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Die Industrie in der Besatzungszeit

Arbeiter der Firma Remy & Co beladen einen Eisenbahnwaggon mit Bimssteinen, 1925[Bild: Kreismedienzentrum Neuwied, Sammlung Kupfer]

Für Unternehmen im Besatzungsgebiet war die Zwischenkriegszeit herausfordernd: Die Umstellung auf die Friedensproduktion, die seit dem Krieg verstärkte Inflation sowie der Mangel an Liquidität nach der Währungsreform führten dazu, dass viele Firmen Konkurs anmelden mussten. Zu Beginn der Besatzung gab es strikte Bestimmungen, die im ersten Halbjahr 1919 und nach dem Friedensvertrag zunehmend gelockert wurden.

Anfang 1919 und auch in späteren Jahren machten die französischen Truppen Bestandsaufnahmen der größeren Industriebetriebe wie der BASF. Zum Teil wurden von den Besatzungsmächten Lager und andere Gebäude beschlagnahmt, aber in geringerem Umfang als private Unterkünfte. Darüber hinaus litten viele Unternehmen unter der wirtschaftlichen Abtrennung des benachbarten Saargebietes und der Rückgliederung Elsass-Lothringens an Frankreich.

Französisches Militär besichtigt die BASF in Ludwigshafen, November 1919[Bild: BASF Corporate History, Ludwigshafen am Rhein]

Ludwigshafen, 1. Januar 1919

„In der Fabrik habe ich fortgesetzt viel Besuch durch französische Offiziere und Generäle. Alle sind erstaunt über die Größe unserer Anlagen.“ (Tagebuch Armand Stiegelmann, Privatbesitz)

Von April bis September 1921 bestand darüber hinaus eine Zollgrenze zwischen dem besetzten Rheinland und dem unbesetzten Teil des deutschen Reiches. Die Unternehmen im Besatzungsgebiet mussten bei der Ausfuhr von Waren Zölle zahlen. Für die Einfuhr betrugen diese nur ein Viertel. Für Ein- und Ausfuhren mussten Anträge an ein aufgrund französischer Vorgaben eingerichtetes Amt in Bad Ems gestellt werden, was die Lieferungen verzögerte. Das Amt bestand in den folgenden Jahren fort.

Beschäftigte der Gruppe Textil des Ein- und Ausfuhramts in Bad Ems, Hotel Guttenberg, Bahnhofsplatz[Bild: Stadtarchiv Bad Ems, 3-1-64]

In der Ruhrkrise 1923 wurde die Zollgrenze erneut eingerichtet. Die starke Veredelungsindustrie, wie die Getränke-, die Holz- oder die chemische Industrie, die Rohstoffe von außerhalb benötigte und ihre Waren wieder nach außerhalb verkaufte, verlor durch diese Maßnahmen deutlich an Rentabilität. Die Übernahme der Eisenbahn und Post durch die Franzosen und die Zollgrenze verursachten einen Mangel an Rohstoffen und Absatzmöglichkeiten. Auch infolge der Hyperinflation standen viele Betriebe still, die Löhne und Gehälter wurden jedoch zum Teil weitergezahlt.

Brief von Margarete W., Anfang März 1919

„Handel und Verkehr wickeln sich hier unter den größten Schwierigkeiten ab, die teils durch die Verhältnisse natürlich, teils durch die willkürlichen Eingriffe der Besatzung künstlich hervorgerufen werden. Für eine notwendige Bahnfahrt einen Paß zu erhalten, ist in letzter Zeit fast unmöglich.“ (Deutsches Tagebucharchiv, 1200-1T)

Viele Unternehmen verloren langfristig an Umsatz, machten Verluste und gingen nach der Ruhrkrise in Konkurs wie das Mainzer Unternehmen Gasapparat- und Gußwerk. Manche Gewerbe und Betriebe entwickelten sich in den 1920er Jahren dennoch positiv, so die Bauindustrie, Mineralbrunnen wie Rhenser und der Schuhcremehersteller Werner & Mertz in Mainz.

Antrag der Brunneninspektion Fachingen, Berlin, für den Versand von Mineralwasser aus Fachingen nach Limburg[Bild: Hessisches Wirtschaftsarchiv, Abt. 127 Nr. 8]

Texte und Redaktion:
Dr. Walter Rummel (Landesarchiv Speyer), Dr. Hedwig Brüchert; Dr. Ute Engelen, Marion Nöldeke, Dr. Kai-Michael Sprenger (alle Institut für Geschichtliche Landeskunde an der Universität Mainz e.V.), Franziska Blum-Gabelmann M.A. (Haus der Stadtgeschichte Bad Kreuznach), Dr. Eva Heller-Karneth (Museum Alzey), Dr. Armin Schlechter (Landesbibliothekszentrum Rheinland-Pfalz, Pfälzische Landesbibliothek)