Kirchberg im Hunsrück

Römische Straßensiedlung Dumnissus

Kirchberg, Rhein-Hunsrück-Kreis

 

Römische Straßensiedlung

 

Zu besichtigen: Nachbildung eines Meilensteins an der B50 westlich der Michaelskirche.

 

Anfahrt: über B50/E42  nach Kirchberg

 

 

Der römische Dichter Ausonius beschrieb, nachdem er um 370 Kaiser Gratian auf einem Feldzug gegen die Alamannen begleitet hatte, seine Rückreise von Bingen über den Hunsrück nach Trier:

»Von da (gemeint ist Bingen) reise ich in einsamer Fahrt durch unwirt­liche Wälder, ohne Spuren menschlicher Zivilisation zu sehen, und passiere das ausgedörrte Dumnissus (das heutige Kirchberg), wo die Erde dürstet, das von nie versiegender Quelle bewässerte Tabernae (nicht lokalisiert) und die Äcker, die kürzlich sarmatischen Zwangs­siedlern zugeteilt wurden. Dann endlich erblicke ich am Rande des Landes der Beigen (der Provincia Belgica) Noiomagus (= Neuma­gen), das berühmte Kastell des verewigten Konstantin. – Reiner liegt hier die Luft auf den Feldern, und wolkenlos eröffnet die Sonne mit heiterem Licht das blaue Firmament; nicht mehr muss man durch wie gefesselt miteinander verflochtene Äste den Himmel suchen, den das Waldesdunkel ausschließt

Unter der heutigen durch Kirchberg führenden Straße (K3) wurden bei Bauarbeiten an der Simmerner Straße 1850 Fundamentierungen der römischen Straße gefunden. Sie gehören zu der bedeutenden über den Hunsrück verlaufende Trier mit Bingen bzw. Mainz verbindende Ausoniusstraße. In regelmäßige Abstände waren Meilensteine aufgestellt, sie geben Aufschluss über den Verlauf von antiken Straßen, nennen die Entfernungen zwischen Orten, deren Namen uns oft nur von diesen Steinen bekannt sind (1 Meile = l000 Doppelschritte = 5000 Fuß ~ 1481 m 1 Fuß = 4 Handbreit = 16 Fingerbreit = 12 Zoll ~ 29,6 cm)

 Reisende, die auf der Fernstraße in Richtung Trier  unterwegs waren, rasteten in Gasthäusern der Siedlungen Noviamagus (Neumagen) an der Mosel, Belginum (Wederath) auf den Hunsrückhöhen und Kirchberg. Auf einer römischen Reisekarte, der Tabula Peutingeriana, sind sowohl die Wegstrecke, wie auch sämtliche genannte Orte verzeichnet. Kirchberg wird mit dem Ort Dumno (= Dumnissus) gleichgesetzt.

Im 4. Jahrhundert nach Chr. wird der Ort im dichterischen Werk des römischen Dichter Decimus Magnus Ausonius (ca. 330-393 n. Chr.) erwähnt. Während sich im Ortsnamen Kirchberg der antike Name nicht mehr erhalten hat, wird Dumnissus heute noch in den Dorfnamen Denzen, einem Dorf, etwa l km NO des Stadtkernes von Kirchberg, sprachlich fort­setzt. Im Stadtkern Kirchberg wie auch Denzen wurden Siedlungsspuren beobachtet, die auf eine römische Straßensiedlung (vicus) schließen lassen.

Der lateinische Terminus vicus bedeutet ursprünglich „Straßenzeile, Quartier“. Der vicus war eine Zentralsiedlung mit administrativern und wirtschaftlichen Funktionen. Landwirtschaft wurde nicht betrieben, abgesehen von Obst- und Gartenbau oder Kleinviehhaltung. Die Bewohner der römischen Siedlung (vicus) nannten sich vicani; sie waren Gastwirte, Bäcker, Metzger, Bauhandwerker, Töpfer, Schuster, Schreiner, Transportunternehmer und Kaufleute. Vicusbewohner und Durchreisende nahmen ihre Dienstleistungen in Anspruch. War die Kutsche oder der Handkarren während der Reise beschädigt so fand sich hier, vergleichbar heutiger Situation entlang der Ausfallstraßen größerer Städte, ein Reparaturbetrieb.

Während archäologischer Untersuchungen wurde bei der Renovierung der Micha­elskirche im Zentrum von Kirchberg eine Steinpflasterung durch den Ausgräber H. Eiden freigelegt. Die Steinpflasterung umgab einen aus Schiefersteinen gemauerten Brunnenschacht von 1,3 m Durchmesser. Siedlungsschutt, Pfostenlöcher und ein Grube deuten auf eine römische Siedlungsstelle hin, die sich etwa 30 m nördlich der Römerstraße und hinter einer direkt an die Straße grenzenden Bebauung befand.

Für die römischen Straßendörfer ist eine Bebauung auf langrechteckigen ca. 10x30 m großen Grundstücken charakteristisch. Im Vorderteil dieser mit der Schmalseite an die Straße angrenzenden Flächen stand ein langes Gebäude, ein so genanntes Streifenhaus, mit Wohnräumen, Werkstatt, Lager und Verkaufsraum. Im hinteren Teil des Grundstücks waren Schuppen, Garten, Latrine und Brunnen zu finden. Während der Grabungen im Kirchenareal konnten eindeutige Hausgrundrisse und Sied­lungsspuren nicht festgestellt werden, da das Grabungsareal den Garten eines dieser Straßenhäuser erfasste. Die anderenorts in Kirchberg bei Baumaßnahmen bruchstückhaft zu beobachtenden römischen Mauern waren durch die mittelalterliche Bebauung weitestgehend abgeräumt oder wieder verwendet worden.

Hinweise auf die römische Besiedlung erbrachten die Baubeobachtungen in Denzen, so konnte auch hier eine römischer Brunnen nachgewiesen werden. Das Fundmaterial der Siedlung Dumnissus (Denzen/Kirchberg) setzt sich aus römischen Mün­zen und Keramik zusammen und reicht vom letzten Drittel des 1. Jahrhunderts n. Chr. bis zum 3. Jahrhundert.

Im Osten der Siedlung befand sich der römische Friedhof. Im Jahre 1938 wurden dort 2 Grabbehälter (2. Jahrhundert n. Chr.) mit Inschrift gefun­den. Bestattet sind 2 Männer, der eine war von Beruf Kupferschmied. Sie haben, der eine für sich und seinen verstorbenen Bruder, der andere für sich und seine verstorbene Frau, die Grabmäler anfertigen lassen. Die Grabbehältnisse befinden sich heute im Kreismuseum Sim­mern.

 

M. Thoma

Literatur

K. Schumacher, Siedlungs- und Kulturgeschichte der Rheinlande Bd. 2,1923.

J. Hagen, Römerstraßen der Rheinprovinz, 1931.

H. Eiden, Die Ausgrabung der Michaelskirche 1967/68, ein Vorbericht. Festschrift Kirchberg, 1971, l ff

H. H. Wegner In: H. Cüppers (Hrsg.) Die Römer in Rheinland-Pfalz (Stuttgart 1990) 415-416.