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Hinweis

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Glossar von regionalgeschichte.net verfasst. Im Zuge der Umgestaltung des Glossars zu einem primären definitorischen Glossar im Jahr 2018, wurde dieser Beitrag aus dem Glossar entfernt und wird stattdessen hier als kurzer Aufsatz zur Verfügung gestellt.

Wappenkunde - Eine kleine Einführung

"Heraldik ist die Kunde vom Wappenwesen, einer nach Formen, Farben und Verwendung charakteristischen Symbolik des ursprünglich mittelalterlichen europäischen Soziallebens. [...] Die Sphragistik (Siegelkunde) betrachtet die figürlichen und inschriftlichen Kennzeichnungen von Erkennungs- oder Beglaubigungszeichen an Schriftstücken oder Gegenständen und leitet daraus Rückschlüsse über die Persönlichkeit und den Willen hinter der jeweiligen Siegelung ab" (v. Brandt).

Wappen und Siegel sind Erkennungszeichen. Auch wenn wir heute Personalausweise als Beweis unserer Identität besitzen, sind wir doch nach wie vor von einer Unzahl mittelalterlicher Symbole umgeben. Jedes Dorf in Rheinhessen und am Mittelrhein führt noch sein (zumeist im Mittelalter zustande gekommenes) eigenes Wappen. Die Analyse eines Wappens kann uns viel über Geschichte erzählen: geographische Charakteristika, politische Zugehörigkeiten, Besitzverhältnisse, berühmte Persönlichkeiten, all das und noch mehr kann seinen Weg in das Wappen gefunden haben.

Auch Siegel sind nach wie vor präsent und aufschlussreich: neben den an überlieferten Urkunden erhaltenen Siegel kann z.B. der Blick auf den Siegelring an den Händen einer Steinfigur an einer Kirche einen geschichtlichen Zusammenhang herstellen.

Die Entstehung der Wappen

Der historische Hintergrund der Entstehung der Wappen ist das Aufkommen der gepanzerten Reiter. Wappen entstanden aufgrund praktischer Notwendigkeiten: Die Unkenntlichkeit der bewaffneten Ritter und die Verschiedenheit der Sprachen machten Unterscheidungsmerkmale notwendig. Darüber hinaus dienten Wappen auch als Schmuck. Anfang des 13. Jahrhunderts waren die Wappen unter den Rittern allgemein üblich. Sie mussten als Erkennungszeichen im Kampf an gut sichtbarer Stelle getragen werden. Dazu bot sich der Kampfschild an, d.h. Wappen wurden auf den Waffen getragen. Deshalb leitet sich auch "Wappen" von "Wappnung" (= ,Schutz') ab. Die Bedeutung von "Wappnung" ist in dem heutigen Ausdruck "sich wappnen" noch erhalten.

In Turnieren übten sich die Ritter im Kampf. In der Auseinandersetzung Mann gegen Mann genügte der Wappenschild als Erkennungszeichen, nicht jedoch im Turnier, in welchem die Kämpfenden auch für weiter entfernte Zuschauer unterscheidbar sein sollten. Man bildete das Wappen zu diesem Zweck auf den leinernen Tuniken, die man über der Rüstung trug, und auch auf den Pferdedecken nochmals ab. Vor allem aber wurde der Wappenschild durch Helm und Helmzier als Symbolträger ergänzt. Die Schilde hängte man, wurden sie nicht im Kampf benötigt, im Rittersaal an die Wand. Durch ihr ungleich verteiltes Gewicht neigten sie sich automatisch zur Seite. Den Helm setzte man auf die nach oben stehende Kante des Schildes. Auf frühen Wappendarstellungen, die noch mehr der Realität verhaftet sind, findet man die schräg gestellten Schilde mit dem Helm auf der Oberkante.
Da damals keine Landesflaggen existierten, und die Vielzahl unterschiedlicher Wappen verwirren musste, gab es wappenkundige Personen, die so genannten "Herolde". Die Herolde waren unbewaffnet und bewegten sich auf den Schlachtfeldern wie Schiedsrichter auf dem Fußballfeld. Sie notierten, welche Ritter in der Schlacht gefallen waren. Am Ende des Kampfes tauschten die Herolde beider Seiten die Listen der gefallenen Ritter aus, um den Sieger der Schlacht ermitteln zu können. Von den Herolden leitet sich der Name der Wappenkunde, die "Heraldik" ab. Man muss Entstehung der Wappen und Entstehung der Wappenkunde unterscheiden. Erst allmählich entstanden Regeln, nach welchen Wappen gebildet wurden. Erste Wappensammlungen gibt es seit der Mitte des 14. Jahrhunderts. Die sozialen Veränderungen im 13./14. Jahrhundert - der Verlust der militärischen Funktion der Ritter auf der einen und das Aufkommen bürgerlicher Gesellschaftsschichten auf der anderen Seite - führte auch zu einem Wandel in der Verwendung der Wappen. Diese waren nicht mehr allein den Rittern vorbehalten, sondern wurden auch von Bürgern, Handwerkern, Bauern, Juden, Städten, Geistlichen usw. gebraucht. Wappen wurden damit von den Waffen gelöst und existierten nur noch auf dem Papier. Somit schwand der Bezug der Wappen zur Realität, und verschiedenen Modeerscheinungen waren Tür und Tor geöffnet. Vor allem die Helme hatten fast nur noch Ornamentcharakter, z.T. wurde der Helm nach Bedarf durch eine Krone oder den Kurhut (bei den sieben Kurfürsten) ersetzt.

Heraldische Grundregeln

Die Wappen weisen kräftige Farben auf. Das älteste Wappenwesen kennt nur sechs Grundfarben: gelb, weiß, braun/schwarz, rot, grün und blau. Gold/gelb und Silber/weiß sind Metallfarben, die anderen Naturfarben. Bei den Wappen wird immer auf eine Metallfarbe eine Naturfarbe aufgelegt oder umgekehrt (z.B. das Mainzer Wappen: silbernes Rad auf rotem Grund oder das Reichswappen: schwarzer Adler auf goldenem Grund). Den Farben maß man bestimmte Bedeutungen zu: Gold signalisiert Oberherrschaft, die keine höhere Macht über sich hat. Silber steht für eine Gewalt, die einer höheren untergeordnet ist. Rot symbolisiert Macht über Leben und Tod, ebenso Liebe zur Gerechtigkeit. Schwarz steht für Klugheit und Gerechtigkeit. In Schwarz-Weiß-Abbildungen werden die Farben durch unterschiedliche Schraffuren, die man sich schon im 16. Jahrhundert ausgedacht hat, ersetzt.
Wappenschilde sind durch Aufteilungen, Trennungslinien und Figuren gestaltet. Unter "Heroldsfiguren" versteht man rein geometrische Formen, die durch verschiedene Farbgebung voneinander abgehoben sind. "Gemeine Figuren" werden Dingen der Natur oder Kunst nachempfunden. Hat die Figur einen direkten Bezug zum Wappenträger, spricht man von einem "redenden Wappen". Die Heroldsfiguren werden allgemein als älter eingestuft.

Das Wappen des Landes Rheinland-Pfalz

Das rheinland-pfälzische Landeswappen von 1948 vereinigt die Wappenbilder der drei bedeutendsten historischen Territorien, der rheinischen Kurstaaten Trier, Mainz und Pfalz, in einem durch eine gebogene Spitze in drei Felder geteilten Schild.
Das rote Kreuz in Silber ist das Wappen des Erzbistums und Kurfürstentums Trier. Es erschien erstmals 1273 im Rücksiegel des Erzbischofs Heinrich II. und repräsentierte den Kurstaat bis zur Säkularisierung 1803.
Das sechsspeichige silberne Rad im roten Feld vertritt das Erzbistum und Kurfürstentum Mainz. Seine Entstehung ist legendenumwoben. Eine volkstümliche Sage bringt es mit dem Erzbischof Willigis (975-1011), angeblich der Sohn eines Radmachers, in Verbindung, dem seine Gegner Räder an die Tür gemalt und ihn mit dem Spruch geschmäht hätten "Willigis, denk, woher du kommen bist!". Andere Deutungsversuche leiten es vom Christusmonogramm (XP, dem griechischen Chi-Rho) ab oder wollen es auf keltische oder germanische Sonnensymbole zurückführen.Wahrscheinlicher ist, dass das Rad ein Attribut des Hl. Martin, des Patrons des Erzstifts, ist oder Symbol für Evangelium und Kirche in Anlehnung an das in der Vision des Propheten Ezechiel erscheinende Bild des Gotteswagens. Anfänglich trat es als Doppelrad auf, so auf Münzen des Erzbischofs Siegfried III. (1230-1249) und noch heute im Wappen der Landeshauptstadt Mainz. Später wurde es zu einem Rad vereinfacht. Es breitete sich wegen des weit verstreuten Territorialbesitzes des Erzstifts über große Teile ganz Deutschlands aus, wo es noch heute in den Wappen von Städten vielfach vertreten ist (zum Beispiel Erfurt).
Der pfälzische Löwe, golden mit roter Krone, ist zuerst unter dem wittelsbachischen Pfalzgrafen Otto dem Erlauchten in dessen Reitersiegel von 1229 nachzuweisen. Es ist jedoch wahrscheinlich älter und geht mutmaßlich auf die von 1195 bis 1214 herrschenden welfischen Pfalzgrafen zurück. Es blieb gemeinsames Wappenbild der weit verzweigten pfälzischen Linien und überlebte das Ende des pfälzischen Kurstaates im bayerischen Bezirkswappen der Pfalz und in den Landeswappen Bayerns und des Saarlandes.
Die 1948 festgelegte Landesflagge zeigt die Farben Schwarz-Rot-Gold mit dem von einer goldenenen Weinlaubkrone bekrönten Landeswappen im Obereck. Die Farben lassen sich einerseits aus den Farben des Landeswappens herleiten. Zum anderen kennzeichnen sie das Land Rheinland-Pfalz als Bundesland und erinnern zugleich daran, dass die demokratische Tradition der deutschen Farben nach dem Hambacher Fest 1832 von hier aus ihren Aufschwung nahm. (Quelle: www.landtag.rlp.de)

Das Kurfürstentum Mainz

Über die Herkunft des Mainzer Rads gibt es verschiedene Theorien und Legenden. Man hat lange im Mainzer Rad ein "redendes Wappen" gesehen, d.h. der Vater des Mainzer Erzbischofs Willigis sei Wagner gewesen. In Wirklichkeit dürfte jedoch der Bezug zur Realität nicht so vordergründig gewesen sein, wie das die Legende suggerieren möchte. Möglicherweise ist das Rad aus zwei Quellen entstanden: zum einen dem Rad als Attribut des heiligen Martin, dem ja der Mainzer Dom geweiht war; zum anderen als Symbol für Evangelium und Kirche in Anlehnung an die Vision des Propheten Ezechiel (Gotteswagen). Denkbar wäre auch ein Zusammenhang mit dem christlichen "Chi-Rho-Symbol" (Chi und Rho sind die ersten beiden Buchstaben des griechischen Wortes cristóV, welches 'der Gesalbte' bedeutet; davon leiten sich auch die Bezeichnungen "Christus" und "Christen" ab). Das Rad - und zwar in Gestalt von zwei nebeneinanderstehenden Rädern - erscheint erstmals auf Münzen Erzbischof Siegfrieds III. von Eppstein (1230-1249). Das offizielle Mainzer Wappen war von seinem ersten Nachweis im Jahre 1340 bis zum Ende des Kurstaates Anfang des 19. Jahrhundert ein silbernes Rad auf rotem Grund.


Die Pfalzgrafschaft bei Rhein

Wappen der Wittelsbacher seit Mitte des 14. Jahrhunderts

Der Löwe galt als König der Tiere; deshalb wurde er mit Vorliebe als Wappentier verwendet. Die aufrechte Haltung und die herausgestreckte Zunge unterstreichen den majestätischen Charakter des Tieres. Der Löwe taucht im pfälzischen Wappen erstmals 1229 auf, ist jedoch sicherlich älter. Die Farbgebung (schwarzer Löwe auf goldenem Grund) könnte darauf hindeuten, dass das Wappen entstand, als die Pfalzgrafschaft noch den Staufern gehörte; denn schwarz und gold waren auch die Farben der Staufer bzw. des Reiches, wenn auch in umgekehrter Anordnung. Die Krone des Löwen soll den Rang des Wappenträgers unterstreichen. Der Pfalzgraf war einer der sieben Kurfürsten und Stellvertreter bei Vakanzen, d.h. zwischen dem Tod des alten und der Wahl eines neues Königs. Der Pfälzer Löwe ist auch im Landeswappen von Rheinland-Pfalz zu finden.


Die Gemeindewappen

Das Kreiswappen ist wie das Wappen von Rheinland-Pfalz eine Neubildung der jüngsten Zeit. Viele Gemeinden führten jedoch schon seit vielen Jahrhunderten Wappen. Man muss zwischen Wappen und Siegeln unterscheiden. Wappen waren Symbole der Wehrhoheit, Repräsentation und Eigentumszeichen von Siedlungen. Sie wurden anfangs nur in wirklich bedeutenden Gemeinwesen benötigt. Siegel dagegen treten häufiger auf. Sie dienten als Beglaubigungs- und Beweismittel auf Schriftstücken. Siegel waren oft - allerdings nicht zwangsläufig - Vorbilder für die Wappen. Mit wachsender Autonomie der Bürgerverbände traten Gesamtgemeinden als Rechtspersonen auf; daraus ergab sich die Notwendigkeit, ein Siegel zu führen. Die Entwicklung setzte in den Bischofsstädten ein: In Mainz beispielsweise lässt sich ein Stadtsiegel schon für 1150 nachweisen. Im Zusammenhang mit dem Aufschwung des Städtewesens im 13. und 14. Jahrhundert erweiterte sich die Zahl der siegelführenden Städte. Neben den Stadtsiegeln entwickelten sich in vielen Gemeinden Gerichtssiegel. Diese dienten dazu, Gerichtsurteile zu beurkunden. Ein frühes Beispiel hierfür ist Bingen.
Die äußere Gestalt der Wappen und Siegel orientierte sich häufig am Wappen des Ortsherren. Letztere nahmen vor dem allgemeinen Hintergrund der Vereinheitlichung der Verwaltung in den Territorien auch Einfluss auf die Gestalt der Wappen. Ein frühes Beispiel hierfür sind die Wappen auf dem Maskoppschen Plan von 1577. Das Wappenwesen der Gemeinden ist heute zu einer staatlichen Angelegenheit geworden. Nachdem die alten Wappen und Siegel in französischer Zeit als Relikte der ehemaligen feudalen Herrschaft teils beseitigt und teils verändert worden waren, führte man im 19. Jahrhundert die alten Wappen zunehmend wieder ein. Besonders nach dem Zweiten Weltkrieg setzte ein starker Aufschwung des Wappenwesens in den Gemeinden ein. Nachdem früher Wappen allein den Städten vorbehalten waren, bestimmte die Deutsche Gemeindeordnung von 1935, dass jede Gemeinde wappenberechtigt ist. Änderungen und Neueinführungen von Wappen bedürfen heute der Genehmigung des Innnenministers.