Altenkirchen im Westerwald

0.Die jüdische Gemeinde in Altenkirchen

Die Situation der jüdischen Bevölkerung in ihrer Glaubensausübung war in den letzten Jahrhunderten geprägt von Verboten, Abdrängungen aus der Stadt und einer Rechtsprechung, die einen wirtschaftlichen Aufstieg nahezu verhinderte, aber auch von gemäßigteren Zeiten und der vollständigen Integration ins gesellschaftliche Leben. Wie in vielen Städten und Dörfern im Westerwald hat die jüdische Gemeinde in Altenkirchen eine lange Vergangenheit.

0.1.16.-18 Jahrhundert

Alle Juden, die durch deutsche Territorien reisten, oder dort leben wollten mussten Schutzgelder bezahlen. Diese Art Steuern und ein dazugehöriger Schutzbrief vom Landesherrn gestattete ihnen Handel zu betreiben und frei ihre Religion zu praktizieren. In Altenkirchen lebten im 16. jahrhundert 10 jüdische Familien[Anm. 1]. Um 1648 wurden alle Juden vor die Wahl gestellt sich entweder taufen zu lassen und somit den christlichen Glauben anzunehmen oder die Stadt zu verlassen. Der Zwang die eigene Lebensweise nach allen Geboten des jüdischen Glaubens aufzugeben verannlasste nachweislich 7 Familien dazu Altenkirchen zu verlassen. Die anderen 3 Familien ließen sich taufen und waren zumindest offiziell Christen. Ob sie ihr gesamtes Leben, ihre Ess- und Verhaltensgewohnheiten umstellten um in Altenkirchen wohnen zu bleiben ist unklar. Mitte des 18. Jahrhunderts durften Juden wieder ihr ihren Glauben in Altenkirchen ausleben. Die ersten zugezogenen jüdischen Einwohner waren nach einer Stadtrechnung von 1767/47 Her Mortge und Herr Calmann. Ein noch erhaltener Schutzbrief von 1734 gibt ebenfalls Auskunft über Herrn Abraham Marx, der seit 1710 in Altenkirchen wohnte und über längere Zeit diesen Antrag gestellt hatte [Anm. 2]. Viele Menschen erhofften sich von einem Leben in der Stadt bessere Arbeitsmöglichkeiten und so einen höheren Lebensstandart führen zu können. Auch in Altenkirchen stieg die bevölkerungszahl an. Die Anzahl der jüdischen Einwohner in Altenkirchen nahm Mitte des 18. Jahrhunderts ebenfalls zu und stieg auf 18 Haushalte (ca. 80 Perosnen) an. Nach Angaben des pädagogischen Zentrums des Landes Rheinland-Pfalz lebten 64% der im Amt Altenkirchen lebenden Juden in der Stadt[Anm. 3]. Ihre Existenzgrundlage war das Geldgeschäft. Da Christen keine Kredite gegen Zinsen zu vergeben, Juden jedoch schon, konnten diese den Arbeitszweig dominieren. Der dadruch entstehende Neid war ein Grund, dass die jüdische Bevölekerung ins Abseits gedrängt wurde. Den Juden in Altenkirchen ging es nicht anders als in anderen Regionen des Deutschen Reiches. Erst im 19. Jahrhundert äderte sich die Situtation der Juden allmählich. Die Sonderabgaben für Juden wurden nicht mehr erhoben und Juden wie Christen waren zumindest auf der Rechtsebene gleichgestellt.

Das Berufbild im 19. und 20. Jahrhundert

1937 wurden in Altenkirchen ein jüdische Metzger, zwei Manufakturen, das Kaufhaus Grüne, dass Textilien verkaufte, ein Schuhhändler, ein Fotograf, eine Näherin und eine Schneiderin verzeichnet. Ebenfalls gab es einen jüdischen Arzt und einen Rabbi. Die Juden in Altenkirchen waren weitestgehend ins gesellschaftliche Leben integriert und zum Beispiel im Schützenverein aktiv. Sondersteuern, wie der Judenschutzsteuer belasteten jedoch die finanziellen Möglichkeiten der Juden[Anm. 4].

0.2.Die Synagoge in Altenkirchen- Entstehung und Zerstörung

Durch die geringe Anzahl jüdischer Einwohner konnte im 18. Jahrhundert noch keine eigene Gemeinde gebildet werden. Die Juden mussten nach Hachenburg und Dierdorf reisen, um an den Gottesdiensten in der Synagoge teilzunehmen. Gegen einen Reichtaler pro Familie jährlich wurde 1747 ein Betsaal in Altenkirchen eingerichtet. 20 Jahre später konnte für ein Jahr ein Rabbiner eingestellt werden. Da die Anzahl der jüdischen Einwohner zunahm gab es in der Mitte der 19. Jahrhunderts in Altenkirchen ein jüdisches Bad, einen Friedhof, eine Schule und die Synagoge. Am 22. Mai 1882 wurde der Bau einer Synagoge genehmigt. Hohe Kredite lassen jedoch auf finanzielle Schwierigkeiten schließen. Nach einer zweijährigen Bauzeit konnte die Synagoge im Mai 1884 eingeweiht werden. Sie wurde nicht nur von den Altenkirchenern, sondern auch von der jüdischen Bevölkerung aus den Nachbardörfern besucht. Bis zu 120 Personen fanden in der Synagoge Platz. Zwischen 1914 und 1937 wanderten viele Juden nach Israel, in die USA und nach England aus. Durch die zunehmenden Unterdrückungsmaßnahmen der NSDAP ab 1933 verließen über 40 Juden Altenkirchen. Viele wanderten nach Palästina, in die USA nach Shanghai und England aus [Anm. 5]. 1937 lebten noch etwa 64 jüdische Bürger in Altenkirchen.[Anm. 6]. Während der Reichskristallnacht ist die Kirche bis auf seine Grundmauern heruntergebrannt. Der Altenkirchener Karl Käppele, der 1938 als Feuerwehrmann im Einsatz war, schrieb zum Einsatz am 8./9. November 1938 auf, dass sie Synagoge so stark gebrannt hätte, dass man nicht versucht hätte diese zu löschen. Stattdessen wurde versucht, die umliegenden Häuser vor einem Übergriff des Feuers zu schützen und zum Beispiel die Ernte des Landwirtschaftsbetriebes Schuster zu retten[Anm. 7]. Erst nach einigen Stunden konnte die Freiwillige Feuerwehr von Altenkirchen ihre Arbeit einstellen. Einzelheiten über den Brand und seine Hintergründe hätten Feuerwehrmänner, wie auch viele Anwohner erst am nächsten Tag erfahren, so Käppele[Anm. 8]. Anders beschreibt Walter Grünebaum die nächtlichen Ereignisse der Reichskristallnacht. In einem Brief an Walter Günter Heuzeroth schrieb der Inhaber des Kaufhauses Grüne, dass nachts alle Juden zum Rathaus getrieben worden wären. Dabei seien sie mit Holzlatten geschlagen worden, die mit Nägeln versehen waren[Anm. 9]. Auch Heinrich Käsgen aus Bruchtseilen, der in der Nacht von einem Westwalleinsatz zurückkam, berichtet von sichtbaren Gewaltaktivitäten der SA-Männer gegenüber der jüdischen Bevölkerung. Schreiben seien zerschlagen, Gegenstände aus den Häusern geschmissen und Menschen unter anderem mit Pistolen bedroht worden. Doch nicht nur Erwachsene, sondern auch Kinder, die Mitglied in der Hitlerjugend waren, hätten aktiv an den Gewaltaktionen teilgenommen[Anm. 10]. Alle Augenzeugen berichten jedoch von einem weitsichtbaren Feuer, dass die Synagoge zerstört hat. Die jüdischen Bürger wurden am nächsten Tage dazu gezwungen die restlichen Steine abzutragen. Die Ereignisse der Reichskristallnacht in Altenkirchen sind nahezu deckungsgleich zu denen in anderen Städten und Dörfern Deutschlands. Anstelle der Synagoge wurde eine Tankstelle gebaut. Heute befindet sich an dieser Stelle eine Kfz-Werkstatt. Zu Gedenken der Synagoge und deren Zerstörung wurde 1988 vor der evangelischen Kirche eine Inschrift angebracht. Eine jüdische Gemeinde gibt es in Altenkirchen nicht mehr. Die Geschichte der Gemeinde und die Verbrechen die an der jüdischen Bevölkerung begangen wurden, werden jedoch zum Beispiel von der evangelischen Kirchengemeinde und Schulprojekten aufgearbeitet. Im Gedenken werden am 9. November jährliche Mahnwachen am Ort der Synagoge abgehalten.

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Verfasserin: Jasmin Gröninger

Erstellt am: 19.05.2015

Literatur:

Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland- Pfalz [Hrsg.]/Bartolsch, Thomas A.: Zur Geschichte der Juden, In: Juden in Altenkirchen, Kreuznach, 1988, S.12, 32 -35.

Weblinks:

Blohm, Eberhard: Jüdische Emigration - Jüdische Bewohner Altenkirchens, die emigrieren konnten. AKdia 2009, URL: wiki.westerwald-gymnasium.de/index.php/J%C3%BCdische_Emigration ,Aufruf am 30.04.2015, 11:30 Uhr.

Hahn, Dr. Joachim, Plochingen, Dezember 2012: Synagogen in der Region, URL: www.alemannia-judaica.de/altenkirchen_synagoge.htm , Aufruf am 30.04.2015, 11:00Uhr.

Anmerkungen:

  1. Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland- Pfalz [Hrsg.]/Bartolsch, Thomas A.: Zur Geschichte der Juden, In: Juden in Altenkirchen, Kreuznach, 1988, S. 32 Zurück
  2. Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland- Pfalz [Hrsg.]/Bartolsch, Thomas A.: Zur Geschichte der Juden, In: Juden in Altenkirchen, Kreuznach, 1988, S.33,34. Zurück
  3. Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland- Pfalz [Hrsg.]/Bartolsch, Thomas A.: Zur Geschichte der Juden, In: Juden in Altenkirchen, Kreuznach, 1988, S. 32-35. Zurück
  4. Dr. Joachim Hahn, Plochingen, Dezember 2012: Synagogen in der Region, URL: http://www.alemannia-judaica.de/altenkirchen_synagoge.htm , Aufruf am 30.04.2015, 11:00Uhr.  Zurück
  5. Blohm, Eberhard: Jüdische Emigration - Jüdische Bewohner Altenkirchens, die emigrieren konnten. AKdia 2009, URL: http://wiki.westerwald-gymnasium.de/index.php/J%C3%BCdische_Emigration ,Aufruf am 30.04.2015, 11:30 Uhr. Zurück
  6. Dr. Joachim Hahn, Plochingen, Dezember 2012: Synagogen in der Region, URL: http://www.alemannia-judaica.de/altenkirchen_synagoge.htm , Aufruf am 30.04.2015, 11:00Uhr.  Zurück
  7. Pädagogisches Zentrum des Landes Rheinland- Pfalz (Hrsg.)/ Bartolsch, Thomas A.: Die „Reichskristallnacht“ am 9./10.November 1938 in Altenkirchen, In: Juden in Altenkirchen, S.12, Dr. Joachim Hahn, Plochingen, Dezember 2012: Synagogen in der Region, URL: www.alemannia-judaica.de/index.htm, Aufruf am 28.04.2015, 12:40 Uhr. Zurück
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