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Landkreis Kreuznach 1833 - Eine frühe Kreisbeschreibung aus der Heimatwissenschaftlichen Zentralbibliothek

Vorgestellt von Jörg Julius Reisek

Am 14. Mai 1816 wurde im Amtsblatt der königlichen Regierung zu Coblenz die Kreiseinteilung des Regierungsbezirkes Koblenz bekanntgegeben. Dies war die Geburtsstunde des heutigen Landkreises Bad Kreuznach, der in einer notvollen Zeit entstand, denn 1816/17 waren durch Mißernten verursachte Hungerjahre. Der preußische Staat mußte Getreide in den Ostgebieten erwerben und der Rheinprovinz zur Linderung der Not zur Verfügung stellen. Im Amts-Blatt erschien am 20 Dezember 1816 ein „Unterricht über die ökonomischen Suppen“, als „kurze Anweisung über die Zubereitung eines gesunden, nahrhaften und wohlschmeckenden Nahrungsmittels“ um das „Elend der Bedrängten zu mindern“. Staatlicherseits bemühte man sich erfolgreich in den neuerworbenen Gebieten Ordnung und Recht wiederherzustellen und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu beseitigen. Ein stärkerer wirtschaftlicher Aufstieg setzte im Naheraum aber erst nach 1850 ein.

Der Kreis Creuznach

Dieser ist gebildet aus einem Theile der vordern und hintern Grafschaft Sponheim, der wild- und rheingräflichen Länder, des Ober-Amts Stromberg von der Unterpfalz, aus der Herrschaft Bretzenheim, dem gräfl. ingelheimischen Amte Schwephausen [Schweppenhausen] und dem v. dahlbergschen Amte Wallhausen. Die Grenzen desselben sind im Norden der Kreis St. Goar, im Nord-Osten Nassau, im Osten und im Süd-Osten das Großherzogthum Hessen, im Süden der bayersche Rheinkreis, im Süd-Westen die hessen-homburgische Herrschaft Meisenheim und das oldenburgische Fürstenthum Birkenfeld, und im Westen und Nord-Westen der Kreis Simmern. Der Flächeninhalt des Kreises wird angegeben auf 9,42 geograph. Quadrat-Meilen oder 202,600 preuß. Morgen, welche 4 Städte, 76 Dörfer, 3 Weiler, 32 Höfe und 24 aus einzelnen Häusern bestehende Etablissements, mit 24 kathol., 41 evang. und 19 Simultankirchen, 9 Kapellen, 7 Synagogen, 319 öffentlichen Gebäuden, 6677 Privat-Wohnhäusern, 8866 Scheuern, Schoppen und Ställen, 185 Fabrikgebäuden und 109 Wassermühlen enthielten. Die Bevölkerung betrug im Jahre 1828, 46,854 Menschen, von denen 26,430 Evangelische, 18,715 Katholiken, 24 Mennoniten und 1415 Juden waren. Auf der Quadrat-Meile lebten also 4974 Menschen.

Der Kreis ist sehr gebirgig, und liegt größtentheils auf dem Hundsrücken, der sich hier mit dem Porphyrgebirge verbindet, das, vom Donnersberge abgezweigt, sich zu beiden Seiten der Nahe erstreckt. Auf dem rechten Ufer der Nahe führt es den Namen große Gans [heute Gans], und sein nördlicher Abhang gegen Kreuznach Kühberg [Kuhberg]; auf dem linken Ufer heißt er die Hardt. Bei Traisen ist das Ufer sehr steil, indem sich senkrechte Porphyrwände, Rothenfels genannt, 400 bis 500 Fuß hoch aus dem Flusse erheben. Der Schloßberg bei Creuznach, aus buntem Sandstein bestehend, ist von geringer Höhe. Der hungrige Wolf, ein langer Bergrücken, ist 679 Fuß über der Meeresfläche erhaben. Die Bewässerung empfängt der Kreis von der Nahe, die ihn im Süden und Osten begrenzt, dem Simmer-, Hahnen-, Gulden-, Rans-, Mandler-, Katzen-, Eller-, Weinsheimer-, Gräfen-, Hasen-, Köller-, Botsch-, Hor-, Monzinger-, Fisch-, Dorf-, Weiher-, Wald-, Krebs-, Rummelsheimer- und Welschbach. Sonst ist der Kreis mit einem guten fruchtbaren Boden bedeckt, auf welchem alle Getreide-Arten, Flachs, Hanf und Futterkräuter gedeihen. Im Durchschnitt gewährt der Weizen das 7te, Spelz das 6 ½, Roggen das 5 ¾, Gerste das 6te, Hafer das 4 1/3 Korn. An Wein gewann man 1828 hier 127,798, nach anderen Angaben nur 109,164 Eimer Nahewein. An den Bächen sind schöne Wiesen, daher wird die Viehzucht stark betrieben. Nicht minder bedeutend ist der Weinbau, wie sich aus dem eben Angeführten ergibt. Die Bäche sind sehr fischreich. An Ackerland besitzt der Kreis 89,595, an Gärten 2223, an Weinbergen 5438, an Wiesen und Weiden 15,280, an Wild- und Schiffelland 1987 [eine Form der Brandwirtschaft], an Waldungen 90,658, an öder Länderei 4618, an Wegen und Flüssen 7058 Morgen. Im Jahre 1831 zählte der Viehstand 1201 Pferde, 77 Füllen, 116 Stiere, 3315 Ochsen, 9338 Kühe, 4684 Stück Jungvieh, 3134 unveredelte Schaafe, 877 Böcke und Ziegen, und 6522 Schweine. Die Industrie zeigt sich in Leder- * (Stromberg hat allein 12 Lederfabriken, welche jährlich gegen 350,000 Pfd. Sohlleder aus amerikanischen Wildhäuten verfertigen), Chocolade-, Nudel- und Tabaksfabriken, in Lohgerbereien und Vitriolsiederei, im Handel mit Wein, Branntwein, Getreide, Leder, Pottasche, Oel und Kleesamen. Bei Creuznach, am Fuße der Hardt, liegen wichtige Salzwerke, Theodors- und Karlshalle genannt, die dem Großherzog von Hessen, unter preußischer Hoheit, gehören; wobei sich auch Soolbäder befinden, welche zum Trinken und Baden benutzt werden. Stromberg hat 2 bedeutende Eisenwerke, und in der Nähe ein großes Kalksteinlager, das sehr hohe und schroffe Felsen bildet. Zu Daxweiler befindet sich eine Salmiak- und eine Eisenhütte, welche Roh- und Stab-Eisen und Eisengußwaaren liefert. Kirn besitzt ein Alaun- und Steinkohlenbergwerk. Einen Eisenhammer, der Stab-Eisen von vorzüglicher Güte fördert, finden wir in Simmern, unter Dhaun. Bei Dorsheim und Sarmsheim ist das Kupferbergwerk Goldloch.

Nur durch die südliche Spitze des Kreises über Creuznach hin zieht sich eine Kunststraße, und oben in der nördlichen Spitze von Stromberg aus eine nach Bingen.

Creuznach /Creutzenach ** (In der Nähe befinden sich die Ruinen der Ebernburg –zu Rheinbayern gehörig-, am Einfluß der Alsenz in die Nahe, die Franz v. Sickingen gehörte, und merkwürdig geworden ist durch den Aufenthalt Ulrichs v. Hutten) eine Stadt in einer fruchtbaren und reizenden Gegend an der Nahe, und am Fuße eines Gebirgszuges, welcher gegen Süd-Westen hin ein sehr schroffes und felsiges Gebirge bildet, dann aber sich gegen Nord-Westen herumzieht, und gegen den Rhein zu läuft, ist der Sitz des Kreis-Amts, einer Kreiskasse, eines Post-Amts, eines Haupt-Steueramts, eines Eichungs-Amts, einer Bibelgesellschaft und eines Friedensgerichts für die Bürgermeistereien Creuznach, Hüffelsheim, Langenlonsheim und Mandel. Sie hat eine Gewerbschule, ein Gymnasium und ein Hospital. Sobernheim, eine Stadt am linken Ufer der Nahe, besitzt ein Neben-Zollamt erster Klasse und hat ein Progymnasium. Stromberg, eine Stadt am Guldenbach, ist der Sitz eines Friedensgerichts für die Bürgermeistereien Stromberg, Waldalgesheim, Wallhausen und Windesheim. Kirn oder Kyrn, eine Stadt am Einfluß des Hahnenbachs in die Nahe, besitzt ein Friedensgericht für die Bürgermeistereien Kirn, Monzingen, Sobernheim und Winterburg, und ein Neben-Zollamt erster Klasse; auch befindet sich hier ein Progymnasium.

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper

Quelle

  • Handbuch zu dem Atlas von Preußen in 27 Karten; oder geographisch-statistisch-topographische Beschreibung der preußischen Monarchie und Verzeichnis sämmtlicher Ortschaften derselben. Erfurt: J. C. Müller. 1. H., Tl. 2: 1833. S. 513-515 (HWZB)

Weitere frühe Landesstatistiken in der HWZB:

  • Der Regierungs-Bezirk Coblenz, nach seiner Lage, Begränzung, Größe, Bevölkerung und Eintheilung...Koblenz: Pauli 1817.
  • Topographisch-statistische Uebersicht des Regierung-Bezirks Coblenz. Koblenz: Hölscher, 1843.

Auswahlliteratur zur Geschichte des Landkreises Bad Kreuznach:

  • Ein Blick in die Geschichte 1816-1991: 175 Jahre Landkreis Bad Kreuznach. Bad Kreuznach: Kreisverwaltung, 1991.
  • Heimatchronik des Kreises Kreuznach. Köln: Archiv für deutsche Heimatpflege, 1966.
  • Uhlig, Harald: Landkreis Kreuznach. Landeskundliche Kreisbeschreibung als Grundlage für Verwaltung und Landesentwicklung. Speyer: Zechner, 1954. (Die Landkreise in Rheinland-Pfalz, 1)

Erstellt: 21.06.2010