Dörth im Hunsrück

Keltischer Fürstengrabhügel

Dörth, Rhein-Hunsrückkreis

Zu besichtigen: Grabhügel und südlich gelegene Grabhügelgruppe

Anfahrt: L206 von Emmelshausen in Richtung Autobahnauffahrt (A61). Nach Emmelshausen noch vor der Kreuzung mit der B327 rechter Hand ein Wasserwerk hier Parkmöglichkeit. Dem Waldweg parallel zur L206 in Richtung A61 ca. 200 m weit folgen. Nordwestlich auf der anderen Straßenseite das Wagengrab von Dörth, südlich die Grabhügelgruppe im Wald.


Etwa 1.5 km östlich des Ortskerns von Emmelshausen findet sich auf einem Geländerücken ein Grabhügel, der mit knapp 5 m Höhe und 24 m Durchmesser weithin sichtbar war. Südlich des Grabhügels von Dörth befindet sich eine Gruppe von 4 weiteren zum Teil großen Grabhügeln, die allesamt ausgegraben sind.

Heute liegt der Grabhügel stark durchwühlt auf der Gemarkung Dörth im Wald „Kleiner Gallscheid“. Der Grabhügel barg das berühmte frühlatènzeitliche Wagengrab von Dörth. Ein Bauer hatte 1851 während seiner arbeitslosen Zeit, angeregt vom schöne Wetter und einer Sage von einem goldenen Wagen, den Grabhügel geöffnet. Sagen von goldenen Wagen decken sich im Saarland und südlichen Hunsrück teilweise erstaunlich mit der Verbreitung reich ausgestatteter frühkeltischer Fürstengräber. Neben einer beigabenlosen Körperbestattung stieß der Schatzsuchende Bauer auf eine Grabgrube und den erhofften, jedoch keineswegs goldenen Wagen. Golden war jedoch der Arm und Fingerring des Toten. Die Ausstattung des Wagengrabes gelangte für 30 Mark an das königliche Museum Berlin. Nachträglich aus dem Grabungsabraum aufgesammelte Funde fanden ihren Weg in das Rheinische Landesmuseum Bonn.

Der drahtförmige goldenen Arm- und Fingerring sind charakteristische Schmuckbeigaben frühkeltischer Fürsten und Häuptlinge. Angehörige dieser gesellschaftlichen Elite unterstrichen ihre Position durch die Nutzung eines reichhaltigen Tafelgeschirrs während der Fest- und Gastmähler. Wein wurde aus dem etruskischen oder griechischen Gebiet häufig über Marseille bzw. die Rhone importiert und in bronzenen Schnabelkannen aufgetischt. Goldene Beschläge eines Trinkhorns vervollständigen neben einem henkellosen Bronzebecken, ebenfalls aus Etrurien den standesgemäßen Geschirrsatz. Das ebenfalls beigegebene flaschenförmige Tongefäß dürfte zu den Gegenständen des alltäglichen Bedarfs zu zählen sein.

Dem Toten war ein zweirädriger Wagen beigegeben worden. Die Qualität der erhaltenen Objekte spricht von hohem handwerklichem Standart. Stellmacher-, Schmiede- und Buntmetallarbeiten waren auszuführen, um die hölzernen Speichenräder mit eisernen Radreifen zu überziehen oder bronzene Achskappen zufertigen und zu verzieren. Ziernägel, Beschlagteile in Tüllen verzierten den hölzernen Wagenkasten. Achsenringe und Achsnägel gehören zur technischen Ausstattung des frühkeltischen Wagenbaus. Die Beigaben weisen auf eine Männerbestattung hin.

Die Qualität der erhaltenen Objekte spiegelt den Rang des Bestatteten wieder. Das Wagengrab von Dörth gehört zu den gehobenen Ausstattungen frühkeltischer Fürstengräber. Die aristokratische frühkeltische Oberschicht ist archäologisch im östlichen Hunsrück nur über reiche Grabausstattungen bekannt. Die etruskische Schnabelkanne wurde wohl zu Beginn des 5. Jahrhunderts v. Chr. gefertigt, wann sie in das Grab kam lässt sich nicht bestimmen. Zeitlich gehören die Grabfunde in die ältere Frühlatènezeit (Latène A).

Wie kam der Kontakt zwischen etruskischen Händlern und keltischen Fürsten im Mittelrheingebiet und auf den Anhöhen zustande?

Zu Beginn des 5. Jahrhunderts verstärkt sich das Interesse der Etrusker auf den Oberrhein und das Mittel­rheingebiet. Eine Art Markenzeichen dieser Zeit und dieser Region sind die bronzenen Schnabelkannen aus Etrurien. Die Schnabelkannen lassen erstmals an einen gezielten Handel mit mediterranem Bronzegeschirr denken, der nichts mit Weinimport zu tun hatte. Die Produktionsweise der Kannen spricht für einen gezielten Export. Die Gefäße wurden zunächst in zwei, später nur noch an einem Ort hergestellt, in der etruskischen Stadt Vulci, einem Zentrum der Bronzeverarbeitung mit quasi industriellem Charakter. Die Herstellungstechnik der Schnabelkannen beweist hohes handwerkliches Niveau. Nachlässig gearbeitete Details, zum Beispiel sind die Henkelattaschen oft schief angebracht worden, deuten eine gesteigerte Massen- und Serienproduktion an.

Im Mittelrheingebiet wurden die meisten Stücke gefunden, die Kannen gehörten zur Standardausstattung in den Elitegräbern. Der Weg an den Rhein verlief über die Alpen durch das Tessin.

Zwischen Mosel, Saar und Nahe wurden zwischen 475 und 350 v. Chr. die bedeu­tendsten Elitegräber der Jüngeren Hunsrück-Eifel-Kultur angelegt. Über den Aufschwung dieser sozialen Eliten ist viel gerät­selt worden. Sicherlich war er aber nicht nur den Bodenschätzen zu verdanken, dem Gold und vor allem den reichen Eisenvorkommen. An erster Stelle steht der etruskische Zinn­handel, in dem die mittelrheinischen Kelten als Zwischenhändler für die Bewohner zwischen Aisne und Marne (der heutigen Champagne) tätig waren. Niemand in Italien konnte zu dieser Zeit ein größeres Interesse an Zinn haben als die etruskische »Bronzeindustrie«.

Aufgrund der gemeinsamen wirtschaftlichen Interessen entwickelte sich ein enger Austausch in diesem »Marne-Mosel-Kreis«, der sich in einer Reihe von über­einstimmenden kulturellen Merkmalen äußert.

Siedlungen, die den Zentralorten des Westhallstattkreises auch nur annähernd vergleichbar wären, fehlen im Mittelrheingebiet. Einige gegen 500 v. Chr. entstan­dene Burgen sind so fundarm, dass sich ihre Bedeutung nicht recht abschätzen lässt. Einer kulturellen Entwicklung zu urbanen Lebensformen hätte weder hier noch anderswo etwas im Wege gestanden. Die Urbanisierung ist aber nirgends ge­lungen falls sie überhaupt angestrebt worden ist.


M. Thoma


Literatur:

H.-E. Joachim, Vom keltischen Wagen. Verzierte Bronze aus Dörth, Rhein-Hunsrück-Kreis. Rheinisches Landesmuseum Bonn 4, 1978, 49-51.

H.-E. Joachim, Das frühlatènzeitliche Fürstengrab von Dörth, „Wald Gallscheid“, Rhein-Hunsrück-Kreis. In: A. Müller-Karpe u. a. (Hrsg), Studien zur Archäologie der Kelten, Römer und Germanen in Mittel- und Westeuropa. Festschrift A. Haffner, Internat. Arch. Studia honoraria 4 (Rahden 1998) 245-275.

C. A. von Cohausen, Bonner Jahrb. 18, 1852, 58-61; H.-E. Joachim, Vom keltischen Wagen. Verzierte Bronze aus Dörth, Rhein-Hunsrück-Kreis. Rhein. Landesmus. Bonn 4, 1978, 49-51.