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Texwindis von Andernach

Klostervorsteherin und Reformerin, geb. vor 1100, gest. wohl nach 1152

Straßenschild der Texwindisstraße in Andernach. Foto: Bianca Walther CC-BY-SA 3.0

Texwindis (auch Tenxwind, Teghwind oder Tenxwich von Andernach) wurde vermutlich um 1090-1100 geboren. Sie war die Tochter des pfalzgräflichen Ministerialen Ruker und seiner Frau Benigna von Daun. Ministeriale waren Verwalter im Dienst adliger Herren und gehörten zwar einer unfreien, aber im Aufstieg begriffenen Schicht an, aus der später der niedere Adel hervorgehen sollte.

Nach Rukers Tod um das Jahr 1100 eröffnete Benigna auf dem Gut Thermunt im Kondelwald ein Kanonikerstift (später: Kloster Springiersbach). Diese Stifte waren Teil einer Reformbewegung, die sich unter anderem gegen einen als zu ausschweifend empfundenen mönchischen Lebensstil abgrenzte. Die Stiftsherren oder Regularkanoniker waren selbst keine Mönche, lebten aber in mönchsähnlicher Gemeinschaft und richteten sich nach einer Ordensregel. Anders als in den meisten Klöstern jener Zeit galt in Thermunt die Augustinerregel, die strenge Fasten-, Arbeits- und Schweigegebote enthielt, ferner das Gebot der Armut und Brüderlichkeit.

Vermutlich gab es in dem Konvent schon früh eine Frauengruppe, in der auch Texwindis aufwuchs. In jedem Fall erhielt die junge Frau eine umfassende Ausbildung: Als spätestens 1118 ihr Bruder Richard die Leitung des Konvents übernahm, wird sie in den Annalen als dessen „leibliche Schwester und Schwester im Geiste“ bezeichnet; ihr werden eingehende Kenntnisse der kanonikalen Regeln zugeschrieben.

Wohl 1128 wurde das mittlerweile stark angewachsene Springiersbacher Frauenstift vor die Tore der Stadt Andernach verlegt. Texwindis wurde die erste Meisterin (magistra). Sie war jedoch mehr als nur Klostervorsteherin: Als Teil einer klösterlichen Reformbewegung beteiligte sie sich auch an den reformpolitischen Debatten ihrer Zeit – und das offenbar durchaus engagiert. Irgendwann zwischen 1147 und 1153 (wahrscheinlich zwischen 1148 und 1150) suchte sie dabei auch die Diskussion mit einer berühmten Zeitgenossin: Hildegard von Bingen (1098-1179).

TEXWINDIS UND HILDEGARD

Hildegard von Bingen hatte um 1150 – also in dem Zeitraum, in den der Briefwechsel mit Texwindis fällt – ein Kloster auf dem Rupertsberg bei Bingen gegründet. Texwindis sah zwei Dinge dort kritisch: dass die Nonnen auf dem Rupertsberg bei ihren Festtagsgottesdiensten Schmuck und seidene Schleier trugen und dass Hildegard nur adlige Frauen in ihren Konvent aufnahm. Hatte Paulus in seinem Timotheusbrief nicht ausdrücklich verboten, dass Frauen sich prunkvoll kleideten und schmückten? Und wie vertrug sich die Verweigerung der Aufnahme Armer und Unfreier mit Christi Lehre und der Praxis der Urkirche, in der auch einfache Fischer willkommen waren?

Hildegard antwortete brüsk: Das Schamhaftigkeitsgebot des Apostels Paulus gelte nur für Ehefrauen. Selbst jene dürften sich schmücken und in maßvollem Prunk kleiden, wenn der Ehemann es so wünschte. Ganz ausgenommen seien dagegen die Jungfrauen, denn sie seien „im Heiligen Geist und in der Morgenröte der Jungfräulichkeit der Unschuld vermählt“. Und: Selbstverständlich nehme sie nur Adlige auf, denn „Gott unternimmt auch bei jeder Person eine genaue Unterscheidung, so daß der geringere Stand nicht über den oberen steigt. […] Und welcher Mensch sperrt seine ganze Herde in einen Stall, also Rinder, Esel, Schafe, Böcke, so daß sie sich nicht unterscheiden?“

Hildegard verstand die Ordnung der Stände als göttliche Ordnung, bemühte zur Erläuterung der Verschiedenheit von Adligen und Menschen niederen Standes gar den Vergleich von Engeln und Menschen. Eine Bibelstelle konnte sie zur Rechtfertigung freilich nicht angeben.

Ein theologischer Streit

Nach Hildegards Antwort sind keine weiteren Kontakte zwischen den beiden Frauen belegt. Wahrscheinlich war es Texwindis auch nicht darum gegangen, die prominente Kollegin zu überzeugen. Dieser Illusion dürfte sie sich kaum hingegeben haben. Allerdings hatte die Andernacherin jeden Grund, Hildegard gegenüber mit Selbstvertrauen aufzutreten: Ihr Konvent war unter ihrer Leitung sehr schnell sehr stark angewachsen; als Klostervorsteherin war Texwindis also durchaus erfolgreich. Schon 1138 – zehn Jahre nach der Gründung – hatte der Trierer Erzbischof die Mahnung wiederholt, dass die Zahl der aufgenommen Frauen auf 100 zu begrenzen sei. Zahlreiche Zustiftungen sicherten den Lebensunterhalt der Frauen, darunter Güter in Trimbs und Thür sowie verschiedene Besitzungen, die Familien von eintretenden Töchtern dem Kloster überließen.

Über Texwindis‘ weiteren Lebensverlauf ist dennoch so gut wie nichts bekannt. Es wird vermutet, dass ihr Todestag auf einen 22. April fiel und dass sie 1152 noch lebte. Ein genaues Todesdatum ist ebenso wenig überliefert wie ein Geburtsdatum oder ein Bildnis.

Irgendwann nach ihrem Tod änderte das Kloster seine Ausrichtung. Als "Abtei St. Thomas" blieb es bis 1802 erhalten; an seiner Stelle befindet sich nun die St. Thomas Realschule plus. Nur eine Kapelle aus dem 13. Jahrhundert und der alte Wehrturm der Klostermauer – später ein Wasserturm – sind von den Gebäuden noch erhalten.

An Texwindis erinnert in Andernach heute eine Straße in der Südstadt – wenige hundert Meter entfernt vom Ort des alten Klosters.

Eine ausführlichere Fassung dieses Artikels findet sich in Bianca Walthers Blog.

Nachweise

Verfasserin: Bianca Walther

 

Literatur:

Haverkamp, Alfred: Tenxwind von Andernach und Hildegard von Bingen. Zwei ‚Weltanschauungen‘ in der Mitte des 12. Jahrhunderts, in: Institutionen, Kultur und Gesellschaft im Mittelalter. Festschrift für Josef Fleckstein zu seinem 65. Geburtstag, Sigmaringen 1984, S. 515-548.

Pauly, Ferdinand: Springiersbach. Geschichte des Kanonikerstifts und seiner Tochtergründungen im Erzbistum Trier von den Anfängen bis zum Ende des 18. Jahrhunderts, Trier 1962.

Rosen, Wolfgang: Hildegard von Bingen und Texwindis von Andernach. Zwei Konventsvorsteherinnen streiten sich über das rechte Klosterleben, in: Andernacher Annalen 3 (1999/2000), S. 5-25.

Die übersetzten Zitate sind dem Artikel von Wolfgang Rosen entnommen, der sich auf Hartmut Boockmann: Das Mittelalter. Ein Lesebuch aus Texten und Zeugnissen des 6. bis 16. Jahrhunderts, München 1989, S. 81-84 stützt.

Ich danke Mirco Lange (Köln) und dem Historischen Verein Andernach e.V. für die freundliche Überlassung von Literatur.