,, ... das sie by solcher ordenung des wassers beidteil getrulich handthaben"
Streit um die Kreuznacher Wasserversorgung
von Jörg Julius Reisek
Die städtische Wasserleitung in Bad Kreuznach wurde ab 1890 in Betrieb genommen. Dadurch veränderten sich viele Regelungen um das Trinkwasser in der Kommune. Jahrhunderte lang wurden Brunnen gebaut und erhalten, Brunnenmeister bestellt, Brunnenordnungen erlassen, die Unterhaltung und Nutzung in Nachbarschaften organisiert, sowie die Einhaltung der Feuer- und Brandordnungen kontrolliert. Zahlreiche Einträge in den Kreuznacher Stadtratsprotokollen des 16.-18. Jahrhunderts spiegeln dies wieder. Besonders wenn die Bürger zur Kasse gebeten wurden oder den Wasserzugang für die Nachbarn sperrten, schlugen sich der Rat und die Juristen lange damit herum. Hier einige Beispiele vom Kornmarkt: Im Jahre 1600 sollten die Anwohner für den neuen Laufbrunnen eine Gebühr von 1 Gulden pro Haus und l/2 Gulden für unbewohnte Gebäude und Scheunen zahlen. 1612 wurde befohlen ,,einen steinernen Sarck setzen zu lassen, den Nachbarn zur Wäsch". 1618 wollte Brunnenmeister Johann Rißner aus Stetten zwei Malter Korn für seine Arbeiten und zusätzlich 3 l/2 Albus für jede Röhre, die er verlegt hatte . Auch in der Neustadt gab es Ärger, einige Anwohner wollten nicht an den öffentlichen Wasserplätzen mitwirken.
Neben der Wasserversorgung spielte auch die Entsorgung eine wichtige Rolle. Die Heimatwissenschaftliche Zentralbibliothek besitzt einen Druck des 1744 erschienenen Nachbarrechts von Johann J. Beck, in dem Themen wie Brunnengerechtigkeit, Wasser-schöpfgerechtigkeit, Ausgussrecht, Wasserleitungsrecht und ,,Cloacenrecht" ausgiebig behandelt werden.
,,Wann also die Wasserleitungen gereiniget, und die Gräben gemacht werden, so liegt so dann der Obrigkeit ob, durch darzu bestellte Visitatores zum öfftern Vorsehung zu thun, daß die gereinigte Gräben nicht wiederum mit Koth oder andern Unreinigkeiten angefüllet werden, als welches ein Uberlauffen und Ergießung des Wassers, und andere Unordnung verursachet; insgleichen, daß die Bäche, die Wasser-Röhren, die Oerter durch welche man sie leitet, die
Wasser-, Röhr- und Brunnen-Kästen, wodurch der Stadt des Wassers zugeführet und distribuirt wird, und die offentliche Wasser-Behälter, weder wissentlich und vorsetzlich, noch nachlässiger Weiß durchbohret, zerbrochen und zerstossen, noch in andere Wege verderbet werden, daß das Wasser in die Stadt nicht fließen, fallen, kommen, oder geleitet werden kann."
Über die Brunnenverbrechen steht folgendes: ,,Wann man die Brunnen vergiftet, so wird ein solcher Thäter nach dem Jure Civilii, mit dem Schwerd, und nach der Peinlichen Hals-Gerichts-Ordnung Kayser Carl des V. an denen Männern mit dem Rad, an denen Weibs-Personen mit der Ertränckung bestraft. ...Wann einer die Quell-Adern des Brunnens verstopft, vernichtet oder zurückweiset und hiedurch ein solcher Wasser-Mangel entstehet, daß Menschen und Vieh für Durst crepirn müssen, so kann diß Verbrechen mit dem Tod abgestraft werden."
1489 erregte die Wasserversorgung in Kreuznach sogar fürstliches Interesse. Das 1472 von Kurfürst Pfalzgraf Friedrich I. von der Pfalz und Graf Friedrich von Pfalz-Simmern gestiftete Franziskanerkloster hatte ,,an fliesenden bronnen gebrech". Deshalb wurde eine Wasserleitung in Betrieb genommen, die Anlass zum Streit zwischen Bürgern und Kloster wurde. Deshalb beurkundeten 1489 Kurfürst Pfalzgraf Philipp (der Aufrichtige) und Pfalzgraf Johann die Regelung der Rechte und Pflichten aller Beteiligten. Das Quellwasser wurde in einer Brunnenstube am Galgenberg gesammelt und durch eine Röhrenleitung unterirdisch in die Stadt bis zu einem Verteiler am Haus ,,Zum Rebstock" geleitet - ein Teil des Wassers für die Anlieger der andere Teil für die Versorgung im Kloster. Bei dem obengenannten Haus handelte es sich wahrscheinlich um das alte Zunfthaus der Rebstöckerzunft, das in der Nähe Mannheimerstraße/Ecke Römerstraße stand und 1622 wegen Baufälligkeit veräußert werdensollte. Der Wasserverteiler war mit zwei Schlössern versehen, so dass keine Partei heimlich Veränderungen vornehmen konnte. Die Verteileranlage bestand entweder aus einer steinernen Überlaufvorrichtung oder aus einem Steigrohr mit Überlaufbehälter. Die Kosten der Unterhaltung vom Brunnen bis zum Verteilerstock sollten gemeinsam beglichen werden, für die weiteren Röhren waren die Benutzer verantwortlich. Der Wortlaut der von Würdtwein publizierten Urkunde folgt unten.
Karl Geib beschrieb in seiner Topographie ausführlich die zahlreichen Brunnen der Stadt und erwähnte dabei die Auffindung von Teilen der beurkundeten Wasserleitung. 1926 wurde auf dem Hof des Gymnasiums die Leitung mit einer Abzweigröhre Richtung Kornmarkt festgestellt. Beim Kanalbau 1927 fanden sich Relikte aus der Laufrichtung Tilgesbrunnen/Hohe Bell im Galgenbergerweg (1,5 m tief) und in der Mannheimerstraße am Gasthaus ,,Zum Stern". Nach dem 2. Weltkrieg wurden weitere Spuren gefunden und im Museumstagebuch dokumentiert: ,,19. Dez. l95l: Mittelalterliche Wasserleitung. Mannheimerstraße 171, Kreuzung Salinenstraße. ca. 1,50 m im Boden Tonrohre (innen 6 cm, außen 9 cm). Enden konisch ineinandergesteckt, mit Kalkmörtel gedichtet" und 19.3.1954 ,,in dem Kanalgraben, der von den Optischen Werken aus durch den 2. Galgenberger Weg zu der neuen amerikanischen Baustelle gegraben ist, wird bereits mehrfach angeschnittene mittelalterl. Wasserleitung aus Tonrohren durchschnitten". Heute sind die Tonrohrfunde im Schlossparkmuseum deponiert. Auch weitere Reste von spätmittelalterlichen und neuzeitlichen Leitungen befinden sich dort. Es handelt sich vorwiegend um unglasierte und glasierte Ware, die konisch geformt, leicht ineinander gesteckt werden konnte.
Wie durch beide Fürsten geordent ist das der Bronnfluß vom Galgenberg zu Creutznach halb den Barfüssern und halb derselben Stat darinn er gelegt ist dienen soll.
Von Gots gnaden Wir Philips Pfaltzgraue by Rine Hertzog jnn Beyern des heiligen Romischen Richs Ertzdruchses und Kurfurste, und wir Johans auch Pfaltzgraue by Rine Hertzog inn Beyern und Graue zu Spanheim &c. bekennen offentlich jn diesem briff fur uns und unser Erben &c. Als ein Nuwe Closter der myndern Bruder Sant Franciscen ordens zu Creutznach erhebt, erbuwt und gestifft ist, darzu beide unser Vatter und vetter Pfaltzgraue Friderich und Hertzog Friderich &c. gnad und neygung gehabt, den buw gefurdert und verlegt han, das sich ein redlich Convent darjnn wole behelffen mag, damit des uns nit zwifelt sie ir selen heil gein dem almechtigen Got gewirckt, und den zu ewigen Rugen geholffen han, auch noch vil menschen der gutten werck so da gescheen teylhafft werden mogen. Wann aber solch Closter alleyn an flisenden bronnen gebrech gehabt, damit sie nit versehen gewest, aber vil irer und des Closters notturfft dadurch zu wenden han, auch on das ir wesen nit so geruglich het mogen bestehen, so haben wir sie in crafft dis briffs mit einem pronnen qwelle am Galgenberg das waser sie da zusammen gefast und jn ein waserstuben bracht, und von dannen furbaß hin jne jn dolen gefurt, gefast und geleit han durch das hochenheimer tore bis zu dem huse genant zum Rebstock, nu uff das die egenante Bruder mit den Burgern deste fridlicher sich des Bronnens halp halten und solchen flus und bronnen in kunfftige zit gehandthaben mogen, so haben wir verordnet mit der Bruder wissen und willen und unsern willen auch darzu geben, das hinfur zu ewigen dagen solcher pronnenfluß halb der Bruder sin, und in das obgenant Closter dienen und der ander teil den Burgern zu Crutzenach jn dem teil der statt darjnn das egemelt Closter ligt sin soll den hinfur zu leiten, zu furen, und zu handthaben von der wasser stuben bis an den teilung stocke der zum Rebstock stet, in dem selben stock der auch darnach als es nutzlich und wole gesin mog erhaben darzu geschickt und gestelt werden soll, das solich wasser glich halp und halp yeden teil folg und werden von dannen Bruder jren teyl gleich zum Closter, und die burger jren teil da der bronnen, jne zu nutz springen wirdt, furen, buwen, halten und handthaben sollen und die wasserstub am ursprung und der bronnenstock, darjnn der bronnen geteilt wirdet, und was da zuschen zum Bronnen gehort sol glich gemeyn sin, und iglichs zwey slos und zween slussel han das die brudere on die burger und die burger on die bruder garumb nit geen, und das wasser so es recht leuffet mit fortel nit geandert wird, und wo der teilstock abginge oder schaden nemme von fule des holtz, oder fust so mogen die beide parthien, und keyner on die ander ein andern stock der zur teilung gerecht sy setzen, steynen, erin oder hultzen, als dick des not geschicht, doch das er keynen teil veruckt wird das jme sein teil wassers nit zu flisen moge so vil jme zugehort unuerhindert. Und so buwes an dem pronnen oder fertigung des wassers bis an teilstock und demselben stock not wurdt, so sol gescheen mit beiderteil ratte, und uff costen unser burger die des bronnen genyssen und auch der Bruder so vil sie sich von Ordens wegen zu uerbynden haben, und von dem teil stock fur uss soll yder sin teil wassers uff sin costen furen, leyten und fertigen dahin es gehort, alles on geuerlich. Es soll auch keyn teil macht haben eynichen flus dauon zu geben oder zu nemmen oder jemant andern zuzuwenden, so soll des auch nymant selben nemmen, keyns wegs ongeuerlich, heissen und gebieten allen und iglichen unser ober und unter amtluten Truchsessen Landtschribern auch Schultheissen Burgermeistern, reten gerichten, burgern, und jnwonern wer die sint, das sie by solcher ordenung des wassers beidteil getrulich handthaben, und nit gestatten das sich yemants gegen den andern fortels oder behendickeit gebruch, sunder uffrecht glich und recht gehalten wird by verlisung unser gnad und swere pene zu uermyden. Des zu urkund haben wir beide Fursten unsir yder sin Jngesigel thun hencken an disen brieff. Datum Heidelberg uff mitwoch nach sant Erharts tag. (14. Jan.) Anno &c. LXXXIX°.
Nachweise
Verfasser: Jörg Julius Reisek
Redaktionelle Bearbeitung: Dominik Kasper
Quellen:
- Stephan Alexander Würdwein: Monasticon Palatinum. Tl. 5 Mannheim 1796. S. 361-365
Literatur:
- Geib, Karl: Historische Topographie von Kreuznach. Sonderdruck aus den Heimatblättern, Beilage zum Oeffentlichen Anzeiger 1928. (Brunnen S. 3-18)
- Koch, Johann / Beck, Johann: Tractatus juridico-politicis de jure viciniae : Vom Nachtbar-Recht. Worinnen Alles das, was zu dieser nützlich und nothwendigen Materien gehörig...gründlich und deutlich gehandelt wird. Frankfurt; Leipzig : Weber, 1744.
- Reisek, Jörg Julius: Eine Wasserleitung für Bürger und Mönche im alten Kreuznach. ,, ... das sie by solcher ordenung des wassers beidteil getrulich handthaben" In: Nahelandkalender 2008. = Kurzfassung dieses Artikels.
- Die Wasserversorgung in der Renaissancezeit. Mainz: von Zabern, 2000. (Geschichte der Wasserversorgung, Bd. 5)
Erstellt: 11.02.2010