Engelstadt in Rheinhessen

Dorfbrunnen

Der einzige noch erhaltene Dorfbrunnen von Engelstadt[Bild: Angela Göbel]

Ursprünglich hat die Gemeinde Engelstadt mehrere Brunnen besessen. Vorteilhaft war dafür die topographische Begebenheit des Ortes, der sich in einer Mulde befindet. Während der „Klappesborn“ und der „Hövelbach“ inzwischen verschwunden sind, existiert noch ein Röhrenbrunnen. Obwohl er laut Inschrift 1865 datiert ist, kann man davon ausgehen, dass er in Realität viel älter ist und in dem angegebenen Jahr nur renoviert wurde. Man bedient sich seines Wassers, welches aus der Richtung von Nieder-Hilbersheim aus einem Hang herbeifließt, um unter anderem die Weinberge zu bespritzen.[Anm. 1] Heute wird er als Dorfbrunnen genutzt. Er steht vor einer gemauerten Wand und besteht aus Sandstein in Form eines wannenförmigen Troges. Dieser Röhrenbrunnen ist einer der letzten seiner Art in Rheinhessen, der von der traditionellen, ländlichen Wasserversorgung zeugt und deshalb sehr bedeutsam.[Anm. 2] Der verschwundene „Klappesborn“ soll seinen Platz an einem Hang gehabt haben. Jedoch berichten ältere Einwohner, dass er sich an der Straße in Richtung Nieder-Hilbersheim befunden habe. Die Quellen scheinen jedoch übereinstimmend von einer Legende zu berichten, die besagt, dass aus diesem Brunnen neugeborene Kinder gekommen seien. So erzählen die Erinnerungen der Familie Kappesser, einer wohlhabenden Bauernfamilie aus Engelstadt, die Geschichte des kleinen „Hanjorg“: er habe „als Knabe am Klappesborn beim Wasserholen den Krug zerbrochen und [sei] im Schrecken darüber weggelaufen […], [und blieb] auch von da an verschwunden […]“[Anm. 3] Dieses Ereignis wird dem Jahr 1798 zugeschrieben. Aber die Legende endet nicht hier. Nach fünfzehn Jahren soll, der inzwischen erwachsene, „Hanjorg“ 1813 gekleidet in einer abgenutzten französischen Uniform in sein Heimatdorf zurückgekommen sein. Man merkte ihm seinem Verhalten die lange Abwesenheit nicht an. Ebenso vermutete man aufgrund seiner Äußerungen und wegen fehlender Papiere, dass er sich bei der deutschen Armee beworben, dabei aber in eine französische Gefangenschaft gekommen, schließlich als französischer Soldat an Napoleons Feldzüge in Ägypten und in Spanien teilgenommen habe. Letztendlich sei er noch in eine englische Gefangenschaft geraten. Da er sich nicht ausweisen konnte, war er auf die Unterstützung der Engelstädter angewiesen. Diese fand er wohl in der Familie Kappesser in der er „als eine Art Erbstück angesehen, am Tisch und im Winter auf einem warmen Plätzchen hinter dem Ofen geduldet“.[Anm. 4]

Die „Hövelbach“ oder „Hewwelbach“ ist heute eine im Volksmund so genannte Sackgasse im Unterdorf von Engelstadt. An ihrem Eingang, neben dem Haus der Familie Kappesser, habe ehemals ein Röhrenbrunnen gestanden, welcher aus der gleichen Wasserquelle, wie der letzte, heute noch erhaltene Röhrenbrunnen an der Hauptstraße, gespeist wurde. Es ist jedoch wichtig anzumerken, dass infolge der Anschließung an die zentrale Wasserversorgung von Wörrstadt 1905 die Röhre dieser Brunnen entfernt wurden.[Anm. 5]

Aus den Lebenserinnerungen des 1830 großherzoglich geborenen, hessischen Generalarzt Dr. Otto Kappesser: „Was muß das weltentlegene Engelstadt in seinem abgeschlossenen Tale im 18. Jahrhundert ein idyllisches Nestchen gewesen sein mit seinen rauschenden Röhrenbrunnen, dem Klappesborn und dem Hövelbach, rings umgeben von schattigen Mauern dichtstehender Rüsterbäume, und weiter hinab ein üppig wucherndes Wäldchen voll zahlreicher Nachtigallen, Maiblumen und geheimnisvollen, zum Teil seltenen Orchisarten … Jetzt sind das nur noch kahle Ackerbreiten, und die rauschenden Brunnen sind, wie auch in anderen Orten Rheinhessens, versiegt, weil die hastig begehrliche Menschenhand die Erdentiefe durchwühlt und den Wassern den Weg zu tieferen Regionen geöffnet hat …“[Anm. 6]

Verfasserin: Angela Göbel

Redaktionelle Bearbeitung: Alexander Wißmann M.A.

Verwendete Literatur:

  • Krienke, Dieter: Kreis Mainz-Bingen. Städte Bingen und Ingelheim, Gemeinde Budenheim, Verbandsgemeinden Gau-Algesheim, Heidesheim, Rhein-Nähe und Sprendlingen-Gensingen. Worms 2007. (Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Kulturdenkmäler in Rheinland-Pfalz, Bd. 18.1), S. 240–245.
  • Maurer, Heinrich J.: Von alten Brunnen in Engelstadt. In: Heimatjahrbuch Landkreis Mainz-Bingen 25, 1981, S. 75-77.

Erstellt am: 27.10.2017

Anmerkungen:

  1. Maurer 1981, S. 25f. Zurück
  2. Krienke 2007, S. 242. Zurück
  3. Zitiert nach Maurer 1981, S. 76. Zurück
  4. Zitiert nach Maurer 1981, S. 77. Zurück
  5. Maurer 1981, S. 75ff. Zurück
  6. Zitiert nach Maurer 1981, S. 75. Zurück