0.Die Töpferfamilie Kalb im Westerwald
Bisher waren die Informationen über die Töpfer in Höhr sehr dürftig. Nur über die Töpfer in Grenzhausen, das zur Grafschaft Wied gehörte, waren die Unterlagen ergiebiger. Aber über Höhr, das zur Herrschaft Vallendar gehörte, gibt es vergleichsweise wenige Quellen im Landesarchiv Koblenz und im Staatsarchiv Wiesbaden.
Hier soll über das Töpfergeschlecht Kalb in Höhr berichtet werden. Der von Peter Dümler in seinem Buch „Grenzau. Die Burg und ihre Bewohner“ 1907 geschriebene Bericht über einen Johann Kalb in Grenzau ist nach Auswertung der Archivquellen nicht haltbar. Der Autor beruft sich auf eine stark verwitterte Holztafel, die in Grenzau gefunden wurde und angeblich von 1621 datiert. Auf dieser Tafel, die heute leider nicht mehr existiert, hat Dümler Folgendes entziffert (Seite 62):
Auf dieses Schild, dessen Urheber Dümler irrtümlich als Johan Kalb deutete, wird seit 1907 in etlichen Publikationen zurückgegriffen. Die jüngste Forschung hat aber gezeigt, dass es keine historische Aufzeichnung in den Archiven über einen Johann Kalb gibt und dass seine Existenz bezweifelt werden muß. Der einzige quellenmäßig fassbare Töpfer war Herman Kalb. Über dessen Leben gab es bis jetzt nur wenig Informationen.
Vor einigen Jahren ist bekannt geworden, dass sich viele Unterlagen der Herrschaft Vallendar im Sayn-Wittgenstein-Hohensteinischen Archiv in Bad Laasphe befinden. Dort findet man auch eine Menge an Unterlagen über die Töpfer in Höhr, die vom Dokumentationszentrum Kannenbäckerland (DZK) aufgearbeitet werden. Unter diesen Akten gibt es einen 13 Seiten langen Brief, worin Hermann Kalb seinen Werdegang „blumig“ aufgeschrieben hat. Hier Notizen zu seiner Karriere:
Herman Kalb war ein Töpfer, der aus Raeren in Belgien in den Westerwald kam. Seine Vorfahren waren auch alle Töpfer. Er siedelte sich um 1592 zuerst in Vallendar an [Anm. 1]. Dort wohnte und arbeitete er in der Werkstatt des Rütger Knütgen. Rütger und seine Brüder bzw. Halbbrüder Bertram und Hermann waren kurz vor 1590 aus dem Siegburger Töpferzentrum gekommen. Kalb hatte mit Rüdger Knütgen einen „Contract“ (Vertrag), dass er dort seine Waren anfertigen konnte. Nach einigen Jahren hatte er sich genug verdient, um ein eigenes Wohnhaus und eine Werkstatt zu bauen. Er bezahlte rechtmäßig und regelmäßig das Ofen-Geld an die Herrschaft, wie er in seinen Briefen betont [Anm. 2]. Durch den Bau oder Kauf einer eigenen Werkstatt war er wohl Hermann Knütgen ein Dorn im Auge, zumal er in seiner Werkstatt in Vallendar wohl auch die hochwertige „Blaue Ware“ herstellte.
Herman Knütgen duldete anscheinend keine Konkurrenz neben sich und seinen Brüdern. In etlichen Prozessen klagte er gegen Kalb: Immer wieder hätte er (Kalb) an Ostern gebacken und sich nicht an die Zunft-Ordnungen gehalten; auch fürs Holz habe er nichts bezahlt [Anm. 3]. Dabei ist belegt, dass Kalb das Holz in Hilgert kaufte, welches ihm nach Vallendar geliefert wurde [Anm. 4]. Sogar Graf Ludwig von Sayn-Wittgenstein mischte sich mit einem Schreiben ein, dass doch die Unruhe in Vallendar ihn störe und das Schimpfen, Fluchen und Lästern endlich aufhöre. Der Trierische Kurfürst Lothar von Metternich wurde ebenfalls in den Fall einbezogen [Anm. 5]. Und alle wurden von Knütgen gegen Kalb angestachelt. Kalb, der mit Unterlagen beweisen konnte, dass er eine Lehrzeit von sieben Jahren absolviert hatte, war also als Töpfergeselle und nicht mit „Gewalt“ in die Herrschaft gekommen. Immer wieder klagte Kalb darüber, dass seine Familie in Not sei [Anm. 6].
Herman Kalb blieb wohl bis 1618 in Vallendar, da er noch Holz für seinen Ofen nach Vallendar kaufte [Anm. 7]. Ab 1625 wurde er mit dem Ofen-Geld in Grenzhausen aufgeführt [Anm. 8]. Die dauernden Klagen von Knütgen hatten ihn ermüdet. Trotzdem wurde Kalb weiter von ihm angeklagt, kein Ofen-Geld gezahlt zu haben, obwohl Kalb in den Rechnungen regelmäßig mit seinen bezahlten Beträgen aufgeführt wird. Aber in der Grafschaft Wied fühlte er sich wohl sicher gegen Knütgens Attacken. In Grenzhausen baute sich Herman Kalb eine neue Werkstatt auf. Dort ist er nachweislich unter den Einnahmen der Töpfer aufgeführt und hatte dort einen ähnlich großen Ofen wie Meister Menicken. Aber nun wurde er in Grenzhausen von Johann Menicken attackiert, möglicherweise von Bertram Knütgen auf der Messe in Köln angestachelt. Letzterer soll sich laut Kalb auf dem Sterbebett später bei ihm entschuldigt haben [Anm. 9].
Herman Kalb produzierte noch regelmäßig bis 1635 in Grenzhausen. Er dürfte zu dieser Zeit ein ruhigeres Leben geführt haben als in Vallendar. In diesem Jahr verstarb er, und seine Witwe ging wieder zurück nach Vallendar. Die Nachkommen von Herman Kalb waren auch nachweislich bis 1700 nicht mehr in der Grafschaft Sayn-Wittgenstein als Töpfer ansässig.
Anmerkungen:
- Sayn-Wittgenstein-Hohensteinisches Archiv Bad Laasphe V 29. Zurück
- Sayn-Wittgenstein-Hohensteinisches Archiv Bad Laasphe V 29. Zurück
- Sayn-Wittgenstein-Hohensteinisches Archiv Bad Laasphe V 29. Zurück
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden 338-IXI. Zurück
- Sayn-Wittgenstein-Hohensteinisches Archiv Bad Laasphe V-8-1. Zurück
- Landeshauptarchiv Koblenz 1C - 3414. Zurück
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden 338-IXI. Zurück
- Wiedisches Archiv Neuwied 25-11-8. Zurück
- Sayn-Wittgenstein-Hohensteinisches Archiv Bad Laasphe V 29. Zurück