Ediger an Mosel und Saar

Zur Geschichte von Ediger

Vorgeschichte und Römische Zeit

[Bild: Mosellandtouristik GmbH, H. Peierl, Rheinland-Pfalz Tourismus GmbH]

Die ältesten Spuren menschlicher Besiedlung auf dem Gebiet der heutigen Ortsgemeinde Ediger-Eller stammen aus der Jungsteinzeit (ca. 3500-1800 v. Chr.).[Anm. 1] Hierbei handelt es sich um mehrere Steinbeile, die in der Ortslage von Ediger, auf der gegenüberliegenden Moselseite sowie nahe des zwischen Neef und Ediger-Eller gelegenen Hochkessels gefunden wurden. Die auf dem Gipfel des Hochkessels gelegene prähistorische Ringwallanlage lässt sich aufgrund einzelner eisenzeitlicher Streufunde in die Zeit der Hunsrück-Eifel-Kultur (7. Jh. v. Chr. - 250 v. Chr.) datieren.[Anm. 2]

Mitte des 1. Jahrhundert gelange die Moselregion zunehmend unter den Einflussbereich des Römischen Imperiums. Aus dieser Zeit sind mehrere frührömische Gräber nordwestlich des Hochkessels bezeugt.[Anm. 3] Für die anschließende römische Kaiserzeit lässt sich eine Siedlung mit dazugehörigem Gräberfeld in der Flur „am Müllenstein“ nachweisen.[Anm. 4] In der näheren Umgebung des heutigen Ortes kamen bei Grabungen zudem die Reste römischer Gutshöfe (lat. villa rustica) aus dem 2. bis 4. nachchristlichen Jahrhundert zum Vorschein.[Anm. 5] Verschiedene Kleinfunde vom Beckersberg sowie dem Pfaffenberg deuten darauf hin, dass dort in spätantiker Zeit ebenfalls kleinere Siedlungsstellen existierten. 1856 wurde in Eller ein antiker Schatzfund entdeckt, der unter anderem 957 Kupfermünzen aus der Zeit Kaiser Konstantins des Großen (reg. 306-337) enthielt.[Anm. 6]

„In villa Ederiga“ – Ediger in mittelalterlicher Zeit

Im Laufe des fünften nachchristlichen Jahrhunderts zog sich die römische Herrschaft unter dem Druck fränkischer Feldzüge sukzessive aus dem Rhein- und Moselraum zurück, jedoch blieb neben den nun entstehenden fränkischen Siedlungen an der Mosel wohl bis in das 7. Jahrhundert hinein eine romanische Bevölkerung bestehen.[Anm. 7] Aus dieser Zeit stammt ein Gräberfeld auf dem Petersberg auf der rechten Moselseite, das 1973 systematisch freigelegt wurde. Zu den dort gefundenen Grabbeigaben gehören unter anderem Bronzeschnallen, Waffen und Gebrauchsgeräte sowie eine Grabplatte aus Marmor mit frühchristlicher Inschrift und eingemeißeltem Christusmonogramm aus dem 6. Jahrhundert.[Anm. 8]

Die erste urkundliche Erwähnung des heutigen Ortsteils Ediger stammt aus dem Jahr 766.[Anm. 9] Nach Einschätzung von Alfons Fiderichs ist der Name keltischer Herkunft und besaß ursprünglich die für keltische Siedlungen typische Wortendung „-iacum“.[Anm. 10] Eine weitere frühe namentliche Erwähnung Edigers findet sich in einer Urkunde aus dem Jahr 895, der zufolge eine Nonne namens Berctrudis dem Kloster Echternach ihre in „Ethegreia“ gelegenen Güter schenkte.[Anm. 11] Neben der Abtei in Echternach verfügten unter anderem das St. Simeonstift in Trier, die Abtei Steinfeld und seit 1298 auch die Abtei Himmerode über verschiedene Hofgüter und Weinberge in Ediger.[Anm. 12] Darüber hinaus wird eine Vielzahl weiterer geistlicher und weltlicher Herren als Grundbesitzer in Ediger genannt.[Anm. 13] Der Weinbau blieb bis in die Gegenwart hinein von herausragender wirtschaftlicher Bedeutung für den Ort.[Anm. 14]

Ediger gehörte seit dem Mittelalter zum Herrschaftsgebiet der Trierer Erzbischöfe , die den Ort als Lehen an die Freiherren von Pyrmont übertrugen. Nach deren Aussterben fiel das Lehen zunächst an die Herren von Eltz und 1566 an die Dham Quadt zu Landskron.[Anm. 15] Im Jahr 1363 verlieh der römisch-deutsche Kaiser Karl IV. (1316-1378, reg. seit 1355) dem Ort auf Bitten des Trierer Erzbischofs Cuno von Falkenstein (um 1320-1388, reg. seit 1362) die Stadtrechte.[Anm. 16] Ediger bekam unter anderem das Recht zugesprochen, eine Stadtbefestigung anzulegen, einen Wochenmarkt einzurichten und dem Ort die Freiheiten und Rechte der Stadt Cochem zu übertragen. Tatsächlich wurde Ediger in der Folgezeit mit einer Stadtmauer versehen, behielt jedoch der Urkundenüberlieferung zufolge faktisch den rechtlichen Status eines Dorfes.[Anm. 17]

Die Kirchengemeinde von Ediger war ursprünglich Teil der Großpfarrei Eller, bis die Rolle der Mutterkirche zu Beginn des 12. Jahrhunderts an das größer werdende Ediger überging. In der Folgezeit ließ die Bevölkerung von Ediger eine dem heiligen Arnulf geweihte Kapelle errichten und einen eigenen Pfarrer anstellen.[Anm. 18] Im Jahr 1311 wurde die Pfarrkirche von Ediger der Domprobstei von Karden inkorporiert.[Anm. 19] Für die weitere kirchliche und wirtschaftliche Entwicklung des Ortes war zudem die Anwesenheit zahlreicher Bruderschaften von großer Bedeutung. In diesem Zusammenhang sind insbesondere die seit dem Jahr 1384 in Ediger nachgewiesene St.-Martins-Bruderschaft, die mit dem Hospital (ab 1418 erwähnt) verbundene Heilig-Geist-Bruderschaft und die Bruderschaft unserer Lieben Frau zu nennen.[Anm. 20]

Frühe Neuzeit

Im Jahr 1527 bestätigte der Trierer Fürstbischof Richard von Greiffenklau (1467-1531, Reg. ab 1511) der Bevölkerung von Ediger ebenso wie dem Nachbarort Eller das Recht, jeden Montag einen Wochenmarkt auszurichten.[Anm. 21] 1540 wird erstmals eine Schule im Ort erwähnt. 1566 wurden die Nachbarorte Ediger und Eller zudem zu einer Vogtei zusammengelegt, womit beide Dörfer nun eine feste Verwaltungseinheit bildeten.[Anm. 22] Noch im Jahr 1794 galten Ediger und Eller als eine sogenannte „hohe Gemeinde“, wobei auf Ediger etwa 1/3 der Gesamtbevölkerung entfiel.[Anm. 23] Ediger, der kleinere der beiden Ortsteile, zählte Ende des 16. Jahrhunderts etwa 600 Einwohner:innen.[Anm. 24] Zu der Gemeinde gehörte auch der Lehmerhof, eine kleine, aus mehreren Höfen bestehende Siedlung zwei Kilometer südöstlich von Ediger, die im Laufe des 19. Jahrhunderts verlassen wurde und wüst fiel. Von dieser ehemaligen Ansiedlung zeugt heute nur noch ein aus dem 13. Jahrhundert stammender Wohnturm.[Anm. 25]

Während des Dreißigjährigen Krieges blieb Ediger weitgehend unzerstört, allerdings wurden dort im Jahr 1632 spanische Söldnertruppen einquartiert; acht Jahre später musste die Gemeinde zudem umherziehenden schwedischen Truppen eine Kontribution leisten. Auch die Reunionskriege Ludwigs XIV gingen ohne größere Zerstörungen an Ediger vorüber, allerdings wurde der Ort wiederholt von der Pest heimgesucht. Von den zahlreichen geistlichen und weltlichen Herren, die über Güter und Rechte in Ediger verfügten, zeugen heute unter anderem zahlreiche stattliche Gutshäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert, die zum Teil auf den Resten spätmittelalterlicher Vorgängerbauten gründen.[Anm. 26] Beispielhaft seien der im 18. Jahrhundert erbaute Domprobsteihof, der Springiersbacher sowie der Steinfelder Hof genannt.[Anm. 27]

Mit der Besetzung des Moselgebiets durch französische Revolutionstruppen im Jahr 1794 endete auch in Ediger die Landesherrschaft Kurtriers. In der Folgezeit wurde der Adels- und Klosterbesitz im Ort an Privatbesitzer versteigert. Ediger wurde 1798 dem französischen Staatsgebiet zugeschlagen und gehörte von nun an als Teil der Mairie Eller und des Kantons Cochem zu dem neu geschaffenen Départements Rhin-et-Moselle mit Sitz in Koblenz.

Ediger als preußische Landgemeinde (1815-1946)

Mit dem Wiener Kongress 1814/15 fiel Ediger ebenso wie die gesamte Moselregion an das Königreich Preußen, blieb jedoch Teil der Bürgermeisterei Eller, die zum Kreis Cochem gehörte.[Anm. 28] 1933 wurde die Bürgermeisterei aufgelöst und an das neu gegründete Amt Cochem-Land mit Sitz in Cochem angeschlossen.

Seit dem 17. Jahrhundert sind einzelne Juden in Ediger nachgewiesen, die vor allem im Umfeld der heutigen Rathausstraße lebten;[Anm. 29] eine kleinere eigenständige Synagogengemeinde existierte in Ediger allerdings erst seit dem frühen 19. Jahrhundert.[Anm. 30] Ihr gehörten auch die jüdischen Einwohner:innen von Eller, Bremm, Nehren und Senhals an. Mitte des 19. Jahrhunderts ließ die Landgemeinde das heute noch bestehende, neogotische Synagogengebäude an der Rathausstraße errichten, das einen älteren Vorgängerbau ersetzte. Bereits seit dem Jahr 1858 ging die Zahl der Gemeindemitglieder in Ediger stetig zurück.[Anm. 31]

Von den neun für das Jahr 1924 bezeugten jüdischen Personen zogen mehrere seit 1933 aufgrund der zunehmenden Entrechtung und wirtschaftlichen Verdrängung weg bzw. wanderten ins Ausland aus. Fünf der in Ediger geborenen oder länger dort wohnhaften jüdischen Mitbürger:innen wurden während des Zweiten Weltkriegs ermordet.[Anm. 32] Die Synagoge war beim Novemberpogrom 1938 verwüstet und ihre Fenster eingeschlagen worden.[Anm. 33] Das Gebäude diente in der Nachkriegszeit als Wirtschafts- bzw. Wohngebäude, bis es 2002 von dem „Bürgerverein Synagoge Ediger e.V.“ erworben und in seinem ursprünglichen Zustand wiederhergestellt werden konnte. Seit 2010 finden dort kulturelle Veranstaltungen statt.

Ediger von 1945 bis heute

In der Nachkriegszeit erlebte Ediger einen beachtlichen wirtschaftlichen Aufschwung. Seit 1948 gehörte Ediger zum Amt Cochem innerhalb des Landkreises Cochem. 1969 wurden die bis dahin eigenständigen, jedoch historisch bereits vielfach miteinander verbundenen Nachbargemeinden Ediger und Eller zur neuen Ortsgemeinde Ediger-Eller zusammengeschlossen. Die Ortsgemeinde gehört zur Verbandsgemeinde Cochem und hat heute (31. Dezember 2021) 890 Einwohner:innen.

Nachweise

Verfasser: Max Hartmann

 

Verwendete Literatur:

  • Bernhard, Helmut: Die römische Geschichte in Rheinland-Pfalz. In: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Hrsg, von Heinz Cüppers, Hamburg 22005, S. 39-168.
  • Berg, Axel von: Ediger-Eller. Ringwall auf dem Hochkessel. In: Cochem-Zell. Landschaft an der Mosel. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Hrsg. v. Axel von Berg, Stuttgart 2005 (Archäologie an Mittelrhein und Mosel, Bd. 17), S. 107-108
  • Friderichs, Alfons [u.a.]: Ediger-Eller an der Mosel. Neuss 1978 (Rheinische Kunststätten 212).
  • Grunwald, Lutz: Gold und Glaube. Eine Pressblechscheibenfibel der "Landoaldus-Gruppe" und das frühe Christentum im Raum Ediger-Eller. In: Jahrbuch Kreis Cochem-Zell 2008, S. 161-168.
  • Holl, Annegret: Das Schicksal der jüdischen Bevölkerung von Ediger im 19. und 20. Jhd. In: Jahrbuch Kreis Cochem-Zell 1991, S. 88-94.
  • Jost, C. A.: Ediger-Eller; Frühmittelalterliches Gräberfeld auf dem Petersberg. In: Cochem-Zell. Landschaft an der Mosel. Führer zu archäologischen Denkmälern in Deutschland. Hrsg. v. Axel von Berg, Stuttgart 2005 (Archäologie an Mittelrhein und Mosel, Bd. 17), S. 108-111.
  • Rettinger, Elmar (Bearb.): Historisches Ortslexikon Rheinland-Pfalz. Bd. 1: Ehemaliger Landkreis Cochem. Stuttgart 1985 (Geschichtliche Landeskunde 27).
  • Schleindl, Angelika: Spuren der Vergangenheit. Jüdisches Leben im Landkreis Cochem-Zell. Briedel 1996.
  • Wackenroder, Ernst (Bearb.): Die Kunstdenkmäler des Landkreises Cochem. Teil 2. München 1959.

Erstellt am: 14.02.2023

Anmerkungen:

  1. Friderichs 1978, S. 3. Zurück
  2. Es handelt sich um die Reste einer Ringwallanlage auf dem Berggrat des Hochkessels, Berg 2005, S. 107. Zurück
  3. Friderichs 1978, S. 3 f. Zurück
  4. Siehe Jost 2005, S. 108 f. Zurück
  5. Ebenda, S. 4. Zurück
  6. Friderichs 1978, S. 4. Zurück
  7. Siehe hierzu Bernhard 2005, S. 160 f., 168. Zurück
  8. Berg 2005, S. 111. Zurück
  9. Rettinger 1985, S. 71. – In der genannten Urkunde aus dem Jahr 766 schenkte Reginold dem Kloster Lorsch einen Wingert in Ediger, ebenda, S. 73. – Eine Urkunde aus dem Jahr 1227 zufolge verfügte das Germanstift zu Speyer aufgrund einer Schenkung des Königs Dagobert (gest. 639) über Güter in Ediger und Umgebung. Nach Einschätzung von Friderichs kann die Echtheit dieser Urkunde als gesichert gelten, womit sich die Geschichte des Ortes Ediger bis in das 7. Jahrhundert zurückverfolgen lässt, Friderichs 1978, S. 5. Zurück
  10. Friderichs 1978, S. 5. – Siehe hierzu auch Wackenroder 1959, S. 255. Zurück
  11. Friderichs 1978, S. 5; Wackenroder 1959, S. 255. Zurück
  12. Siehe hierzu Rettinger 1985, S. 73 f. Zurück
  13. Ebenda. Zurück
  14. Rettinger 1985, S. 75. Zurück
  15. Rettinger 1985, S. 72. Zurück
  16. Rettinger 1985, S. 73.  Zurück
  17. Friderichs 1978, S. 7; Wackenroder 1959, S. 256, 285-287. Zurück
  18. Friderichs 1978, S. 5 f. Zurück
  19. Ebenda, S. 5 f.; Rettinger 1985, S. 75. Zurück
  20. Siehe hierzu Friderichs 1978, S. 5 f. Zurück
  21. Ebenda, S. 256. Zurück
  22. Ebenda. – Siehe hierzu auch Wackenroder 1959, S. 256. Zurück
  23. Rettinger 1985, S. 72. Zurück
  24. Friderichs 1978, S. 8. Zurück
  25. Rettinger 1985, S. 191. Zurück
  26. Siehe hierzu Friderichs 1978, S. 8,  Zurück
  27. Siehe hierzu Wackenroder 1959, S. 291-306. Zurück
  28. Rettinger 1985, S. 86. Zurück
  29. Schleindl 1996, S. 210. Zurück
  30. Ebenda; Friderichs 1978, S. 8. Zurück
  31. Ebenda. Zurück
  32. Holl 1991, S. 93 f.; Wolpert 1998, S. 114. – Diese wenigen Informationen sind im Moment leider das einzige, was sich aus der Forschungsliteratur zum Zweiten Weltkrieg in Ediger entnehmen lässt. Eine genauere Bearbeitung der Kriegszeit und auch des gesamten 20. Jahrhunderts steht noch aus und wäre für die Zukunft wünschenswert. Zurück
  33. Siehe hierzu Schleindl 1996, S.  Zurück