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„O Herr sey mir Gnedig“

Klosterschaffner Jacob Gengel und das ehemalige Kloster St. Peter zu Kreuznach

von Jörg Julius Reisek

Mitglieder der Kreuznacher Familie Gengel besetzten im 16. und frühen 17. Jahrhundert einflussreiche Ämter der Stadt. Sie wirkten als Bürgermeister, Ratsherren, Kirchenfabrik-Zinsheber und Salz-Zolleinnehmer. Joh. Jacob Gengel (1536 – ca. 1610) trat als Ratsherr, Hofgerichts-Secretarius und besonders als Klosterschaffner in Erscheinung.

Das vor den Toren der Stadt liegende Augustinernonnen-Kloster St. Peter wurde in der Mitte des 12. Jahrhunderts gegründet und in Folge der Reformation in den Jahren 1566-68 aufgehoben. Zu jener Zeit lebten dort 17 Nonnen und vier Laienschwestern. Diese flohen im Mai 1568 in den Rheingau, wobei sie erhebliche Teile des Klosterinventars und Vieh mitnahmen. Nach einer längeren Odyssee fanden sie Unterkunft im Kloster Eibingen.

Die Bewirtschaftung der Klostergüter wurde durch die Herrschaft weitergeführt. 1568 berief sie Jacob Gengel zum Klosterschaffner. Im Jahre 1596 einigte sich die gemeinschaftliche kurpfälzisch-badische Regierung darauf, dass die Einkünfte der Klosterschaffnerei zu Gunsten der Reformierten Kirche verwendet werden sollten. Dadurch wurde es notwendig, den aktuellen Besitzstand mit Einkünften und Ausgaben neu zu erfassen. Das Ergebnis wurde von Jacobus Lamb in einem ledergebundenen Folianten festgehalten. „Ernewerung und gantzes Corpus aller und jeder des Closters zu St. Peter vor Creutznach liegender gütter an gebewen, eckern, weingarten, wiesen, gärten, wälden, gefellen, zinsen, geld, korn, wein, habern und capaunen, und hiegegen desselben closters tragende beschwerungen, beneben allerhand brieflichen Dokumenten, ... durch Jacob Gengeln, dieses Closters schaffnern und Herrn Caspar Nasen, Ratsscheffen, als Zugeordneten außer derer zinsenden Personen selbst mündlicher Bekenntniß, im Dezember [15]96 von neuem zum fleißigsten beforchet und beschrieben worden“ lautet der gekürzte Titel des Renovationsprotokolls. Das Aktenstück wird im Landeshauptarchiv Koblenz aufbewahrt (LAHK Best. 33, Nr. 2042)

Zum Besitz gehörten u. a. 109 Morgen Ackerland und 6 Morgen Weinberge. Letztere befanden sich in der Monau, dem Neufeld und dem Schönfeld. Die Gefälle und Pachteinnahmen wurden als Geldzahlung oder in Naturalien am St. Martinstag eingezogen. An Geld kamen 61 Gulden 22 Albus und 5 Pfennige ein, an Roggen 94 Malter und zwei Sestern, an Hafer 12 Malter und 4 Simmern, 8 halbe Kapaunen gehörten ebenfalls dazu. Die Weineinnahmen beliefen sich nur auf 7 viertel und 1 Maß. Gengels Verwaltungstätigkeit scheint gewissenhaft und vorbildlich gewesen zu sein. Beschwerden erhielten laut der Ratsprotokolle erst seine Nachfolger. So ließ Schaffner Sauer 1611 die Herrschafts-Gefälle und Kornzinsen zusammenkommen und forderte das Geld auf einmal ein. Solche Beträge konnten einige Personen nicht in einer Zahlung leisten.

Das Renovationsprotokoll enthält als Besonderheit ein Titelblatt, dessen Vorder- und Rückseite mit qualitätsvollen Federzeichnungen versehen wurden. Mit seiner Signatur bekundete Lamb, dass er den Bildschmuck mit eigener Hand fertigte. Die Vorderseite versinnbildlicht die Besitzsituation: Wappen von Kurpfalz und der Markgrafschaft Baden flankieren zwei gekreuzte Schlüssel, die auf den Klosterpatron hinweisen. Auf dem alten Siegel des Klosters ist Petrus als Fischer im Boot mit einem Schlüssel dargestellt. Die gekreuzten Schlüssel finden sich übrigens auch im päpstlichen Wappen. Der untere Teil des Blattes zeigt die stimmungsvolle Seitenansicht der von der Nahe aus gesehenen Klosteranlage. Eine Nachzeichnung dieses Bildes wurde von Walter Zimmermann in den Kunstdenkmälern des Kreises Kreuznach im Jahre 1935 (S. 90) veröffentlicht.

Die Rückseite präsentiert das reich ausgeschmückte Konterfei des Schaffners im Alter von sechzig Jahren. Die Umschrift bezeichnet Jacob Gengel als Kreuznacher, der als Verwalter seit 29 Jahren in der Grafschaft Sponheim tätig ist. Würdevoll hält er in der linken Hand ein Gebetbuch, in der anderen die Handschuhe. Die Kartusche verweist auf seinen Wahlspruch: „O Herr sey mir Gnedig“. Die Verzierungen sind in der zeitgenössischen Formensprache des Manierismus gehalten. Roll- und Beschlagwerk bilden ein Gerüst für allegorische Figuren, Früchte, Ranken und Wappen.

Die Klosteranlagen sind heute vollständig verschwunden. Nur einige Kapitell- und Säulenfragmente sind erhalten geblieben. Sie werden in den Sammlungen des Bad Kreuznacher Schlossparkmuseums aufbewahrt.

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Auswahlbibliographie (ohne Regesten):

 

  • Andreae, Johann Heinrich: Crucenacum palatinum...Heidelberg: Wiesen, 1780-84.
  • Geib, Karl: Historische Topographie von Kreuznach. Tl. 1-2. Bad Kreuznach. (Bad Kreuznacher Heimatblätter/Nachdruck)
  • Kessel, Jürgen: Ein spanisches Dokument zur pfälzischen Kirchengeschichte aus der Zeit des 30jährigen Krieges. 1981. (in: Archiv für mittelrheinische Kirchengeschichte, 33)
  • Reiniger; Wolfgang: Die Siegel der Klöster, Städte, Gerichte, Zünfte, Verwaltungen und Kirchen des 12. bis 18. Jahrhunderts im heutigen Kreisgebiet von Bad Kreuznach. Bad Kreuznach: Selbstverlag, 1997.
  • Reiniger, Wolfgang: Stadt- und Ortsansichten des Kreises Bad Kreuznach 1523-1899. Katalog der Holzschnitte, Kupfer-, Stahl- und Holzstiche sowie Steinzeichnungen. Bad Kreuznach: Selbstverlag, 1990.
  • Reisek, Jörg Julius: „O Herr sey mir Gnedig“. Klosterschaffner Joh. Jacob Gengel (1536-1610). (in: Nahelandkalender 2010)  = Kurzfassung dieser Arbeit
  • Rosenkranz, Albert: Nachrichten über die beiden ehemaligen Klöster Offenbach am Glan und St. Peter bei Kreuznach. (in: Bad Kreuznacher Heimatblätter, 1959.10)
  • Seibrich, Wolfgang: Die Entwicklung der Pfarrorganisation im linksrheinischen Erzbistum Mainz: Das Archidiakonat St. Martin Bingen. Das Landkapitel Sobernheim und Kirn im Archidiakonat des Domprobstes. 1977. ( Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, 29)
  • Seibrich, Wolfgang: Die katholische Kirchengemeinde Bad Kreuznach von den Anfängen bis zur Gründung der Pfarrei Heilig Kreuz. 1997. (in: Heilig Kreuz)
  • Seibrich, Wolfgang: Letzte Mönche, Nonnen und Kanoniker in kurpfälzischen Klöstern und Stiften vor der Reformation. 1986/87. (in: Jahrbuch zur Geschichte von Stadt und Landkreis Kaiserslautern, 24/25)
  • Zimmermann, Walter: Die Kunstdenkmäler des Kreises Kreuznach. 1935 bzw. unver. Nachdr. 1972. (Die Kunstdenkmäler der Rheinprovinz, 18.1)
(Diese und weitere Titel zum Thema befinden sich in der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek!) Erstellt: 08.03.2010