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0.3. Tradition der Draiser Fastnacht

Titelseite des Programmheftes der Fastnachtssitzung von 1913. [Bild: Privatbesitz Erwin Wollstädter]

Erste gesicherte Anhaltspunkte für die Fastnachtstradition im Mainzer Vorort Drais reichen bis vor den Ersten Weltkrieg zurück. Beleg dafür ist ein Programm aus dem Jahre 1913, das vom damaligen Gesangsverein Sängerbund Drais herausgegeben wurde sowie die Fastnachtszeitschrift Draiser Tagblatt, in der neben aktuellen Ereignissen auch Werbeanzeigen der örtlichen Fastnachtsveranstaltungen abgedruckt waren und immer am Fastnachtssamstag erschien. Einen Fastnachtsverein gab es nicht. Organisiert wurden die närrischen Veranstaltungen von den kleinen Ortsvereinen. Als Vorbild dienten andere Mainzer Fastnachtsvereine. Erst 1997 gründeten die Bürger des Ortes den „Draiser Carneval Club“ (DCC).

Kopfzeile des Draiser Tagblattes, einer Fastnachtszeitschrift, die einmal im Jahr am Fastnachtssamstag erschien.[Bild: Privatbesitz Erwin Wollstädter]
Fastnachtsanzeigen im Draiser Tagblatt, das neben Nachrichten des aktuellen politischen Geschehens auch Werbeanzeigen enthielt.[Bild: Privatbesitz Erwin Wollstädter]

Während der Besatzung durch die Franzosen nach dem Ersten Weltkrieg blieben närrische Aktivitäten vorübergehend ausgesetzt. Hay schreibt, dass die Menschen mit den Folgen des Krieges beschäftigt waren und kein Interesse an Fastnachtsaktivitäten hatten. Dies änderte sich mit dem Abzug der letzten Besatzungssoldaten am 30. Juni 1930[Anm. 1] und der wieder gewonnen Bereitschaft sich dem närrischen Treiben zu widmen. Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass der Mainzer Oberbürgermeister Karl Külb im Jahr 1919 einen Beschluss erließ, der närrische Aktivitäten verbot. Erst 1925 – nach Anweisung durch die Franzosen – erlaubte Külb die Durchführung von Fastnachtsfeiern[Anm. 2]. Ob ein Zusammenhang mit der Briand-Stresemann Politik besteht, lässt sich heute nicht mehr beantworten. Die ersten Anzeichen für närrische Aktivitäten nach dem Ersten Weltkrieg in Drais datiert Hay auf das Jahr 1928. Im Jahr 1930 veranstaltete die Deutsche Jugendkraft/Handballer (DJK) Kappensitzungen, ebenso die Fußballer (VFR Drais), die außerdem am Fastnachtssamstag eine Fußballpartie „Schwarz gegen Weiß“ spielten. Der Name entstammte der Tatsache, dass sich eine Mannschaft komplett mit schwarzer Farbe anmalte. Im Jahr 1932 hielt Hay selbst seinen ersten karnevalistischen Saalvortrag, der große Begeisterung bei seinem Publikum auslöste und ihn zum weitermachen anregte.

Nachdem die Nationalsozialisten an die Macht kamen, fanden Fastnachtsaktivitäten nur noch in den örtlichen Draiser Gaststätten statt.

Anmerkungen:

  1. Würz, „Kampfzeit unter französischen Bajonetten“, S. 72.  Zurück
  2. Schmelz, Ady M.: Rollende Satire. Motivwagen im Mainzer Rosenmontagszug. Mainz 2006, S. 20. Zurück