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Rentabilität des Rebbaus am Beispiel Elsässischer Klöster

von Francis Rapp

Seit undenklichen Zeiten gilt das Elsaß, das glückliche Elsaß, "als des Bacchus gesegneter Gau". Ich zitiere einen Mönch – einen Elsässer allerdings –, der 780 dieses Kompliment in die Widmung an Karl den Großen in einer Grammatik einschob. Kaum ein halbes Jahrhundert später drückte sich Ermoldus Nigellus – diesmal kein Elsässer, sondern ein Aquitanier – nicht weniger dithyrambisch aus. In seiner Beschreibung meiner Heimat "triefen die Hügel von Wein". Würden die Friesen nicht den Saft der Reben holen, "läg das beherzte Geschlecht längst tot bei den Fässern", denn es hätte alles, was auf gesegneter Flur gewachsen war, trinken müssen. [Anm. 1] Weinexport war also für das Elsaß eine Lebensnotwendigkeit. Dafür wurde im Mittelalter gesorgt. Erwähnen wir nur die vielen Klöster, die manchmal sehr weit entfernt lagen – denken wir an Fulda –, die zwischen Rhein und Vogesen Weinberge besaßen und die dortigen Produkte in ihrem Refektorium auftischten. Die Flüsse im Elsaß selbst, die Ill und dann der Rhein, erleichterten die Ausfuhr. So scheinen die größten Mengen nach Norden exportiert worden zu sein. [Anm. 2] Zwei große Handelsplätze, Frankfurt und Köln, spielten eine sehr wichtige Rolle in diesem Verkehr. Gute Kenner schätzen, dass die jährlich ausgeführte Quantität am Anfang des 15. Jahrhunderts vielleicht eine Million Hektoliter umfasste. Allein Kolmar exportierte zu dieser Zeit 80.000 Hektoliter, in guten Jahren sogar 120.000. [Anm. 3]

Was brachte dieser außerordentlich rege Handel an Geld ein, und wer zog am meisten Profit daraus? Diese Fragen zu beantworten, ist keine leichte Aufgabe. Das Beweismaterial ist dürftig und ungleich verteilt. Einigermaßen befriedigendes Material liefern uns eigentlich nur die kirchlichen Institute, hauptsächlich Klöster, Stifte, Spitäler und hie und da Pfarreien, und dies nur relativ spät, ab dem 14. Jahrhundert, als das Papier das Pergament ersetzt hat, und das Notieren auch von Kleinigkeiten auf einer dauerhaften Unterlage möglich wurde. Erhalten sind fast nur Rechnungen aus der zweiten Hälfte des 15. und dem Anfang des 16. Jahrhunderts. Diese Unterlagen können uns über die Rentabilität des Weinbaus und des Weinhandels informieren.

Wein konnten die Klöster auf verschiedene Weise in ihre Keller bringen und damit entweder ihren Bedarf decken oder Handel treiben. In einigen Fällen, die den Historiker freuen, weil er dann einige Chancen hat, genaue Angaben zu sammeln, wurden die Weinberge hauptsächlich direkt, das heißt auf eigene Kosten mit bezahltem Personal, bewirtschaftet, denn die Klosterinsassen waren nicht zahlreich oder für schwere Arbeit nicht geeignet. Ließ man den Besitz durch andere bestellen, waren die Rebstücke entweder in Erbleihe oder auf Zeit in Pacht vergeben. Immer geläufiger scheint am Ende des Mittelalters die Verdingung geworden zu sein, die einem Winzer die Bebauung   eines Ackers für ein Jahr gegen Bezahlung einer Pauschalsumme auftrug. Schließlich gab es Klöster, die ansehnliche Weinmengen bezogen, ohne sich an den Arbeitskosten zu beteiligen. Es waren diejenigen, die Zehntrechte besaßen. [Anm. 4]

Wir werden nun diese drei Arten von Weineinkünften genauer untersuchen, um ihre Rentabilität einschätzen zu können.

Das Augustiner Chorherrenstift Sankt Arbogast, das nach der Reformation aufgehoben wurde, hat in der Geschichte des religiösen Lebens wenig Spuren hinterlassen. Von den Gebäuden des Klosters steht heute nichts mehr. Eine Stele, die manchmal Besucher anzieht, erinnert zwar an ein historisch wichtiges Ereignis, nämlich an den Aufenthalt Gutenbergs, der in nächster Nähe des Stifts seine Werkstatt eingerichtet hatte, weil der Probst ein Verwandter seines Geschäftspartners Hans Riffe war. Die Kanoniker scheinen aber dem Treiben ihres später hochberühmten Nachbarn kein besonderes Interesse geschenkt zu haben. Ihre Sorgen galten wahrscheinlich viel mehr der wirtschaftlichen Lage ihres Hauses. Die Einnahmen sanken langsam, aber allem Anschein nach unaufhaltsam. Jahr für Jahr nahm der Fehlbetrag in der Bilanz des Schaffners dagegen zu, was natürlich die Schuldenlast ständig erschwerte. Eine kluge Politik sollte es den Chorherren ermöglichen, ihre Finanzen zu sanieren. Am Anfang des 16. Jahrhunderts war der Gesundungsprozess abgeschlossen. Überschüsse wurden fast jedes Jahr verzeichnet. [Anm. 5]

Wie Sankt Arbogast diese Besserung erzielen konnte, zeigen uns die Klosterrechnungen, die für das letzte Drittel des 15. und das erste des 16. Jahrhunderts verhältnismäßig lückenlos erhalten sind. Das wirksamste Mittel, welches angewandt wurde, war die gute Ausnutzung des Korns, das dem Stift von seinen Zinsbauern und Pächtern geliefert wurde. Nach 1460 verstärkten sich die Schwankungen der Preise immer mehr. Diese Tatsache regte die Schaffner zu Spekulationen an. Solange das Korn wenig galt, wurden in den Speichern des Klosters große Mengen angehäuft. Die so gebildeten Reserven wurden dann für teueres Geld verkauft, sobald die Preiskurve wieder anstieg. Allerdings war die Anwendung dieses Verfahrens nur möglich, weil Sankt Arbogast über Geldbezüge verfügte, die während der Akkumulationsperiode des Getreides die Ausgaben deckten, und weil die Insassenzahl des Klosters verringert wurde, um die Unkosten und den Verbrauch zu reduzieren. [Anm. 6] Welche Rolle spielten die Weinbezüge bei dieser Wiederaufrichtungspolitik? Die erhaltenen Rechnungen zeigen, dass ihr Beitrag zur Gesundung der klösterlichen Finanzen ziemlich belanglos war. Die Schaffner scheinen ihre Aufmerksamkeit auf die Getreidebezüge konzentriert zu haben und veränderten die hergebrachten Bewirtschaftungsmethoden eines eher geringen Weinbergsbesitzes nicht; wohl auch deshalb, weil sie erkannten, dass, im Gegensatz zum Getreide, der Wein sich nicht besonders gut für Spekulationen eignete. Sie beließen es im großen und ganzen bei der Eigenbewirtschaftung. Damit erwiesen sie den Historikern einen wertvollen Dienst, denn in den Rechnungen lässt sich die Rentabilität des Rebbaus ziemlich leicht ablesen, und hätten die Herren von Sankt Arbogast nicht an der Eigenbewirtschaftung festgehalten, hätten sie keinen Grund gehabt, Ausgaben und Einkünfte genau zu registrieren.

Die Ausgaben waren bedeutend und ließen sich kaum reduzieren. Denn bekanntlich verlangt die Rebe, dass man sie sozusagen umsorgt. Genaue Auskunft über die notwendigen Arbeiten liefern uns die Rechnungen. Kaum ist die Weinlese vorbei, muss der Winzer wieder in den Weinberg hinaus. Zuerst mussten die Stecken, die Weinpfähle, herausgezogen werden. Dann wurden die Gräben aufgeworfen, die zum Absenken des Weinstocks dienten. Die Erde, die den Abhang des Weinbergs entlang herunter gerutscht war, musste wieder an ihren eigentlichen Platz getragen werden. Mist wurde auf Karren geladen, in den Weinberg geführt und in Lasten verteilt, die entweder die Arbeiter selbst auf ihren Rücken nahmen oder damit die Körbe der in den weinproduzierenden Ortschaften zahlreichen Esel füllten. Anschließend wurde der wertvolle und manchmal teure Dünger ausgeteilt. [Anm. 7] Vor Lichtmeß sollte auch das Absenken der Weinstöcke – 1481 betraf diese Arbeit 200 Setzlinge [Anm. 8] – abgeschlossen sein. Maria Lichtmeß bedeutete keineswegs eine Pause, im Gegenteil. Die Reben wurden ausgeschnitten,   eine delikate Arbeit, die geprüften und sorgfältigen Rebleuten aufgetragen wurde. Die abgeschnittenen Ranken wurden zu Garben gebunden und verbrannt. Neue Rebpfähle wurden gepflanzt. Bis zu 3.900 solcher Stecken mussten besorgt und zum Weinberg getragen werden. [Anm. 9] Dann kam das Biegen und Heften, das Verbrechen (Augen entfernen). Zum zweiten Mal wurde gegraben (mundartl.: rühren). Jäten und Durchhacken entfernten das Unkraut. Geräumt wurde am Anfang des Sommers, damit das Laub den Trauben nicht die Sommerwärme wegnahm. Dies alles musste alljährlich gemacht werden. Unvorhergesehen kamen manchmal andere Arbeiten dazu, so stieß zum Beispiel 1484 ein besonders starker Wind die Pfähle um, und einige Leute mussten die Stecken wieder aufrecht stellen. [Anm. 10]

Die Rechnungen erlauben es uns, die Zahl der Arbeitstage festzustellen, die notwendig waren, um das etwa 12 Äcker, umgerechnet ungefähr 3 Hektar große Gut der Stiftsherren in Wolxheim zu bebauen. [Anm. 11] Greifen wir ein Jahr, 1481 bis 1482, aus der Buchführung heraus: Alles in allem waren es 350 Arbeitstage, die der Schaffner auszahlen musste. Das Misten beschäftigte zum Beispiel 68 Leute. Zum Ausschneiden stellte der Leiter der Bewirtschaftung Anfang März 8 Leute, tags darauf 5, dann 18 und schließlich am vierten Tage 14 Personen ein. Der Lohn war der Schwierigkeit der Arbeit entsprechend eingestuft. Das Graben kostete 10 bis 12 Pfennige, das Heften 5 Pfennige, das Augen Entfernen brachte den Frauen, die damit beschäftigt wurden, nur 4 Pfennige ein. Dazu kam das Geld, das für die Kost, also Essen und Trinken der Arbeiter, ausgegeben wurde. [Anm. 12] Die Löhne, die im Laufe der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts gestiegen waren, blieben nach 1500 beständig. 30 bis 40 Pfund Straßburger Währung, was etwa 15 bis 20 Gulden entspricht, mussten durchschnittlich für die Vergütung der Arbeiter ausgegeben werden. [Anm. 13]

Damit waren aber noch nicht alle Unkosten, welche die Eigenbewirtschaftung mit sich brachte, gedeckt. Das Herbsten war natürlich auch nicht unentgeltlich. Zuerst mussten die Fässer und die Kübel zurechtgemacht, ausgebessert oder nur angeschafft werden, was meistens 2 bis 4 Pfund kostete. Die Leute, die für die Weinlese eingestellt wurden, wollten kräftig genährt werden. Die Rechnungen enthalten sozusagen den Küchenzettel des Rebmanns: Würste, gebratenes und gesottenes Fleisch, Speck, Eier, Zwiebeln, Senf, Kohl, Erbsensuppe und vieles mehr. Eine Köchin wurde in Dienst genommen, Teller und Schüsseln gekauft. Die Zahl der Weinleser hing natürlich von der Menge der Trauben ab, die geherbstet werden sollten. 1484, vom 3. bis zum 10. Oktober, wurden täglich 12 Weinleser in den Weinberg geschickt, 5 starke Männer trugen die Bottiche (mundartl.: Pedjə). Auch im Herbst waren die Löhne verschieden. Für den Leser genügten 4 bis 7 Pfennige, der Träger bekam eventuell bis zu 15 Pfennige. Auch die Trottknechte erhielten einen relativ hohen Sold. Da die Tage kurz waren, wurde auch nachts gearbeitet, und auch die Kerzen sowie die Talglichter mussten bezahlt werden. Im Gegensatz zu den Kosten der Bebauung waren diejenigen, die das Herbsten dem Stift auferlegten, nicht unveränderlich. Ihre Höhe hing ganz von den Quantitäten ab, die zu herbsten waren. 1483 gab der Schaffner 5 Pfund 4 Schilling aus. 1481 waren es nur 9 Schilling 6 Pfennige gewesen, denn der Herbst war damals schlecht ausgefallen. [Anm. 14] Eine Tatsache, die man auch anderswo feststellen kann, ist, dass der Ertrag großen Schwankungen unterlegen ist. 1481 brachten die Wolxheimer Reben des Stifts 18 Ohm ein, 1504 waren es 22 Fuder. Das ist ungefähr 12 Mal mehr als 1481. [Anm. 15] Die Produktion hing auch von der Qualität des Bodens ab. Im selben Jahr wurden in einem Stück 18 Ohm geherbstet, in einem anderen nur 4 Ohm. [Anm. 16] Rotwein wurde in kleinen Mengen erzeugt. 1480 zum Beispiel waren 180 der 182 produzierten Hektoliter Weißwein. [Anm. 17] Die angebaute Rebensorte war von geringerer Qualität, wie wir es den Rechnungen entnehmen können, die den Wein als hünnisch bezeichnen. [Anm. 18] Wie wir noch bemerken werden, beabsichtigten die Stiftsherren keineswegs, ihren Wolxheimer Wein für den Export zu verwenden. Hätten sie an Handel, also an finanziellen Gewinn, gedacht, wäre ihr Ergebnis denkbar schlecht gewesen, denn die Rentabilität ihres Rebbesitzes war, jedenfalls in der Periode für welche wir über genaue Unterlagen verfügen, zumindest sehr fraglich.

Wie wir schon erwähnt haben, waren die Erträge sehr ungleich und die Weinpreise entsprechend verschieden. Waren die Fässer voll, sank die Kurve bis zu ganz niedrigen Lagen, wenn sie aber in die Höhe schnellte, hatten die Winzer nichts zu verkaufen. Dies werden uns einige Beispiele eindeutig beweisen. 1470 wurden 3 Fuder eingebracht. Diese Quantität galt in diesem Jahr 18 Pfund, denn für ein Ohm hätte ein Käufer 60 Pfennige bezahlt. Die Kosten, die das Kloster bis zum Herbst getragen hatte, betrugen 38 Pfund. Das Defizit, 20 Pfund, war nicht unbedeutend. [Anm. 19] 1481 erzeichnete die Bilanz noch schlimmere Resultate. Nur 18 Ohm wurden geherbstet. Sie galten zwar mehr als 1460, 72 Pfennige das Ohm, was dazu führte den Wert dieser Weinlese auf ganze 5 Pfund und 8 Schillinge zu veranschlagen. Jedoch obwohl die Leser und die Arbeit des Küfers nur 2 Pfund und 15 Schillinge gekostet hatten, hatte die Bewirtschaftung des Wolxheimer Gutes summa 34 Pfund 9 Schillinge verschlungen. Der Fehlbetrag belief sich also auf 29 Pfund und 1 Schilling. Dazu kam, dass die Stiftsherren ihren Eigenbedarf nicht deckten und mehr als 9 Fuder zu einem relativ teuren Preis kaufen mussten. [Anm. 20] Man könnte noch mehrere Beispiele anführen. Erwähnen wir nur das Jahr 1492. Nicht einmal ein Ohm konnten die Weinleser herbsten, und doch betrugen die Ausgaben für den Rebbau 24 Pfund. [Anm. 21] Ein einziges Mal lässt sich in den Rechnungen eine eindeutig positive Bilanz feststellen. 1495 wurden 22 Fuder geherbstet, die man in diesem Jahr für 44 Pfund hätte verkaufen können. Alles in allem hatten die Kosten nur 32 Pfund betragen, was einem Gewinn von 12 Pfund gleichkam. [Anm. 22] Die Ausnahme bestätigt die Regel. Die Eigenbewirtschaftung war nicht rentabel. Das Sankt Arbogast Kloster hätte eigentlich dieses Gut verkaufen müssen, wenn es die Absicht gehabt hätte, damit Profit zu erzielen. Der Eintrag der Wolxheimer Reben sollte nur den Eigenbedarf decken und den Kanonikern einen eher minderwertigen Wein, den hünnischen, zum alltäglichen Verbrauch liefern. Vielleicht blieben diese Herren dem Grundsatz treu, wenn möglich Wein vom eigenen Gewächs aufzutischen.

Sie konnten es, weil Wolxheim nicht weit von Straßburg entfernt war. Für die Dominikanerinnen des Sankt Katharina Klosters intra muros war die Lage viel ungünstiger. Ihre Reben befanden sich in Scherweiler, in der Nähe von Schlettstadt. Der Transport des dort produzierten Weines kam den Nonnen teuer zu stehen. Zuerst mussten die leeren Fässer von Straßburg nach Scherweiler geführt werden. 1422 kostete dies 36 Schillinge. Nach der Lese wurden die Gefäße auf Karren geladen und bis zur Ill gebracht, wo sie die Schiffsleute übernahmen und für eine Vergütung von 10 Pfund auf ihren Booten in die Stadt verfrachteten. Unterwegs verlangten die Zöllner in Hüttenheim, Matzenheim und am Stadteingang summa 4 Pfund. In diesem Jahr war allerdings die Ware preiswert. 19 Fuder galten 160 Pfund. Doch waren solch günstige Bedingungen eher selten. Sie waren manchmal derart nachteilig, dass sich die Dominikanerinnen darüber beklagten: "Mit dem Geld, das wir für das Bestellen dieser 14 Äcker Reben ausgeben, könnten wir zweimal so viel Wein kaufen, als auf diesem Rebberg wächst." [Anm. 23] Den Benediktinerinnen von Eschau bereiteten ihre Reben noch viel schlimmeres Kopfzerbrechen. Ihre Güter lagen im Oberland, in Rufach. Der oberelsässische Wein galt schon im Mittelalter als besonders gut. Die Eschauer Schwestern mussten aber darauf verzichten, denn der Transport hätte aus diesem Getränk geradezu eine Luxusware gemacht. 1407 verzeichnete der Schaffner des Klosters für diesen Buchungsposten eine Ausgabe, die einem Viertel des Werts der transportierten Ware gleichkam. Um die Kosten, die das Bestellen der Reben verursachte, mindestens zu decken, wurde die Produktion an Ort und Stelle verkauft. [Anm. 24] Mit einer Schwierigkeit anderer Art hatten die Verwalter des Liebfrauenwerks, das den Münsterbau finanzierte, zu tun. In der Nähe des schon mehrmals erwähnten Wolxheim, in Biblenheim, besaß das Werk mehr als 20 Hektar Reben. Um diese zu bebauen und dann den Herbst heimzubringen, musste der "Meister" des sogenannten „Biwlerhof“ einen Trupp von Arbeitern einstellen und durch zuverlässiges Personal führen lassen. Dass diese Aufgabe die Rolle des Verwalters nicht wenig komplizierte, braucht nicht besonders hervorgehoben zu werden. Die Rechnungen zeigen, daß auch in diesem Fall die Bilanz öfter negativ als positiv ausfiel. [Anm. 25]

Aus den bisher untersuchten Aussagen der Quellen glauben wir schließen zu dürfen, dass die Eigenbewirtschaftung von Weinbergen nur ausnahmsweise rentabel war, und dass hauptsächlich die Arbeitskosten daran schuld waren. Die Verwalter der Kloster- und Kirchengüter steckten nicht alle immer in der gleichen Zwickmühle. Sie bemühten sich, mit den ihnen anvertrauten Immobilien größere Profite zu erzielen, als es mit den hergebrachten Methoden gelang. Doch scheint es nicht leicht gewesen zu sein, das Problem korrekt zu lösen. Die verschiedenen Wege, die begangen werden konnten, waren alle mit Hindernissen übersät. Man konnte daran denken, die einzelnen Stücke in Erbleihe zu vergeben und vom Abnehmer einen Zins zu verlangen. Neu wäre diese Lösung nicht gewesen. Die meisten kirchlichen Anstalten besaßen Reben, die schon seit vielen Jahren an Zinsbauern vergeben worden waren. Oft handelte es sich um kleine, sogar winzige Parzellen. In den Zinsbüchern standen lange Reihen von Orts- und Personennamen. Dutzende von Zinsen einzutreiben, war keine kleine Aufgabe. Die Rechnungen des Katharinenklosters zeigen, dass manchmal mehr als die Hälfte der geschuldeten Zinse nicht bezahlt wurde. [Anm. 26] Dazu kam, daß die Erblichkeit des verliehenen Grundstücks die Autorität des Besitzers de facto schwächte. Man hätte daher die zeitlich begrenzte Lösung, die Pacht, wählen können; eine Lösung, die für Getreidefelder gang und gäbe war. Doch die Weinproduktion wies ganz andere Züge auf. Die erzeugten Mengen waren viel größeren Schwankungen ausgesetzt. Ein Pächter konnte sich nicht verpflichten, während 6, 9 oder gar 18 Jahren regelmäßig eine für den Besitzer vorteilhafte Quantität Wein zu liefern. Er hätte sich der Eventualität ausgesetzt, mehr als einmal den ganzen Ertrag des Pachtgutes abzugeben. Aber auch dem Besitzer musste es sehr ungelegen erscheinen, sich mit einer für den Abnehmer annehmbaren Zahlung zu begnügen, denn er musste das Niveau des Pachtgelds sehr niedrig festlegen – in der Regel 2 bis 4 Ohm pro Acker – sonst hätte er keinen Pächter finden können. In guten Jahren, in denen ein Acker bis zu 18 Ohm tragen konnte, war es für den Besitzer schmerzlich, dem Pächter eventuell fast neun Zehntel des Herbstes zu überlassen. Interessanter war daher die Teilpacht. Meistens bestimmten die Verträge dieser Art, dass der Abnehmer ein Drittel des geherbsteten Weins zu liefern hatte. Doch auch diese Lösung hatte ihre Nachteile. Der Pächter konnte den Besitzer leicht betrügen. Denn letzterer war nicht in der Lage, die Richtigkeit der angegebenen Produktionsquantitäten zu überprüfen. [Anm. 27] Schließlich wählten viele Schaffner und Gutsbesitzer einen dritten Weg, den Verding. Ein Winzer verpflichtete sich, ein gewisses Areal, in der Regel einen Acker, zu bestellen und alle notwendige Arbeiten, den Herbst ausgeschlossen, zu erledigen. Dafür wurde ihm eine feste Summe Geld – 20, 25, seltener 30 Schillinge – gegeben. Diese Vergütung entsprach dem Lohn, den man für ungefähr einen Monat mittelmäßig schwerer Arbeit auszugeben hätte. Musste man mit 350 Arbeitstagen rechnen, um 12 Äcker zu bestellen, genügten 30 Tage für den Bau eines Ackers. Die Entlohnung des verdingten Arbeiters kann man als relativ gerecht bezeichnen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass für kleine Leute solche Verträge einen nicht zu verachtenden Verdienst oder Nebenverdienst sicherten. Vom Standpunkt des Rebbesitzers aus gesehen, hatte diese Verdingung auch ihre Vorteile. Er konnte die Unkosten im voraus bestimmen. Für die Nahrung der Arbeiter brauchte er nichts mehr auszugeben. Vor allem war er nicht mehr gezwungen, täglich die notwendige Mannschaft anzuwerben, eine besonders lästige Aufgabe, wenn man viele Arbeitskräfte zusammenbringen musste. [Anm. 28]Es ist daher nicht erstaunlich, dass der "Meister" des §Biwlerhofs§ nach 1461 einen großen Teil der seiner Verwaltung anvertrauten Reben durch verdingte Arbeiter bestellen ließ, denn für 110 bis 120 Äcker, die dem Hof des Liebfrauenwerks gehörten, mussten manchmal sehr viele Leute angeworben werden. [Anm. 29] Für Sankt Arbogast dagegen war diese Lösung wenig sinnvoll. Für die 15 Äcker, die das Stift besaß, war es nicht besonders schwer, genügend Leute zu finden. Systematisch wurde die Verdingung nicht überall angewandt, weil auch sie Nachteile aufweisen konnte. Der verdingte Winzer konnte schlampig arbeiten, denn vom Herbst erhielt er nichts. Ob dieser gut ausfiel oder nicht, ihm ging es hauptsächlich um den im voraus festgesetzten Lohn.

Wenn auch alle Auswege mit einem gewissen Risiko verbunden waren, den meisten Gutsbesitzern schien es angebracht, die eine oder die andere dieser Notlösungen zu probieren; denn auf der Eigenbewirtschaftung lastete der Arbeitslohn. Mit den Schwankungen, denen der Ertrag der Weinberge ausgesetzt war, verbunden, wog dieser Nachteil so schwer, dass er die Chancen, Gewinne zu erzielen, geradezu erdrückte. Deswegen wurden immer mehr Weinberge zerstückelt.

Rentabel war, während der untersuchten Periode jedenfalls, hauptsächlich der Wein, den man nicht selbst produzierte. Kirchliche Anstalten verfügten in vielen Fällen über Einkünfte dieser Art. Sie erhielten nicht nur die Abgaben von zinspflichtigen Winzern – wir haben die Nachteile dieser Einnahmen gekennzeichnet –, sondern auch den Zehnt, der eine beträchtliche Quantität hatte. Einen aussagekräftigen Beweis liefern uns die Rechnungen der Abtei Andlau. Dieses Damenstift hatte einen reichen Besitz, in welchem die Weinberge einen bedeutenden Platz einnahmen. Auch in diesem Kloster hatte man auf die Eigenbewirtschaftung nicht vollständig verzichtet, und in Andlau wie in den oben angeführten Beispielen war die Rentabilität schweren Gefahren ausgesetzt; denn die Arbeitskosten beeinträchtigten sie. Hätte das ehrwürdige Institut, dessen Finanzen im 15. Jahrhundert heruntergekommen waren, nur über diese Einkünfte verfügt, hätte es sich nicht wieder materiell erholen können. Es zog aber den Weinzehnt in 12 Ortschaften ein, die alle in einer unter diesem Gesichtspunkt gesegneten Landschaft lagen. Jährlich wurden dank dieser Abgaben beträchtliche Mengen eingekellert, und diese Einnahmen waren nur mit einer geringfügigen proportionalen Abgabe durch die Schwankungen der Produktion belegt.

1503 fiel der Herbst sehr gut aus. Zins und Zehnt sicherten der Abtei eine Einnahme von mehr als 300 Fuder. Im Klosterkeller blieben von dem vorigen Jahr 190 Fuder, und die eigenbewirtschafteten Güter hatten noch 28 Fuder dazu geliefert. Das war viel zuviel. Die Preise waren gesunken, die Käufer ließen auf sich warten. Nur 51 Fuder wurden verkauft und brachten 150 Pfund in die Kasse. Trotzdem hatte der Schaffner einen Gewinn zu verzeichnen, denn er hatte nur die Unkosten des Eigenbetriebs, 99 Pfund, zu decken. [Anm. 30] 1517 war ein ganz schlechtes Jahr. Doch der Zehnt ermöglichte es, wenn auch in viel kleineren Mengen, Wein einzukellern. 45 Fuder konnten verkauft werden. Von Straßburg, vom Welschland, westlich der Vogesen und von Schwaben kamen die Abnehmer und bezahlten derart hohe Summen, dass 565 Pfund eingenommen werden konnten. Diese Summe war fast ein Nettogewinn; denn die Arbeitskosten betrugen nur 46 Pfund, weil die Weinlese nicht viele Leute beschäftigte, vor allem aber weil sowieso der größte Teil der eingekellerten Quantitäten unentgeltlich geliefert worden war. Auf diesem Wege konnte die Abtei ihre finanzielle Lage in diesem Jahren gründlich sanieren. [Anm. 31] Diese materielle Gesundung hatte sie dem Weinzehnt zu verdanken.

In viel kleinerem Maßstab war es auch einem einfachen Pfarrer möglich, unter ähnlichen Umständen mit Wein Profit zu machen. Pfarrer Johan Agram, der Rektor der Kirche von Wolxheim war, sind die Lokalhistoriker zu Dank verpflichtet, weil er in sein Tagebuch, das wir heute noch besitzen, viele hochinteressante Details seines Lebens, in der Hauptsache des materiellen Lebens, eingetragen hat (1503-1537). Er bezog einen nicht unwesentlichen Teil des Zehnts, was ihm in guten Jahren fast kostenlos bis zu 340 Hektoliter Wein sicherte. Er musste nur die Trottknechte besolden. Obwohl er persönlich "flott" lebte, war er in der Lage, große Mengen auf den Markt zu bringen, was Gewinne einbrachte, wenn er nicht, was hie und da geschah, den richtigen Moment verpasste. Der kluge Geschäftsmann im Wolxheimer Pfarrhaus wusste, wie man „mit seinen Pfunden wuchern“ konnte. In seinem Falle kann von Klerikerproletariat nicht die Rede sein. Auch Pfarrer Agram verdankte seine Wohlhabenheit den vorteilhaften Einkünften, die ihm der Anteil am Zehnt verschaffte. [Anm. 32]

Aus dem bisher Gesagten kann man eindeutig schließen, daß man mit Weinhandel Profit machen konnte, daß aber Weinproduktion mit so vielen Risiken verbunden war, daß diese Aktivität in zahlreichen Fällen nicht rentabel war. Wir haben feststellen können, daß die Klöster mit den Reben, die sie selbst bewirtschafteten oder verpachteten, wenig finanzielle Gewinne erzielten. Sie hatten aber andere Einkommensquellen und waren den Ansprüchen des Staates kaum ausgesetzt. Viel heikler war die Lage der Winzer, die in manchen elsässischen Dörfern bereits am Ende des Mittelalters praktisch allein vom Weinbau lebten und dem aufkommenden Territorialstaat Steuern zahlen mußten. Diese Lasten bedrohten ständig ein sowieso labiles Gleichgewicht. Zahlreiche Winzer mußten, wollten sie den Bankrott vermeiden oder verzögern, Renten verkaufen und, um ein kleines Kapital vorgestreckt zu bekommen, für unabsehbare Zeit ihre Einkünfte durch die Bezahlung der Zinsen noch schmälern. Man kann für den Anfang des 16. Jahrhunderts von Überschuldung sprechen. Die Nervosität der Winzer trieb sie zur Teilnahme an den Bundschuhverschwörungen und entlud sich brutal 1525 im Bauernkrieg. Daß der Zorn der Aufrührer sie dazu führte, die Klöster zu stürmen und ihre Keller zu leeren, ist verständlich. Hatten sie doch den Wein geliefert, der die Mönche und Nonnen bereichert hatte! Den ruinierten Bauern war zwar ein Teil der Gewinne durch Rentenverträge geliehen worden, aber nicht unentgeltlich. Der Bauernkrieg war gewissermaßen die "Revanche der Produzenten", bekanntlich eine kurzlebige und hart bestrafte! Nach dem „Gewitter“ nahmen die Weinhändler, Laien wie Geistliche, ihre rentablen Geschäften wieder auf. [Anm. 33]    

Anmerkungen:

  1. »Alsatia felix est propria fecunda bono cui patria Baccho«, Widmungsgedicht des Mönchs Adam an Karl den Großen (Monumenta Germaniae Historica, Poetae latini I, S. 93). Nigellus, nach Straßburg verbannt, verfaßte um 826 die Elegie, in welcher er das Elsaß verherrlichte (MGH, Poetae latini II, S. 82f.).  Zurück
  2. Médard Barth: Der Rebbau des Elsaß und die Absatzgebiete seiner Weine. Straßburg 1958, ist immer noch das Standardwerk für die Kenntnis des elsässischen Rebbaus. Für den Besitz von Fulda, vgl.: S. 25, 28, 29 und 68.  Zurück
  3. Lucien Sittler: L'agriculture et la viticulture en Alsace. Colmar, Ingersheim 1974, S. 70. Zurück
  4. Ein Großteil des für dieses Referat benutzten Materials wurde von mir bereits in einem Beitrag der Festschrift für Roland Oberlé (Etudes Rhénanes. Genève, Paris 1983, S. 29-42. Note sur la viticulture en Basse Alsace à la fin du moyen âge) verwendet. Zurück
  5. Francis Rapp: La crise des fortunes ecclésiastique et le prix de leur rétablissement: l'exemple du monastère de Saint-Arbogast près de Strasbourg, Papauté, monachisme et théories politiques, I. Le pouvoir et l'institution ecclésiale, Festschrift Marcel Pacaut. Lyon 1989, S. 339-348. Zurück
  6. Francis Rapp: Réformes et Réformation à Strasbourg. Eglise et société dans le diocèse de Strasbourg (1450-1525). Paris 1974, S. 15-19. Zurück
  7. Genau sind die verschiedenen Arbeiten in den Rechnungen des Klosters aufgezählt (AMS, Archives municipales des Strasbourg, H 8112-8164). Zurück
  8. AMS H 8114. Zurück
  9. AMS H 8115. Zurück
  10. AMS H 8117. Zurück
  11. Die Abschätzung beruht auf der Interpretation der in der Rechnung des Jahres 1480-1481 enthaltenen Angaben (AMS H 8112). Zurück
  12. AMS H 8113. Man kann anhand der Rechnungen Küchenzettel rekonstruieren. Zurück
  13. AMS 8124; Francis Rapp, Note sur la viticulture (wie Anm. 4), S. 32. Zurück
  14. AMS 8113, 8114, 8115, 10785. Zurück
  15. AMS H 8114 und H 8145. Zurück
  16. AMS H 8112. Zurück
  17. AMS H 8113. Zurück
  18. AMS H 8114. Zurück
  19. AMS H 8112. Zurück
  20. AMS H 8114. Zurück
  21. AMS H 8131. Zurück
  22. AMS H 8133. Zurück
  23. AMS H 8094 und H 10785. Zurück
  24. ABR (Archives du Bas-Rhin) G 2472 und G 2473. Zurück
  25. Archiv des Frauenwerks im Straßburger Archiv (Archives de l'Oevre Notre Dame in AMS). F. Rapp: Une grande exploitation agricole à la fin du moyen âge: le Biblenhof. Annuaire de la Société des Amis de la Cathédrale de Strasbourg, 1996, S. 73-84. Zurück
  26. AMS H 1851 und 1852. Zurück
  27. AMS H 3863. Zurück
  28. AMS H 8114. Zurück
  29. Archives de l'Oevre Notre Dame. Comptes 1461. Zurück
  30. ABH H 2401. Große Mengen wurden ausgeschüttet, als Essig gebraucht oder sieben Fuder zu gebrant Wein under den Drüsen verbrent. Zurück
  31. Francis Rapp, Réformes et Réformation (wie Anm. 6), S. 252. Zurück
  32. Das Buch, in welchem Agram seine Geschäfte eintrug, ist im Landesarchiv (Archives du Bas-Rhin, ABR) aufbewahrt (G 1151). Ein Teil der darin enthaltenen Angaben wurde verwertet in Francis Rapp: La vie quotidienne d'un curé de campagne alsacien au début du XVIe siècle. Annuaire de la Société d'histoire de Molsheim, 1977, S. 22-44. Zurück
  33. Eine gute Darstellung des Bauernkriegs befindet sich in dem durch Alphonse Wollbrett geleiteten Sammelband: La guerre des Paysans 1525, Pays d'Alsace. Zabern 1975. Zurück