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0.Kirchliche Entwicklungen in Zeiskam vom Ausgang des Mittelalters, in den Auseinandersetzungen um die Reformation bis ins 18. Jahrhundert

0.1.Kirche und „Burg“ in Zeiskam

Plan der alten Kirche nach Joh. Weber.

Eine Pfarrkirche in Zeiskam („Zezenchem“) ist zum ersten Mal Mitte des 13. Jahrhunderts in einer Schenkungsurkunde von Arnold von Zeiskam an die Johanniterkommende Heimbach erwähnt, wobei sie dabei wohl schon bis zu 200 Jahre alt gewesen sein kann. Sie war etwa 25 m lang, hatte einen Turm, ein nördliches Seitenschiff und im Süden eine dem Hl. Nikolaus geweihte Seitenkapelle. Nach einem Pfarrbericht von 1556 war die Hauptkirche dem Hl. Vitius (St. Veit), einem italienischen Märtyrer und einer der 14 Nothelfer, geweiht.[Anm. 1]

Bereits ein dreiviertel Jahrhundert zuvor hatte der reformbestrebte Bischof Matthias von Rammung (Amtszeit von 1464 bis 1478) in dem Akt „Fraternitas Sancti Viti In Zeyßkem“ eine St. Vitius-Bruderschaft in Zeiskam bestätigt. Sein Bestreben war, dass sich Laien und Kleriker diesen Bruderschaften anschließen sollten. Gefördert wurde dieses Bestreben durch besondere Ablässe für die Mitglieder, wenn sie die entsprechenden Gottesdienste besuchten. Dadurch sollte das Volk zu echtem Gottesdienst angehalten werden.[Anm. 2]

In den Statuten war vorgesehen, dass an den Quatemberfreitagen, das sind viermal im Kirchenjahr stattfindende Fasten, Buß- und Gebetstage, der Leutpriester von Zeiskam zusammen mit drei weiteren Geistlichen die Totenvigilien (Festvorbereitungen) singen sollte, verbunden mit einer Messe zu Ehren der Gottesmutter sowie einem Seelenamt und zwei weiteren Totenmessen. Auch an die Armen wurde an diesen Tagen durch großzügige Almosen gedacht. Wer den Gottesdiensten andächtig beiwohnte und zugunsten der Bruderschaft oder der St. Vitius-Kirche etwas spendete, erhielt eine „Toties-quoties-Ablass“ von vierzig Tagen, ein vollkommener Ablass, der den armen Seelen im Fegefeuer zugewendet werden kann.

In späteren Zeiten werden dann Martinus und Maria als Kirchenheilige genannt. Dem Zeiskamer Pfarrer war ein Kaplan untergeordnet, der dreimal in der Woche in der Seitenkapelle eine Messe zu zelebrieren hatte. Sogar Wallfahrten nach Zeiskam werden am Ausgang des Mittelalters berichtet.

Zeiskamer "Burg" nach Joh. Vogel.

Der Kirchhof, die Zeiskamer haben den Ortsbereich immer als „Kirchenberg“ bezeichnet, war umgeben von einer Mauer, einem Graben mit Zugbrücke und einem Torturm. Dass diese Anlage, die den Dorfbewohnern in Kriegszeiten eine gewisse Zufluchtsstätte bot, in den überlieferten Erzählungen als Burg[Anm. 3] bezeichnet wurde, führte immer wieder zu irrigen Interpretationen. So beschreibt auch der Dorflehrer Johann Vogel in seiner Ortschronik von 1910 dies als Stammburg des niedrigen Adelsgeschlecht von Zeiskam, die er sogar auf eine ehemalige Römerburg zurückführte.[Anm. 4] Beißende Kritik erfuhr er dafür durch eine darauffolgende Publikation durch seinen Zeitgenossen Johann Weber, Pfarrer in Billigheim.[Anm. 5]

Die Kirchengemeinde gehörte zum Landdekanat Weyer, da der jeweils vom Pfarrkollegium gewählte und vom Bischof bestätigte Dekan um 1470 seinen Pfarrsitz in Weyer innehatte. Dieser hatte das Aufsichts- und Korrekturrecht gegenüber der Geistlichkeit seines Bezirks, der das gesamte Gebiet zwischen Speyerbach und Queich umfasste und auch Gebiete im Pfälzerwald bis nach Waldfischbach und Burgalben mit einbezog. Später sind jedoch auch Pfarrer aus anderen Orten wie Schwegenheim, Westheim, Edenkoben oder Maikammer mit dem Dekanat beauftragt worden, sodass nicht zwangsläufig Weyer der Amtssitz war. Bereits im 13. Jahrhundert ist ein Wernherus in Hochstadt sowie ein Dekan in Lustadt urkundlich bezeugt. Insgesamt umfasste das Dekanat 1470 52 Hauptorte. Alle Geistlichen der Region versammelten sich zweimal im Jahr für mehrere Tage zum Generalkapitel, in Essingen immer in der Passionszeit und Ende November in Großfischlingen. Neben dem Erfahrungsaustausch und den Beratungen standen Gottesdienste und auch das gemeinsame Essen im Mittelpunkt der Treffen, allerdingst mussten die Pfarrer bei Strafe in ordnungsgemäßer Kleidung erscheinen. Beschlossen wurden dabei auch eigene Verhaltensregeln und Satzungen, die dann durch den Diakon zu überwachen und im Bedarfsfall beim Fehlverhalten einzelner Kollegen auch zu rügen waren.

0.2.Die Reformation

Kurfürst Friedrich II. führte 1546 in der Pfalz die Reformation ein und auch Zeiskam erhielt eine calvinistische Pfarrei. Sein Neffe und Nachfolger Ottheinrich vollzog dann 1557 einen Wechsel des Herrscherhauses zur lutherischen Ausrichtung. Mit seinem Amtsantritt gab es einen totalen Wirrwarr der kirchlichen Zustände. Ganze Dörfer waren „in Aufruhr, weil Katholiken, Lutheraner, Zwinglianer, und vor allen die Wiedertäufer, die am Hardtgebirge und am Rhein entlang hausten, sich verketzerten und balgten.“[Anm. 6]

Ein Akt im Speyerer Landesarchiv belegt, dass, wie in manch anderen genannten Orten der Vorderpfalz, auch in Zeiskam der Pfarrer mit seiner Haushälterin zusammengelebt und Kinder hatte. Er erhielt das Zeugnis, dass er „von seim studirn wenig wüssens, aber zum weindrincken zum geschicksten“. Rott berichtet: „Das Volk war so rauh und roh, daß es Pfarrer und Lehrer wegtrieb, die es unterrichten wollten, und die Regierung selbst war vor Aufruhr nicht sicher.“ Von Zeiskam wird berichtet: „Die underthanen grob als Dürcken [grober als die Türken].“ Auch über Bellheim finden sich solche Berichte.

Sowohl mit dem katholischen als auch dem evangelischen Pfarramt verbunden war vor der napoleonischen Zeit auch immer das Anrecht auf Haupt- und Nebenpfründe, dem Einkommen der Geistlichen in Form von Unterhaltszahlungen und Naturalien. Mitte des 16. Jahrhunderts erhielt der katholische Pfarrer In Zeiskam 30 Gulden als Jahresgehalt in bar. Die Klosterkomturei Heimbach, die seelsorgerlich vom Zeiskamer Priester bzw. Kaplan mitversorgt wurde, hatte diesen 16 Malter Korn oder ein Drittel des Fruchtzehnten zu liefern.[Anm. 7] Zudem wird uns durch die unterschiedlichen Rechte und Pflichten der Johanniter von Klagen der Ortspfarrer berichtet, denen dann von der kurpfälzischen Obrigkeit nachgegangen und die Ansprüche geregelt werden mussten.   
Die Einnahmen des evangelischen Pfarrers unter Einbeziehung der Naturalien und der Nutzung von Äckern und Wiesen wurde 1578 auf 206 Gulden veranschlagt. Dass der katholische Johanniterorden nur gezwungenermaßen seinen Pflichtteil an den Pfründen dem Protestanten ablieferte, kann man sich leicht denken.

Das „Chur Pfaltz Baubuch“ aus dem gleichen Jahr beschreibt die Kirche und die dazugehörenden Verpflichtungen folgendermaßen: „Kirch, ist in gutem Bau; den Chor, Treßkammer (Tresor = Schatz d.i. die Sakristei, Vogel übersetzt fälschlicherweise „Trostkammer“) und ein Zuhang an der Kirche, auch was mit Ziegeln gedeckt, auch etliches an der Mauer (die Westseite), an dem Graben, so untersteint (d.h. durch die Mauer umgeben), erhält das Haus Heimbach; das übrige und der Turm in der Kirche, so auch in gutem Bau, wird aus den Kirchengefällen erhalten. Den Turm an der Brücke, die aufziehende Brücke und den Graben erhält die Gemeinde, dagegen hat sie die Nutzung des Grabens (wohl als Pferdeschwemme)“ (Zitat nach Weber). 1671 wurde eine umfassende Renovierung der Kirche durchgeführt, auch von einer Uhr und Glocken wird bereits berichtet.

Als der katholische Pfalzgraf und Herzog Philipp Wilhelm 1685 die Kurwürde der Pfalz erhielt, führte er das Simultaneum ein. Dies bedeutete, dass bei nur einem Kirchengebäude im Ort dieses gemeinsam genutzt werden musste, bekanntlich wurden dabei zur Trennung der Konfessionen mancherorts Mauern in die Kirchen eingezogen. In Zeiskam bekam der kleinere katholische Bevölkerungsanteil den Chor zugesprochen, den größeren Kirchenraum durften die evangelischen Christen nutzen.

Doch die alte Kirche zeigte immer größere Mängel. 1741 fiel das Turmdach ein, auch die Kirchhofmauer war sehr zerfallen und reparaturbedürftig. Zehn Jahre später war auch das Kirchenschiff so baufällig geworden, dass nur unter Lebensgefahr darin Gottesdienste gehalten werden konnten. Es war klar: Ein Neubau ist notwendig.

0.3.„Kirchlicher Terrorismus“

„Der kirchliche Terrorismus unter Johann Wilhelm …“, so überschreibt der Heidelberger Geschichtsprofessor Ludwig Häusser das Kapitel über diesen Zeitabschnitt in seinem Standardwerk zur „Geschichte der Rheinischen Pfalz“ aus dem Jahr 1846[Anm. 8]. Der Kurfürst hatte es bei seinem Regierungsantritt 1697 als eine „unbegreifliche göttliche Gnade“ bezeichnet, dass die Kurwürde „wieder in katholischen Händen sey“. In einer Vielzahl von Orten wurden das oft nur als einzelne Kirche vorhandene Gotteshaus ausschließlich den Katholiken eingeräumt. Dazu gehörten auch viele Orte im Oberamt Germersheim, nämlich Germersheim selbst sowie Bellheim, Knittelsheim, Ottersheim, Sondernheim, Lingenfeld, Neupotz, Berg, Neuburg, Hagenbach, Wörth sowie weitere Orte in der Südpfalz, wobei in einigen Dörfern die Anzahl der Protestanten doppelt so hoch war wie die der Katholiken. Die meisten anderen Kirchengebäude mussten zwischen den Konfessionen geteilt werden. Wo die Katholiken bereits eine eigene Kirche hatten, behielten sie die Oberhand und mussten nicht die „lutherische Sekte“ hereinlassen.

In Heidelberg standen die Regierungen und der Fürst ganz unter dem Einfluss von Jesuiten.[Anm. 9] Viele Hugenottenfamilien, die wegen ihres Glaubens aus Frankreich geflohen waren und „viel unnützes französisches Gesindel herbeigelockt“ hätten, mussten die Pfalz verlassen und wanderten nach Preußen oder Amerika aus.  Im vorausgegangenen pfälzischen Erbfolgekrieg (1688-90) waren im Oberamt Germersheim die Menschen gezwungen worden, zur katholischen Konfession zu konvertieren. In Bellheim hatten die Franzosen sie mit Waffengewalt gezwungen an der Messe teilzunehmen. Nun wurden die Bewohner von der eigenen Obrigkeit gewaltsam gehindert, in ihren alten Glauben zurückzukehren oder mit Geld- und Gefängnisstrafen abgeurteilt. Man versuchte zu verhindern, dass die Kinder protestantisch getauft wurden. Die Evangelischen wurden mancherorts gezwungen, die katholischen Feiertage zu begehen und vor dem Allerheiligsten die Knie zu beugen. Eine Reihe protestantische Pfarrer und Schullehrer mussten ihre Ämter verlassen. Doch die Protestanten hielten fest zusammen und blieben bei ihrer Gesinnung. Um ihre Kinder taufen zu lassen, suchten sie Orte auf, wo noch ein evangelischer Pfarrer tätig war. Entsprechend wurden sie dann bei ihrer Rückkehr erneut drangsaliert.

Über diese Verhältnisse kamen nun massive Klagen an den Corpus Evangelicorum, eine nach dem Dreißigjährigen Krieg gegründete Vereinigung aller lutherischen und reformierten Stände im deutschen Reich, die die Interessen protestantischer Kirchen bewahren wollten. Ihre in die Kurpfalz abgesandten Bevollmächtigten mussten nach entsprechenden Erklärungen des Kurfürsten unverrichteter Dinge wieder abziehen. Bis vor den Kaiser kamen die Beschwerden. Nach entsprechenden Verhandlungen kam es schließlich 1705 zur sog. Religionsdeklaration, mit der die pfälzischen Kirchenverhältnisse geregelt werden sollten und worin auch das Oberamt Germersheim aufgrund der besonders schwerwiegenden Unruhen besonders erwähnt wurde.[Anm. 10] Völlige Religionsfreiheit wurde zugesichert, jeder durfte ohne Repressalien die Konfession wechseln, alle zuvor erlassenen Verhaltensmaßregeln gegen die Protestanten wurden aufgehoben. Wo es nur eine Dorfkirche gab, wurde Chor und Schiff geteilt, oft durch eine Mauer und separate Eingänge getrennt. Die kirchlichen Besitztümer sollten, entsprechend der Bevölkerungszahlen, im Verhältnis zwei zu fünf zwischen Katholiken und Reformierten geteilt werden.

Titelblatt Struve, Burkhard Gotthelf: Ausführlicher Bericht Von der Pfälzischen Kirchen-Historie. Franckfurt 1721.

Der thüringische Bibliothekar und Historiker Burkhard Gotthelf Struve hat 1721 einen „Ausführlichen Bericht Von der Pfälzischen Kirchen-Historie“ mit über 1600 Seiten verfasst, in dem wir eine ganze Reihe von Informationen aus dieser Zeit finden:[Anm. 11] Pfarrer Müller, seit 1689 in Zeiskam im Amt, musste im Oktober 1698 vor dem Oberamtmann in Germersheim erscheinen, weil er „denen Neubekehrten (Katholiken), nunmehr wieder Abgefallenen, ohne Churfürstliche Erlaubnüß … das heilige Nachtmahl gereichet.“         
Im November 1700 erhält der Schultheiß zu Zeiskam den Befehl „wegen verschiedener aus vermischten Ehen erzeugten Kindern … Hanß Dieter böse Tochter, Mattheis Beel Sohn und Tochter, Hanß Georg Rufs Tochter und sämtliche Eltern mit sich hieher [zu] bringen; sollten sie sich aber wegern, die Reuter [berittene Wachleute] daselbst dazu zu nehmen, und durch selbige die Leute herein [nach Germersheim] führen lassen.“

Direkt daran anschließend dokumentiert Struve einen sehr ausführlichen Bericht, „wie man zu Zeißkam eines Evangelisch-Lutherischen Mannes mit seiner Reformierten Frau erzeugtes Söhnlein mit Gewalt hinweg genommen, und Catholisch getaufft“. Der Schuhmacher Eberhard Moßern, verheiratet mit der Pfarrerstochter Maria Dorothea, wollte sein Kind vom örtlichen reformierten Pfarrer Rittersdorf taufen lassen. Dieser befürchtete jedoch Schwierigkeiten mit der katholischen Obrigkeit, und in Absprache mit dem Germersheimer Landschreiber entschied man, dass der Vater direkt in Heidelberg vorsprechen sollte. Erst als der Schuhmacher beim zweiten Mal in Heidelberg vorsprach, erhielt er die „Permission von der hochlöblichen Regierung schriftlich. Inzwischen kommt der Catholische Schultheiß zu Zeiskam, und nimmt seine Gerichts-Personen [Ratsherren] mit sich, schlägt der Kindbetterin, die allein im Hause war, mit einer Axt die Hauß- und Stuben-Thüre auf, nimmt das Kind mit Gewalt, und läst solches durch den Catholischen Geistlichen Manderfeld tauffen … wieder vielfältiges Protestiren der Mutter, und vieler weinenden Personen [die] zusehen“. Als der Vater aus Heidelberg zurückkam, wurde er „in den Thurm geworffen“, doch dann kurz darauf wieder frei gelassen.

Von Ober- und Niederlustadt wird durch Johann Ludwig Koch, dem „Johanniter-Ober-Meisterischer Amtmann zu Haimbach“ berichtet, dass der katholische Priester den reformierten Pfarrer in der gemeinsam genutzten Kirche nicht predigen lassen wollte und „seine Sacra [die Messe] prolongiret, damit die beede Reformirte Gemeinden an ihrem Gottesdienst gehindert werden mögen“. Zudem sollten dem Protestanten seine Einkünfte entzogen werden. Der Amtmann protestierte dabei gegen den kurpfälzischen Landschreiber in Germersheim, der hier eigenmächtig und gegen die bereits „zu Zeiten der Frantzösischen Occupation“ bestandenen und von den Johannitern eingehaltenen Regularien gehandelt hatte. Auch Görg Simon Leer, Schultheiß von Oberlustadt, verfasste einen Bericht über die „Attentaten“ der Germersheimer Obrigkeit.[Anm. 12]

Der „kirchliche Terrorismus“ schlägt sich auch in konkreten Zahlen nieder: Von den ursprünglich 24 reformierten Pfarreien im Oberamt Germersheim sind 1701 nur noch fünf besetzt (Impflingen, Siebeldingen, Zeiskam, Billigheim und Altdorf). Auch einen Schulmeister will man den Evangelischen nicht mehr stellen, obwohl die Gemeinden bereit sind, sowohl Pfarrer als auch Lehrer selbst zu bezahlen. In Oberlustadt hatte man „den Schulmeister sammt Weib und Kindern … mit allem, was er gehabt“ vertrieben. Auch wurde den Protestanten mancherorts das Almosengeld entzogen, mit dem man üblicherweise Familien in Not unterstütze.

In Bellheim hatte der Schultheiß auf Veranlassung des Germersheimer Amtsverwesers Evangelischen, die nach der zwangsweisen Katholisierung während der vorausgegangenen Franzosenzeit wieder zu ihrem alten Glauben zurückkehrten, zur Strafe insgesamt 17 Stück Rindvieh eingezogen. Wo kein Viehbestand vorhanden war, ließ er „Aexte, Beiler, Leinwad und dergleichen“ einziehen. Zudem kamen die Familienvorstände „drey Wochen weniger einen Tag in Arrest … in den Thurm, da man weder Sonne noch Mond siehet … Haben auch denen Gefangenen ihre Bücher, woraus sie Trost schöpffen wollten, nehmen, und in vier und zwanzig Stunden nur einmal Essen reichen lassen … und wann einer davon würde crepirt seyn, wollten sie ihn lassen auf den Schindwasen begraben“, wie Verbrecher und nicht auf dem Kirchhof. „Ihr habt einen Teuffels-Glauben,“ warf ihnen der Priester vor.[Anm. 13]

0.4.„Vorbildliche“ Pfarrer

Wie in unseren Zeiten erwartete man auch schon im 18. Jahrhundert von Amtsträgern eine vorbildhafte Lebensführung. Dass diese Vorbildfunktion auch von den reformierten Pfarrern nicht immer eingehalten wurde, ist beispielsweise Berichten über August Bickes zu entnehmen, der von 1710 bis 1719 das Pfarramt in Zeiskam führte. Er war als Bäckersohn 1683 in Neustadt zur Welt gekommen. Sein teilweise noch in den Dokumenten zu findender Familienname Lepiqué lässt vermuten, dass er hugenottischer Abstammung war. Zwecks einer finanziellen Gleichbehandlung mit den katholischen Pfarrern stand er fordernd beim Bischof in Speyer auf der Matte, er wurde aber auch bei der kurfürstlichen Regierung in Düsseldorf vorstellig. Seine jährliche Besoldung bestand aus 15 Malter Korn, 6 Ohm Wein (etwa 800 Liter) und 25 fl (Gulden) in bar. Von einem seiner Nachfolger wird er „mit einem unruhigen Temperament“ beschrieben. Die großen Ärgernisse mit ihm vor Ort nahmen überhand und er geriet mit dem katholischen Kollegen Kleber „in volle Flammen“, mit dem er vier Jahre lang einen juristischen Streit vor der kurfürstlichen Kammer ausgefochten hatte. Der bereits zitierte „Ausführlichen Bericht Von der Pfälzischen Kirchen-Historie“ von Burkhard Gotthelf Struve aus dem Jahr 1721 hält dazu fest, dass Bickes wegen seiner „scandalösesten und obscönesten Thaten und Aufführung, eigenmächtigen Eindringung in eines anderen Pfarrey und Besoldung, auch seiner gegen Kirchen-Rath beständig bezeigter Renitenz und Widersetzlichkeit … und mit den meisten Gliedern seiner Gemeind in bitterstem Zanck lebet [und] die Reformatoren … öffentlich verspottet“, suspendiert werden musste.

Vor und nach diesem „herausragenden“ Geistlichen leisteten in einer Übergangszeit Pfarrer Müller aus Bellheim und Pfarrer Rittersdorf aus Schwegenheim Vertretungsdienst in Zeiskam, die für jede sonntägliche Predigt 1 fl 30 Kreuzer Entlohnung erhielten.

0.5.Katechismusstreit

Nach dem Tod von Kurfürst Johann Wilhelm, der keine leiblichen Erben hinterließ, ging die Regierung 1716 an seinen bereits 55 Jahre alten Bruder Karl Philipp über. Anlass für neue konfessionelle Auseinandersetzungen war der sogenannte Katechismusstreit. Der Heidelberger Katechismus mit den Grundsätzen der calvinistisch-reformierten Konfession war 1563 unter Kurfürst Friedrich III. eingeführt worden und diente als Bekenntnisschrift und Grundlage für den religiösen Unterricht.[Anm. 14] Der Streit manifestierte sich an der achtzigsten Frage, in der kritisiert wird, dass Christus bei der Messe leiblich in der Gestalt des Brots und des Weins präsent sei und die Vergebung der Sünden nur geschehe, indem Christus täglich bei der Messe von den Priestern geopfert werde. Deshalb wird in dem Lehrbuch die katholische Messe als eine „vermaledeite Abgötterey“ bezeichnet. Karl Philipp verbot das Buch und lies es überall von seinen Amtsleuten konfiszieren.

Achtzigste Frage in: Catechesis religionis christianae quae traditur in ecclesis et scholis Palatinatus. Heidelberg 1563.

Wieder im Oberamt Germersheim kam es durch diese Auseinandersetzungen zu besonderen Bedrückungen der Bevölkerung. Die Protestanten sollten mancherorts die katholischen Zeremonien mitfeiern und die evangelischen Glocken an katholischen Feiertagen läuten lassen. Auch Taufen und Hochzeiten wurden wieder zwangsweise nach katholischem Ritus durchgeführt. In Heidelberg wurde den Protestanten die Hl. Geist-Kirche gewaltsam weggenommen. In einem umfangreichen Verzeichnis, in dem dargestellt wird, in welchen Orten die katholische Kirche überproportional höhere Zuwendungen erhielt als die Protestanten, tauchte auch die „collectur Zießkam“ (kirchliche Finanzverwaltung) auf. „Davon ziehen die Herren Cathol. 2/3tel, und die Reformirte 1/3tel“, obwohl ja die Bevölkerungsverhältnisse gerade umgekehrt waren.[Anm. 15]

1720 war ersatzweise Pfarrer Schloer nach Zeiskam gekommen, er musste jedoch auch die beiden Pfarreien in Ober- und Niederlustadt mitbetreuen, wo er auch eine Mietwohnung hatte und von wo er letztlich auch seine Besoldung bekam.

0.6.Ein Haus für den Pfarrer

Inschrift am ehemaligen Pfarrhaus.[Bild: Hartwig Humbert]

1727 beklagte er sich über die wachsende Gemeindegliederzahl, die Gemeinde Zeiskam wurde ihm schließlich entzogen. Die Zeiskamer versprachen dem Heidelberger Kirchenrat, dass sie einem eigenen Pfarrer ein Pfarrhaus zur Verfügung stellen würden und er „Wießwuchs für zwey Stück Vieh und sattsames Brennholz“ erhalten sollte. Dies wurde in Heidelberg schriftlich protokolliert und mit Unterschriften des Schultheißen Joh. Georg Helmer und der Gerichtsverwandten (Gemeinderat) besiegelt. Zunächst kam für ein Jahr Pfarrer Fickeisen, dann übernahm Pfarrer Wilhelm Hilspach von 1729 bis 1742 die reformierte Gemeinde.

Vor Ort kam es zwischen Amtsträgern der beiden Konfessionen erneut zu Auseinandersetzungen. Hilspach klagte über „die gottlosesten Tyrannerei und Intriguen des (katholischen) Schultheißen J. Georg Hellmer“ (1658 - 1738). Ihm war versprochen worden, dass man ihm ein Pfarrhaus errichten wolle und er die oben genannten Naturalien erhalten sollte. Tatsächlich wurde für den Herrn Pfarrer ein Wohnhaus mit Stallung errichtet, das noch heute in der Hauptstraße identifiziert werden kann.      

Doch auch über den Nachfolger des alten Schultheißen, Friedrich Hellmer (1684 – 1765), einer der sechs Söhne des alten Praetore hatte der Pfarrer zu klagen. Zur Haushälterin des katholischen Pfarrers soll er geäußert haben: „Der Calvinistische Schelm soll sehen, wo er Holz herbekommt.“ Als dies jedoch öffentlich wurde, sogar der katholische Geistliche Heinrich Döring hatte sich schriftlich beim Oberamt in Germersheim über ihn beschwert, kam er ganz reumütig zu dem Protestanten und saß über zwei Stunden bei einem (?) Gläschen Wein mit ihm zusammen.

Links: Grabkreuz von Leopold Herrmann. Rechts: Zeichnung des Grabkreuzes für Friedrich Hellmer.[Bild: Links: Hartwig Humbert, rechts: Landesarchiv Speyer]

Hinterher verweigerte Hellmer aber weiterhin die Holzlieferung an Hilspach, bis er auf Anweisung aus Germersheim doch liefern musste. Die Unterschiede blieben: Der Katholik erhielt 25 Klafter, der reformierte Pfarrer nur an die 14 Klafter Holz (Ein Klafter waren etwa zwei bis drei Kubikmeter.)[Anm. 16]

Georg Michael Hellmer (geb. 1682), ein Bruder dieses schwierigen Ortsvorstehers, der das Amt des Oberschultheißen in Godramstein innehatte, stiftete übrigens 1753 ein Steinkreuz zu Ehren seines verstorbenen Vaters. Ein Plan davon findet sich im Landesarchiv in Speyer. Das Kreuz ist nicht mehr erhalten, ähnelt aber im Entwurf sehr dem auf dem Zeiskamer Friedhof erhaltenen Grabkreuz von Leopold Herrmann, der von 1909 bis 1925 als katholischer Priester in Zeiskam tätig war.

Nachweise

Verfasser: Hartwig Humbert

Weitere Literatur:

  • Baar-Cantoni, Regina: Religionspolitik Friedrichs II. Von der Pfalz im Spannungsfeld von Reichs- und Landespolitik. Stuttgart 2011.
  • Biundo, Georg: Die evangelischen Geistlichen der Pfalz seit der Reformation (Pfälzisches Pfarrerbuch). Neustadt/Aisch 1968.
  • Blaul, Friedrich: Das Reformationswerk in der Pfalz. Historische Denkschrift zur 300jährigen Jubelfeier der pfälzischen Kirchenverbesserung am 3. Januar 1846 nebst einem Überblicke der ferneren Geschichte der evangelischen Kirche in der Pfalz.
  • Glasschröder, Franz X.: Urkunden zur Pfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter. München 1903.
  • Glasschröder, Franz X.: Neue Urkunden zur Pfälzischen Kirchengeschichte im Mittelalter. Speier 1930.
  • Grünenwald, Lukas: Die Bücher und Handschriften des alten Speierer Domstiftes von 650 bis 1803. Speier 1930.
  • Lossen, Richard: Staat und Kirche in der Pfalz im Ausgang des Mittelalters. Münster i. W. 1907.
  • May, Georg: Das Recht des Gottesdienstes in der Diözese Mainz zur Zeiut von Bischof Joseph Ludwig Colmar (1802-1818). Amsterdam 1987.
  • Remling, Franz Xaver: Das Reformationswerk in der Pfalz. Eine Denkschrift für die Heimath, sammt einem Umrisse der neueren pfälzischen Kirchengeschichte. Mannheim 1846.
  • Remling, Franz Xaver: Urkundliche Geschichte der ehemaligen Abteien und Klöster im jetzigen Rheinbayern. Pirmasens 1973.

Erstellt am: 14.01.2022

 

Anmerkungen:

  1. Doll, Anton (Hrsg.): Palatia sacra. Kirchen- und Pfründebeschreibung der Pfalz in vorreformatorischer Zeit. Mainz 1999. Siehe auch Kath. Kirche / Diözese Speyer: Handbuch des Bistums Speyer. Speyer 1991. Zurück
  2. Haffner, Franz: Die kirchlichen Reformbemühungen des Speyerer Bischofs Matthias von Rammung in vor tridentischer Zeit (1464 – 1478). Speyer 1961. Zurück
  3. Keddigkeit, Jürgen (Hrsg.): Pfälzisches Burgenlexikon, Band 4.2. Kaiserslautern 2007. S. 426f. Zurück
  4. Vogel, Johann: Zeiskam, Johanniter-Comthurei Heimbach und Nachbarorte in vergangenen Zeiten. Scheinfeld 1910. Zurück
  5. Weber, Johann: Burg und Kirche zu Zeiskam. In: Der Rheinpfälzer. Landau 1913. Zurück
  6. Rott, Hans: Friedrich II. von der Pfalz und die Reformation. Heidelberg 1904, S. 113 Zurück
  7. Ein Malter beinhaltete 12-16 Scheffel, ein Scheffel jeweils etwa ein halber Liter. Somit sind dies etwa 100 bis 130 Liter Korn, was wohl nur annähernd den Jahresbedarf eines Erwachsenen decken konnte. Zurück
  8. Häusser, Ludwig: Geschichte der Rheinischen Pfalz nach ihren politischen, kirchlichen und literarischen Verhältnissen. Heidelberg 1846. Neuauflage: Loos, Friedrich (Hrsg.): Geschichte der Rheinischen Pfalz … Pirmasens 1971. Zurück
  9. Weiß, Franz: Die malerische und romantische Rhein-Pfalz. Historisch-topographisch beschrieben. Neustadt a. d. Haardt.1857. Zurück
  10. Hans, Alfred Josef: Die kurpfälzische Religionsdeklaration von 1705. Ihre Entstehung und Bedeutung für das Zusammenleben der drei im Reich tolerierten Konfessionen. Mainz 1973. Zurück
  11. Struve: Burkhard Gotthelf: Ausführlicher Bericht Von der Pfälzischen Kirchen-Historie. Franckfurt 1721. Zurück
  12. Struve S. 1011 und 1022ff. Zurück
  13. Struve S. 819f. Zurück
  14. Catechesis religionis christianae quae traditur in ecclesis et scholis Palatinatus. Heidelberg 1563. Zurück
  15. Struve, S. 1454f Zurück
  16. Kaul, Th.: Aus trüben Tagen. Ein Bericht des Zeiskamer Pfarrers Joh. Wilh. Hilspach. In: Blätter für Pfälzische Kirchengeschichte und religiöse Volkskunde. 1959, 26. Jahrgang. S. 176 f. Zurück