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Der napoleonische Soldat

Diese kolorierte Tuschezeichnung aus dem Jahr 1807 zeigt einen jungen napoleonischen Soldaten mit schwarzer Pelzmütze und roten Epauletten vor einem Feldlager mit Zelten. Die Zeichnung stammt aus der Feder des neunzehnjährigen Soldaten Doderer Schmul aus Niederzissen in der Eifel. Dieser musste ein Jahr später wie alle Juden durch einen Erlass Napoleons seinen jüdischen Namen aufgeben und den offiziell verbindlichen deutschen Vor- und Zunamen Simon Berger annehmen. Er diente als Soldat in der Napoleonischen Armee. Die Tuschezeichnung gehört zu einem Brief, den der junge Soldat aus dem winterlichen Lager Ende 1807 an seine Eltern in Niederzissen schrieb. Auf Hebräisch ist zu lesen: „Hier könnt Ihr mich sehen, wie ich gekleidet bin, und dort könnt Ihr unser Zelt sehen, wo wir drinnen sind.“ In der Hand hält er Blumen, die seinem Bruder gewidmet sind, an dessen Hochzeit der junge Soldat kriegsbedingt nicht teilnehmen konnte. 

Brief des jüdischen Soldaten Doderer Schmul um 1807[Bild: KuHV Niederzissen]

Dieses überlieferte Dokument verdient in zweierlei Hinsicht besondere Aufmerksamkeit: Zum einen sind bildliche Darstellungen von Soldaten des 18. und frühen 19. Jahrhunderts sehr selten. Zum anderen stellt diese Tuschezeichnung die bislang geglaubte Tatsache in Frage, dass deutschsprachige jüdische Soldaten erst mit den einsetzenden Befreiungskriegen 1813 gegen Napoleon aktiv zur Waffe griffen und Soldaten wurden. Dieser bebilderte Brief stellt somit eine wichtige militärhistorische Quelle dar und gewährt ganz neue Einblicke in das Leben der linksrheinischen Landjuden um 1800.

Gefunden wurde der Brief eher zufällig im Herbst 2010 von engagierten Bürger*innen des Heimat- und Kulturvereins Niederzissen, als sie den Dachboden der ehemaligen Synagoge in Niederzissen vor der anstehenden Renovierung aufräumten. Der Brief war Teil einer so genannten Geniza, einer Sammlung nicht mehr benötigter Schriften und liturgischer Gegenstände, die auf dem Dachboden der Verrottung preisgegeben waren. Heute ist er in der ehemaligen Synagoge in Niederzissen ausgestellt, wo bis zum 19.12.21 die IGL-Ausstellung „1.700 Jahre jüdisches Leben. Tradition und Identität der Juden in Rheinland-Pfalz“ zu sehen ist.

Verfasserin: Anke Sprenger