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Ludwig Kalisch: Mein größter Nachbar ist der Dom

Der Artikel von Ludwig Kalisch "Mein größter Nachbar ist der Dom" wurde am 4. Juni 1843 in der Zeitschrift "Das Rheinland" veröffentlicht.

von Hans Berkessel

Ludwig Kalisch (1814 – 1882) war einer der bedeutendsten Vertreter des literarisch-politischen Karnevals. Kalisch wurde am 7. November 1844 in Lissa, im damals preußischen Posen geboren und verlebte seine Jugend in der faszinierenden und wundersamen Welt des jüdischen Stetl. Die Familie zog 1836 nach Frankfurt am Main, wo Kalisch später wie dann in Heidelberg und München Medizin, Sprach-  und Literaturwissenschaft studierte und in Gießen zum Dr. phil. promovierte. 1840 kam Kalisch nach Aufenthalten in Düsseldorf und Bingen nach Mainz und verdiente seinen Lebensunterhalt mit Sprachunterricht und ersten eigenen literarischen Arbeiten. Seine politisch-satirischen Artikel erschienen in der kulturliberalen Zeitschrift "Das Rheinland", deren Redaktion er 1843 zusammen mit der der Mainzer Karnevalszeitschrift "Narhalla" übernahm. In den folgenden Jahre machte Kalisch mit seinem ironisch-bissigen Sprachwitz die "Narhalla" zu einer herausragenden Zeitschrift des literarisch-politischen Karnevals, was ihm unvermeidliche Konflikte mit der Zensur eintrug. Daneben veröffentlichte er auch eigene Bücher, wie "Schlagschatten" (1844) und "Das Buch der Narrheit" (1845), in denen er sich kritisch-satirisch mit Zensur und Fürstenwillkür auseinandersetzt und die seinen auch über die engere Region um Mainz hinaus gehenden Ruhm begründeten. 1848 wurde Kalisch einer der Wortführer der demokratischen Bewegung, beteiligte sich an der Gründung des "Demokratischen Vereins" und gab die Wochenzeitung "Der Demokrat" heraus. Nach dem Scheitern des Paulskirchen-Parlaments schloss sich Kalisch den Aufständischen in der Pfalz an und musste nach der Niederschlagung des  Aufstandes und dem Zweibrücker Hochverratsprozess (1851), bei dem er wegen "Unterstützung der revolutionären Gewalt" in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde, ins französische Exil fliehen. Hier starb er am 3. März 1882 in Paris als Nachbar seines Leidensgefährten Heinrich Heine mittellos in der Einsamkeit der Fremde. Sein Buch "Pariser Leben" (1880), das u. a. auch die "Unterhaltungen mit Heinrich Heine" enthält, den Kalisch 1849 einige Male besucht hatte, gibt ein heute noch bewegendes Zeugnis des Heimwehs und der Trauer und Verzweiflung des aus Deutschland vertriebenen Dichters.

Nachweise

Verfasser: Hans Berkessel

Bearbeiter: Rebecca Mellone

Erstellt am: 05.11.2009

Literatur: Keim, Anton Maria: Ludwig Kalisch. Karneval und Revolution. In: Köpfe der Region, hrsg. v. Hans Berkessel, Bd. 1, Ingelheim 2003.