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0.7. Fazit

Aus den Ausführungen wird ersichtlich, dass die Nationalsozialisten großen Einfluss auf die Fastnacht in Drais und Mombach ausübten. Beispiele hierfür sind u. a. der Vortrag von Hay aus dem Jahr 1934, in dem er sich kritisch gegenüber dem Regime äußerte und ihm anschließend von Bürgermeister Eckert nahe gelegt wurde, solche Äußerungen zu unterlassen, da er sich sonst im KZ Osthofen wiederfinde sowie der Umstand, dass die nationalsozialistische Ideologie auf Veranstaltungen der jüngsten Teilnehmer der Mombacher Fastnacht, dem Kinderkarneval, präsent war. Zeugnis dafür sind die Ausführungen Schiers bezüglich der Sitzung der Mombacher Schulkinder aus dem Jahr 1934, auf welcher der Prinzkarneval das Wohlwollen des Führers betonte.

Der einzig weitere überlieferte Draiser Vortrag für die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammt aus dem Jahr 1938/39 und enthält keinerlei Misstöne gegenüber dem NS-Regime. Vielmehr standen alltägliche Dinge sowie das Vereinsleben im Vordergrund. Aufgrund der bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts vorhandenen professionellen Strukturen, sind für Mombach weitaus mehr Vorträge, Lieder etc. überliefert. Kritische Töne von Büttenrednern blieben auch hier die Ausnahme. Zu groß war die Angst über die möglichen Konsequenzen.

Insgesamt fand die Ideologie der Nationalsozialisten in der Draiser Bevölkerung im Vergleich zu anderen Ortschaften nur unwesentlich Einzug. In Nachkriegserzählungen spielt der Zusammenhalt unter den Dorfbewohnern eine große Rolle. Die Zeitzeugen betonten, dass man sich jederzeit untereinander half. Dabei waren für sie die Parteizugehörigkeit sowie die Konfession ihres Gegenübers unerheblich. Aus der Sicht eines Historikers sind die Punkte, die bereits in der Einleitung Erwähnung fanden von Bedeutung. In überwiegend von der Landwirtschaft geprägten Gebieten konnten hohe Sympathiewerte für die NSDAP festgestellt werden. Dies trifft jedoch für Drais nicht zu. Sicherlich waren die konfessionellen Verhältnisse (98 % Katholiken) der Hauptgrund dafür, dass die Nationalsozialisten nur schwer Fuß fassen konnten in der kleinen Gemeinde. Die Rolle des damaligen örtlichen Pfarrers Joseph Fink und des Mainzer Bischofs Albert Stohr dürfen dabei nicht außer Acht gelassen werden. Fink geriet bereits vor 1933 mit den Nationalsozialisten in Konflikt. Der Finther Ortsgruppenleiter wies ihn an, vorsichtiger in seinen politischen Äußerungen zu sein[Anm. 1]. Bischof Stohr positionierte sich mit Beiträgen in Zeitschriften und Zeitungen klar gegen den Nationalsozialismus[Anm. 2]. Diese beiden dienten für die Katholiken als moralische Instanz und beeinflussten mit ihrer Haltung die Einstellung der Menschen gegenüber dem Nationalsozialismus.

In Mombach erreichten die Hitler-Anhänger deutlich mehr Zustimmung als in Drais. Beleg hierfür sind u. a. die Wahlergebnisse der Reichstagswahlen von Juli 1932 bzw. März 1933, bei denen die NSDAP mit jeweils ca. 27 % und ca. 32 % hinter der SPD zweitstärkste politische Kraft wurde[Anm. 3].

Außerdem besaß der Ort aufgrund seiner Industrieansiedlungen sowie seinen Truppenübungsplätzen für die Wehrmacht, die infolge des Einmarsches deutscher Soldaten in die entmilitarisierten Zonen des linken Rheinufers benötigt wurden, eine weitaus höhere strategische Bedeutung als Drais.

Der Mombacher Karneval war weit über die Ortsgrenzen hinaus bekannt. Dies blieb auch den Verantwortlichen nicht verborgen. Für die Fastnachtssitzungen der Kinderfastnacht 1934 ist dokumentiert, dass wichtige Funktionsträger der Mainzer NSDAP anwesend waren und somit dessen besondere Relevanz unterstrichen. Die Nationalsozialisten benutzten das närrische Treiben für ihre eigene Propaganda. Die Ortsgruppe der NSDAP Mombach beabsichtigte jedem „Volksgenossen“ zu ermöglichen, an karnevalistischen Veranstaltungen teilzunehmen. Eine Maßnahme, die ganz im Zeichen der NS-Ideologie einer „Volksgemeinschaft“ stand.

Wie sich die Machtübernahme der Nationalsozialisten auf das jüdische Leben in Drais und Mombach auswirkte, wurde bis heute noch nicht aufgearbeitet. Ebenso gilt es zu klären, inwieweit sich andere aktive Fastnachter in ihren Vorträgen zu den Nationalsozialisten äußerten. Insgesamt steht eine gründliche Aufarbeitung der Jahre 1933–45 der beiden Ortschaften noch aus.

Anmerkungen:

  1. Rommel, Martina: Die Geschichte der katholischen Pfarrei Drais. In: Vor den Toren der großen Stadt. 850 Jahre Drais 1149–1999, hg. v. Walter G. Rödel. Mainz 1998, S. 141. Zurück
  2. Kißener, Michael: Bischof im „Jahrhundert der Widersprüche“. Zu (kirchen-)politischen Grundpositionen des Mainzer Bischofs Albert Stohr. In: Dominus Fortitudo, hg. v. Karl Kardinal Lehmann. Mainz/Würzburg 2012, S. 144. Zurück
  3. Klein, Die Hessen als Reichstagswähler, S. 1196. Zurück