Bibliothek

Inszenierte Ritterzeit - Ein Panoptikum auf der Ebernburg

von Jörg Julius Reisek

Für Gänsehaut sorgten „ritterzeitliche“ Funde, die ehemals im Hofbereich der Ebernburg präsentiert wurden. Eine Postkarte aus der Zeit um 1900 zeigt die schaurige Installation: Menschenknochen, Rüstungsteile und Waffen umgaben einen Schädel, der im angeketteten Oberteil eines Harnischs steckte. Im Vordergrund lagen zahlreiche Geschosse. Auch römerzeitliche Stichwaffen und eine Öllampe sind auf der Abbildung zu sehen. Rechts im Hintergrund ist der Wirbel eines Wales zu entdecken. Dieser könnte eine symbolträchtige Beigabe gewesen sein. Luther soll 1521/22 auf der Wartburg einen derartigen Knochen als Schemel benutzt haben. Die „Herberge der Gerechtigkeit“ galt ja gleichsam als „Wartburg des Westens“.

Die von Efeu umrankte Nische, in Stile des Historismus bestückt, traf effektvoll den Geschmack der Zeit. Ein Führer für Badegäste und Touristen, 1910 von Hermann Stumpf veröffentlicht, berichtet Folgendes: „Das Verdienst, dass die Ruinen der Burg zugänglich gemacht sind, gebührt dem 1865 verstorbenen Bürgermeister zu Feil-Bingert, Karl Günther, der die Schlossruine käuflich an sich brachte und die jetzigen Wirtschaftsgebäude aufgeführt hat. Die bei dem Aufräumen gefundenen Antiquitäten sind auf dem Hofe zur Ansicht aufgestellt, viele Bildwerke (zum Teil mit Inschriften) und Wappen in die Mauer des neuen Hauses und anderwärts eingefügt.“ Ein andere Quelle berichtet vom Fund einer Masse von Kanonenkugeln, „welche an die Eisenschmelze Hochstein bei Winnweiler verkauft und auf vier oder gar fünf Zweispänner-Wagen dahin verbracht wurden.“

Im Jahr 1945 gingen die Sammlungen der Ebernburg durch Beschuß und Brande zu Grunde.

Auch Schloss Dhaun bot ähnliche Attraktionen. Fremdenführer gaben sich theatralische Mühe, in den Gewölben „ein wirkungsvolles, entsetzenerregendes Bild“ der Vergangenheit zu entwerfen. Sie interpretierten die Gewölbe als Folterkammern und Verliese. Die Beschreibung gefundener Knochenberge, sowie die leibhaftige „Eiserne Jungfrau“ ließen das Publikum erschauern.

Nachweise

Verfasser: Jörg Julius Reisek

Redaktionelle Barbeitung: Dominik Kasper

Erstellt: 17.12.2010