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Amerikanisch-deutsche Liebesbeziehungen

Deutsch-amerikanisches Liebespaar[Bild: Landeshauptarchiv Koblenz, Best. 612, Nr. 7885]

Trotz des zunächst strikten Umgangsverbots entwickelten sich im Laufe der Besatzung vermehrt intime Beziehungen zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Frauen. Viele deutsche Männer waren im Krieg gefallen, andere kamen verkrüppelt oder stark traumatisiert von der Front zurück. Die Grenzen zwischen Prostitution und Liebesbeziehung waren hier bisweilen fließend. Oftmals fühlten sich deutsche „Fräuleins“ von den fremdländisch-exotisch wirkenden, meist jungen, unverheirateten Doughboys angezogen, die wohlgenährt und gut trainiert mit dem Nimbus des Siegers ins Rheinland einmarschiert waren und einen gänzlich anderen Lebensstil verkörperten.

Diese US-amerikanische Postkarte zeigt zwei Doughboys, welche mit Schokolade die jungen Damen in Andernach anlocken[Bild: Alexander Barnes, Colonial Heights, VA]

Während Teile der Zivilbevölkerung Armut und Hunger leiden mussten, verfügten die Amerikaner über eine geradezu verschwenderische Kaufkraft und schenkten den jungen Frauen teure Genussmittel wie Schokolade oder Zigaretten, nicht selten allerdings in Erwartung sexueller Gegenleistungen.

Zusammenstellung mehrerer Fälle von Prostitution in Koblenz[Bild: Report of the Military Commander Coblenz, Germany. From December 8, 1918, to May 22, 1919. Fort Leavenworth 1921]

Besonders in Koblenz mit bis zu 17.000 stationierten Doughboys wurde dies zum Problem. Mit Sorge verfolgten dort die Behörden den steigenden Zuzug junger Frauen aus dem Umland und vermerkten, zum Teil mit diskriminierenden Kommentaren zu deren Lebenswandel (etwa: „Mit Amerikaner geschlafen“), ihre Verdachtsmomente mit Blick auf eventuelle gewerbliche Prostitution.

Solange die Anti-Fraternization-Order private Kontakte zwischen Deutschen und Amerikanern grundsätzlich verbot, wurden derartige Beziehungen von der amerikanischen Militärpolizei mit großer Skepsis betrachtet, insbesondere bei Offizieren, denen eine Vorbildrolle zukam. Mit der Aufhebung der Anti-Fraternization-Order im Herbst 1919 verbesserte sich die rechtliche Situation für deutsch-amerikanische Paare mit Heiratsabsicht. Allein in Koblenz wurden 1.200 deutsch-amerikanische Ehen in diesen Jahren geschlossen. Das Problem der Prostitution nahm indes massiv zu.

Liebesbrief eines amerikanischen Besatzungssoldaten[Bild: Privat]
Liebesbrief seiner deutschen Freundin. Was sie verschweigt: Während ihr Geliebter zwischenzeitlich wieder in die Staaten zurückgekehrt war, hatte sie im März 1920 deren gemeinsame Tochter zur Welt gebracht[Bild: Privat]

Sofern die Frau eindeutig schwanger war oder bereits uneheliche Kinder geboren worden waren, gestattete die amerikanische Führung mit Blick auf die Vorbildfunktion die Heirat, die in der Regel von einem deutschen Standesbeamten durchgeführt wurde. Oftmals gingen Frau und Kind später mit nach Amerika wie z.B. Katharina Fett, die Mutter des amerikanischen Schriftstellers Charles Bukowski (1920–1994), die 1920 einen amerikanischen Soldaten in Andernach geheiratet und mit diesem 1923 in die Staaten übergesiedelt war.

Die intimen Beziehungen zwischen amerikanischen Soldaten und deutschen Frauen in jener Zeit waren auf beiden Seiten ein vieldiskutiertes Thema, welches mit Joseph Breitbachs „Die Wandlung der Susanne Dasseldorf“ (1932) sogar Eingang in die zeitgenössische Literatur fand. Die Akten sprechen eine noch deutlichere Sprache. So dokumentiert das Geburtenregister der Stadt Koblenz für diese Jahre eine auffällige Zunahme an amerikanischen Vornamen wie z.B. William, John oder Henry. Nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungssoldaten blieben dennoch viele uneheliche amerikanisch-deutsche Kinder im Rheinland zurück. 200 alleine in Koblenz, wo die Zahl der unehelichen Kinder von 8% vor dem Krieg auf 20% nach dem Krieg anstieg. Die Dunkelziffer ist hoch. Diese so genannten „Amerikanerkinder“ stellten die amerikanischen wie die deutschen Behörden vor erhebliche Herausforderungen. Vor allem die Unterstützung der oft in ärmlichsten Verhältnissen lebenden, meist alleinerziehenden Mütter machten eine koordinierte soziale Unterstützung erforderlich.

Paare, die sich fotografieren ließen, verstießen bis September 1919 offensichtlich gegen die Anti-Fraternization-Order und konnten dafür bestraft werden[Bild: Alexander Barnes, Colonial Heights, VA]

Auch hier zeigten die Amerikaner über die Zeit der Besatzung hinaus eine bemerkenswert verantwortungsvolle Haltung. Insbesondere General Allen und das American Committee for Relief of German Children sammelten systematisch Spenden für hilfsbedürftige Amerikanerkinder in Deutschland, die über die deutschen Kreis- und Gemeindeverwaltungen, zum Teil mit Unterstützung weiterer Hilfsorganisation wie dem Roten Kreuz, an die Bedürftigen vor Ort gelangten. Allerdings kamen nur diejenigen Mütter in den Verteilerkreis dieser Hilfsleistungen, die auch den Mut hatten, ihr individuelles Schicksal mit einem unehelichen Kind eines amerikanischen Besatzungssoldaten öffentlich zu machen. Nicht selten wurde gerade in den kleinen ländlichen Gemeinden aus Scham und Angst vor einer sozialen Stigmatisierung dieses Thema tabuisiert und zum Teil bis in die jüngste Zeit verschwiegen. Nicht wenigen deutschen Familien an Mosel, Rhein und im Westerwald sowie Familien in den USA ist daher bis heute nicht bekannt, dass sie – gleichsam als eine Spätfolge dieser Jahre – miteinander verwandt sind. Das Wissen um diese Verbindungen auch mit Hilfe moderner Forschungsmöglichkeiten und genealogischer Datenbanken wieder zu vermitteln, ist eine wichtige Aufgabe, die mit der wissenschaftlichen Aufarbeitung dieser Jahre verbunden ist.

Artikel aus der Main-Post vom 31. Oktober 2018 über die geglückte deutsch-amerikanische Familienzusammenführung[Bild: Main-Post]

So auch im Fall des Westerwälders Johannes Heibel, dessen 1919 geborener Vater ihm erst kurz vor seinem Tod gestand, ein uneheliches Amerikanerkind zu sein. Weder Namen noch Wohnort der Familie des Vaters in den USA waren ihm bekannt. Ein Foto war die einzige Spur. Durch historische Recherchen und nicht zuletzt durch die DNA-Analysen der Genealogiefirma Ancestry ist es nun aber erstmals gelungen, diese deutsch-amerikanische Familie wieder zusammenzuführen.

Ein Amerikanerkind

Im Zweiten Weltkrieg spielte ein Amerikanerkind eine prominente Rolle: Karl Heinrich Timmermann wurde 1922 als Sohn einer deutschen Mutter und eines amerikanischen Doughboys in Frankfurt am Main geboren. Sein Vater heiratete die Mutter und kehrte kurz nach Geburt des Sohnes mit Frau und dem Jungen zurück in die USA. Im März 1945 leitete Timmermann als junger Offizier den Angriff auf die strategisch wichtige Ludendorff-Brücke von Remagen. Bezeichnenderweise war es ein Amerikanerkind, das als erste Person die Brücke überquerte, über welche die Amerikaner schon einmal in die rechtsrheinische Besatzungszone einmarschiert waren.

Karl Heinrich Timmermann (1922–1951)[Bild: US-Army [gemeinfrei]]
Soldaten des 4th Infantry Regiment überqueren im Juni 1919 erneut die Brücke von Remagen[Bild: Alexander Barnes, Colonial Heights, VA]

Die schöne und der General

Einen prominenten Ausnahmefall markiert in vielerlei Hinsicht die romantische Liaison eines der wohl schillerndsten amerikanischen Militärs mit einer deutschen Frau. Brigadegeneral Douglas MacArthur (1880–1964), der nach Kriegsende in Sinzig stationiert war, verliebte sich in Herta Heuser. Die junge Frau war die jüngste Tochter der Fabrikantenfamilie Heuser, die in der Villa Schönberg lebte, in der MacArthur mit seinem Stab untergebracht war. Sie hatte den erkrankten Offizier in den ersten Wochen seines Aufenthaltes als Krankenschwester versorgt. Als MacArthur im April 1919 Sinzig wieder verlassen musste, blutete ihm das Herz und Herta Heuser wurde sogar zum großen Abschiedsdinner eingeladen. Mit dieser Beziehung verstieß einer der ranghöchsten und prominentesten Offiziere der amerikanischen Armee offensichtlich gegen die derzeit noch bestehende Anti-Fraternization-Order. Noch bis 1921 schrieb MacArthur aus den Staaten sehr romantische Liebesbriefe an die junge Frau. Den Wunsch MacArthurs, Herta Heuser möge ihm doch in die Staaten folgen, wollte die junge Frau indes nicht erfüllen. Der berühmte General heiratete 1922 schließlich eine Amerikanerin.

Bildnis von Herta Heuser aus den 1920er Jahren[Bild: Hans-Eckart Boeckman]
Brief McArthurs an Herta Heuser[Bild: Courtesy MacArthur Memorial, Norfolk, VA.]

Texte und Redaktion: Marc Holzheimer M.A., Hauke Petersen M.A., Benjamin Pfannes B.A., Dr. Kai-Michael Sprenger