Bibliothek

Karl Marx

Karl Marx (1875); fotografiert von John Mayall jun.

Philosoph, Ökonom, Journalist und Revolutionär. Geb. 5. Mai 1818, gest. 14. März 1883.

Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier als drittes Kind von Heinrich und Henriette Marx geboren. Beide entstammten jüdischen Familien, aber spätestens 1819 konvertierte Heinrich Marx zum Protestantismus, um weiterhin als Anwalt tätig sein zu dürfen. 1824 wurde dann auch Karl Marx mit seinen Geschwistern protestantisch getauft.[Anm. 1] Einige frühere Historiker interpretierten das Verhältnis zwischen Vater und Sohn als angespannt, weil Karl Marx seinen Vater wegen der Konvertierung als prinzipienlosen Verräter angesehen hätte. Doch es gibt mehr als genug Hinweise, dass ein gutes Verhältnis zwischen ihnen bestand,[Anm. 2] und im Grunde war Karl Marx seine jüdische Herkunft zeitlebens egal gewesen.[Anm. 3]

Höchstwahrscheinlich erhielt Karl Marx Privatunterricht und besuchte erst ab 1830 das Gymnasium.[Anm. 4] 1835 schloss er die Schule mit guten, aber nicht herausragenden Leistungen ab.

Karl Marx fing zum Wintersemester 1835/36 ein Jurastudium in Bonn an, besuchte aber auch außerhalb seines Studienfaches Vorlesungen. Im Jahr darauf wechselte er die Universität und setzte sein Jurastudium mit geisteswissenschaftlichem Nebenstudien zum Wintersemester 1836/37 in Berlin fort. Kurz davor verlobte sich Karl Marx heimlich im Herbst 1836 mit der ihm aus der Kindheit bekannten Jenny von Westphalen, was anfangs von beiden Familien aus mehreren Gründen kritisch beäugt wurde.[Anm. 5]

Schon seit der Schulzeit widmete er sich der Poesie, seine Liebe zu Jenny intensivierte seine dichterischen Ambitionen. Erst Ende 1937 würde sich Marx endgültig von der Vorstellung einer dichterischen Karriere verabschieden, nachdem er im Sommer krank gewesen war und seine Gedichte vom „Deutschen Musenalmanach“ abgelehnt wurden.[Anm. 6] Wegen dieser Krankheit war er zur Kur im heutigen Berlin-Stralau, wo er in Kontakt trat zu einem „Doktorclub“, bestehend aus Anhängern Hegels aus Berlin, u.a. Bruno Bauer als Spiritus rector (so etwas wie ein führender Geist), Dr. Adolf Rutenberg und Eduard Gans.[Anm. 7] In Berlin traf er auf eine trotz der Zensur und Repressionen Preußens kulturell lebendige und aufregende Stadt, was seinen weiteren Werdegang maßgeblich beeinflussen würde. Denn spätestens 1839 entschloss sich Karl Marx, da der Vater ihm nach seinem Tod nicht mehr im Weg stand, sich der Philosophie zu verschreiben und seine Doktorarbeit in dieser Disziplin anzufertigen.[Anm. 8] Juli 1841 reichte er seine primär philologische Arbeit „Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie“ bei der Universität Jena ein, primär aus Zeit- und Geldgründen, weil diese Universität wegen ihrer schlecht bezahlten Professoren und verkürzter Promotionsverfahren als „Doktorfabrik“ galt. Politisch war Karl Marx bisher nicht aufgefallen, weshalb das nicht der Grund gewesen sein konnte für sein Ausweichen nach Jena. Wenige Tage nach Einreichen wurde ihm für seine tiefschürfende, anspruchsvolle Arbeit die Urkunde ausgestellt.[Anm. 9] Nach seiner Dissertation folgte Karl Marx dem hegelianischen Theologiedozenten Bruno Bauer nach Bonn, um über ihn eine akademische Karriere in Angriff nehmen zu können. Diese Pläne scheiterten aber, nachdem Bruno Bauer im März 1842 aus dem Dienst entlassen wurde.[Anm. 10]

Wie viele gescheiterte Akademiker seiner Zeit versuchte Karl Marx in der Folge, als Journalist Fuß zu fassen, und schickte seit Mai 1842 Artikel an die „Rheinische Zeitung“ in Köln. Es wäre jedoch verfehlt, Marx‘ Artikel als Journalismus zu bezeichnen, da sie eher an Übungen in angewandter Philosophie erinnern, als an investigativen Journalismus.[Anm. 11] Diese Zeitung publizierte erst seit Anfang des Jahres und wurde anfangs von den preußischen Behörden positiv aufgenommen, weil man sich ein Brechen des lokalen Monopols der katholikenfreundlichen „Kölnischen Zeitung“ erhoffte. Mit dem Erscheinen von immer mehr regierungskritischen Artikeln kam die Zeitung trotz der wirtschaftsliberalen Grundhaltung aber unter den Verdacht, kommunistisch zu sein, bis auf Betreiben Zar Nikolaus‘ I. der Zensurminister am 21. Januar 1843 die Schließung des Blattes bis zum Quartalsende verfügte.[Anm. 12]

Ab Oktober 1842 wurde Karl Marx in den Kreis der Redakteure aufgenommen und schnell Chefredakteur der Zeitung. Unter seinem Einfluss entfernte sich die Zeitung von der antichristlichen Polemik der Junghegelianer aus Berlin und setzte den Fokus mehr auf Artikel, die die Freiheiten des Rheinlandes gegen preußische Einmischung verteidigten, um das rheinische Publikum besser ansprechen zu können. Diese kohärente Zeitungstrategie von Karl Marx, sowie eine infolge der Verbotsgerüchte einsetzende Solidarisierungswelle, multiplizierten die Reichweite der Zeitung und erreichte so auch mehr die unteren Mittelschichten.[Anm. 13] Im Umgang mit der ihm realitätsfremden Mischung aus Atheismus und Kommunismus der Linkshegelianer aus Berlin traf Karl Marx im November 1842 in einer frostigen ersten Begegnung auf Friedrich Engels, den Karl Marx damals zu diesen Berliner Linkshegelianern zählte. Nach seinem Ende als Redakteur der Rheinischen Zeitung im März 1843 beschloss er zusammen mit dem Linkshegelianer Arnold Ruge, eine deutsch-französische linkshegelianische Zeitung in Paris aufzubauen, die „Deutsch-Französischen Jahrbücher“. Bevor er Ende Oktober nach Paris umzog, fand am 19. Juni 1843 noch die Hochzeit von Karl Marx und Jenny von Westphalen in Bad Kreuznach statt.[Anm. 14]

In Paris würde Karl Marx über den Winter 1843/44 zum materialistischen Kommunisten werden, nachdem sich in Preußen die Liberalen, Republikaner und Sozialisten voneinander abspalteten. Während sich 1842 seine Kritik noch auf den „christlichen Staat“ beschränkte, zielte Karl Marx mehr und mehr auf den „modernen“ oder auch „politischen Staat“ ab. Somit kam es auch zum Bruch mit Arnold Ruge bis Mitte 1844, nachdem ihr gemeinsames Projekt fehlgeschlagen war.[Anm. 15] Nichtsdestotrotz wurde am 16. April 1844 nach Erscheinen der Deutsch-Französischen Jahrbücher ein preußischer Haftbefehl gegen u.a. Karl Marx und Arnold Ruge erlassen; Marx war offiziell im Exil. In Paris würde er an anderer Stelle noch publizistisch tätig sein, z.B. mit Beiträgen in der Emigrantenzeitung „Vorwärts!“, bis nach monatelangen diplomatischen Anfragen Preußens Karl Marx und seine Mitarbeiter am 11. Januar 1845 aus Frankreich ausgewiesen wurden.[Anm. 16]

Friedrich Engels (ca. 1868); fotografiert von George Lester

Als Ort des zweiten Exils wählte Karl Marx Brüssel, weil in Belgien Presse- und Vereinsfreiheit garantiert und keine Emigranten wegen politischer Verbrechen ausgeliefert wurden. Für eine Aufenthaltserlaubnis musste Karl Marx aber den Behörden schriftlich zusagen, dass er sich nicht tagespolitischer Publizistik widmen würde, was er anhand eines Vertrages mit einem Verlag für ein ökonomisches Werk „bewies“. 1847 würde der Vertrag wegen Nichteinhaltung seitens Marx vom Verlag gekündigt werden, seine finanziellen Zuschüsse würde der Verlag aber nicht mehr zurückbekommen. Mit seiner Ankunft in Brüssel begann auch die vertiefte Zusammenarbeit mit Friedrich Engels, nachdem dieser mit seinem Werk „Die Lage der arbeitenden Klasse in England“ Aufmerksamkeit auf sich zog. Nach Reisen mit Friedrich Engels nach England beantragte Karl Marx im Oktober 1845 beim Oberbürgermeister von Trier die Ausbürgerung, weil er nach Amerika auswandern wollen würde. In Wirklichkeit erhoffte sich Marx davon, dass die preußische Beschattung abnehmen würde. Ab Dezember 1845 war er somit offiziell staatenlos, und würde es auch sein Leben lang bleiben.

Die wohl bekannteste zeitgenössische Publikation von Karl Marx zu der Zeit wurde eine Entgegnung zu dem Werk des bekannten französischen Sozialisten Pierre-Joseph Proudhon „Système des contradictions économiques ou philosophie de la misère“, für welche er den Originaltitel umdrehte: „Misère de la philosophie. Réponse a la philosophie de la misère de M. Proudhon“. Mit diesem Werk wollte Karl Marx 1847 den französischen Sozialisten als überlegener Theoretiker erscheinen. Gleichzeitig sollte das auch rächen, dass Pierre-Joseph Proudhon Anfang 1846 dem von Karl Marx und Friedrich Engels geplanten Korrespondenznetzwerk eine Absage erteilt hatte. Dieser Plan eines Netzwerkes mit Zentrum in Brüssel, in welchem sich Sozialisten über Aktivitäten untereinander austauschen sollten, sollte scheitern, da nur in London vom ansässigen Bund der Gerechten eine Zweigstelle erfolgreich gegründet werden konnte.

Trotz eines Eklats im März und Mai 1846 mit Wilhelm Christian Weitling, einem bedeutenden kommunistischen Theoretiker, kam es zu einem Abkommen zwischen dem Bund der Gerechten und Karl Marx mit Friedrich Engels zur Reorganisierung des Bundes im November 1846. Beim ersten Reorganisationskongress im Juni 1847, in welchem die berühmte Parole „Proletarier aller Länder, vereinigt euch!“ entstand, nahm Karl Marx noch nicht teil. Doch beim zweiten Reorganisationskongress Ende 1847 konnte Marx als bedeutender Theoretiker den nun umbenannten Bund der Kommunisten (BdK) in seinen Statuten beeinflussen und im Nachhinein den programmatischen Text schreiben. Dieser unter Mithilfe von Friedrich Engels im Januar 1848 geschriebene Text würde in die Geschichte eingehen als das „Manifest der Kommunistischen Partei“.[Anm. 17]

Parallel dazu beteiligte sich Karl Marx im August 1847 an der Bildung eines „Deutschen Arbeiterbildungsvereins“, angelehnt an dem aus London, und nahm maßgeblichen Einfluss auf diesen. Mit zunehmendem Druck der preußischen Regierung und der wachsenden Revolutionsgefahr nach der Februarrevolution in Frankreich wies die belgische Regierung am 1. März 1848 Karl Marx und andere aus, offiziell mit der Behauptung, dass Karl Marx Waffen kaufen wollte. Wenige Tage danach kehrte Karl Marx nach Paris zurück, was von der provisorischen Regierung nach seiner Ankunft unterstützt wurde.

Einen Monat lang blieb er in Paris und betrieb Agitationsarbeit, nachdem die Führung des BdK von London über Brüssel nach Paris übertragen wurde. Am 5. April verließ Karl Marx Paris, um die geplante „Neue Rheinische Zeitung“ in Köln unter seine Kontrolle zu bringen, nachdem andere aus dem Bund mit den abgeschwächten „Forderungen der kommunistischen Partei“ in die deutschen Staaten gingen. Nachdem er am 26. Mai 1848 Chefredakteur der Zeitung wurde, widmete er sich völlig der Sicherung der Zeitung, indem er zur Anwerbung von Aktionären und Abonnenten durch Nordwestdeutschland und nach Wien reiste. Trotz des Pathos dieser Zeitung, für die rheinische Arbeiterschaft zu sprechen, war sie doch eher an Intellektuelle gerichtet, und die Lage der rheinischen Arbeiterschaft wurde kaum behandelt. Trotz der beachtlichen Auflage scheiterte letztendlich dieser Aufbau einer bürgerlichen Existenz von Marx nicht zuletzt wegen seiner Ausweisung. Neben diesen Aktivitäten war er auch politisch in Köln tätig, aber nicht für den BdK, sondern im neugegründeten Kölner Arbeiterverein, der durch seinen Leiter Andreas Gottschalk eine breite Anhängerschaft gewann. Nachdem Andreas Gottschalk in Haft kam und seine Nachfolger ähnlich von der Leitung abgehalten wurden, übernahm Karl Marx im Oktober 1848 die Führung, um seine eigene revolutionäre Taktik, auch nachdem Andreas Gottschalk im Dezember 1848 aus der Haft entlassen wurde, durchzusetzen. Durch diesen Machtkampf verlor der Arbeiterverein einen Großteil seiner Mitglieder, und Karl Marx tat nichts, um den sterbenden Verein zu retten. Am 11. Mai 1849 verfügten die Behörden die Ausweisung von Karl Marx mit Drohungen gegen Friedrich Engels und Mitarbeiter, und nach mehreren Zwischenstopps in den deutschen Staaten, um Einfluss auf die Ereignisse zu nehmen, kehrte Karl Marx am 2./3. Juni 1849 nach Paris zurück. In Paris blieb er in der Beobachterrolle, bis ihm nach seiner Ablehnung, in der Bretagne zu wohnen, im August 1849 die Ausreise nach London freigestellt wurde. Im November 1849 schloss sich Friedrich Engels Karl Marx im Londoner Exil an.

Das Exil bedeutete für Karl Marx und seine Frau sehr lange elendige Armut, wegen welcher viele ihrer Kinder verstarben und sich langfristige gesundheitliche Beschwerden bildeten. Vor allem Friedrich Engels unterstützte die Familie künftig finanziell, nachdem er in das Firmengeschäft seiner Familie einstieg. Das änderte aber nichts an dem Bedürfnis von Karl Marx, einen Anschein von Respektabilität nach außen hin zu bewahren, weshalb auch u.a. eine Haushälterin unterhalten und regelmäßig bei Freunden und Verwandten um Geld gebeten wurde. Wegen der Unregelmäßigkeit seiner Einnahmen und seinen Ansprüchen, so beschrieb es ein österreichischer Polizeispitzel, lebte die Familie „zwischen Champagner und Pfandhaus“. Eine Kontroverse aus diesem Lebensabschnitt, die nach seinem Tod die Führer der Arbeiterbewegung beschäftigen würde, ist die Aussage der letzten Haushälterin von Friedrich Engels zu August Bebel drei Jahre nach dem Tod von Friedrich Engels, dass das 1851 geborene uneheliche Kind der Haushälterin von Karl Marx tatsächlich von Karl Marx war. Dieser Umstand wurde unter Verschluss gehalten und erst 1962 publik.[Anm. 18]

Auf politischer Ebene kam es im September 1850 aufgrund eines Streites um die zukünftige Taktik zur Spaltung des BdK. Nur eine kleine Gruppe von 15 bis 20 Kommunisten blieb Marx nach der Abspaltung treu, u.a. Wilhelm Liebknecht, welche sich einmal pro Woche in einem Pub trafen. Am 17. November 1852 löste er dann auch diese Partei formal auf. An sich leistete sich Karl Marx in den folgenden Jahren trotz seiner relativen Isolation schmutzige Grabenkämpfe in der internationalen Emigrantenszene, welche die Vorwürfe verständlich erscheinen lassen, er hätte Emigranten an Spione denunziert; wahrscheinlicher ist es aber, dass er nicht wusste oder glauben wollte, dass seine Texte über die Emigrantenszene bei Spionen landeten, welche das gesamte deutsche Emigrantenmilieu in London durchzogen.  Immerhin setzte er sich stark im Kölner Kommunistenprozess seit Oktober 1852 ein und bewies u.a. die Fälschung von Beweismitteln. Nach der Verurteilung der Angeklagten veröffentlichte Karl Marx seine Materialien zur Entlastung derer im Buch „Enthüllungen über den Kommunistenprozess zu Köln“. Ansonsten war Karl Marx seit Ende 1852 ein Jahrzehnt lang als Korrespondent vor allem für die „New York Tribune“ tätig, was für seine intellektuelle Biographie von großer Bedeutung ist. Wegen seiner anderen Tätigkeiten half ihm hierbei wieder Friedrich Engels, ungefähr ein Viertel aller eingesendeten Artikel ist tatsächlich von Friedrich Engels geschrieben worden.[Anm. 19]

Wichtige Publikationen seiner ersten Exilzeit in London umfassen zum einen das Werk „Der achtzehnte Brumaire des Louis Bonaparte“, in welchem Karl Marx eine Analyse der Bedingungen für den Staatsstreich des französischen Präsidenten Napoleon III. zum Kaiser der Franzosen unternahm.[Anm. 20] Zum anderen ist von großer Bedeutung ein 1859 erschienenes Ergebnis seiner Ökonomiestudien, nämlich das Werk „Zur Kritik der politischen Ökonomie. Erstes Heft.“, welches sich zwar gut verkaufte, aber nicht so propagandistisch verwertbar war wie erhofft.[Anm. 21]

Bedeutsam wurde es dadurch, dass die Fortsetzung davon das ökonomische Hauptwerk von Karl Marx werden würde, nämlich das 1867 erschienene „Das Kapital. Kritik der politischen Ökonomie. Erster Band.“ So wissenschaftlich es auch die Grundsätze und Widersprüche des Kapitalismus offenlegte, das Werk wurde von Anfang an von Marx und befreundeten Kommunisten als Waffe gegen das kapitalistische System angesehen, auch wenn eine tiefergehende Beschäftigung mit dem Werk zunächst selten stattfand. Nach mehreren Werbekampagnen von Friedrich Engels und ihrer Rezeption in der Arbeiterbewegung erschienen in den 1870er-Jahren weitere Auflagen und Übersetzungen, so auch 1872 eine russische Ausgabe. Neben dem ersten Band des Kapitals vollendete Karl Marx kein weiteres großes Werk mehr.[Anm. 22]

Karl Marx (1861); sein ältestes Foto von Richard Beard.

Dafür war er aber auf politischer Ebene nach längerer Isolation von der Arbeiterbewegung in den 1860er Jahren wieder aktiv geworden, nachdem er im Streit um die Verleumdungen von Carl Vogt 1860 ein neues Beziehungsnetz aufbauen konnte.[Anm. 23] Maßgeblich beschäftigten Karl Marx seine Tätigkeiten für die sich seit 1862 in Planung befindende Internationale Arbeiterassoziation (IAA), dessen Gründungsversammlung am 28. September 1864 stattfand. Auf dieser wurde Karl Marx in das provisorische Lenkungsgremium gewählt, über welche er die provisorischen Statuten der IAA neu formulierte und auch die „Inauguraladresse“ als Manifest an die Arbeiter Europas schreiben durfte. Diese formulierte nicht wie im Kommunistischen Manifest Aufrufe dazu, die Gesellschaftsordnung umzustürzen, und war eher dazu da, für verschiedene Spielarten des Sozialismus attraktiv zu sein, um mehr Parteien und Organisationen für die IAA zu gewinnen. Karl Marx hatte auch danach noch großen Einfluss auf die IAA, das lag aber weniger an seinem Amt des korrespondierenden Sekretärs für Deutschland, sondern daran, dass er im Vergleich zu anderen berufstätigen IAA-Mitgliedern Zeit hatte. Kombiniert mit seiner Autorität als herausragender Wissenschaftler, spätestens mit der Veröffentlichung seines Hauptwerkes, wurde ihm das Schreiben so gut wie aller öffentlichen Erklärungen überlassen. Dennoch konnte die IAA nicht Fuß fassen, auch wenn sich die 1869 gegründete Sozialdemokratische Arbeiterpartei (SDAP) offiziell zum Zweig der IAA erklärte. Die SDAP konnte sich so das Prestige der IAA sichern, aber da diese Erklärung keine Mitgliedschaft bedeutete, sammelte die IAA keine Mitgliedschaftsbeiträge über die Parteimitglieder. Einfluss und Gefährlichkeit wurden deshalb von Verbündeten und Gegnern gleichermaßen übertrieben.

Zum Ausbruch des Deutsch-Französischen Krieges formulierte Karl Marx verschiedene Erklärungen für die IAA, in welchen er Frankreich als den klaren Aggressor bezeichnete und beschrieb, dass ein deutscher Sieg von Vorteil wäre. Gleichermaßen mahnte er aber auch vor einer Annexion Elsass-Lothringens und riet dem französischen Proletariat, sich nicht in revolutionäre Abenteuer zu verstricken.

Solch ein revolutionäres Abenteuer fand vom 18. März 1871 bis zur blutigen Niederschlagung am 28. Mai 1871 in Paris statt, nämlich die Pariser Kommune. Persönlich war Karl Marx von Anfang an skeptisch eingestellt und dachte, er wisse natürlich, welche Fehler von den Kommunarden begangen wurden. Andererseits bewunderte er aber auch ihre Kampf- und Opferbereitschaft. Öffentlich äußerte er sich über die zwei Tage nach Niederschlagung beschlossene Erklärung „The Civil War in France“ des Generalrates der IAA, die am 13. Juni 1871 publiziert wurde. Schnell offenbarte Karl Marx, dass er der Autor dieser Anprangerung der französischen Regierung als verräterische und korrupte Bande war, und wurde durch daran angebundene Regierungs- und Pressekampagnen so international bekannt wie noch nie zuvor.

Innerhalb der IAA kam es in der Zeit zu internen Machtkämpfen zwischen Karl Marx und dem Anarchisten Michail Aleksandrovič Bakunin, welche 1872 in der Spaltung der IAA eskalierten. Karl Marx war damals die Spaltung und somit das Ende der IAA lieber, als dass die IAA in die seiner Ansicht nach falschen Hände gerate. 1876 wurde die IAA formal aufgelöst, nachdem sie wegen jahrelanger Unterdrückung nicht mehr legal operieren konnte. Faktisch bedeutete das das Ende von Karl Marx als Politiker, auch wenn er noch Einfluss nehmen wollte auf die Vereinigung des Allgemeinen Deutschen Arbeitervereins (ADAV) und der SDAP zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) 1875 mit den „Randglossen zum Programm der deutschen Arbeiterpartei“ an die Parteiführung.[Anm. 24]

In seinen letzten Jahren scheiterte Karl Marx an seinen eigenen Ansprüchen, die weiteren Bände des Kapitals zu vollenden, und stürzte sich in das Studium anderer Bereiche. Neben seinen körperlichen Leiden musste er noch schwerwiegende Verluste ertragen, so den Tod seiner Frau Dezember 1881 und den Tod seiner Tochter Jenny im Januar 1883.

Am 14. März 1883 brach er in seinem Arbeitszimmer zusammen. Friedrich Engels fand ihn am Nachmittag verstorben vor.

Friedrich Engels steckte seine ganze Energie nach seinem Tod in die Pflege und Verbreitung des Werkes von Karl Marx und vollendete auch die letzten zwei Bände des Kapitals auf Grundlage der Notizen von Karl Marx 1885 und 1894.[Anm. 25]

Als Philosoph, Journalist, Revolutionär und Ökonom erfuhr Karl Marx zeitlebens und seit seinem Tod ein kontroverses Urteil. Historiker wie Jonathan Sperber ordnen ihn ein als Figur einer vergangenen historischen Periode, die immer weniger aktuell sei, und sehen ihn nicht als vorausschauenden Interpreten der historischen Tendenzen, sondern als rückwärtsgewandten Menschen.[Anm. 26] Andere Historiker wie Rolf Hosfeld räumen zwar ein, dass sein Werk einen bemerkenswerten theoretischen Zugang zum Verständnis der Widersprüche des Kapitalismus liefere, betonen aber auch, dass das Jahr 1989 eindeutig seine Grundirrtümer in politischer und geschichtstheologischer Hinsicht offengelegt hätte.[Anm. 27] Und Historiker wie Gareth Stedman Jones halten fest, dass der Karl Marx, den die Feinde und Anhänger des 20. Jahrhunderts erschufen, nur eine zufällige Ähnlichkeit mit dem Karl Marx habe, der im 19. Jahrhundert lebte und wirkte.[Anm. 28]

Jedenfalls wird Karl Marx voraussichtlich auch in Zukunft noch eine einflussreiche Persönlichkeit bleiben. Nicht nur wegen der politischen Parteien, die sich noch heute auf seine Theorien beziehen, sondern auch wegen der verfälschenden Nutzung seiner Theorien als staatliche Legitimationsideologie für autokratische und totalitäre Regime, wie es der Philosoph Herbert Marcuse schon 1958 für die Sowjetunion beschrieben hatte.[Anm. 29]

Verfasser: Dennis Wambolt

Literaturverzeichnis:

  • Hosfeld, Rolf: Karl Marx. Philosoph und Revolutionär. Eine Biographie. München 2018.
  • Marcuse, Herbert: Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus. Hrsg. von Heinz Maus und Friedrich Fürstenberg. Neuwied [u.a.] 1964 (Soziologische Texte, Bd. 22).
  • Nippel, Wilfried: Karl Marx. München 2018.
  • Sperber, Jonathan: Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert. Übers. von Thomas Atzert. München 2013.
  • Stedman Jones, Gareth: Karl Marx. Die Biographie. Über. von Thomas Atzert und Andreas Wirthensohn. Frankfurt a. M. 2017.

Erstellt am: 14.04.2022

Anmerkungen:

  1. Vgl. Nippel, Wilfried: Karl Marx. München 2018, S. 9f. Zurück
  2. Vgl. Sperber, Jonathan: Karl Marx. Sein Leben und sein Jahrhundert. Übers. von Thomas Atzert. München 2013, S. 31. Zurück
  3. Vgl. Nippel, Marx, S. 10. Zurück
  4. Vgl. Sperber, Marx, S. 38. Zurück
  5. Vgl. Nippel, Marx, S. 10f. Zurück
  6. Vgl. Stedman Jones, Gareth: Karl Marx. Die Biographie. Über. von Thomas Atzert und Andreas Wirthensohn. Frankfurt a. M. 2017, S. 57f; 63. Zurück
  7. Vgl. ebd., S. 82; 85; vgl. Nippel, Marx, S. 11. Zurück
  8. Vgl. Stedman Jones, Marx, S. 74; 89. Zurück
  9. Vgl. Nippel, Marx, S. 12f. Zurück
  10. Vgl. Stedman Jones, Marx, S. 115f. Zurück
  11. Vgl. Stedman Jones, Marx, S. 136. Zurück
  12. Vgl. Nippel, Marx, S. 13f. Zurück
  13. Vgl. Stedman Jones, Marx, S. 146f. Zurück
  14. Vgl. Nippel, Marx, S. 16f. Zurück
  15. Vgl. Stedman Jones, Marx, S. 152f; 160. Zurück
  16. Vgl. Nippel, Marx, S. 18–20. Zurück
  17. Vgl. Nippel, Marx, S. 27–36. Zurück
  18. Vgl. ebd., S. 41–64. Zurück
  19. Vgl. ebd., S. 69–80. Zurück
  20. Vgl. ebd., S. 66f. Zurück
  21. Vgl. ebd., S. 83–85. Zurück
  22. Vgl. ebd., S. 114–119. Zurück
  23. Vgl. ebd., S. 92f. Zurück
  24. Vgl. ebd., S. 97–112. Zurück
  25. Vgl. ebd., S. 119–122. Zurück
  26. Vgl. Sperber, Marx, S. 9. Zurück
  27. Vgl. Hosfeld, Rolf: Karl Marx. Philosoph und Revolutionär. Eine Biographie. München 2018, S. 192f; 222. Zurück
  28. Vgl. Stedman-Jones. Marx, S. 719. Zurück
  29. Vgl. Marcuse, Herbert: Die Gesellschaftslehre des sowjetischen Marxismus. Hrsg. von Heinz Maus und Friedrich Fürstenberg. Neuwied [u.a.] 1964 (Soziologische Texte, Bd. 22), S. 31f. Zurück