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Mainz während des Dreißigjährigen Krieges (1618 – 1648)

Das Portrait zeigt Gustav II. Adolf von Schweden um 1630.[Bild: Gemeinfrei]

In Europa gab es im Vorfeld des Dreißigjährigen Krieges[Anm. 1] ein vielfältiges Spannungs-feld aus politischen, konfessionellen und dynastischen Gegensätzen. Während des Böhmischen Ständeaufstandes stürzten Vertreter der protestantischen Stände im Jahr 1618, während einer Auseinandersetzung über die ihnen seit 1609 zugestandene Religionsfreiheit die königlichen Statthalter aus dem Fenster der königlichen Hofkanzlei in den 17 m tieferen Burggraben. Dieser zweite Prager Fenstersturz markiert den Beginn des Dreißigjährigen Krieges, in dem sich auf europäischer Ebene der habsburgisch-französische Gegensatz und auf Reichsebene der Konflikt zwischen dem Kaiser und der Protestantischen Union einerseits und der Katholischen Liga andererseits mit ihren europäischen Verbündeten entlud. Noch im selben Jahr begann man in Mainz, die Stadtmauern zu reparieren und neue Gräben vor den Mauern anzulegen. 1620 wurde der Klerus mit Waffen ausgestattet und die Schweikhardsburg (Zitadelle) wurde ausgebaut. Zur Finanzierung zusätzlich einquartierter Soldaten wurde die Wein- und Biersteuer erhöht.[Anm. 2] Während des Böhmisch-Pfälzischen Krieges (1618 – 1624) und des Niedersächsisch-Dänischen Krieges (1625 – 1629) blieb Mainz verschont.[Anm. 3] Doch mit dem Schwedischen Krieg (1630 – 1635) konnte sich Mainz nicht mehr aus dem Konflikt heraushalten. Mit der Landung Gustav Adolfs von Schweden in Peenemünde/Pommern verfolgte dieser zunächst zwei Ziele: Zum einen wollte er die schwedische Vorherrschaft im Ostseeraum gegenüber der kaiserlichen Macht verteidigen und zum anderen die Protestantische Union in ihrem Kampf gegen die Katholische Liga unterstützen. Im Oktober 1631 näherte sich Gustav Adolf der Stadt Mainz. In der Stadt wurden Munition und Proviant eingelagert, aber die Befestigungsanlagen waren trotz aller Anstrengungen unzureichend. Die Mainmündung wurde durch eingerammte Pfähle und die Versenkung von mit Steinen beladenen Booten gesperrt. Bei Klerus und Bevölkerung wurde eine Kriegssteuer erhoben. Dem Klerus war schon im November erlaubt worden, Mainz zu verlassen. Die Kurfürstliche Residenz in Aschaffenburg war bereits von den Schweden eingenommen, als am 18. Dezember der Kurfürst und das Domkapitel nach Köln ins Exil gingen. Der Unterricht an der Universität kam zum Erliegen.[Anm. 4]

Am 19. Dezember stand die schwedische Armee vor den Stadttoren von Mainz, während sich in der Stadt die im kaiserlichen Sold stehenden Spanier übel aufführten. „Man hatte sozusagen den Feind drinnen und draußen.“[Anm. 5] Nach vorangegangenem Beschuss der Stadt von der Kartause aus, erfolgte am 23. Dezember 1631 die Kapitulation. Einen Tag später zog Gustav Adolf in die Martinsburg ein. Mit einem lutherischen Dankgottesdienst und einem festlichen Bankett feierte der schwedische König seinen Sieg. Die Stadttore wurden mit Erdwällen zusätzlich gesichert und auf dem gegenüberliegenden Rheinufer entstand die ‚Gustavsburg‘. Mainz wurde Verwaltungszentrale des von Gustav Adolf errichteten „rheinischen Staates“. Erstmals hatte Mainz, das über Jahrhunderte den Reichserzkanzler gestellt hatte, einen protestantischen Landesherrn. Gustav Adolf garantierte der Stadt die Religionsfreiheit, so dass Mainz überwiegend katholisch blieb. Nicht eindeutig geklärt ist, welche weitergehenden Ziele Gustav Adolf mit der Besetzung von Mainz verfolgte.[Anm. 6] Bereits in den ersten Tagen ließ Gustav Adolf die Bibliotheken im Schloss, in den verlassenen Klöstern und Privathäusern konfiszieren und nach Schweden bringen. Die Bürger waren gezwungen, die Kosten für die Einquartierung und Verpflegung von über 10.000 Soldaten zu übernehmen. Um eine Plünderung und Brandschatzung der Stadt zu vermeiden, sollten sie zusätzlich 80.000 Reichstaler zahlen. Daneben verlangte er von den Jesuiten 40.000 und von der übrigen Geistlichkeit 41.000 Reichstaler. Bürger und Geistlichkeit konnten diese Summen nicht in dem geforderten Umfang aufbringen. Gustav Adolf ließ daraufhin zu Beginn des Jahres 1632 das gesamte Vermögen derjenigen, die Mainz verlassen hatten, beschlagnahmen. Nachdem Gustav Adolf 1632 in der Schlacht bei Lützen gefallen war[Anm. 7] und die kaiserlich-habsburgischen Truppen den Schweden und ihren protestantischen Verbündeten 1634 bei Nördlingen eine vernichtende Niederlage beigebracht hatten, war das Ende des ‚rheinischen Staates‘ absehbar. Der Prager (Diktat-)Frieden von 1635 führte aber nicht zu einem Ende des Krieges, da die reformierten Reichsstände ausgeschlossen blieben und die Großmächte Frankreich und Schweden den Friedensschluss nicht ratifizierten. Nach einer Belagerung von Mainz durch Truppen des Kaisers und der katholischen Liga verließen die Schweden zu Beginn des Jahres 1636 die Stadt mit nur noch 1.000 Soldaten endgültig.[Anm. 8] Die Stadt war nicht mehr wiederzuerkennen. Durch zwei große Pestepidemien 1632 und 1635, aber auch ausgeprägte Hungersnöte, war die Bevölkerung um etwa die Hälfte auf ca. 6.500 Einwohner dezimiert. Aus strategischen Gründen hatten die Schweden den Vorort Vilzbach 1635 dem Erdboden gleichgemacht.[Anm. 9] Innerhalb der Stadtmauer waren etwa ein Viertel der Häuser unbewohnbar, weil Soldaten und Zivilisten sich Brennholz und Baumaterial durch den Abriss leer stehender Häuser beschafft hatten. Beim Abzug hatten die Schweden auch die Schiffsbrücke zerstört, die vom Holztorturm zur Maaraue führte, um von dort aus ggf. die Gustavsburg zu schützen. Nach dem Abzug der Schweden aus Mainz sollte es noch über ein Jahrzehnt dauern, bis Mainz sich wieder von dem langwierigen Krieg erholen konnte. Letztlich scheiterte der Prager Frieden, weil Frankreich, das im eigenen Land den Protestantismus bekämpft hatte, sich nun mit Schweden verbündete, um eine Stärkung des Kaisers im Reich zu verhindern.

Im Verlauf des Schwedisch-Französischen Krieges (1635 – 1648) kapitulierte Mainz kampflos und 1644 zogen die Franzosen in die Stadt ein. Da der Kurfürst nach Frankfurt geflohen war, schloss in seiner Vertretung das Domkapitel mit der Besatzungsmacht einen Vertrag über die Stationierung von 500 Soldaten, die von der Mainzer Bevölkerung verpflegt werden mussten. Im Gegenzug garantierten die Franzosen die Fortsetzung der Verwaltungsautonomie durch das Erzstift, den Fortbestand der katholischen Religion und die Anerkennung der Wahlen zum Domkapitel.[Anm. 10] Im März 1646 wurden weitere 200 Mann in Mainz ‚einlogiert‘ und nach weiteren zwei Monaten noch einmal 130. Im Februar 1647 forderten die Franzosen eine monatliche Kontribution von 1.100 Gulden; noch im selben Jahr verlangten sie eine wöchentliche Abgabe von 1.000 Reichstalern. Zum Wachdienst mussten täglich 100 Mann abgestellt werden; zu Festungsarbeiten wurden täglich 200 Mann angefordert Von Mainz aus verwüsteten die Franzosen die nähere und weitere Umgebung in einem ständigen Kleinkrieg. Aus 42 Ortschaften floh die Bevölkerung nach Mainz.[Anm. 11] Nach dem Tod von Kurfürst Anselm Casimir Wamboldt von Umstadt wählte 1647 das Domkapitel den Würzburger Bischof Johann Philipp von Schönborn zu dessen Nachfolger. Johann Philipp von Schönborn setzte sich für ein Ende des jahrzehntelangen Krieges ein. Er war maßgeblich an den Verhandlungen in Münster und Osnabrück beteiligt.[Anm. 12] Erst der Westfälische Frieden[Anm. 13] von 1648 beendete die Kampfhandlungen. Die Einzelheiten dieser beschlossenen Friedensordnung wurden dann in den Jahren 1649 – 1650 im so genannten Nürnberger Exekutionstag vereinbart.[Anm. 14] Erst nach dem Nürnberger Exekutionstag zogen die Franzosen aus Mainz ab.

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Verfasser: Wolfgang Stumme

Redaktionelle Bearbeitung: Jasmin Gröninger

Verwendete Literatur:

  • Brück, Anton Ph., Mainz im Dreißigjährigen Krieg 1618 - 1648, in: Brück, Anton Ph., Falck, Ludwig (Hg.), Geschichte der Stadt Mainz, Bd. V, Mainz – vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1462 – 1648, Düsseldorf 1972, S. 43 - 5.
  • Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand (Hg.), Mainz – Menschen, Bauten, Ereignisse. Eine Stadtgeschichte, Mainz 2010, S. 79 – 91.
  • Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268.
  • Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268.
  • Mathy. Helmut, Von der Kurfürstlichen hohen Schule zur JohannesGutenberg-Universität, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S. 703 - 732.
  • Oschmann, Antje: Der Nürnberger Exekutionstag 1649–1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krieges in Deutschland., Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 17, Aschendorff, Münster 1991.
  • Reber, Horst, Aus der Kunst der Renaissance und des Barocks in Mainz, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S. 1097 - 1132.

Veröffentlicht am: 17.01.2017

Anmerkungen:

  1. Der Begriff "Dreißigjähriger Krieg" wurde schon unmittelbar nach dem Westfälischen Frieden gebraucht. Wegen der kaum zu unterscheidenden und ineinandergreifenden Konflikte war es naheliegend, für die gesamte Zeit der kriegerischen Auseinandersetzungen eine runde Jahreszahl anzunehmen.Bei den Verhandlungen in Münster und Osnabrück wurde auch der achtzigjährige Krieg (1568 – 1648) beendet, in dem die Niederlande ihre Unabhängigkeit von der spanischen Krone erkämpft hatten. Die nördlichen Niederlande schieden aus dem Heiligen Römischen Reich aus. Die Friedensverträge des Westfälischen Friedens erkannten auch die faktische Unabhängigkeit der Schweizerischen Eidgenossenschaft an, indem die unmittelbare Unterstellung unter Kaiser und Reich aufgehoben wurde. Zurück
  2. Brück, Anton Ph., Mainz im Dreißigjährigen Krieg 1618 - 1648, in: Brück, Anton Ph., Falck, Ludwig (Hg.), Geschichte der Stadt Mainz, Bd. V, Mainz – vom Verlust der Stadtfreiheit bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges 1462 – 1648, Düsseldorf 1972, S. 43 - 57 (S. 43). Zurück
  3. So ist es auch zu erklären, warum Kurfürst Greiffenclau 1627, also mitten im Dreißigjährigen Krieg, mit dem Bau des neuen Kurfürstlichen Schlosses begann. Vgl.: Reber, Horst, Aus der Kunst der Renaissance und des Barocks in Mainz, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S. 1097 - 1132 (1107). Zurück
  4. Auch Professoren und Studenten der Universität flohen nach Köln. (vgl. Mathy. Helmut, Von der Kur-fürstlichen hohen Schule zur JohannesGutenberg-Universität, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S. 703 - 732 (731). Zurück
  5. Brück, a.a.O., S. 48. Zurück
  6. Vgl. hierzu Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand (Hg.), Mainz – Menschen, Bauten, Ereignisse. Eine Stadtgeschichte, Mainz 2010, S. 79 – 91 (S. 91). Zurück
  7. Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268 (S. 261). Zurück
  8. Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand, Schütz, Friedrich (Hg.), Mainz. Die Geschichte der Stadt, Mainz, 2. Aufl. 1999. S.227 – 268 (S. 262). Zurück
  9. Dobras, Wolfgang, Die kurfürstliche Stadt bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, in: Dumont, Franz, Scherf, Ferdinand (Hg.), Mainz – Menschen, Bauten, Ereignisse. Eine Stadtgeschichte, Mainz 2010, S. 79 – 91 (S. 91). Zurück
  10. Brück, a.a.O., S. 55. Zurück
  11. Brück, a.a.O., S. 56. Zurück
  12. In Münster wurde am 24. Oktober 1648 der Friedensvertrag zwischen dem Kaiser und Frankreich (In-strumentum Pacis Manasteriense) und am selben Tag in Osnabrück zwischen Kaiser, dem Reich und Schweden (Instrumentum Pacis Osnabrugense) unterzeichnet. Vgl. u. a. Stollberg-Rilinger, Barbara, Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation. Vom Ende des Mittelalters bis 1806, München 2006, S. 73 ff. Zurück
  13. Nach heutigem Verständnis entsprach der Westfälische Frieden einem Waffenstillstandsvertrag.  Zurück
  14. Vgl. Oschmann, Antje: Der Nürnberger Exekutionstag 1649–1650. Das Ende des Dreißigjährigen Krie-ges in Deutschland., Schriftenreihe der Vereinigung zur Erforschung der Neueren Geschichte 17, Aschendorff, Münster 1991. Zurück