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Hinweis

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Glossar von regionalgeschichte.net verfasst. Im Zuge der Umgestaltung des Glossars zu einem primären definitorischen Glossar im Jahr 2018, wurde dieser Beitrag aus dem Glossar entfernt und wird stattdessen hier als kurzer Aufsatz zur Verfügung gestellt.

Ritterrüstung

Einführung

Wenn ein vollständig gerüsteter Ritter zu Pferd auf dem Schlachtfeld erschien, bot er einen imposanten Anblick. Die Rüstung bot ihm dabei umfassenden Schutz, Helm, Platten, Schwert und Lanze schränkten die Bewegungsfreiheit der Ritter ein und forderten ihren ganzen körperlichen Einsatz. Im Sommer war die Hitze unter dem Eisenpanzer schwer erträglich. Unter dem geschlossenen Helm konnte der Ritter nur schwer atmen und fast nichts hören; aus welcher Richtung Geräusche kamen, war für ihn schwer auszumachen. Zudem war das Blickfeld durch die engen Sehschlitze des Visiers stark eingeschränkt. Der Helm wurde deshalb erst unmittelbar vor dem Kampf aufgesetzt. Seine Knappen begleiteten ihn sogar auf das Schlachtfeld, um ihren Herrn vor Hinterhalten zu bewahren. Ein Ritter in voller Rüstung kam eigentlich nicht ohne seine Knappen aus. Ohne fremde Hilfe konnte der Ritter seine Rüstung weder an- noch ausziehen, und hatte zuweilen Mühe, sein Schlachtross alleine zu besteigen. Bei den noch schwereren Turnierrüstungen erleichterten besondere Stiegen und Treppen das Aufsitzen.

Die Nachteile der schweren Rüstungen machten sich bei Reiterschlachten zunhemend bemerkbar. Als die schwer gerüsteten französischen Ritter im 14. Jahrhundert auf die mit Langbogen ausgestattete englische Infanterie trafen, zeigte sich deutlich ihre militärische Unterlegenheit. Die Schwäche der deutschen Ritter trat unübersehbar zutage, als sie sich mit den gut organisierten Verbänden der Schweizer Bauern konfrontiert sahen. Hier offenbarten sich auch taktische Unzulänglichkeiten. Die unflexiblen Ritter hatten als Einzelkämpfer keine Chance gegen die beweglichen Kampfgruppen der Schweizer. 

Rüstungsherstellung

Voraussetzungen für die Herstellung von Rüstungen waren eine funktionierende Eisen-, Kupfer- und Bronzeproduktion sowie fachlich ausgebildete Handwerker. Meist wurden die Rüstungen in Städten gefertigt, weil hier das auf Metallverarbeitung spezialisierte Gewerbe angesiedelt war. Zu den wichtigsten Rüstungshandwerkern gehörten Helmschmiede, Schildmacher, Sarwörter (Ringpanzermacher), Harnischfeger und Plattner. Die althochdeutsche Bezeichnung für Kettenpanzer ist sarwat. Panzerschmiede wurden demnach Sarwörter bzw. auch Ringmacher oder sarrincmecher genannt. Im Jahr 1293 werden solche Sarwörter erstmals in Köln, der Hochburg deutscher Waffenherstellung, erwähnt. Ihr Handwerk dürfte aber schon wesentlich älter sein. Der Rat der Stadt Köln verfügte im Jahr 1397, daß kein Harnisch aus der Stadt ausgeführt werden dürfe, der nicht zuvor von kundigen Handwerksmeistern begutachtet worden war. Diese "Schau" sollte verhindern, daß schlechte Qualität die Stadt verließ und ihrem Ruf schadete. Der Qualitätssicherung dienten auch die Ende des 14. Jahrhunderts nachweisbaren Zünfte, die für angehende Sarwörter eine 6jährige Lehrzeit und die Anfertigung eines Meisterstückes vorschrieben. Deutsche Plattnerzentren waren in Augsburg, Landshut, Braunschweig, Innsbruck, Köln und Nürnberg zu finden , in Europa führend waren aber die Plattner in Mailand. Das verwendete Eisenmaterial war recht weich und nicht mit unserem heutigen Stahl zu vergleichen. Deshalb ließen sie sich auch im kalten Zustand bearbeiten. Wollte man eine Rüstung besonders widerstandsfähig machen, musste man dickeres oder härteres Material verwenden. Letzteres war wegen der Eisenqualität aber nur bedingt möglich. Zwar kannte man das Härten von Eisen durch mehrmaliges Überschmieden, aber dieses Verfahren war zeitaufwendig und damit teuer. Das Härten und die Vergütung von Metallen durch einfache Wärmeverfahren wurde erst Ende des 15. Jahrhunderts machbar, als man reinere Metalle herstellen konnte. Zur Herstellung von Blechen mussten Plattner und Helmschläger die rohen Eisenklumpen mühsam mit dem Hammer bearbeiten, denn die Walztechnik war im Mittelalter noch nicht bekannt. Es gab aber wasserbetriebene Hammerwerke, welche die grobe Bearbeitung des Eisens erleichterten. Durch die vielen Hammerschläge entstand eine ungleichmäßige Blechplatte mit zahlreichen Dellen. Auf diese zeichneten die Handwerker mit Hilfe von Schablonen die Umrisse der einzelnen Rüstungsteile auf. Mit Hammer und Meißel bzw. mit einer Art Blechschere wurden die Stücke herausgetrennt und anschließend im kalten Zustand auf Ambossen weiter bearbeitet. Stark gebogene und gewölbte Formen hingegen, wie etwa die Scheitelplatten der Helme oder gebördelte Ränder, mussten heiß geschmiedet werden, um die Spannung aus dem Metall zu nehmen und ein Reißen der Metallstruktur zu verhindern. Die Hammerdellen wurden in der Schleifmühle beseitigt. Die einzelnen Teile wurden je nach Verwendungsart zusammengenietet oder mit Scharnieren und Schnallenlöchern versehen. Zum Schluss wurden die Bleche mit der Hand oder in Harnischmühlen poliert. Nicht metallische Verbindungsteile der Rüstung aus Holz, Horn oder Leder wurden bei den entsprechenden Handwerkern besorgt und während der einzelnen Arbeitsgänge eingesetzt.

Text: Stefan Grathoff