Ebersheim in Rheinhessen

Das Ende des Krieges in Ebersheim

Amerikanischer Panzer in Ebersheim, um 1953[Bild: Jakob Blumers]

von Georg Bertz und Rudolf Büllesbach

"Rund und dick sollen sie sein. Um das Durchsägen solcher Baumstämme zu erschweren, müssen zwischen ihnen Wasserleitungsrohre oder andere Metallstangen festgenagelt werden. Auf jeden Fall ist zu vermeiden, dass die Stahleinlagen zu erkennen sind." Mit diesem Befehl zum Bau von Panzersperren versuchte der Mainzer Gauleiter im Januar 1945, den Einmarsch der Amerikaner in Rheinhessen aufzuhalten.
Am 17. März 1945 war es auch in Ebersheim soweit. Auf der Grundlage des Befehls wurden samstags bei strahlendem Sonnenschein drei Panzersperren aus Holzstämmen in der Weinbergstraße, vor der Kirche und auf der Höhe der heutigen Sparkasse aufgeschichtet. Die militärische Lage war zu diesem Zeitpunkt unübersichtlich. Viele Menschen glaubten noch an einen Verteidigungsgürtel der 7. Deutschen Armee. Tatsächlich löste sich diese aber seit der Kapitulation von Koblenz und der Einnahme von Bad Kreuznach auf. General Earnest hatte inzwischen seiner 90. US-Infanteriedivision den Befehl gegeben, Mainz einzunehmen.

Damit kam der Krieg auch auf Ebersheim mit großen Schritten zu. Bislang war der Ort von größeren Schäden noch verschont geblieben. Anders als in der Stadt Mainz war kein Haus von Bomben getroffen worden. Lediglich zwei Bomben waren ungefähr auf der Höhe des heutigen Kartoffelhofs Engmann eingeschlagen. Der seit sechs Jahren andauernde Krieg prägte allerdings in anderen Bereichen den Ort. Viele junge Männer waren als Soldaten eingezogen worden, wovon 68 nicht zurückkehrten. Das tägliche Leben in Ebersheim wurde während dieser Zeit von französischen Kriegsgefangenen und von polnischen, russischen oder holländischen Fremdarbeitern (und insbesondere Fremdarbeiterinnen) mitgeprägt. Während diese auf einzelne Häuser verteilt waren, hatten die Franzosen in einer Scheune hinter der Ecke Töngesstraße/Römerstraße ein Sammelquartier und gingen jeden Morgen zu ihren Arbeitsstätten. Größere Veränderungen gab es während dieser Zeit bei der Freiwilligen Feuerwehr. Da diese nicht mehr genügend Mitglieder hatte, entstand eine Frauenfeuerwehr. Im Ort selbst erinnerten die Adolf-Hitler-Straße (heute: oberer Abschnitt der Laurentiusstraße), die Horst-Wessel-Straße (heute: Teil der Neugasse) und auch die Straße der SA (heute: Töngesstraße zwischen Effenspitze und Töngeshof) an die damaligen politischen Verhältnisse.

Dies alles rückte am Freitag, den 16. März in den Hintergrund. Nach den Tagebuchaufzeichnungen des damals 15jährigen Georg Bertz war für Ebersheim an diesem Tag erhöhte Alarmbereitschaft angeordnet worden. Gleichzeitig wurden alle ausländischen Arbeiter und Kriegsgefangene über den Rhein verlegt. Die drei Panzersperren wurden einen Tag später am Samstag zugemacht.

Einen Tag später erschienen die ersten Boten des näher rückenden Krieges. Am Sonntag versuchte gegen Abend eine kampfstarke deutsche Flakeinheit aus dem Elsass in Ebersheim in Stellung zu gehen, um die amerikanischen Panzer abzuwehren. Zum Glück für den Ort ergriffen jetzt einige Ebersheimer Landwirte die Initiative und stellten ihr letztes Benzin zur Verfügung. Die Flakeinheit wechselte daraufhin in der Nacht zum Dienstag nach Hahnheim und lieferte den aus Schornsheim kommenden Amerikanern zwei Tage lang den letzten großen rheinhessischen Abwehrkampf. Soldaten auf beiden Seiten und sechs Hahnheimer Bürger, darunter auch zwei Kinder, starben.  Am Ende der Kämpfe lag Hahnheim zur Hälfte in Trümmern.

In Ebersheim hörte man den Kampflärm aus Hahnheim und den Artilleriebeschuss in Richtung Zornheim. Die Angst wurde immer größer. In fast allen Häusern war man bereits in die Kellerräume gegangen. Die Ungewissheit darüber, ob weitere deutsche Truppen anrücken, wo genau sich die amerikanischen Panzer befanden und ob heftige Kämpfe im Ort bevorstanden, nagte an den Nerven.

Als am Dienstag, den 20. März, die Sonne aufging, hatte sich die Lage weiter verschärft. Um 11.00 Uhr fiel der Strom aus, da die Leitungen durch den Artilleriebeschuss beschädigt waren. Gerüchte von Flaksoldaten, die aus Nieder-Olm kamen, machten die Runde. Es wurde erzählt, dass dort die Panzerspitze der Amerikaner stünde, bereits mehrere Panzer abgeschossen worden und größere Kämpfe zu erwarten seien. Diese Informationen ließen nichts Gutes erwarten. Am frühen Nachmittag kam alles ganz anders und völlig überraschend. Georg Bertz hat den Moment in seinem Tagebuch festgehalten: "Um 13.30 Uhr rücken die ersten Amerikaner von Richtung Zornheim kommend hier ein. 3 Panzer sind dabei. Widerstand wurde nicht viel geleistet". Bei diesen Truppen handelte es sich um das 2. Bataillon des 359. Infanterieregiments und das 712. amerikanische Panzerjägerbataillon. Dieses Bataillon hatte bereits vorher Sörgenloch und Zornheim besetzt und verbrachte die Nacht in Ebersheim. Hier waren vorher die Panzersperren beseitigt worden. Die Amerikaner hatten die Ebersheimer vor die Wahl gestellt, die drei Hindernisse sofort abzubauen oder mit den Panzern durch die angrenzenden Häuser zu fahren bzw. sie einfach wegzuschießen.

Unter den amerikanischen Truppen befand sich ein Mann, der in einer Ebersheimer jüdischen Familie geboren und später nach Amerika ausgewandert war. Über ihn liefen jetzt alle Kontakte. Bis auf einen Zwischenfall, bei dem ein amerikanischer Soldat auf der Höhe der heutigen Sparkasse durch den Schuss einer Panzerfaust getötet wurde, verliefen die kommenden Tage ruhig. Der Krieg in Ebersheim war zu Ende.
Die Amerikaner rückten am 21. März über die Gaustraße nach Hechtsheim vor und wurden auf der Hechtsheimer Höhe noch in kurze Kämpfe verwickelt. Mainz wurde am 22. März, einem Donnerstag, von der 90. US-Division bis zum Rheinufer besetzt. Das war auch das Kriegsende in Rheinhessen.  

Nachweise

Verfasser: Rudolf Büllesbach

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Verwendete Literatur:

Aktualisiert am: 14.06.2014