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Hinweis

Dieser Artikel wurde ursprünglich für das Glossar von regionalgeschichte.net verfasst. Im Zuge der Umgestaltung des Glossars zu einem primären definitorischen Glossar im Jahr 2018, wurde dieser Beitrag aus dem Glossar entfernt und wird stattdessen hier als kurzer Aufsatz zur Verfügung gestellt.

Festung und Schloss

Von der Burg zur Festung

Mit dem Aufkommen der Feuerwaffen Anfang des 14. Jahrhunderts mußten die Burgherren, wollten sie verteidigungsfähig bleiben, die Mauern und Verteidigungsringe verstärken. Die massive Schildmauer, seit langem als Schutz des Wohnbereichs üblich, wurde begehbar gemacht, indem man Gänge durch die Mauer trieb. Wehrgänge wurden angelegt und Innenräume mit Schießscharten versehen. In dem Maße, wie sich die Schildmauer zu einem eigenständigen Wehrbau entwickelte, sank die wehrtechnische Bedeutung des benachbarten Bergfrieds, der sich zu einem reinen Prestigeobjekt wandeln konnte.

Seit dem 14. Jahrhundert begann man auch, die bisher vielfach nur von einem Palisadenzaun umgebenen Wirtschaftsgebäude mit einer Mauer, Flankierungstürmen sowie breiten und tiefen Gräben zu versehen. Wo kein Wirtschaftshof vorhanden war, legte man zwingerartige Vorburgen mit Toren an.

Mit den stärkeren Mauern hoffte man, dem Beschuss durch die Feuerwaffen standhalten zu können. Die zusätzlich vorgeschobenen Verteidigungsanlagen sollten den Angreifer möglichst weit von der Kernburg fernhalten, damit seine Geschütze ihre verheerende Wirkung erst gar nicht richtig entfalten konnten.

Seit Anfang des 14.Jahrhunderts verbreiteten sich die Feuerwaffen in Deutschland. Die bis zu dieser Zeit von den Bliden, Mangen und Ballisten im Bogenwurf geschleuderten Geschosse beschädigten zwar die Burgmauern, ihre geringe Durchschlagskraft sowie eine ungenaue Schusstechnik reichten aber nicht aus, die Mauern zu durchbrechen. Dies änderte sich mit dem Aufkommen der Feuerwaffen. Präzise gearbeitete Kugeln erlaubten mehrere punktgenaue Schüsse auf dieselbe Stelle der Mauer. Die geballte Feuerkraft der Kanonen machte zudem einen flachen Direktschuss möglich, der es ohne weiteres ermöglichte, eine Bresche in die Burgmauer zu schlagen. Zu Anfang spielten die Feuerwaffen noch keine bedeutende Rolle bei Burgbelagerungen, weil sie selten in Stellung gebracht werden konnten und umständlich zu bedienen waren. Doch im Laufe der Jahrzehnte wurden sie zu einer gefährlichen, die Burgen in ihrer Existenz bedrohenden Waffe weiterentwickelt.

Seit der Mitte des 15. Jahrhunderts wurden einige Burgen zu festungsartigen Wehrbauten umgestaltet.

Man errichtete Vorwerke und Bastionen, verstärkte die Burgmauern an der Angriffseite und baute große Geschützscharten ein. Häufig errichtete man an der Hauptangriffsseite einen besonders starken Geschützturm, der nicht nur die Feldseite und das Tor sichern sollte, sondern gleichzeitig als Plattform für die eigenen Geschütze diente. Hinzu kamen Pulverkammern, Magazine und Unterkünfte für das Kriegsvolk.

Um die Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert entwickelte sich die klassische Festung als Zitadelle oder Bollwerk. Sie war ein Zentrum der Landesverteidigung und sollte in den Kriegen des 17. bis 19. Jahrhunderts eine zentrale Rolle spielen. Die meisten mittelalterlichen Burgen waren schon in den Kämpfen zuvor, vor allem in den Hussitenkriegen des 15. Jahrhunderts, in den Bauernunruhen des 16. Jahrhunderts und im 30jährigen Krieg, der zwischen 1618 und 1648 vor allem in Deutschland tobte, zerstört worden.

Von der Burg zum Schloss

Seit dem 14. Jahrhundert setzten auf vielen Burgen umfangreiche Aus- und Umbauten ein, um den sich ändernden Lebensbedürfnissen gerecht zu werden. Es entstanden neue Wohngebäude, Unterkünfte für Diener und Soldaten sowie umfangreiche Wirtschaftshöfe. Kennzeichen des sich im 15. und vor allem im 16. Jahrhundert entwickelnden Schlossbaus sind: symetrischer Grundriss, wohlgeordnete Baugruppen, harmonisch gegliederte Fassaden und mannigfaltige Zierelemente (Erker, Türmchen). Zur Steigerung des Wohnkomforts kam es zum Einbau neuer Treppen in die Palasgebäude, zur Verzierung des Mauerwerks und der Türgewände, zur rechteckigen Ausformung der Fenster und ihrer regelmäßigen Anordnung, zum Einbau von Fensterläden, Butzenscheiben und Fensterglas. Im Bereich der Inneneinrichtung hielten Öfen, Schränke und Teppiche Einzug.

Einen regelrechten Schlossbau konnten sich jedoch meist nur wenige Burgherren leisten. Das Schloss konnte Ausdruck sowohl von Macht und fürstlichem Lebenstil als auch Ausdruck einer idealen Ordnung und ästhetischem Empfinden von Größe und Schönheit sein.

Teilweise nahmen die Herren jahrzehntelange Bauarbeiten und hohe Kosten in Kauf, um ihre mittelalterliche Burg in ein Schloss zu verwandeln. Einige Adlige verzichteten auf einen Umbau, rissen die mittelalterlichen Anlagen ab und errichteten Schlossneubauten. Diese Entwicklung vollzog sich aber erst in der Renaissance, im 16. Jahrhundert.

Text: Stefan Grathoff