlichen Legaten zur Beilegung des Reformationsstreites in Deutschland, Laurentius Campegius.
1525 nahm Nausea eine Pfarrstelle am St.Bartholomäusstift in Frankfurt an. Nachdem er Ende 1525 in der Reichsstadt angelangt war, sah er sich unmittelbar mit den erbitterten Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten konfrontiert. Der Rat der Stadt hatte ihm sogar die Kanzel verboten. Tätlichen Angriffen auf seine Person konnte er nur durch die Flucht nach Mainz im März 1526 entgehen.

Es war eine glückliche Fügung des Schicksals, dass zu dieser Zeit in Mainz die Stelle eines Dompredigers zu vergeben war. Noch im März 1526 erhielt Nausea vom Mainzer Domkapitel die "prebend oder vicarii mit der anhangenden predicatur im thumb" (Mainzer Domkapitelsprotokolle, Bd.3, S.299).
Mainz war damals politisch und kulturell eine der bedeutendsten Städte im Reich. Der große Missionar und Kirchenorganisator Bonifatius war im 8. Jahrhundert Bischof von Mainz gewesen. Nachdem unter seinem Nachfolger Lul der Titel eines Erzbischofs fest mit dem Mainzer Stuhl verbunden worden war, hatte sich das Erzbistum zum größten Metropolitanverband nördlich der Alpen entwickelt. Der unter Erzbischof Willigis im Jahr 975 be­gonnene, prächtige Dom, in dem auch später Nausea predigen sollte, ist das Wahrzeichen der Stellung und Funktion des Mainzer Erzbischofs. Neben Rom durfte Mainz als einzige Kirche den Ehrentitel "sancta sedes" führen. Der Erzbischof verfügte als Herr über ein eigenes Territorium, als Erzkanzler des Reiches und Mitglied des Kollegiums der sieben Kurfürsten, die den deutschen König wählten, über beträchtlichen politischen Einfluss. Die Tatsache, dass Nausea mit einem wichtigen Amt an dieser bedeutenden Kirche betraut wurde, zeigt den guten Ruf, über den der damals erst etwa 35-jährige schon verfügte.

Zudem trat er die Stelle in einer für Mainz und das gesamte Reich äußerst kritischen Zeit an. Seit 1514 war Albrecht von Brandenburg Erzbischof von Mainz. Er gehört zu den glänzendsten, aber auch umstrittensten Personen auf dem Mainzer Stuhl. Die an Rom zu entrichtenden, enorm hohen Gebühren für das ,,Pallium" (die Amtseinsetzung) und für Ämterhäufung - Albrecht war zugleich Erzbischof vom Magdeburg und Administrator (Verwalter bzw. Bistumsverweser) von Halberstadt - hatten die erzbischöfliche Kasse bei weitem überfordert. Die aufgrund der Finanznöte begonnenen Ablassverkäufe waren der auslösende Faktor für die berühmten 95 Thesen Martin Luthers im Jahre 1517, die, wenn auch von ihrem Verfasser nicht beabsichtigt, schließlich zur Spaltung der Kirche führten.

Der an theologischen Fragen nicht allzu interessierte Albrecht stand der Reformation zunächst neutral gegenüber. Er duldete lutherfreundliche Humanisten wie Ulrich von Hutten an seinem Hof. Die späteren Straßburger Reformatoren Wolfgang Capito und dessen Schüler Kaspar Hedio wirkten 1520-1521 bzw. 1521-1524 als Domprediger und somit Vorgänger Nauseas in diesem Amt in Mainz. Auch hier hatte es handgreifliche Auseinandersetzungen um die neue Lehre gegeben. Als der päpstliche Nuntius Alexander im Jahre 1520 in der Stadt Schriften Luthers öffentlich verbrennen lassen wollte, wäre er von den Mainzer Bürgern fast gesteinigt worden.

Die sich damals ausgehend von Süddeutschland erhebenden Bauernaufstände, in deren Verlauf sich die aufrührerischen Bauern reformatorisches Gedankengut zu eigen machten, verschonten das Mainzer Territorium nicht. Im April 1525 verlasen Bauern aus dem Mainzer Rheingau in der Stadt ihre 30 Artikel umfassenden Forderungen, deren Verwirklichung eine empfindliche Schmälerung der herrschaftlichen Rechte und Einkünfte bedeutet hätte. An die Bauernkriege und ihr blutiges Ende erinnert heute noch der 1526 auf dem Marktplatz in Mainz errichtete Brunnen, Die Vermischung von sozialkritischen und reformatorischen Ideen war sicherlich ein wichtiger Grund für die zunehmende Rückorientierung des Mainzer Erzbischofs zur alten Lehre. Das Domkapitel, als Erzbischofswahlgremium und entscheidendes Kontrollorgan erzbischöflicher Politik eine der wichtigsten Institutionen des Kurstaates, hatte traditionell von Anfang an der katholischen Lehre festgehalten.
Es überrascht nicht, dass in dieser Situation des Jahres 1526 gerade Nausea, der aufgrund seiner Ausbildung und als ehemaliger Sekretär des päpstlichen Beauftragten in Reformationsfragen die besten Voraussetzungen mitbrachte, zum Domprediger bestellt wurde. Selbst Rom hatte Nausea empfohlen. Von ihm erwartete man sich ganz offensichtlich eine Stärkung des katholischen Glaubens in Mainz, dem wichtigsten kirchlichen Zentrum im Reich.

Welche Verpflichtungen brachte nun dieses Amt mit sich? Die Domherren ließen sich im 16. Jahrhundert oft von sogenannten Vikaren im Chordienst vertreten. Nach dem ,,vicarius regis", dem Stellvertreter des Königs, war der "vicarius archiepiscopus" der ranghöchste unter den Vikaren des Mainzer Domstifts. Er vertrat den Erzbischof vor allem als Prediger. Die Bedeutung dieses Amtes wird auch dadurch unterstrichen, dass drei der sogenannten ,,Dignitäre" (Würdenträger) des Domkapitels, nämlich die hauptsächlich für die Liturgie verantwortlichen Dekan, Scholaster und Kantor, die Stelle vergaben. Dass die Zahl der für den Posten des Dompredigers in Frage kommenden Personen gering war, zeigt die meist langwierige Suche nach geeigneten Theologen in späterer Zeit.

Als Domprediger hatte Nausea an allen Sonn- und Feiertagen von der Bischofskanzel die Mittagspredigt zu halten. Zusätzlich gab es damals im Dom noch zwei weitere, heute nicht mehr vorhandene Kanzeln, die Pfarrkanzel und die Kanzel im Ostchor der Kirche. Der Dompfarrer hatte die Frühpredigt zu halten. Das Predigeramt war verbunden mit dem heute nicht mehr existierenden "Haus zum Schenkeler" als Wohnung, den sogenannten "Präsenzgeldern" - das waren Einkünfte, die an die Anwesenheit bei bestimmten Gottesdiensten gebunden waren - und einer "Präbende" beim Stift St.Maria ad gradus in Mainz. Präbenden waren an eine "Pfründe" (Kirchenamt) gebunden. Nausea hatte somit Anteil an den Naturaleinkünften des Liebfrauenstifts. Seine Präbende bestand unter anderem in einem Weingut, aus dessen Einkünften er seine Unkosten bestreiten und darüber hinaus seine Freunde mit Wein versorgen konnte.
Anfang der 30er Jahre trat ihm der päpstliche Legat Aleander zusätzlich eine Pfründe in Lüttich ab. Dennoch war seine Mainzer Zeit angesichts der hohen Druckkosten, die vor allem durch die Publikation seiner Predigten verursacht wurden, gerade zu Beginn von erheblichen Finanzproblemen geprägt. Er war auf die finanzielle Unterstützung anderer angewiesen. Eine besondere Rolle spielte dabei der damalige Domdekan Laurentius Truchseß von Pommersfelden, den Nausea in einem Gedicht als seinen "unicus Mecenas" (= hervorragenden Gönner) bezeichnete (Metzner S.37).

Mit der Mainzer Domprädikatur begann Nausea ,,die Ruhmesbahn eines der größten Kanzelredner Deutschlands" (Metzner S.31). Eine Vielzahl seiner Predigten erschien im Druck. Der folgende Überblick über 23 - bis auf zwei Werke - gedruckte , zum Teil mehrbändige Predigtsammlungen und Abhandlungen gibt einen Eindruck von Nauseas Tätigkeit während seiner Mainzer Zeit 1526-1534:

1. Fünff mercklicher Sermon oder Predig durch Doctor Friederichen Grawen, In den löblichen hohen Ertzstiften zu Meyntz des Göttlichen worts Predikanten, jüngst daselbst gepredigt. Mainz: Schöffer 1526. 
2. In communes aliquot Evangeliorum locos homiliae. Mainz: Schöffer 1526.  
3. Pro sacrosancta Missa adversum Haereticos et Schismaticos Miscellaneae. Mainz: Schöffer 1527.  
4. De reformanda ecclesia. Mainz: Schöffer 1527.  
5. In vitas Divorum. (1528) nicht veröffentlicht.  
6. Contra universos Catholicae fidei adversarios in symbolum Apostolorum Catholica. Mainz: Schöffer 1529  
7. Homiliae XII contra Anabaptistas. 1529.  
8. De vera Christiani hominis Institutione. 1529.  
9. Centuriae IV homiliarum. Köln: Quentel 1530-1532; Deutsche Übersetzung: Predige Evangelischer Warheit, uber all Evangelien, so nach ordnung Christlicher Kirchen, durch das gantze jar gelesen werden. Vom Latein in gemein Deutsch gebracht. Zu Gottes Ehrn, und allen Deutschen zu nutzheil und seligkeit. Mainz: Jordan 1535.  
10. De pacientia liber unus. Mainz: Schöffer 1530.  
11. In Gloriosissiman Deiparam Virginem Mariam Panegyricus. Mainz: Schöffer 1530.  
12. Lib. 1. Quinque Concionum in Teutonico pariter idiomate. Mainz: Schöffer 1530.  
13. In septem Gloriosissimae Deiparae Virginis Mariae Ferias Heptalogus. Köln: Quentel 1530.  
14. Lib. 1. Interlocutoriorum in XXXIII Articulos cuiusdam novae reformationis et ordinationis Ecclesiae. 1530.  
15. Lib. 1. Consiliorum super negotio conjugii Sacerdotum, votorum Monasticorum, Jurisdictionis Ecclesiasticae Magistratuumque prophanorum. (1530) nicht veröffentlicht.  
16. De precipue huius Anni post Christum natum MDXXVIII. Apud Moguntiam terre motu Responsum. Würzburg: Müller ca. 1540. = Nachdruck eines Mainzer Druckes von 1531.  
17. Homilia in commendationem Primitiarum, quas dicunt, novitii sacerdotis. Köln: Quentel 1531.  
18. Lib. 1. Annotationum in cujusdam Anonymi Philaleti Eusebiani Rhapsodias vitarum, miraculorum, passionumque XII Apostolorum. Köln: Quentel 1531.  
19. Enarationes in librum Tobiae. Köln: Quentel 1532.  
20. Miscellaneae pro Horis Canonicis. Köln: Quentel 1531.  
21. Christlich Einrede durch den Erwirdigen und Hochgelehrten Herren Friedrichen Grawen, Doctoren u. in dem löblichen Erzdohmstift zu Meyntz Prediger und des göttl. Worts Verkündiger, in die vermeinte neue Reformation, so jüngst von etlichen der neuen Sekten zu theils anhängig ohne Tittel gemacht, geschehen: allen christlichen Menschen und sonderlich den Pfarrherrn zu dieser Zeyt, nützlich zu lesen. Mainz: Jordan 1532.   = evt. Ubersetzung von Nr. 14.  
22. Libri Mirabilium Septem. Köln: Quentel 1532.   23. Variae de rebus varus Orationes. Köln: Quentel 1536. Enthält eine ganze Reihe Predigten aus der Zeit 1526 und danach.

Allein die Titel seiner Publikationen zeigen, dass die Auseinandersetzung mit der Reformation im Mittelpunkt von Nauseas Predigten stand. Die Sammlung "Fünff mercklicher Sermon." (Nr.1) gehört zu den frühen, weniger bekannten Schriften Nauseas. Es handelt sich hier um fünf Predigten, die er nach seinen lateinischen Manuskripten ins Deutsche übertragen hatte, um dem Volk eine schriftliche Lektüre an die Hand zu geben ,,an stat der schmehlichen schendtlichen gotzlesterlichen büchlein und schrifften, so vergangener Zeit wider got ehr und recht an etlichen orten auzgangen, darauz auch alle irrung in teutscher nation erwachsen" (Vorrede zurPredigtsammlung, Stadtbibliothek Mainz). In der ersten Predigt setzt sich Nausea aufgrund von Luc. 17,19 mit der evangelischen Rechtfertigungslehre auseinander: Steh auf geh hin dein glaub hat dich heyl gemacht." Wje erbermlich in teutscher nacion etliche so bißher in Lutherischer sect geschriben mit disen iren sonderlichen spruch Alleyn der glaub rechtfertiget den menschen das ungelert volck haben betrogen in gantz schädlich verdampt mag derhalben ydermengklich ermessen...

Seine Predigten beschränkten sich jedoch nicht allein auf das Theologische. Auch für die Gesundheit der Gläubigen fühlte er sich verantwortlich. Im Herbst 1526 grassierte die Pest in Mainz. Angesichts der damaligen Hilflosigkeit gegenüber Krankheiten allgemein und der Pest besonders empfahl Nausea im September 1526 von der Kanzel herab Verhaltensmaßnahmen zur Eindämmung der Seuche. Allerdings ohne Erfolg; denn gegen die Pest, die bis in das 17. Jahrhundert hinein in unregelmäßigen Abständen die Mainzer Bevölkerung heimsuchte; gab es damals kein Mittel.

Nauseas Hauptwerk während seines Mainzer Aufenthalts sind die "Centuriae IV homiliarum" (Nr.9). 1540 erschienen sie schon in fünfter Auflage. Die ,,Centuriae" wurden in einigen Tausend Exemplaren gedruckt - dies ist eine sehr hohe Zahl angesichts der im 16. Jahrhundert üblichen Auflagenhöhen - und in mehrere Sprachen übersetzt. Ihr Erfolg veranlasste Nausea 1535, eine deutsche Übersetzung zu versuchen, ein schwieriges Unterfangen, wenn man bedenkt, dass es damals keine allgemeine ,,Hochsprache", sondern lediglich regional stark unterschiedliche Dialekte, gab. In der Widmung an König Ferdinand schrieb Nausea 1535, dass die Übersetzung der beiden Homilien - er übersetzte nur die beiden ersten Bücher der ,,Centuriae" - ihm große Mühe verursacht habe, "dann mir jha kein mensch weder im dolmetschen, noch im lesen noch im schreiben, noch im corrigieren, noch in andere weiß darzu behülfflich gewesenn ist, dieweil ich auch kein hülff hab mögen bekommen". Er habe diese Predigten ,,erstlich in gemein lateinischer sprach, und allein auß heiliger Bibelischer schrift" abgefasst und dann ins Deutsche übersetzt (Metzner 5. 43). Dies wirft ein bezeichnendes Licht auf die Person Nauseas, der gerne allein und zurückgezogen seine Predigten ausarbeitete und dem es ein wichtiges Anliegen war, mit seinem gesprochenen und geschriebenen Wort nicht nur ein gelehrtes, der lateinischen Sprache mächtiges Publikum zu erreichen, sondern auch den einfachen Mainzer Bürger (soweit der allerdings überhaupt lesen konnte). In den Predigten Nauseas spiegeln sich seine Gesinnung, seine ungewöhnliche Redegabe und die unermüdliche Arbeitskraft dieses von der Natur nicht gerade mit einer kräftigen Gesundheit ausgestatteten Mannes.
Den Erfolg seiner Bemühungen beurteilte Nausea selbst durchaus positiv. Im Vorwort zu seiner Predigtsammlung zum Buch Tobias (Nr.19) schreibt er, dass er seinen Zuhörern, nachdem er sie durch vorwiegend dogmatische Predigten ,,aus dem fürchterlichen Brande der Häresie" gerettet habe, nun auch im Buch Tobias einen Sittenspiegel vorhalten könne (Metzner S.34).

Der päpstliche Nuntius Aleander führte 1532 die wieder kirchlich gewordene Gesinnung der Mainzer Bevölkerung auf die Tätigkeit Nauseas zurück. Die Menschen würden aus einem Umkreis von 50 Meilen zu ihm kommen, um ihn um Rat zu bitten. Die zum Teil mit wertvollen Holzschnitten illustrierten Bücher Nauseas sind abgesehen von ihrem Inhalt unschätzbare Zeugnisse aus den Anfängen des Buchdrucks. In Mainz hatte Johannes Gutenberg in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts das Drucken mit beweglichen Lettern erfunden. Johann Schöffer, bei dem Nausea bis 1531 die meisten seiner Bücher drucken ließ, war der Sohn Peter Schöffers, des ehemaligen Gesellen Gutenbergs und späteren Teilhabers der Druckerwerkstätte Schöffer&Fust in Mainz.
Inzwischen war man auch am königlichen Hof in Wien auf den Mainzer Domprediger aufmerksam geworden. Im August 1533 wurde im Mainzer Domkapitel ein Schreiben König Ferdinands verlesen, in welchem der König um die Einwilligung des Kapitels zum Übertritt Nauseas in den Dienst am Hof bat. Im November 1534 gab Nausea die Prädikatur in die Hände von Dekan, Scholaster und Kantor des Mainzer Domkapitels zurück und wechselte als Hof-prediger und königlicher Rat nach Wien.

Über die Gründe des Wechsels lassen sich lediglich Vermutungen anstellen. Sicherlich hat sich Nausea in Mainz wohl gefühlt, zumal er lange gezögert hatte, den Ruf nach Wien anzunehmen. Finanzielle Überlegungen dürften ebenfalls keine Rolle gespielt haben, da aufgrund der durch die ständigen Kriege erschöpften Kasse Ferdinands auch in Wien nur ein mageres Gehalt zu erwarten war. Dass er zu Anfang seiner Wiener Zeit noch auf die Einkünfte aus der Präbende des Mainzer Mariengredenstifts angewiesen war, verdeutlicht das Schreiben des Königs an das Kapitel des Stifts, wonach es Nausea das bislang zurückgehaltene und künftige "Corpus" auszahlen solle, solange er königlicher Hofprediger sei. Ob der Streit zwischen Erzbischof Albrecht von Brandenburg und dem Freund und Gönner Nauseas, Domdekan Lorenz Truchseß von Pommersfelden, eine Rolle gespielt hat, lässt sich schwer beurteilen. Lorenz hatte aus Unmut über die nach seiner Meinung zu nachgiebige Haltung Albrechts gegen den lutherischen Landgrafen Philipp von Hessen seine Unterschrift unter den Vertrag von Hitzkirchen 1528 verweigert. In diesem Vertrag verpflichtete sich Kurmainz zur Zahlung von 40000 Gulden und Verpfändung des Städtchens Gernsheim an Hessen.

Die Auseinandersetzungen führten zur Arrestierung des Domdekans und schließlich zu seinem Rücktritt im Jahre 1530. Die Haltung Nauseas in diesem Streit lässt sich nicht ergründen. Johannes Cochläus hatte ihm 1529 geschrieben, er möge sich in diese "Tragödie" nicht einmischen und niemandem darüber etwas anvertrauen. Am Wahrscheinlichsten erscheint, dass Nausea seine Mission in Mainz als erfüllt betrachtete und sich am Königshof in Wien ein neues Betätigungsfeld mit vielleicht noch größerem Einfluss erhoffte. Dies trat dann ja auch ein: 1538 ernannte ihn Bischof Faber von Wien zum Koadjutor, d.h. zum designierten Nachfolger auf dem Bischofsstuhl. Nach dem Tode Fabers 1541 wurde er Bischof von Wien. Nausea starb 1552 auf dem Konzil zu Trient.

Nausea war schon während seiner Mainzer Jahre einer der bedeutendsten Vertreter der katholischen Kirche im Reich. Als entschiedener Katholik trug er in der Zeit der Anfänge der Reformation am Mittelrhein entscheidend zur Stärkung der katholischen Kirche in diesem Raum bei. Mainz blieb auch nach der Kirchenspaltung bis Anfang des 19. Jahrhunderts eine rein katholische Stadt. Die Einschätzung Aleanders ist nicht übertrieben: "Was Cochläus für Sachsen, Eck für das Donauland, Berus für die Schweiz, Faber für das ganze Reich, das ist für die Rheinlande Nausea". (Metzner S.42)

Nachweise

Verfasser: Elmar Rettinger

Literaturhinweise:

  • Brück, Anton Philipp: Die Mainzer Domprediger des 16. Jahrhunderts, in: Hessisches Jahrbuch für Landesgeschichte 10 (1960), S.132-148.
  • Brück, Anton Philipp: Mainz vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges (1462-1648) (Geschichte der Stadt Mainz, Bd.5), Düsseldorf 1972.
  • Gollob, Hedwig: Friedrich Nausea. Probleme der Gegenreformation, Wien 1952.
  • Gollob, Hedwig: Die Nausea-Illustrationen (Studien zur deutschen Kunstgeschichte, H.310), Straßburg 1942.
  • Herrmann, Fritz (Hrsg.): Die Protokolle des Mainzer Domkapitels, Bd.3: Die Protokolle aus der Zeit des Erzbischofs Albrecht von Brandenburg 1514-1545, Darmstadt 1974.  
  • Herrmann, Fritz: Die evangelische Bewegung in Mainz im Reformationszeitalter, Mainz 1907.
  • Jung, Wilhelm (Hrsg.): 1000 Jahre Mainzer Dom (975-1975). Werden und Wandel, Mainz 1975.
  • Kißling, J.B.: Lorenz Truchseß von Pommersfelden (1473-1543) Domdechant von Mainz. Ein Zeit- und Lebensbild aus der Frühzeit der Kirchenspaltung, Mainz 1906.
  • Die Mainzer Buchdruckerfamilie Schöffer, Leipzig 1892.
  • Metzner, Joseph: Friedrich Nausea aus Waischenfeld, Bischof von Wien, Regensburg 1884.
  • Roth, Friedrich Wilhelm Emil: Der Mainzer Buchdrucker Peter Jordan 1531-1535, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 6 (1889), S.198-205.