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0.Das Gäu- oder Pfefferminzbähnel (Neustadt / Weinstraße– Geinsheim – Speyer)

Im Folgenden finden Sie einen Abriss der Geschichte der schmalspurigen Lokalbahnstrecke Neustadt/Haardt – Geinsheim – Speyer, die eigentlich Gäubahn hieß. Mit der Erschließung des Gäus, insbesondere des Pfefferminzdorfes Gommersheim, erhielt die Gäubahn auch ihren umgangssprachlichen Namen „Pfefferminzbähnel“, da die Händler des Heil- und Teekrautes die Bahn nutzten.[Anm. 1]

0.1.Der Bau und die Trassenführung

Auszug aus der Karte des Pfälzischen Eisenbahnnetzes von 1911 (Kgl. Bayerische Staatsbahn).

Die Geschichte der Gäubahn beginnt bereits weit vor der eigentlichen Betriebsaufnahme 1905. Die Umstände wollten es, dass Ludwigshafen, und nicht Speyer, 1847 den begehrten Rheinübergang nach Baden erhielt. Speyer wurde nur mit einer Stichbahn an Schifferstadt angeschlossen, wo die Hauptstrecke Ludwigshafen – Neustadt/Haardt – Homburg/Saar verlief. Diese Strecke wurde 1864 nach Germersheim verlängert. Der zwischen Neustadt und Speyer liegende Speyergau war so nach und nach von einem Bahnnetz umgeben, aber eben nicht angeschlossen. Daher gab es verschiedene Initiativen zum Bau einer Lokalbahn. Die Eisenbahn war im 19. Jahrhundert für die Wirtschaft ein wichtiger Standortfaktor, da es noch keine leistungsfähigen Straßentransporte gab.

Nach einiger Zeit einigte man sich deshalb auf eine Strecke Speyer – Neustadt. Die Pfalzbahn gab 1899 die Zusage zur Projektierung des ersten Abschnittes bis Geinsheim. Die Trasse sollte über Dudenhofen, Harthausen, Schwegenheim, Freisbach und Gommersheim nach Geinsheim führen. Später sollte es dann über Duttweiler und Lachen nach Neustadt gehen.

Wer sich den Streckenverlauf auf der Landkarte ansieht merkt, dass es sich um einen Kompromiss handeln muss, denn die 29,1 km lange Strecke hatte eine recht umständliche Trassenführung, bei der man versuchte möglichst viele Orte des Speyergaus anzubinden. Sehr unglücklich war auch, dass die Bahn nicht in die bestehenden Hauptbahnhöfe Neustadt und Speyer hineingeführt wurde, sondern in eigenen Lokalbahnhöfen endete. Besonders in Neustadt war der Weg zum Hauptbahnhof weit.

Durch die Ausführung in Meterspur und die langgezogene Trassenführung blieb die Gäubahn zur Bedeutungslosigkeit verurteilt. Spätere Vorstöße zum Umspuren auf Normalspur, wie z.B. sämtlicher Bürgermeister der Anliegerorte im Jahre 1926[Anm. 2], wurden nicht verwirklicht – vorwiegend aus Kostengründen.

Die Pfälzischen Ludwigsbahnen erhielten durch Entschluss vom 2. Juli 1903 die „Allerhöchste Konzessions-Urkunde“ zum Bau und Betrieb des Streckenabschnittes Speyer – Geinsheim.[Anm. 3] Der Bau dieses Streckenabschnittes wurde sogleich begonnen. Am 26. Mai 1905 wurde die Strecke ohne großes Aufheben dem Verkehr übergeben.

Das Fahrgastaufkommen blieb im ersten Jahr hinter den ohnehin bescheidenen Erwartungen zurück, so dass ein „nicht unerheblicher Teil“ der Betriebskosten ungedeckt blieb.[Anm. 4] Die Bahn wurde aber bald besser angenommen und die Zahl der verkauften Fahrkarten konnte von 23.686 im Jahre 1905 auf 107.434 im Jahre 1907 gesteigert werden. Auch der Güterumschlag nahm auf rund 15.000 Tonnen zu.[Anm. 5]

Am 31. Oktober 1908 wurde dann auch der Abschnitt Neustadt Lokalbahnhof – Lachen –  Geinsheim dem Verkehr übergeben.

0.2.Wechselnde Eigentümer

Zum 1. Januar 1909 übernahm der bayerische Staat die gesamten, bisher privaten Pfälzischen Eisenbahnen für rund 3,13 Millionen Mark[Anm. 6] und gliederte sie der Königlich Bayerischen Staatsbahn (K.Bay.St.B.) an. Der zweite Streckenabschnitt des Gäubähnels von Geinsheim nach Neustadt wurde bereits unter der Regie der K.Bay.St.B. gebaut.[Anm. 7]

Nach dem 1. Weltkrieg gingen die Pfälzer Bahnen in die 1920 neu gegründete Deutsche Reichsbahn-Gesellschaft (DRG) ein, obwohl sie im französisch besetzten Gebiet lagen. Über den weiteren Betrieb während der Zeit zwischen den Weltkriegen ist, außer den Fahrplänen, wenig in Erfahrung zu bringen. Den Zweiten Weltkrieg überstand die militärisch unbedeutende Lokalbahn ohne größere Schäden, sie war gegen Kriegsende allerdings mehrfach Ziel von alliierten Jagdfliegern.

1946 wurde in Speyer die Oberdirektion der deutschen Eisenbahnen in der französischen Besatzungszone gebildet, die ab 1947 in die Betriebsvereinigung der Südwestdeutschen Eisenbahnen (SWDE), ebenfalls mit Sitz in Speyer, überführt wurde.[Anm. 8] Diese verwaltete alle Bahnen in der französischen Zone. Die Gäubahn gehörte als Kursbuchstrecke 282k dazu.[Anm. 9] Erst am 1. Juli 1952 wurde die SWED komplett in die Deutsche Bundesbahn (DB) eingegliedert und die Generaldirektion Speyer aufgelöst. Die Bundesbahn führte die Lokalbahn als Kbs 282a weiter.

0.3.Der Bahnbetrieb

Bahnhof Geinsheim vor 1920. Eine zweiachsige L2- Lokomotive mit Offenen Güterwagen auf Rollschemeln (Repro Kurt Keller).

Für den Streckenbetrieb der Gäubahn kaufte die Pfälzer Ludwigsbahn (PLB) bei der Firma Krauss in München insgesamt vier kleine Schmalspur-Tenderlokomotiven. 1904 kamen zweiachsige Bn2T-Lokomotiven mit den Namen Geinsheim, Freisbach und Weingarten hinzu (Betriebsnummern XXV – XXVII, als Gattung L2 geführt). In 1907 folgte eine dreiachsige Cn2T-Maschine mit Namen Schwegenheim (XXVIII, später 99 092), eine Trambahnlok.[Anm. 10] Diese kleinen Loks leisteten nur 81 (Bn2T) bzw. 147 kW (Cn2T) und erreichten eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h.[Anm. 11]
1934 gingen drei Cn2T der preußischen Gattung T33 (99 041, 044, 045) aus Thüringen zu.[Anm. 12] Einige Pts 3/3 N Trambahnlokomotiven der im Mai 1939 eingestellten Lokalbahn Frankenthal – Großkarlbach gaben bis zu ihrer Ausmusterung noch ein Gastspiel; 99086 bis November 1953 und 99 087 bis Mai 1954.[Anm. 13] Nach dem Krieg kam auch eine Heeresfeldbahnlok (99 2700, später 99 241), Baujahr 1917. Im Austausch ging die Trambahnlokomotive 99 081 dafür auf die Insel Wangerooge. Zuletzt gingen aus Ludwigshafen noch die Trambahnloks 99 102 (ab 1947) und 99 103 (ab 1956) zu.[Anm. 14]
Es ist anhand der Literatur leider nicht möglich den Lokeinsatz auf der Gäubahn exakt zu rekonstruieren, da sich die Angaben teilweise widersprechen, nicht vollständig sind und/oder keine Quellenangaben gemacht werden.

Die PLB beschaffte fast nur Personenwagen dritter Klasse,[Anm. 15] die bei der K.Bay.St.B. und der DRG als vierte Klasse geführt wurden. Die allermeisten Fahrgäste konnten oder wollten sich nicht den Aufschlag für die Bequemlichkeiten der höheren Klassen leisten, wo man doch in der „Holzklasse“ ebenso schnell an sein Ziel kam.

Neben den Schmalspurgüterwagen für Gepäck, Vieh und Stückgut benutzte man vor allem für Zuckerrüben sogenannte „Transporteure“ (Rollwagen), auf denen komplette Normalspurwagen aufsaßen, die dann an den Endbahnhöfen auf die normalspurigen Hauptstrecken aufgegleist werden mussten. Dieses Umsetzen über Rampen war zeitaufwändig und gefährlich, so dass es zu mehreren Unfällen kam.[Anm. 16] Die schwachen Lokomotiven konnten, bedingt durch die hohe Totlast des Rollschemeltransportes, allerhöchstens fünf mit Rüben beladene Wagen ziehen oder es wurden zwei Rollschemel an einen Personenzug angehängt.

Der Eröffnungsfahrplan von 1905 sah täglich vier Zugpaare zwischen Geinsheim und Speyer vor, mit einer Fahrtzeit von etwa einer Stunde. In der späteren Zeit schwankten die Zahl der eingesetzten Züge und die Fahrtzeit zum Teil erheblich. So zeigt z.B. der Winterfahrplan 1922/23 an Werktagen fünf durchgehende Zugpaare mit einer Fahrzeit zwischen 94 und 163 Minuten nach Neustadt. Im Sommer 1933 verkehrten täglich sechs durchlaufende Zugpaare mit erstaunlich kurzen Fahrtzeiten um 70 Minuten. Nach dem Zweiten Weltkrieg (Sommer 1948) sank die Zahl der Züge auf 4½ Zugpaare Speyer – Neustadt, ein Zugpaar Speyer – Schwegenheim und 1½ Zugpaare Neustadt – Geinsheim. Die Fahrtdauer stieg, wohl wegen mangelnder Materialerhaltung, auf 84 bis 97 Minuten an.

Der letzte Fahrplan aus dem Winter 1955/56 weist nur noch wenige Zugfahrten auf, ansonsten fuhr schon ein Bus. Die Bahn benötigte für die gesamte Strecke zwischen 81 und 88 Minuten. Der seit Sommer 1953 mit acht werktäglichen Fahrtenpaaren eingesetzte Bus benötigte nach gleichem Fahrplan 79 bis 84 Minuten.[Anm. 17] Der Fahrtzeitgewinn war also verhältnismäßig gering, allerdings fuhr der Bus in Neustadt bis zum Hauptbahnhof.

0.4.Das Ende des Pfefferminzbähnels

Letzte Fahrt am 2. Juni 1956. Die Lokomotive 99 102 vor dem Abschiedszug am Bahnhof Dudenhofen. [Bild: Fritz Schnapp]

Die Schließung der Bahn im Jahr 1956 war letztendlich unabwendbare Folge der Unzulänglichkeiten bei der Streckenführung. Die ungünstige Lage der Endbahnhöfe erschwerte das Umsteigen, die Schmalspur behinderte den Güterumschlag und sprach gegen die Elektrifizierung, auch weil man im Rollwagenbetrieb der Oberleitung zu nahe gekommen wäre.

Ab dem 16. März 1953 ersetzte die Bundesbahn alle Personenzüge, bis auf drei, durch Busse und beantragte am 10.07.1954 die völlige Einstellung des Bahnbetriebes.[Anm. 18] Die DB argumentierte mit durchschnittlich 194 Personen je Zug wäre die Bahn zu schwach ausgelastet und habe zwischen dem 01.05.1953 und dem 30.04.1954 ein Defizit von 383.562 DM erzeugt. Der Personenverkehr wurde am 2. Juni 1956, trotz einiger Proteste, endgültig eingestellt. Der Güterverkehr wurde für den Zuckerrübentarnsport nochmal bis zum Jahresende aufgenommen.

Um allen Reaktivierungsbemühungen unmöglich zu machen, begann die DB am 4. Februar 1957 mit dem Abbruch der Schienen. In Speyer wurde mit dem Abriss angefangen. Die Schienen und Schwellen mussten mit den verbliebenen Lokomotiven nach Neustadt gebracht werden, wo sie zur Verwertung umgeladen wurden. Die noch vorhandenen 57 Personen- und 35 Güterwagen wurden zerlegt und zur Verschrottung nach München gebracht.[Anm. 19]

Nachweise

Verfasser: Klaus M. Harthausen

Quellen:

  • Pfälzischer Kurier vom 23.01.1926.
  • Direktionsberichte 1904 -1908, Ludwigshafen.
  • Kursbuch der SWED 1924/25.
  • Landesarchiv Speyer H3.2217.
  • Landesarchiv Speyer H40.103.
  • Pfälzischer Kurier vom 23.01.1926.

Literatur:

  • Auf Schienen Sonderheft Pfalzbahn, Niederwaluff (9/1970).
  • Das Bahn-Buch. München 1994.
  • Holzborn, Klaus-Detlev: Eisenbahn-Reviere Pfalz. München 1993.
  • Kroszewski, Hans-Ulrich: Die Geschichte des „Pfefferminzbähnels“. Neustadt/Wstr. 2009.
  • Mühl, Albert: Die Pfalzbahn. Stuttgart 1982.
  • Obermayer, Horst J.: Taschenbuch Deutsche Schmalspur-Dampflokomotiven. Stuttgart 1971.
  • Schreiner, Werner in: Stadt Neustadt [Hrsg.]: Geinsheim in der Pfalz, Neustadt/Wstr.
  • Wittner, H.: Heimatjahrbuch Kreis Südliche Weinstraße (1983).

Erstellt am: 11.05.2020

Anmerkungen:

  1. Kroszewski, Hans-Ulrich, Die Geschichte des „Pfefferminzbähnels“, Neustadt/Wstr. 2009, S.143 Zurück
  2. Pfälzischer Kurier vom 23.01.1926 Zurück
  3. Landesarchiv Speyer H3.2217 Zurück
  4. Ebd., S.26 Zurück
  5. Direktionsberichte 1905 -1907, Ludwigshafen Zurück
  6. Direktionsbericht 1908, Ludwigshafen, S.18 Zurück
  7. Mühl, Albert, Die Pfalzbahn, Stuttgart 1982, S.151 Zurück
  8. Das Bahn-Buch, München 1994, S.26f Zurück
  9. Kursbuch der SWED 1924/25, S.128 Zurück
  10. Mühl, Albert, Die Pfalzbahn, Stuttgart 1982, S.166, Direktionsberichte 1904 und 1907 Zurück
  11. Mühl, Albert, Die Pfalzbahn, Stuttgart 1982, S.82 Zurück
  12. Wittner, H., Heimatjahrbuch Kreis Südliche Weinstraße 1983, S.111; Auf Schienen Sonderheft Pfalzbahn, Niederwaluff Heft 9/1970, S.35 Zurück
  13. Auf Schienen, Sonderheft Pfalzbahn, Niederwaluff Heft 9/1970, S.33 Zurück
  14. Holzborn, Klaus-Detlev, Eisenbahn-Reviere Pfalz, München 1993, S.24; Obermayer, Horst J., Taschenbuch Deutsche Schmalspur-Dampflokomotiven. Stuttgart 1971, S.37 Zurück
  15. Direktionsberichte 1904, Ludwigshafen, S.83; 1907, S.50 Zurück
  16. Pfälzischer Kurier vom 23.01.1926 Zurück
  17. Schreiner, Werner, in: Stadt Neustadt [Hrsg.]: Geinsheim in der Pfalz, Neustadt/Wstr.,S.200 Zurück
  18. Landesarchiv Speyer H40.103 Zurück
  19. Ebd. Zurück