Rheingauer Heimatforschung

Schicksal der Abtei Eberbach im 30jährigen Krieg Teil 1

 

Entnommen aus „Kulturbilder aus der Geschichte des Rheingaues" von 1895

Teil 1



Die erste Zeit des Dreißigjährigen Krieges war an Eberbach ziemlich ruhig vorbeigegangen. Waren die Güter in der Pfalz auch geschädigt und theilweise entfremdet, so besaß die Abtei selbst noch ihre Verwaltung, in deren Organismus keineswegs störend die verschiedentlichen Truppendurchzüge eingegriffen hatten. Die Abtei lag zwar nicht an der von den Soldaten began­genen Rheinstraße, hoher Weg ge­nannt, hatte aber öfter bei größerer Anzahl der durchmarschierenden Soldatenabtheilungen Einquartierungen zu erleiden. Die Schultheißen der be­nachbarten Orte waren nicht beson­ders wohlwollend gegen die Abtei ge­sinnt und suchten die Last der Ein­quartierungen theilweise von ihren Ortschaften auf Eberbach abzulenken, auch gedachten die Soldaten in der reichen Abtei besseres Essen und bes­seren Wein als in den Ortschaften zu erhalten.

Rückte ein Trupp Soldaten auf Eber­bach heran, so half nur die Aufnahme desselben und die abwartende Hal­tung auf deren baldigen Rückzug. Eberbach hatte die Keller voll Wein, die Speicher voll Früchte und die Ställe voll Vieh, so daß diese meist nur kurzen Standquartiere den Wohl­stand der Abtei nicht erschüttern konn­ten. Störender wirkten die Auflagen, die der Abtei gemacht wurden durch die Theilnahme an den dem ganzen Lande Rheingau auferlegten Contributionen. War die Abtei als geistliche Corporation zu solchen Contributionen auch nicht verpflichtet, so war die Klage darüber beim Kurfürsten ein viel zu saumseliger Weg, um gegen die oft eilig eingetriebenen Contributionen zu schützen. Und was damals einmal in der Staatskasse war, blieb darin; erhielt Eberbach auch wirklich Recht, so war die Kasse des Kurfürsten leer und die Vertröstungen halfen nur wenig. Am 11. Februar 1622 schrieb der Kurfürst Johann Schweikard von Mainz (aus dem Hause von Cronberg) an den Vicedom und den Landschrei­ber des Rheingaus und forderte zu einem Beitrag zur „Landesrettungssteuer" und Stellung eines „Reisewa­gens" auf. Da die Sache jedenfalls sich hinauszog, schrieb der Kurfürst am 1. März 1622 nochmals an den Vice­dom und Landschreiber: „Dieweil aber die Noth groeß, undt wir unss mit ge­worbenen Reittern und Fußvolck je lenger je mehr gefaßt machen müs­sen, dazue ein sehr große Summe Gelts gehoerig, Soe zweyffelt uns nit, eß werdten sich obenerwente unsere underthanen hieran, weil es Ihnen selbsten zue gutem angewendt wurdt, gleich ändern gehorsamblich accommodiren und bequemen." Daß die Ab­tei Eberbach an dieser Last Theil neh­men sollte, stand bei dem Vicedom fest. Am 4. März 1622 schrieb derselbe an den Herrn Praelaten des Gotteshausses Eberbach" und forderte „zu einem geziemenden Beytrag zue den Landsrettungscosten dess Ringaues" auf. Ein Entscheid, ob Eberbach etwas zahlte, fehlt in den Acten. Der Rhein­gau stellte jedenfalls seinen Beitrag, da dreihundert zum Schütze desselben geworbene Soldaten als Bedeckung gegen feindliche Ueberfälle in den Orten Eltville, Oestrich, Geisenheim, Rüdesheim und Lorch einquartiert wurden, aber aus dem ganzen Rhein­gau ihre Verköstigung erhielten.

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Am 27. April 1622 ward zu Oestrich Landtag gehalten und die Rechnung „wegen der 300 inloysirten undt ge­worbene Soldaten" abgehalten. Jedem Rheingauort ward ein Antheil an den Gesamtkosten, welche 6451 Gulden 21 Albus 6 Pfennig betrugen, ange­wiesen. Eine Gesammtrechnung fehlt in den Acten, nur die Rechnung für Hattenheim liegt mir vor. Jedes Haus in Hattenheim zahlte 2 Gulden 10 Al­bus 4 Pfennig Beitrag. Ob Eberbach auch etwas beitrug, ist nicht ersicht­lich. Diese im Rheingau eingelagerten Schutztruppen wurden alsbald zur ern­sten Last. Es liefen beim Vicedom Klagen über schlecht oder zu wenig gelieferte Lebensmittel ein. Am 7. Juni 1622 befahl der Vicedom allen Schult­heißen des Lands Rheingau, „da man eine erkleckliche Commis von Wein, Broedt, Fleisch, Butter, und Kaeß und anderer Kuchen Noetturfft notwendtig", so sollten die Schultheißen daher „diese vleissige Anstalt machen und uffsicht haben, daß kein Viehe, groß und klein, Korn, Mehl und Brodt, But-ler, Kaeß, Fleisch, Eyher undt alle derogleichen Kuchen Provision keines­wegs außerhalb Landts verführet oder verkaufft, Sondern, da derogleichen im Landt vorhandte und käuflich zue erlangen sein moegten, daß dasselbig uffgehalten und furdterlichst naher Elt-vil, allda die Commis angestellt, ver­wiesen werden soelle." Auch Eberbach erhielt diese Weisung zugeschickt. Um den Schleichhandel mit Vieh und Le­bensmitteln über die Höhe ins Hessi­sche zu verhüten, sollte das Gebück nicht -durchbrochen und verbotene Fußpfade nicht mehr benutzt werden. Die Wachtmeister auf dem Mapper Forsthaus und am Bosenhahn erhiel­ten zugleich Befehl, „daß dieselbig vleissig Achtung daruff geben, daß Gebück von einer Wacht zue der And-teren begehen" und auf alle Passiren­den Acht zu haben. Am Gebück selbst ward ständig gearbeitet. Eberbach er­kannte den Werth dieser Grenzwehr vollkommen an, wie bereits im Jahre 1619 stellte es auch jetzt aus den Or­ten Erbach, Kiedrich, Hattenheim, Rauenthal und Neudorf zusammen 24 Arbeiter auf seine Kosten. Leider folg­ten die Rheingauer diesem guten Vor­bild nicht alle nach und zeigten sich lässig. Der Landschreiber Vincentius Pottinger schrieb daher am 11. Juni 1622 von Eltville aus, die aufgebotenen Bauern seien lässig und ließen die Arbeit liegen, obgleich „diesses not­wendiges Bauen und Arbeit allein zue dieser Landtschaft und deroselben eingesessenen Einwohnern Schutz und Devension undt also zu ihrem selbsten eigenen Nutzen angesehen" wäre und ermahnte zu mehr Eifer bei der Her­stellung des Gebücks. Am 15. Juni 1622 schrieb in gleichem Sinne der Gewaltsbote Niclas Itzstein an die ein­zelnen Schultheißen, es sollten sich aus jedem Orte zu früher Tageszeit eine Anzahl Bürger zu Walluf einfinden, „von danen sie angewiesen werden soellen undig Neuendorff ein Brust­wehr uffzuwerffen, und soel diesser modus gehalten werden, daß der bezirgk mit einer Meßruden in die 3 -Ambt und volgendts je in die Flecken aussgetheilt werden soell."

Um diese Zeit scheint die Kriegsge­fahr in Folge der Schlacht bei Hoechst (am Main) näher gerückt zu sein. Der Rheingau setzte sich nach und nach in völlige Kriegsbereitschaft. Man be­zog von Peter Reutter Büchsenmeister zu Mainz für 505 Reichsthaler einen Vorrath an Pulver, Blei und Lunten. Gewehre wurden ausgetheilt und auf den Rathhäusern Wacht gehalten.

Einzelne kleinere Truppentheile durch­zogen den Rheingau, Soldaten, die wieder zu ihren Regimentern eilten, Versprengte von der Höchster Schlacht her, neugeworbene Rotten: Isenbur-ger, Oesterreicher, Soldaten, die von Brüssel kamen und nach Oppenheim wollten, Elsässer werden in den Rech­nungen genannt.

Die vom 27. April 1622 bis 16. März 1623 durch die Truppeneinlagerung entstandenen Kosten beliefen sich auf 16834 Thaler Ve Thaler 2 Batzen. Da­von kamen auf jedes Haus 26 Gulden 2 Batzen 1 Kreuzer. Der Vicedom hat­te Eberbach mit 1000 Thaler an dieser Summe bedacht. Dasselbe verweigerte aber jedenfalls die Zahlung. Neben diesen Verpflegungsgeldern war durch die Soldaten in Feld und Flur viel Schaden entstanden. In der Wallufer Gemarkung waren durch die Schanzarbeiten die Obstbäume viel­fach beschädigt worden und mußten entfernt werden. Die Gemeinde erhielt als Ersatz dafür 150 Reichsthaler vom Lande ausbezahlt. Die durch das viele Fahren von Proviant und Kriegsbe­dürfnissen stark mitgenommenen Schiffe des Wallufer Fahrs mußte das Land mit 50 Reichsthaler ausbessern lassen und wies dazu sechzig Stäm­me Eichenholz aus den Vorderwäldern an. Eberbach hatte seine bei der Stein-heimer Hohl am Rhein liegenden Schif­fe bei Zeiten in Sicherheit gebracht, der Vicedom beschwerte sich am 13. Oktober hierüber und begehrte zu­gleich einen Beitrag zu den Landret­tungskosten, aber vergeblich. Eber­bach zahlte Nichts, in der „Aussthei-lung undt vergleichung deren uffgelof-fener 16834V4Reichsthaler ohncösten" kommt die Abtei Eberbach gar nicht vor. Ueber die folgende Zeit sind die Nach­richten sehr dürftig vorhanden. Im März 1623 verließen die Schutztruppen den Rheingau, die Rheingauer über­nahmen nun selbst die Wacht.

Die Rheingauer ließen sich in falschem Selbstvertrauen täuschen, bewachten den Backofen allein und besetzten das Gebück nur schwach. Der Feldherrn­blick des Bernhard von Weimar hatte diese Blöße bald erkannt. Er ließ Scheinangriffe auf den Backofen ma­chen, brach aber am 4. Dezember 1631 bei Neudorf durch die Verschanzun­gen und ließ die dort postirten Rheingauer, welche theilweise betrunken waren, niedermachen. Die Spanier flohen, von den Rheingauern fiel eine größere Anzahl. Nach Einnahme des Rheingaues legte Bernhard von Wei­mar demselben 10.000 Reichsthaler Kriegscontribution auf. Die Eberbacher Mönche waren beim Heranziehen der Schweden und Weimaraner mit ihrem Abt Leonhard an der Spitze am 29. November 1631 auf einem großen Schiffe nach Cöln, wo die Abtei einen Hof besaß, geflüchtet und hatten alle Schätze des Klosters, Keller und Speicher mit bedeutenden Vorräthen im Stiche gelassen. Es war dieses ein übereilter Rückzug, der zu der sonstigen Vorsicht und Klugheit der Eberbacher Mönche schlecht stimmt.

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