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0.Aus dem alltäglichen Leben eines römischen Legionärs in Mogontiacum

von Martin Ploen

Das frührömische Mainz. aus: Cüppers: Die Römer in Rheinland-Pfalz, S.84.[Bild: Heinz Cüppers]

Die Stadt Mogontiacum (Mainz) wurde um die Jahre 13/12 v. Chr. vom Feldherr Nero Claudius Drusus als Legionslager zur Überwachung der rechtsrheinischen Länder und als Vorbereitung seines Germanien-Feldzuges, an der Stelle eines bereits früher existierenden, aber lediglich mobilen Marschlagers, direkt gegenüber der Mainmündung gegründet. Innerhalb weniger Jahre entwickelte sich aus diesem, für 2 Legionen konzipierten Militärlager (ca. 12.000 Soldaten) eine blühende Stadt mit bis zu 50.000 Einwohnern. [Anm. 1] 

Benannt nach dem keltischen Gott Mogon, nahm die Stadt spätestens ab 90 n. Chr., mit der Ernennung zur Provinzhauptstadt von Germania Superior, eine zentrale Rolle in der Verwaltung der Provinz und bei der Verteidigung des rechtsrheinischen Limes ein. Leider gibt es aufgrund der neuzeitlichen Überbauung aus dieser Frühphase von Mainz nur wenige erhaltene Befunde, weswegen man über den genauen Aufbau des Lagers kaum dezidierte Aussagen treffen kann. [Anm. 2]  Dennoch kann man sich ein ungefähres Bild des frühen Mainz vor Augen führen, wenn man ein ähnliches Legionslager untersucht. Ein solches findet man einige Kilometer rheinabwärts in Novaesium (Neuss).

0.1.Aufbau eines Legionslagers am Beispiel Novaesium

Grundriss des Römischen Lagers in Novaesium (ca. 43-69 n. Chr.)

Genau wie die Stadt Mainz wurde auch Neuss im Vorfeld des Germanien-Feldzuges von Drusus als befestigtes, dauerhaftes Kastell zur Überwachung der Rheingrenze gegründet. Da beide Lager für 2 Legionen ausgelegt waren, kann man anhand der regionalen Nähe und desselben Zeithorizonts davon ausgehen, dass sie in etwa gleich aufgebaut waren, auch wenn sich aus topographischen Gründen sicherlich kleinere Unterschiede ergeben und sie im Laufe ihres Bestehens mehrfach umgebaut oder erweitert wurden.

In der frühen Kaiserzeit wurden Legionslager meist rechteckig, in einem Länge-Breite-Verhältnis von 3:2 angelegt, mit jeweils einem Ausfalltor zu jeder Seite. Das Haupttor wies nach Überlieferung des Hyginus stets in Richtung des zu überwachenden Landstriches.[Anm. 3] 

Eine leicht abfallende Hanglage wie am Mainzer Kästrich eignete sich dafür ideal, auch um weithin sichtbare Präsenz zu zeigen. Innerhalb des Schutzwalls wurde die Architektur durch die Hauptstraße, die Via Principalis, und die parallel verlaufende Via Quintana in 3 Bereiche geteilt. Senkrecht dazu verliefen die Via Praetoria, die Hauptausfallstraße, sowie die rückwärtige Via Decumana, welche die beiden Legionen des Lagers strikt voneinander trennten.

Im Zentrum jedes Lagers stand dabei das Stabsgebäude (Principia), in dem der Legionslegat saß, der Befehlshaber des Lagers. Es lag direkt an der Kreuzung von Hauptstraße und Hauptausfallstraße. Darin befand sich das Fahnenheiligtum, in dem der Adler und die Standarte der Legion, sowie die Büste des Kaisers für den Kaiserkult verwahrt wurden. Dieses Heiligtum war der Ort für diverse Kulthandlungen innerhalb des Legionslagers. In unmittelbarer Nähe zum Stabsgebäude lagen meist auch das Wohnhaus des Legaten, sowie die Unterkünfte der Veteranen von der 1. Kohorte, den treuesten und erfahrensten Soldaten der Legion. Auf der gegenüberliegenden Seite der Hauptstraße wohnten die Tribunen und die Präfekten, die zusammen mit dem Legaten den Führungsstab bildeten. Dann erst folgten die Mannschaftsbaracken der Reiterei und schließlich die Baracken für die Fußsoldaten.

In Neuss befand sich gleich hinter dem Stabsgebäude zunächst noch das Quaestorium, die Verwaltungszentrale des Lagers, die aber auch an anderer Stelle im Lager stehen konnte, etwa in der Nähe der Getreidelager. Diese befanden sich aus logistischen Gründen meist an einer der Hauptstraßen in der Nähe eines Tores. Daneben verfügte das Lager über ein eigenes Lazarett, die sich nur in den größeren Legionslagern wiederfinden lassen. Da Mainz von ähnlicher Größe war, kann man annehmen, dass es auch dort ein Lazarett gegeben hat.

Weitere wichtige Gebäude waren die Werkstätten (Fabrica), ein Forum zum Exerzieren und für Waffenübungen, sowie eine Therme zur Körperpflege, die sich meist im Mittelstreifen befand und im Mainzer Lager als einziger Innenbau im Detail dokumentiert werden konnte. Die Latrinen lagen meist am tiefgelegensten Rand des Verteidigungswalls, sodass der Unrat sogleich von einem Entwässerungssystem fortgespült werden konnte. Die Wasserversorgung dafür wurde im Mainzer Lager ab flavischer Zeit über das heute noch in Teilen erhaltene Aquädukt gewährleistet.[Anm. 4] 

Zwischen dem Lager und dem Schutzwall verlief das Intervallum, eine breite Schneise zum Schutz. Diese bot den Soldaten im Fall der Verteidigung genug Platz, um sich nicht gegenseitig zu behindern und war breit genug, sodass die Gebäude im Inneren bei einem Angriff nicht durch Fernwaffen in Mitleidenschaft gezogen werden konnten. Der Wall selbst wurde zu Beginn noch als Holz-Erde-Mauer angelegt. Auf Rasensoden, die häufig zum Schutz vor Bodennässe eingesetzt wurden, ist in Mainz wohl verzichtet worden. Erst zur Regierungszeit von Vespasian (69-79 n. Chr.) wurde der Holzwall durch Stein ersetzt.

Auffällig an der Mainzer Umwehrung ist, dass die südwestliche Mauer in einer späteren Bauphase (ca. 17 n. Chr.) um 30 Meter vorverlegt wurde und vermutlich auch die nördliche Mauer verschoben wurde, um mehr Platz für den Innenraum zu schaffen. Womöglich spricht das dafür, dass das Lager erst nach der Abkehr der offensiven Germanienpolitik durch Tiberius für die dauerhafte Stationierung von 2 Legionen ausgelegt war und zuvor eher als Ausgangslager und Winterquartier für mobile Truppenverbände genutzt wurde.[Anm. 5] 

0.2.Kommandostruktur eines Legionslagers

Eine römische Legion umfasste in der Regel knapp 5500 Mann, die 20 bis 25 Jahre als Soldaten dienten und das römische Bürgerrecht besaßen. Sie war in 10 Kohorten unterteilt, die mit Ausnahme der 1. Kohorte wiederum in jeweils 6 Zenturien zu je 80 Mann gegliedert waren. Die 1. Kohorte hingegen besaß die doppelte Stärke. Hinzu kamen noch 120 Reiter, die als Kuriere und Kundschafter eingesetzt wurden. Eine kämpfende Kavallerie gab es lediglich als Truppenteil bei den Hilfstruppen (Auxiliaren), die jeder Legion angegliedert waren und in etwa dieselbe Mannschaftsstärke besaßen. Diese Soldaten waren allerdings in einem separierten Lager in der Nähe untergebracht. In Mainz befand sich eines dieser Lager bei Weisenau und ein weiteres, nach Eroberung der rechtsrheinischen Gebiete, in Mainz-Kastel.

An oberster Stelle einer römischen Legion stand der Legat, der Feldherr der Legion. In der Regel stammte dieser aus dem hohen Adel, war zwischen 30 und 40 Jahren alt und strebte im Anschluss an seine Militärlaufbahn eine höhere Karriere an, etwa im Senat. Sein direkter Untergebener und Stellvertreter war der Tribunus Laticiavius, der ebenfalls aus dem hohen Adel stammte. Darunter standen 5 weitere Militärtribunen aus dem niederen Adel, die zusammen mit den vorgenannten den Offiziersstab bildeten. Genau wie der Legat waren sie keine Berufssoldaten und sahen ihren Dienst vielmehr als Anfang einer politischen Karriere.

An 3. Stelle der Hierarchie folgte dann der Lagerpräfekt, der sich um die Verwaltung und Organisation innerhalb des Lagers kümmerte und anders als die vorgenannten eine komplette militärische Laufbahn durchlaufen musste. Weitere Präfekten führten den Befehl über die Reiter (Alae) und die Kohorten der Hilfstruppen. Sie waren aber, anders als die ihnen untergebenen Truppen, nicht im Auxiliarlager untergebracht, sondern im Legionslager stationiert. Dazu besaßen sie das römische Bürgerrecht. Die Einheiten der Hilfstruppen hingegen wurden aus der einheimischen Bevölkerung der eroberten Länder eingezogen und erwarben das Bürgerrecht erst nach Ablauf ihrer Dienstzeit.

Den Tribunen waren 60 Zenturionen untergeordnet, welche die Aufsicht und den Befehl über ihre jeweiligen Truppenteile besaßen. Ihnen stand dabei auch jeweils noch ein Unteroffizier (Optio) zur Seite, den sie selbst ernannten. Weitere hochangesehene Positionen in jeder Legion waren die des Aquilifers und des Signifers, welche den Legionsadler und das Feldzeichen der Legion trugen. Der Verlust der Standarte in einer Schlacht galt als die größte Schande, derer sich ein Legionär schuldig machen konnte.  Eine besondere Rolle in der Legion nehmen die Immunes ein. Diese waren Gefreite mit besonderen Fachkenntnissen, etwa Handwerker, Schreiber oder Sanitäter, die von schweren Dienstpflichten teilweise ausgenommen waren.[Anm. 6] 

0.3.Ausrüstung eines Legionärs

Ausrüstung eines römischen Legionärs (ca. 43-69 n. Chr.)[Bild: Boris Alexander Burandt]

Die Ausrüstung eines römischen Legionärs war stetigen Entwicklungen und fortschreitenden Innovationen unterworfen und lässt sich keineswegs auf die starren Vorstellungen reduzieren, die man aus Filmen und Serien kennt. Dies fängt bereits mit der stereotypischen, durchgängigen roten Tunika an, die es so wohl nie gegeben hat. [Anm. 7] 

Zwar bildete die aus Schafswolle gefertigte Tunika tatsächlich die Basis der römischen Bekleidung und besaß durchaus rote Streifen, aber diese konnten auch Blau oder Schwarz sein, wobei das natürliche Weiß des Stoffes stets dominierte. Mit einem oft rotgefärbten Ledergürtel wurde sie von den Soldaten bis knapp über die Knie gerafft, um ihnen genug Bewegungsfreiheit im Kampf zu gewähren. Dieser Gürtel war in regelmäßigen Abständen mit zunächst eher einfach und später aufwendiger dekorierten Beschlagplatten verziert, an denen man die typischen Waffen eines Legionärs, jeweils ein Dolch und ein Schwert, mithilfe von Lederriemen befestigt konnte.

Das Gladius war das Standardschwert der römischen Legionäre. Die stählerne Klinge des Kurzschwertes wurde beidseitig geschliffen, maß lediglich 50-58 cm und war somit ideal für den Formationskampf geeignet. Durch das geringe Gewicht konnte es problemlos über längere Zeit geführt werden. Dazu besaß das Schwert keine Parierstange, da es hauptsächlich als Stoß- und Stichwaffe verwendet wurde. Der Griff bestand meist aus Knochen oder Holz, selten auch aus Elfenbein, wobei dies häufig eine Frage der Kosten war.

Die Scheide wurde ebenfalls aus Holz angefertigt und war meist in farbiges Leder oder Textil gefasst. Ein Buntmetallrahmen sorgte für die nötige Stabilität. Obendrein verzierte man sie häufig mit Messing, verzinntem Kupferblech oder seltener auch mit Silber. Die individuelle Art der Verzierung war dabei einer stetigen Veränderung unterworfen und orientierte sich an der gängigen Mode oder dem aktuellen Kaiser. Besonderes Augenmerk legte man auf die Dolche, deren Scheiden aus Prestigegründen aufwendig dekoriert waren. Diese Waffen dienten ohnehin häufiger der Zierde, als dass sie tatsächlich im Kampf Verwendung fanden.

Über der Tunika trugen die Legionäre die Lorica, bei der es sich entweder um ein Kettenhemd oder einen Schienenpanzer handelte, die zu etwa gleichem Anteil innerhalb einer Legion getragen wurden. Auch hier lässt sich das gängige Bild einer uniformen Ausrüstung archäologisch nicht halten. Während das Kettenhemd von den Kelten übernommen wurde, ist der Schienenpanzer eine genuin römische Erfindung.

Zur typischen Ausrüstung eines Legionärs gehörte auch der Helm mit seinen charakteristischen, beweglichen Wangenklappen. War er zu Beginn der frühen Kaiserzeit häufig noch aus Bronze oder Messing gefertigt, so wurde dieses Metall allmählich von Eisen abgelöst, von dem man annehmen muss, dass es aufgrund seiner starken Rostneigung verzinnt war. Häufig waren diese Helme mit einem Helmbusch aus gefärbtem Rosshaar oder Federn verziert. Diese Helmzier wurden teilweise auch als Dienstgradkennzeichen verwendet, etwa bei Zenturionen, die sie anders als die Mannschaften quer zum Helm trugen.

Ein weiteres wichtiges Ausrüstungsstück war der Wurfspeer (Pilum), der zu Beginn der Schlacht auf den Feind geworfen wurde und mit seiner langen Eisenspitze problemlos Schilde durchschlagen konnte. Als Schutzwaffe für den Formationskampf diente ein großer Turmschild. Dieser gewölbte Holzschild war rechteckig geformt, besaß abgerundete Ecken und war häufig mit Leder oder Leinen bezogen. Die Schildbemalung und Verzierungen variierten dabei von Legion zu Legion. Beliebte Motive waren Blitze, Adlerschwingen oder Lorbeer- und Eichenkränze. Über die Farbe lässt sich archäologisch nur schwer eine Aussage treffen, doch die bekannten roten Schilde traten wohl erst im 2. Jh. n. Chr. auf.

Zur Standardausrüstung zählten zuletzt auch ein Schal gegen scheuernde Rüstungsteile und ein Mantel, der nicht nur witterungsbedingt bei Regen oder Kälte zum Einsatz kam, sondern auch im gewöhnlichen Dienst getragen wurde und in der Nacht als Decke diente. Meist wurde dieser Mantel von einer akzentuierenden Fibel gehalten, die sich an der gängigen Mode orientierte. Da die Funktionalität Vorrang besaß, dominierten gedeckte und dunklere Farbtöne. Die volltönend, roten oder purpurnen Mäntel waren hingegen hohen Offizieren vorbehalten und wurden wohl eher zu bestimmten Anlässen oder Paraden getragen. [Anm. 8] 

0.4.Aufgaben, Pflichten und Strafen eines römischen Legionärs

Römische Formation des Vereins Legio XIIII Gemina e.V. (Ottweiler 2020)[Bild: Stephan Dinges]

Der Dienst in einem Legionslager wurde in eine Tag- und eine Nachtschicht aufgeteilt. Gradmesser dafür waren jeweils der Sonnenaufgang und der Sonnenuntergang, sodass sich die tatsächliche Dienstzeit im Laufe des Jahres ständig veränderte. Der Zapfenstreich wurde dabei mit einem Horn verkündet und läutete das Frühstück ein. Danach traten die Soldaten an, erhielten ihre täglichen Befehle und wurden für den Wachdienst oder für Patrouillen eingeteilt. Der Rest des Vormittags wurde dann meist mit Waffenübungen verbracht oder dem Training des Formationskampfes.

Gegen Mittag wurden die Wachen abgelöst. Ein Mittagessen war dabei nicht vorgesehen. Am Nachmittag hatten die wachfreien Soldaten dann etwas Freizeit, in der sie jedoch ihre Ausrüstungen pflegen mussten, sich an die Vorbereitung des Abendessens machten - der Hauptmahlzeit eines Legionärs - oder in der Therme Körperpflege betrieben. Der 2. Zapfenstreich kündigte am Abend schließlich den Wechsel von der Tag- und Nachtschicht an. Um dem eintönigen Lageralltag entgegenzuwirken, wurden in Friedenszeiten etwa alle 10 Tage Geländeübungen oder größere Manöver durchgeführt. Zu den weiteren Pflichten eines Legionärs zählten auch der Erhalt des Lagers, sowie seiner Wehranlagen. Dazu wurden sie häufig als zusätzliche Arbeitskräfte für öffentliche Bauvorhaben herangezogen, etwa bei Aquädukten oder dem Straßenbau.[Anm. 9] 

In einem militärischen Lager, in dem die Disziplin der Soldaten großgeschrieben wurde, gab es natürlich auch mannigfaltige Strafen, die sich je nach Schwere der Tat richteten. Für kleinere Vergehen wie Faulheit oder Unpünktlichkeit konnten etwa zusätzlich Wachstunden auferlegt werden oder man bekam schlechtere Rationen, nämlich Gerste, die allgemein als Viehfutter galt. Bei härteren Vergehen, wie Trunkenheit, Ungehorsam oder dem Einschlafen auf Wache, drohte das Gefängnis, der Pranger oder eine Prügelstrafe. Über Meuterer, die hohe Vorgesetzte angriffen, Deserteure und Fahnenflüchtige wurde die Todesstrafe verhängt.

Auch Offiziere konnten bestraft werden, etwa mit Degradierung oder Versetzung in andere Truppenteile oder Legionen, was nicht nur finanzielle Einbußen bedeutete, sondern auch einen Ehrverlust. Teilweise konnten auch Kollektivstrafen gegen einzelne Einheiten oder auch ganze Legionen verhängt werden. Ihnen drohte die Auflösung und unehrenhafte Entlassung aus dem Militär, wenn sie sich etwa in Zeiten des Bürgerkriegs auf die Seite des falschen Kaiserprätendenten schlugen. Die schlimmste Kollektivstrafe stellte dabei die Dezimierung dar. Dafür mussten die Soldaten einer Legion in einer Reihe antreten. Anschließend wurde einer aus zehn zufällig ausgewählt und an Ort und Stelle hingerichtet. Tatsächlich gibt es aber nur sehr wenige verbürgte Fälle, bei der die Dezimierung tatsächlich angewandt wurde.[Anm. 10] 

0.5.Wirtschaftliche und infrastrukturelle Folgen für das römische Mainz und die nähere Umgebung

Der Grabstein des Blussus an seinem heutigen Standort im Landesmuseum Mainz. Frontansicht.[Bild: Landesmuseum Mainz, [CC BY-NC-SA 4.0]]

Der maßgebliche Aufschwung der Stadt Mainz steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der dauerhaften Befestigung des Legionslagers. Die Gründe dafür sind vielfältig und häufig nicht nur wirtschaftlicher und administrativer, sondern oft auch privater Natur.

Zuvorderst musste der tägliche Bedarf der Soldaten an Lebensmitteln, Kleidung, Wein, Keramik und sonstigen Gebrauchsgütern gedeckt werden, immerhin waren die Legionäre einen römischen Lebensstandard gewohnt und wollten diesen auch in der Provinz nicht missen. Das ließ sich aus logistischen Gründen vor allem bei leicht verderblichen Waren, vornehmlich Fleisch, Gemüse und Getreide, am besten direkt vor Ort erledigen. Rheinhessen war schon zur Zeit der Kelten landwirtschaftlich bestens erschlossen, sodass man eine unmittelbare Fortführung dieser Tradition auch unter den Römern annehmen muss. Angebaut wurden hauptsächlich Dinkel, aber auch Gerste als Futtergetreide, Gemüse und örtliche Obstsorten, wobei die Region rund um Mainz wohl primär der Ernährung der dort stationierten Legionäre diente. [Anm. 11] 

Die Viehzucht zur Fleisch-, Leder- und Wollgewinnung wurde vor allem in waldreicheren Gebieten von Rheinland-Pfalz betrieben, wie den Gebieten rund um Trier, deren Einheimische auch für ihre Pferdezucht bekannt waren. Andere Lebensmittel des täglichen Gebrauchs wie Wein und Olivenöl mussten zunächst noch importiert werden, wobei der Anbau von Wein für Rheinhessen ab der mittleren Kaiserzeit zumindest vermutet wird und entlang der Mosel sicher belegt ist.[Anm. 12]

Der Förderung des Handels zu Gute kam, dass die militärische Präsenz nicht nur für sichere Wege und Wasserstraßen sorgte, sondern zeitgleich auch die Infrastruktur dafür lieferte. Dem Bau der einzelnen Legionslager am Rhein folgte relativ schnell ein breites Netz aus gepflasterten Straßen, welche die Lager und Städte miteinander verbanden. Während die Straßen hauptsächlich der Mobilität des Militärs dienten, erfolgte der Großteil des Handels über den Rhein und seine Nebenflüsse.

Ein gutes Beispiel für den florierenden Handel ist das Grabmal des Blussus (Mitte 1. Jh. n. Chr.), eines Rheinschiffers, der zu großem Reichtum gelangte. Von Vorteil war sicherlich, dass die Gewässer fast das ganze Jahr über schiffbar blieben. Eine besondere infrastrukturelle Bedeutung genoss dabei die nördlichste Rheinbrücke in römischer Zeit bei Mainz, welche für die Eroberung und Verteidigung der rechtsrheinischen Gebiete bis zum Limes eine entscheidende Rolle spielte, aber auch den Handel mit den Germanen jenseits davon ermöglichte.[Anm. 13] 

Genau wie die Landwirtschaft war auch das Handwerk den einheimischen Kelten nicht unbekannt. Doch lassen sich hierbei nach der Eroberung durch die Römer relativ schnell ein florierender Kulturaustausch und eine Romanisierung feststellen, etwa bei der Herstellung von Keramik, im Kunsthandwerk und der Begräbniskultur. Wichtige militärische Handwerksarbeiten wie das Schmieden wurden zunächst noch autark von den Legionslagern ausgeführt, wobei eine blühende Landwirtschaft sicherlich dafür gesorgt haben wird, dass sehr bald auch zivile Schmieden in der Region entstanden.

Ein weiterer Grund für das schnelle Wachstum der Stadt Mainz war sicherlich auch, dass das Legionslager allgemein Wohlstand in die Region brachte. Die Legionäre zählten im Altertum zu den wenigen bezahlten Kräften, deren Einkommen sicher und regelmäßig war. Sie generierten also nicht nur aufgrund der Truppenstärke eine gewisse Nachfrage nach bestimmten Waren, sondern besaßen auch eine nicht unerhebliche Kaufkraft, die wiederum anziehend auf Geschäftstreibende wirkte.[Anm. 14] 

Zuletzt kam sicherlich hinzu, dass viele Veteranen sich nach ihrer Dienstzeit in der Provinz niederließen und ihre Familien entweder in die Provinz nachkommen ließen oder neue Familien mit der einheimischen Bevölkerung gründeten. Gefördert wurde diese Praxis zumindest in der frühen Kaiserzeit dadurch, dass der ausscheidende Legionär als Belohnung ein Stück Land erhielt. Oft praktizierten sie dann weiter jenes Handwerk, dem sie schon während ihrer Legionszeit nachgegangen waren. Somit folgten auf die Errichtung des Legionslagers Mogontiacum eine ganze Reihe Gründungen von villae rusticae in der ländlichen Umgebung des Lagers.


0.6.Nachweise

Verfasser: Martin Ploen

Verwendete Literatur:

  • Burandt, Boris A. N.: Der römische Legionär. Kleidung, Ausrüstung und Waffen in der Zeit von Augustus bis Domitian. In: Antike Welt. Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte (Sonderheft). Darmstadt: wbg 2019.
  • Burger-Völlmecke, Daniel: Mogontiacum II. Topographie und Umwehrung des römischen Legionslagers von Mainz. Berlin: Gebr. Mann Verlag 2020.
  • Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Hamburg: Nikol-Verlag 2005.
  • Johnson, Anne: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Mainz: Phillipp von Zabern 1983.
  • Jung, Patrick; König, Margarethe: Zur Frage des Römischen Weinbaus in Rheinhessen. In: Schriften zur Weingeschichte Nr. 168. Wiesbaden 2010.
  • Le Bohec, Yann: Die römische Armee. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1993.
  • Leitermann, Heinz: Zweitausend Jahre Mainz. Bilder aus der Mainzer Geschichte. Mainz: Hermann Schmidt 1962.

Erstellt am: 22.06.2021

Anmerkungen:

  1. Leitermann, Heinz: Zweitausend Jahre Mainz. Bilder aus der Mainzer Geschichte. Mainz: Hermann Schmidt 1962. S. 20-25 Zurück
  2. Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland-Pfalz. Hamburg: Nikol-Verlag 2005. S. 458f. Zurück
  3. Zu Hygin: Gromatici, Hygini: De munitionibus castrorum. - bisweilen auch "Pseudo-Hygin" genannt - Ed. A. von Domaszewski (Leipzig, 1887, mit deutscher Übersetzung) Zurück
  4. Johnson, Anne: Römische Kastelle des 1. und 2. Jahrhunderts n. Chr. in Britannien und in den germanischen Provinzen des Römerreiches. Mainz: Phillipp von Zabern 1983. S. 41-45. Zurück
  5. Burger-Völlmecke, Daniel: Mogontiacum II. Topographie und Umwehrung des römischen Legionslagers von Mainz. Berlin: Gebr. Mann Verlag 2020. S.183-186 u. S. 243ff. Zurück
  6. Johnson: Römische Kastelle. S. 28-34. Zurück
  7. Burandt, Boris A. N.: Der römische Legionär. Kleidung, Ausrüstung und Waffen in der Zeit von Augustus bis Domitian. In: Antike Welt. Zeitschrift für Archäologie und Kulturgeschichte (Sonderheft). Darmstadt: wbg 2019. S. 10-14. Zurück
  8. Burandt: Der römische Legionär. S. 10-74.  Zurück
  9. Johnson: Römische Kastelle. S. 47f. Zurück
  10. Le Bohec, Yann: Die römische Armee. Stuttgart: Franz Steiner Verlag 1993. S. 63-70. Zurück
  11. Cüppers, Heinz: Die Römer in Rheinland-Pfalz. S. 270-281. Zurück
  12. Jung, Patrick; König, Margarethe: Zur Frage des Römischen Weinbaus in Rheinhessen. In: Schriften zur Weingeschichte Nr. 168. Wiesbaden 2010. S. 39-44. Zurück
  13. Cüppers: Die Römer in Rheinland-Pfalz. S.258-280. Zurück
  14. Le Bohec: Die römische Armee. S. 239-255. Zurück