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0.Hintergründe zum Streit zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt

Zum Bergbau von 1700 - 1715 in Hamm/Sieg

von Annette Röcher

Aus den verschiedenen Ausarbeitungen zum Bergbau in Hamm unter Maximilian von Diest und den nachfolgenden Betreibern Abraham Melchior und Rudolf de Witt ging bereits hervor, dass es zwischen den Parteien Streitereien und Gerichtsverfahren in großer Anzahl gegeben hatte.

In weiteren Akten fanden sich Unterlagen, die einen kleinen Einblick gewähren.[Anm. 1]
Es handelt sich dabei um Aussagen zur Vorlage bei Gericht und bei Anwälten, die teilweise in Amsterdam ansässig waren, sodass zeitliche Berichte und Darstellungen vorliegen, die von Abraham Melchior und Rudolf de Witt eingereicht wurden.

Sie beschreiben Ereignisse, die die Hintergründe ein wenig deutlicher werden lassen. An den Beginn einer Zusammenstellung möchte ich den Vertrag zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt stellen, der die zwischen Ihnen vereinbarten Absprachen des Vertrages mit Maximilian von Diest aufzeigt.

0.1.LIT B

Der Contractus Societas

Folgender Weise sind wir Unterschriebene Abraham Melchior und Rudolph de Witt überein kommen in aller Güthe und Freundschafft und mit einander in Compagnie getretten ein jeder vor die Halbscheid (a):

Erstlich ist durch uns von Herrn Herrn Maximilian von Diest gepachtet dessen bergwercke / die uns beyde angehen sollen / jeder vor die Helffte / als durch Pacht=Zettel durch gemeldten von Diest unterzeichnet ist / anzeigend die Conditiones, wovon das Originale beruhet in Händen von Abraham Melchiors.

Zum Zweyten, ist an gemeldten Herrn von Diest durch uns Untergeschriebene / jedem die Helfft vom Bergwercken angehende / siebentausend Reichsthaler gegeben von halb Conto Interesse, und soll dasjenige, das noch weiter an gedachten von Diest vorgestreckt wird / als oben gemeldt / vor uns beyde Rechnung seyn / wovon alles ausführlich durch gemeldten von Diest unterzeichnet ist in Originale, so vorgedachter Abraham Melchior in Händen hat.

Zum Dritten verbindet sich Abraham Melchior, auff der Hütten zu Salterberg kommen zu wohnen auf nechstkünftigen May, oder ehender so es geschehen kan / um all da die sachen so versprochen seynd / wahrzunehmen.

Zum Vierdten soll jeder den Profit, von den Bergwercken / Hütten und Hammer die Helffte genießen / und deren Unkosten halb tragen.

Zum Fünfften soll durch uns Unterschriebene jährlichst an Abraham Melchior Junior dreyhundert Reichsthaler vor seine Mühe / in Wahrnehmung dessen was sein Vater von ihm begehret / zahlt werden.

Zum Sechsten soll vorgemehlter Rudolph de Witt / all dasjenige zu Amsterdam wahrnehmen, so allda an Abgang desjenigen welches außerhalb versandt wird.

Zum siebenden / soll durch uns unterschriebene Bücher gehalten werden / worin unsere Compagnie-Handlung verfasset ist / und soll alle sechs Monathen an beyderseits Rechnung gethan werden von dem passierten / und deswegen zu Weesel oder Cölln zusammen kommen / um alles zu adjustieren (b) / und sollen zu dieser beyderseits Bücher Umgang dienen / was gefordert wird.

Zum Achten soll die Handlung zu Salterberg auff nahmen von Abraham Melchior, und in Amsterdam auff Nahmen Rudolph de Witt getrieben werden / und nachgehendes nicht sein zum Nachtheil jeders halben Theils / so in gedachter Handlung begriffen / zu welchem allem Gott seinen Segen gebe / Amen.

Dieses adinstiert (c) und übereinkommen Cölln den 20ten Augusti 1700.

Weiteres ist conditioniert, daß wann einer von uns Unterschriebene mögte zu sterben kommen / in Zeit von zwölf Jahren / als unser Contract wehret / so soll es an des verstorbenen Wittib / oder wann dieselbe nicht im leben seyn sollte / an derselben nechste Erben frey stehen und erwehlen / ob sie in dieser Handlung wollen continuieren / oder nicht / zu Ende gemeldter Zeit. Wann zum Ende der zwölf Jahren unser Contract geendet fernerhin contnuieret wird / soll es vor uns beyde Unterschriebene dienen / und außgemacht bleiben als oben gemeldt.

Actum selbigen Tag und Jahres als oben.
Rudolph de Witt     Abraham Melchior

(a) Halbscheid = Hälfte; (b) adjustieren = zu richten, aus zu rüsten; (c) ad insistieren = festhalten, auf etwas beharren;

Interessant ist in den vorliegenden Schreiben, dass oft von der „Hütten zu Salterberg“ geschrieben wurde, was darauf beruht, dass manche Anwälte mit den Ortsverhältnissen und Zugehörigkeiten nicht bekannt waren und der Familie von Diest der Hof Niedersalterberg gehörte, aber auch, da man Maximilian von Diest in verschiedenen Unterlagen als „Herr zu Salterberg“ bezeichnete.

Eine Vereinbarung, die in den anderen Verträgen nicht genannt wurde, ist eine jährliche Entlohnung von 300 Reichstaler an den Sohn Abraham Melchiors, Abraham Melchior Junior. Zum Vergleich: Die jährliche Pacht, die Maximilian von Diest für alle Werke in Hamm vereinbart hatte, lag bei 570 Reichstaler jährlich.

Obiger Vertrag war datiert vom 20. August 1700, der Pachtvertrag mit Maximilian von Diest vom 23. August 1700, demnach wurden beide Verträge in zeitlichem Zusammenhang verfasst.

Eine weitere Anlage befasst sich mit Angaben, die Rudolf de Witt eingereicht hatte und in der er auflistete, dass er bereits ab 1699 Gelder an Abraham Melchior als Kredit verliehen hatte.

0.2.LIT C

Es hat der Rudolf de Witte dem Abraham Melchior in

Anno 1699, den 6. Novembris 3 000 fl.
ferners den 10. Octobris 1700, ein Capital von 10 000 fl.
und endlich den 6. Decembris ejusd[em] Anni 1700, noch 10 000 fl.

und also zusammen 23 000 fl. Holländisch auf drey dißfalls ihm ausgestellte besondere Obligationes baar geliehen / und vorgeschossen / wobey der Interessen halber verglichen worden / daß die erste Sum der 3 000 fl. jährlich mit 6. pro cento, die letzten aber mit 4. pro cento, welches jedoch wenige tage darnach als den 14. Decembris 1700 geändert / und gleichfalls 6. pro cento stipuliert (a) worden / nach Verlauff 6. Monathen bezahlt werden sollen.

Neben diesem Anlehen hat der de Witte mit dem Melchior von dem Herrn Maximillian von Diest in Anno 1700. die Eisen/hütte zu Hamm gegen Erlegung 7000 Rhtlr., welche er de Witte allein geschoßen / auff 12. Jahr gepfachtet / und dieser pfachtung halber einen besonderen Societäts=Contract also und dergestallt unter sich getroffen / daß der aus der Hütten und Bergwerck herfließende Profit unter sie gerade getheilet / und zu dem Ende der Melchior auff der Hütte wohnen / und alles daselbst besorgen / hingegen er de Witte die Negotiation (b) zu Amsterdam wahrnehmen / und alle 6. Monath zwischen ihnen richtige Rechnung entweder zu
Wesel / oder zu Cölln gezogen werden solte.

(a) stipuliert = ausbedingen, ausmachen, vereinbaren, festsetzen;
(b) Negotiation = Geschäftsführung ohne Auftrag

Im damaligen Zeitraum war im hiesigen Raum die Bezeichnung „Reichsthaler“[Anm. 2]  gebräuchlich und eine Umrechnung würde etwa wie folgt aussehen:

23.000 holl. Gulden = 9200 Reichsthaler;
17.500 holl. Gulden = 7000 Reichsthaler; Summe, die Maximilian von Diest laut Vertrag als Ablösesumme für Herrn Heistermann hätte haben wollen.

Diese 7000 Reichstaler ziehen sich als roter Faden durch alle bisherigen Ausarbeitungen, wobei immer von einem der Beteiligten erklärt wurde, er habe diesen Betrag bezahlt, obwohl er vermutlich erst nach 1715 bezahlt worden war.
So heißt es auch oben zunächst, der Betrag würde von Beiden bezahlt und eine Hälfte des Geldes vom „Zinsenkonto“ genommen, das damals „buchmäßig“ getrennt in „Soll“ und „Haben“ erfasst werden musste.
In der Anlage C erklärte Rudolf de Witt jedoch, dass er diesen Betrag allein „vorgeschossen“ hätte.

Im Gegenzug zu der Aufstellung des geliehenen Geldes wurden Warenlieferungen nach Amsterdam genannt, die Abraham Melchior ausgeführt hatte und die er später in seinen Anlagen geltend machte.

So sollen vom 16. November 1699, 5. Mertz 1700, 16. Mertz 1700, 19. Mertz 1700, 7. April 1700 und vom 26. July 1708 biß den 6. September 1708 Waren im Wert 36 138 Gulden, 5 Stüber und 1 Pfennig nach Amsterdam geliefert worden sein.

Diese Waren wurden von Abraham Melchior auf Bestellung oder weil man auf einen Auftrag gehofft hatte, verschickt.  Es wurde ein Auftrag genannt, der nach Spanien gehen sollte, aber, aus welchen Gründen auch immer, nicht zustande kam und dessen Richtigkeit von Seiten Melchiors im Nachhinein angezweifelt wurde.

Rudolf de Witt gab an, dass die Waren nicht allein auf seine Bestellung nach Amsterdam verschifft wurden, sondern Abraham Melchior noch an eine weitere Person namens „Drago“, Waren auf dessen Anforderung verschickt hätte.

Der Lagerbestand, demnach der Restbestand der Waren in Amsterdam, soll sich am 5. April 1711 auf 7540 Gulden belaufen haben. Man führte an, es wäre schwierig, den Wert genau zu beziffern, bei Auslieferung oder bei Bestandsaufnahme, da der Marktwert sich ständig ändern würde.

Dazu erfährt man aus den Unterlagen, dass Rudolf de Witt die Gelder, die er an Abraham Melchior verliehen hatte, selbst als Kredite bei verschiedenen Personen aufgenommen hatte.

Nun hat zwar der Melchior verschiedene Waaren in Holland an den de Witte gesandt / und solche zum Theil selbsten verkauffet / theils darauff Gelder auff den de Witte gezogen; Die 23000fl. aber samt davon verfallenen Interessen sind jederzeit unbezahlt stehen geblieben / darüber dann der de Witte ausser Stand gesetzet worden / auch seine Creditores in Holland hinwiederum zu vergnügen / welches dann Anlaß gegeben / daß die Creditores in Anno 1711 zugefahren / und einen Concurs erreget / welcher endlich den 2. Martii 1711 dergestallt copiert worden / daß er de Witt seinen Creditoribus alle seine Forderung und Güther / worunter auch die helffte der gepachteten Hütte mit begriffen gewesen / an Zahlung heim gegeben.

Weil aber die Creditores nach eingen Monathen gefunden / daß ihnen besser geraten seye / wann sie für die Helffte der Hütten / und der Halbscheid derer Eisen=Waaren ein gewiß Stück Geld sich geben ließen / haben dieselbe durch einen Notarius dem de Witte solches den 8. Junii 1711, um 11 000 fl. wiederum freywillig anbiethen lassen / und nachdem dieser solches zwar angenommen / aber die baare Geld=Mittel so fort nicht gehabt / so ist unterm 16. Julii 1711 die sache dahin gehend verglichen worden / daß die Creditores ihm de Witte die Helffte der Eisen=Hütte samt seinem Antheil an denen im keller befindlichen Eisen=Waaren privatim gelassen / hingegen er de Witte ihnen 11 000 fl. auszuzahlen versprochen / daß die drey Obligationes a 23 000 fl welche er de Witte an dem Melchior zu fordern / dem Notario, der diesem Actui beygewohnet / überlieffert / und in dessen Händen so lange biß die Satisfaction erfolget / verbleiben sollten; Weil aber des de Witte Schwieger=Mutter für die Zahlung guarantiert / auch solche nachgehend verfügt / so ist die Extradition dieser Obligationes an den Notarium niemahlen geschehen / sondern es haben die Creditores die Obligationen in Händen behalten.

Dafür aber daß die Schwieger=Mutter die Gelder hergeschossen / hat der de Witte ihr unterm 23. Julii Anni 1711 seine Helffte der Hütte und sein Eisen in dem Keller zum Unterpfand verschrieben / wobey dann dieses noch zu mercken / daß in dem allegirten Contract zwar gemeldet wird / als ob eine Cession derer Güther an die Schwieger=Mutter vorgegangen / und ihr die Güther eigenthümlich eingeraumet worden; Es ist aber solches eigentlich nicht geschehen / sondern eine blosse Verpfandung gewesen / wie die Schwieger=Mutter selbsten declariert / und coram Notario bekennt.

Weiter hieß es, dass die Gläubiger in Holland zwar die Gelder laut dem Vergleich erhalten hätten, aber weitere Forderungen an Rudolf de Witt gestellt und ihm „Schwierigkeiten“ gemacht hätten.
Dies führte zu einem Prozess in Amsterdam, der erst nach einem „4. Urteil“ beendet wurde, was auf verschiedene Prozesse/Verhandlungen in diesem Zusammenhang hinweist.

Die Gläubiger erklärten schließlich am 18. Oktober 1713, dass „sie weder directe noch indirecte Forderungen“ an Rudolf de Witte hätten, also keine Forderungen mehr bestanden.

Kurz zuvor, vermutlich in Erwartung eines positiven Urteils zu seinen Gunsten, hatte Rudolf de Witt am 30. Dezember 1712 einen „Arrest“, in welcher Weise ist nicht erläutert, gegen Abraham Melchior beantragt und die Erstattung seiner Gelder bei der „Hochgräflich Sayn=Kirchbergischen Cantzley“ eingeklagt.

Arrest = etwas in Beschlag nehmen/ mit Beschlag belegen;

Nun ging es um die Streitfrage, wer welche Gelder geliehen hatte, welche Waren verschickt und zu wessen Gunsten sie verkauft wurden und welchen Einfluss oder Ansprüche die Kreditgeber von Rudolf de Witt möglicherweise noch haben könnten. Dazu wurden die Akten an die Universität Leipzig verschickt, die folgenden Rechtsspruch „injungieret“ (a):

Auff Rechtliches Einbringen Rudolph de Witt, Klägers an einem = Abraham Melchiors, Beklagten andern theils / so derselbe uns / samt denen dißfalls ergangenen Akten zugeschicket / und unsere Rechts=Belehrung darüber gebetten; Erachten wir / nach fleißiger Verlesung und Erwegung in Rechten gegründet / und zu erkennen seyn:

Daß Beklagtens Suchen / wegen Bestellung Caution (b) von Klägern oder Arrestierung seiner Person gestalten Sachen noch nicht statt hat; es ist der Kläger das ihme vom Beklagten sub Num. 23. deferierte Jurament, daß er demselben mit mehr als 36 000 Holländische fl. vor bey ihme gesuchte / ihme auch übersendete und empfangene Waaren nicht verhafftet / Er solche von Beklagtem erhaltene Waaren hernach ferner an seine Creditores nicht übergeben / und nachgehends von ihnen nicht erhandelt / vor allen Dingen nach Beklagten vorhergehendem End vor Gefährde / seines Einwendens ungeachtete / zu schwören schuldig;

Wann aber solches geschehe / Beklagten Ihme laut des Gerichts Protocolli sub Num. 8 die in denen von Klägern producierten und von Beklagten recognoscirten (c) drey OriginalObligationen enthaltene 23000 Holländische fl. nebst dem Interesse morae zu erstatten verbunden / es werden aber solche Gelder so lange biß Kläger seinem Gebiethen nach Beklagten wegen der von ihme zum Verkauff erhaltenen Waaren / und zwar gestalten Sachen nach vor diesem Judicio, vor welchem der Prozeß bißhero anhängig gewesen / und geführet worden / richtige Rechnung abgelegt / und befriedigt / oder erdißfalls genugsame Caution bestellet / ins Gerichtliche Depositum (d) billich genommen / und Klägern nicht abgefolget / es seynd auch beyde Theile insonderheit Beklagter sich aller Anzüglichkeiten und Injurien (e)  bey empfindlicher willkürlicher Straffe gegen einander zu enthalten schuldig / von Rechtswegen.

(a) injungieret= auflegen, zur Pflicht machen, anbefehlen; (b) Caution= Bürgschaft, Sicherheit; (c) recognoscere= wiedererkennen, hier: zurück erhalten (d) Depositum= etwas, was hinterlegt, in Verwahrung gegeben worden ist; (e) Injurie= Beleidigung;

Nachdem die „Sayn-Kirchbergische Kanzlei“ dieses „Urtheil“ am 20. August 1715 verkündet hatte, „widersprach“ Abraham Melchior, sodass die Akten erneut verschickt wurden und zwar diesmal an die Universität „Altorff“.[Anm. 3] Nachdem die Akten des Widerspruchs von dort zurückkamen, wurde das Ergebnis am 19. Dezember 1715 wiederum von der Hachenburger Kanzlei verkündet:

In Appellations-Sachen Abraham Melchiors Appellanten und Beklagten eins = entgegen und wider Rudolff de Witte Apellaten Klägern anderen Theils:
Erkennen und sprechen Gräffl. Kirchberg=Saynische Cantzley= Director und Räthe nach eingeholtem Rath außwärtiger Rechts=gelährten für Recht / daß es der eingewandten Apellation ungeachtet bey dem am 20. Augusti a.c. publicierten Urtheil allerdings zu lassen / B.R.W.

Wenn man denkt, der Streit wäre damit beigelegt worden, so muss man erfahren, dass er weiter geführt wurde. Da es sich dabei in der Regel um kleine Abwandlungen des Vorhergehenden  handelte, würde es zu weitschweifig werden, alles ausführlich zu beschreiben.

Abraham Melchior zweifelte an der Richtigkeit im Ablauf und der Stellungnahme aus Leipzig und an der Art und Weise, wie das Ergebnis durch die Kanzlei in Hachenburg verkündet wurde, insgesamt vermutete er Verfahrensfehler.

Als weiterer Streitpunkt kam hinzu, dass Rudolf de Witt kein Klagerecht habe, da er die Anteile der Hammer Hütte seiner Schwiegermütter überschrieben hätte. Wiederholt wurden von den Parteien persönliche Wortattacken eingesetzt, sodass bereits in dem obigen Rechtsspruch gefordert worden war, das man auf Beschimpfungen und Beleidigungen, bei Androhung einer Strafe, verzichten sollte.

Gegen Abraham Melchior wurde angeführt, dass er keine Auskünfte über angeforderte Werte an die Kreditgeber des Rudolf de Witt gegeben hätte, was für eine Abwicklung in Amsterdam wichtig gewesen wäre.

Dazu wurde ihm vorgehalten, dass er von 1700 bis 1709 die Hütte in Hamm allein geführt, keine Abrechnung erstellt und somit auch den „gehörigen Profit“ wahrscheinlich für sich behalten hätte.

0.3.Auswertung

Wie man aus der obigen Ausarbeitung ersehen kann, kam es in diesem Fall nach mehr als 10 Jahren zu Prozessen zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt, die hier belegt sind, wegen Geldgeschäften und Warenlieferungen, die im Anfang der Zusammenarbeit getätigt wurden.

Es ist mir nicht ganz klar, warum es in der dazwischenliegenden Zeit, in denen die Werke in Hamm laut Vertrag gemeinsam betrieben wurden, nicht zu einer gütlichen Regelung kam und sich die Auseinandersetzungen, zum Teil über mehr als ein Jahrzehnt, fortsetzten. Wie es nach 1715 weiterging, kann man nicht genau beurteilen, weil dazu noch weitere Unterlagen fehlen.[Anm. 4]

Bei dem Verkauf der „Eisenhütte“ in Hamm erwähnte Catharina Melchior allerdings, dass die Prozesse zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt nach dem Tod der Eltern auf die Kinder übergegangen seien. Ob es dabei immer noch um Forderungen aus den hier geschilderten oder andere Ansprüche ging, ist nicht bekannt.[Anm. 5]

Maximilian von Diest hatte 1701 in einem Schreiben angemerkt, dass man ihm „die Vorräte und die Gelder, die für Frau Heistermann bestimmt seien, aus den Händen spiele …“.[Anm. 6]
Es scheint sich bei den „Vorräten“ möglicherweise um die Waren zu handeln, die nach Amsterdam verschickt wurden.

Die ersten Kredite, die Rudolf de Witt an Abraham Melchior vergab, sowie die ersten Warenlieferungen nach Amsterdam erfolgten bereits 1699, also etwa ein Jahr bevor die Verträge mit Maximilian von Diest und der Vertrag zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt geschlossen wurde.
Warum die Zusammenarbeit bereits zu dieser Zeit erfolgte, lässt sich nicht ableiten.

Zunächst hörten sich die Vorgänge in Holland erschreckend an und man befürchtete schlimme Auswirkungen, doch für die Hammer Werke war es ein Glücksfall, dass die Kreditgeber des Rudolf de Witt ihre Ansprüche nicht vor Ort geltend machten, sondern sich auf einen Vergleich einigten.
Dazu kam das „Überschreiben“ der Wertgegenstände und der Hälfte der Hüttenwerke an die Schwiegermutter, was durchaus zu Problemen hätte führen können, wenn es nicht, wie angegeben „nur zum Schein“, erfolgt wäre.

Leider kann man nicht erkennen, warum die Fronten zwischen Abraham Melchior und Rudolf de Witt so verhärtet waren, dass immer wieder neue Streitpunkte angeführt wurden, um die Prozesse unter anderen Gesichtspunkten weiter zu führen.

Rein rechnerisch hatte man Waren im Wert von 36 000 Gulden geliefert, teilweise auf Rechnung für Abraham Melchior verkauft, abzüglich einem „Kellerbestand“ in Amsterdam von 7540 Gulden. Ohne einen Verkauf gerechnet, blieben, brutto, Waren im Wert von 28 598 Gulden, die von Abraham Melchior eingesetzt wurden.

Dagegen standen 23 000 Gulden plus vereinbarte Zinsen, die Rudolf de Witt geliehen hatte. Diese Aufrechnung, mit genauen Angaben, hatte auch Leipzig vorgeschlagen, wenn man es vereinfacht ausdrücken möchte.
Trotz der ähnlichen Werte konnte keine Einigung zwischen den Geschäftspartnern erzielt werden, was merkwürdig erscheint und andere Hintergründe vermuten lässt.

Man kann aus den verschiedenen Erkenntnissen und Unterlagen aus der Zeit von 1650 bis 1733, die in diesem Zusammenhang bearbeitet wurden, erkennen, dass die Werke in Hamm starken, unterschiedlichen Belastungen und Schwierigkeiten ausgesetzt waren und es wohl glücklichen Fügungen zu verdanken ist, dass sie sich wirtschaftlich erholten und erfolgreich geführt werden konnten.

0.4.Nachweise

Verfasserin: Annette Röcher

Hinweise:
In den Akten genannte Familienangehörige:
Die Schwiegermutter von Rudolf de Witt wird als von Dockun / Doccum, Witwe des Samuel Imbregts / Imbrechts bezeichnet; als Ehefrau von Rudolf de Witt wurde einmal Magdalena Imbrechts angegeben.
Die Ehefrau von Abraham Melchior wurde als Maria Bodde / Bodden benannt.

In einem Schriftstück per 16. Juli 1711 wurde bereits Herr Teschemacher aus Köln erwähnt, an den 6000 Gulden bezahlt werden sollten, was laut der Eingabe bei Gericht nicht geschah. Herr Teschemacher wurde auch in späteren Jahren in der Ausarbeitung „Die Familie Abraham Melchior in Hamm Sieg … “ als Geldgeber genannt. (wie 5)

Als „Schiffer“ der Waren wurden u.a. genannt: Schakel, Fischer und Ingenool von Duisburg.

Erstellt am: 16.01.2020

Anmerkungen:

  1. HHStAW 3005/2481 Facti Species cum Extractu Actorum in angemaster Appellations=Sachen Abraham Melchiors contra Rudolph de Witte, 22 Seiten; HHStAW 3005/2480 Kurze Facti Species in Appellations=Sachen Abraham Melchiors von Hamm an der Siege / Appellantis, contra Rudolphen de Witte, von Amsterdam / Appellatum. Forderung und Gegenforderung betreffend, 19 Seiten;
    Weitere Hinweise möglich unter: HHStAW 3005/2479 Kurze Wiederlegung der in Appellationssachen Abraham Melchiors Apellantis, contra Rudolphen de Witte Appellatum 1715, 4 Seiten; oder unter:
    HHStAW 340/2019 1712-1724 Rechtsstreit zwischen Abraham Melchior und Rudolph de Witt zu Amsterdam wegen gegenseitiger Forderungen, Darlehen und Warenlieferungen;
    Appellant= der auf Entscheidung eines höheren Gerichts anträgt, Widerspruch einlegt; Appellat= Gegner des Appellanten. Zurück
  2. Umrechnung nach Werten gültig für das Jahr 1619: 1 holl. Gulden = 20 Stüber 1 Reichsthaler = 50 Stüber 1 Reichsthaler = 2 ½ holl. Gulden Zurück
  3. Altdorf bei Nürnberg, Universität von 1622-1809. Zurück
  4. Ausarbeitung Norbert Langenbach: Vom 15. Februar 1722 bis 12. März 1723 sind abgefahren worden 142 Karren Stahl. ... und „geliefert an die de Witt Montario in Amsterdam“. Welche Mengen in diesen Jahren genau nach Amsterdam gingen, ist nicht eindeutig ersichtlich. Maßgebend ist hier die Angabe, dass 1722 und 1723 scheinbar nach wie vor Kontakte zu Rudolf de Witt bestanden. Norbert Langenbach „Die Sayner Hütte oder die Heinrichshütte zu Hamm/Sieg“, 2006; Kreisarchiv Altenkirchen. Zurück
  5. Die Familie Abraham Melchior und die „Eisen- und Stahlhütte“ in Hamm/Sieg, Annette Röcher 2019Zurück
  6. Zum Bergbau um 1700 in Hamm/Sieg: Die Verträge des Maximilian von Diest, Annette Röcher 2020Zurück