Hochscheid im Hunsrück

Frühkeltische Fürstengräber von Hochscheid „Fuckerichsheide“

Hochscheid, Kr. Bernkastel-Wittlich

Zu besichtigen: heute ist nur noch ein Grabhügel (Hügel 1 der Grabhügelgruppe nördlich der Hunsrückhöhenstraße) zu erkennen. Etwa 40 südlich dieses Hügels verläuft in West-Ost-Richtung ein Straßendamm, vermutlich die Römerstraße Trier-Koblenz. Die großen Grabhügelfelder um die Halsterer Höhe liegen 1,6-3 km nordwestlich.

Anfahrt: Auf der B327 von Koblenz nach Trier, nördlich der B327, kurz vor der Kreuzung Kleinich und Hochscheid.

 

Auf der Hochfläche in der Flur „Hochgerichtsheide“ im Bereich der Wasserscheide zwischen Mosel und Nahe befand sich eine gegenüber den großen Grabhügelfeldern isolierte Grabhügelgruppe. In den Jahren 1974 bis 1975 wurden fünf Grabhügel untersucht. Unter vier der bis zu 25 m breiten und etwa 1 m hohen Grabhügeln fanden sich großen Holzkammern mit überdurchschnittlich ausgestatten Kriegergräbern. Unter vier der bis zu 25 m breiten und ursprünglich etwa 2 m hohen Grabhügeln fanden sich Holzkammern mit überdurchschnittlich ausgestatten Kriegergräber.

Eine der Bestattungen war antik beraubt worden. Glücklicherweise übersahen die Grabräuber eine Goldzierscheibe von außergewöhnlicher Qualität. Zu den Beigaben des Grabes zählen eine bronzene Schnabelkanne und eine eiserne Gürtelgarnitur mit reicher Durchbruchsornamentik, das Meisterwerk eines frühkeltischen Kunstschmiedes, der auch die Goldscheibe hergestellt hatte.

In einem weiteren Grab fand sich ein schwer bewaffneter Krieger ausgestattet mit einem eisernen Langschwert, einem langen Hiebmesser, drei Lanzen, Schild und Pfeilspitze.

Zu den Spitzenprodukten keltischer Waffenschmiede gehört das Schwert mit korallemverzierten Griff und reich verzierte Bronzescheide. Gepunzte Ornamentkompoitionen zeigen katzenartige Tiere und pflanzenartige Darstellungen.

Der vierte Grabhügel barg eine weitere etruskische Schnabelkanne. Dem mit Hiebmesser und Lanzen- und Pfeilspitzen Bestatten waren bronzene Gewandspangen von hoher Kunstfertigkeit mit in das Grab gegeben worden.

Durch die Beigabe etruskischer Schnabelkannen wird die weit verzweigte Handelsbeziehung bis nach Norditalien hin sichtbar. Zweifellos sind in den Grabhügeln Angehörige des frühkeltischen Adels bestattet. Die Hochscheider Kriegergräber wurden zwischen 450 und 400 v. Chr. angelegt. Frauengräber fanden sich unter den Prunkbestattungen nicht. Wenn auch die Hochscheider Gräber bescheidener ausgestattet sind als die reichen frühkeltischen Prunkbestattungen der Pfalz und des Saarlandes, so sind doch die Größe der Hügel und der Grabkammern, die Distanzierung zur Hauptnekropole und die besonders qualitätvollen Beigaben sichere Indizien für die herausragende soziale Stellung der hier bestatteten Krieger.

Auf dem gleichen Höhenrücken erstreckt sich 1500 m west­lich ein größeres Hügelgräberfeld. Es darf wohl als Haupt­friedhof jener Gemeinschaft angesehen werden, deren herausgehobene Repräsentanten die abgesondert beigesetzten Krieger waren.

Durch die Beigabe einer etruskischen Bronzeschnabelkanne wird die weit verzweigte Handelsbeziehung bis nach Norditalien hin sichtbar. Zu Beginn des 5. Jahrhunderts verstärkte sich das Interesse der Etrusker auf die Handelsrouten entlang des Oberrheins und des Mittel­rheingebietes. Der Weg an den Rhein verlief über die Alpen durch das Tessin.

Deutliche Hinweise auf den Handel sind bronzene Schnabelkannen aus Etrurien. Die Schnabelkannen lassen erstmals an einen gezielten Handel mit mediterranem Bronzegeschirr denken. Die Produktionsweise der Kannen spricht für einen gezielten Export. Die Gefäße wurden in Oberitalien zunächst in zwei, später nur noch an einem Ort hergestellt, in der etruskischen Stadt Vulci, einem Zentrum der Bronzeverarbeitung. Die Herstellungstechnik der Schnabelkannen beweist hohes handwerkliches Niveau. Nachlässig gearbeitete Details, beispielsweise sind Henkelattaschen oft schief angebracht,  deuten eine gesteigerte Massen- und Serienproduktion an.

Im Mittelrheingebiet wurden die meisten Stücke gefunden, die Kannen gehörten zur Standardausstattung in den Elitegräbern. Zwischen Mosel, Saar und Nahe wurden zwischen 475 und 350 v. Chr. die bedeu­tendsten Elitegräber der Jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur angelegt. Über den Aufschwung dieser sozialen Eliten ist viel gerät­selt worden. Sicherlich war er aber nicht nur den Bodenschätzen zu verdanken, dem Gold und vor allem den reichen Eisenvorkommen. An erster Stelle steht der etruskische Zinn­handel, in dem die mittelrheinischen Kelten als Zwischenhändler für die Bewohner zwischen Aisne und Marne (der heutigen Champagne) tätig waren. Niemand in Italien konnte zu dieser Zeit ein größeres Interesse an Zinn haben als die etruskische »Bronzeindustrie«.

Aufgrund der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen entwickelte sich ein enger Austausch in diesem »Marne-Mosel-Kreis«, der sich in einer Reihe von über­einstimmenden kulturellen Merkmalen äußert.

Siedlungen, die den süddeutschen Zentralorten des Westhallstattkreises auch nur annähernd vergleichbar wären, fehlen im Mittelrheingebiet. Einige gegen 500 v. Chr. entstan­dene Burgen sind so fundarm, dass sich ihre Bedeutung nicht recht abschätzen lässt. Einer kulturellen Entwicklung zu urbanen Lebensformen hätte weder hier noch anderswo etwas im Wege gestanden. Die Urbanisierung wurde möglicherweise nicht angestrebt.

 

M. Thoma

 

Literatur

A. Haffner, Die frühlatenezeitlichen Fürstengräber von Hochscheid im Hunsrück. Trierer Zeitschrift 55, 1992, 25-103; H. Nortmann, Zur frühlatenezeitlichen Gürtel­garnitur von Hochscheid. In: Chronos. Festschrift B. Han­sel. Internat. Arch. Studia honoraria 1 (Espelkamp 1997) 711-718; R. Echt, Das Fürstinnengrab von Reinheim. Saarbrücker Beitr. Altkde. 69 (Bonn 1999) 297-298 Nr. 17-18. H. Nortmann, Hochscheid, Kr. Bernkastel-Wittlich, Eisenzeitliche Prunkgrabgruppe „Hochgerichtsheide“. In: J. Kunow, H.-H. Wegner (Hrsg.). Urgeschichte im Rheinland (Köln 2006) 363-364.