Rheinhessen

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Karte 68 ‘zerreißen’, Georg Drenda: Wortatlas für Rheinhessen Pfalz und Saarpfalz, S. 266. [Bild: Georg Drenda (IGL)]

zerreißen

Der Abfragekontext bezog sich auf das Zerreißen von Papier (konkret: eines Briefes). Das Kartenbild ist geprägt von zwei Wörtern, und zwar verreißen und verrupfen (dialektal verobbe u. ä.). In den Dialekten steht das Präfix ver- für standardsprachliches zer‑. Daher heißt es: verbrechen statt zerbrechen, ver­kauen statt zerkauen, verspringen statt zerspringen usw. Im Erhebungsmate­rial sind Bildungen mit zer‑: zerreißen und zerrupfen lediglich durch insge­samt drei Belege vertreten. Man wird hier standardsprachlichen Einfluss in Betracht ziehen müssen. Eine spezifische Arealdistribution von verreißen und verrupfen lässt sich nicht ausmachen. Die Wörter verteilen sich ge­mischt über das gesamte Untersuchungsgebiet. Etliche Male treten sie als Varianten an einem Belegpunkt auf.

Der Ursprung des Wortes reißen ist nicht klar. Für das Germanische wurde *wreuta- ‘reißen, ritzen’ rekonstruiert. Das Verb rupfen ‘(ruckweise) aus­reißen, zupfen’ (aus althochdeutsch ropfōn) stellt eine Intensivbildung zu raufen ‘zup­fen, reißen’ dar. Als mittelhochdeutsch roufen hat dieses die Bedeutungen ‘rupfen, zü­cken, ausreißen (besonders von Haaren)’. Über den letztgenannten Inhalt hat das Wort bereits dazumal den weiteren Sinnkomplex ‘sich balgen, prügeln, streiten’ entwickelt. Sprachliche Grundlage ist die Wurzel indogermanisch *reu- ‘reißen, rupfen’.

Die Komposita kaputtmachen und kleinmachen wurden zwei- bzw. einmal gemeldet. Das Grundwortmachen mit seinem weiten Gebrauch (vgl. die zahlreichen Präfixbildungen wie auf‑, ver‑, abmachen usw.) hat seinen Ursprung in indogermanisch *máǵ- ‘kneten’, das zu westgermanisch *makō- ‘machen’ führt. Bei der Bedeutungsentwicklung ist ein Zwischenschritt ‘(Hauswände) mit Lehm verschmieren’ anzusetzen, der eine spezielle Art des Bestreichens und Formens, vor allem beim Hausbau meint. Daraus ist (vielleicht über ‘bauen’) Bedeutungserweiterung zu ‘machen’ erfolgt.

Das Adjektiv kaputt ‘entzwei’ ist im 17. Jh. aus der Wendung caput ma­chen ‘ohne Stich sein (beim Kartenspiel)’ übernommen worden. Die Bildung ist nach französisch faire capot ursprünglich: ‘umschlagen, kentern’ erfolgt. Das Adjektiv klein, dessen Herkunft im Dunkeln liegt, wurde für das Westgermanische als *klaini- mit der Bedeutung ‘zierlich, fein’ rekonstruiert. Dieser Wort­inhalt bleibt bis in die mittelhochdeutsche Zeit aktuell. Erst danach entwickelt sich der Wortinhalt ‘von geringem Ausmaß, von geringer Größe’. Der Atlasbeleg kleinmachen ist im Sinne von ‘zerkleinern’ verwendet.

Literatur- und Ortskürzel-Verzeichnis

Die im Text erwähnte Literatur (Literaturverzeichnis) sowie eine Aufschlüsselung der Ortskürzel (Belegorteverzeichnis) finden Sie unter den entsprechenden Links. 

Mehr zum Thema

Der obenstehende Inhalt ist entnommen aus Drenda, Georg (2014): Wortatlas für Rheinhessen, Pfalz und Saarpfalz. St. Ingbert.

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