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Georg Friedrich Eberlein

Katholischer Priester * 16. Juli 1890 01. Dezember 1967
Seine Berufung nach Ommersheim wurde zum Politikum

Eberlein[Bild: Sammlung Abel]

Georg Friedrich Eberlein wurde am 16. Juli 1890 im kleinen Nordpfälzer Ort Schweisweiler, der heute zur Verbandsgemeinde Winnweiler im Donnersbergkreis gehört, geboren. Die Eltern Friedrich Eberlein und Anna geb. Dagne waren beide Lehrer.

Nach Abitur im Jahr 1911 (Gymnasium "Caesareolutrense", d.i. Kaiserslautern) und Theologiestudium wurde er am 25. Juli 1915 in Speyer zum Priester geweiht. Seine erste Kaplanstelle trat er am 15. August desselben Jahres in Ludwighafen-Friesenheim an, seit dem 1. Oktober 1919 war er Kaplan in Kübelberg. Vom 25. Juli 1921 bis 1925 war er Lokalkaplan (sacellanus localis) in Ballweiler.[Anm. 1]

Durch den Wechsel des Pfarrers und späteren Domkapitulars Adam Hiller nach Schifferstadt war im Jahr 1925 die Pfarrstelle in Ommersheim (heute Ortsteil der Gemeinde Mandelbachtal, Saarpfalz-Kreis) neu zu besetzen. Eberlein bewarb sich, der Speyerer Bischof Ludwig Sebastian nahm die Bewerbung an und avisierte die Stellenbesetzung zum 1. Mai 1925. Zum gleichen Termin sollte auch die vakante Pfarrei im Nachbarort Ensheim besetzt werden. War bis zu diesem Zeitpunkt der berufliche Lebensweg des jungen Priesters reibungslos und in geordneten Bahnen verlaufen, so fand sich Eberlein nach dieser Berufung unversehens im Mittelpunkt eines Dissenses auf höchster staatlicher und kirchlicher Ebene. Die Regierungskommission für das Saargebiet lehnte die Besetzung ab. Zum Verständnis muss in aller Kürze die Geschichte der Region beleuchtet werden.

Durch den 1920 in Kraft getretenen Versailler Vertrag wurde das Saarbecken (Bassin de la Sarre) auf 15 Jahre einer Völkerbundsregierung, der sog. Regierungskommission, unterstellt.  Frankreich erhielt im Rahmen von Reparationsleistungen das schulden- und lastenfreie Eigentum an den Kohlengruben im Saarbecken mit dem ausschließlichen Ausbeutungsrecht ("avec droit exclusif d'exploitation, des mines de charbon situées dans le bassin de la Sarre", Art. 45).[Anm. 2] Das Gebiet, für das sich erst in der Folge der Name Saargebiet einbürgerte,  bestand aus dem Industrierevier in den südlichen Teilen der ehemaligen preußischen Rheinprovinz sowie aus den westlichen Teilen der bayerischen Pfalz, zu der auch Ommersheim gehörte. "Mit diesen Gebietsabtretungen verlor Bayern gleichzeitig einen großen Teil seiner Kohlevorkommen und seiner Eisen- und Stahlproduktion."[Anm. 3]

Die Regierungskommission argumentierte nun, das Bayernkonkordat von 1817 gelte hier weiterhin, da das neue Konkordat von 1924 für das von der Pfalz abgetrennte und dem Völkerbund unterstellte Gebiet keine Rechtsverbindlichkeit habe. Nach dem Konkordat von 1817 aber sei Ommersheim eine Pfarrei "königlicher Präsentation".[Anm. 4] Die Kommission sehe sich insoweit als Rechtsnachfolger des bayerischen Monarchen und bestehe auf ihrem Präsentationsrecht für die Pfarrei. Die Besetzung der Stelle mit Eberlein sei daher nicht rechtens.

Um Klärung bemühte sich der Apostolische Nuntius in Deutschland, Eugenio Pacelli, der im Auftrag des Kardinalstaatssekretärs Pietro Gasparri zunächst einmal die Verschiebung der anstehenden Besetzung erwirkte. Seit dem 20. Januar 2020 stehen die Dokumente der Pacelli-Edition komplett online zur Verfügung. Die Nuntiaturberichte, die Pacelli als Nuntius an die Römische Kurie sandte, werden "gemeinsam mit ihren Anlagen erfasst, kritisch ediert, kommentiert und ausgewertet"[Anm. 5], was die Beschäftigung mit der Materie sehr erleichtert. In seinem Bericht vom 22. Mai 1925  (Dokument-Nr. 4093) referierte der Nuntius ausführlich den Standpunkt des Speyerer Bischofs Ludwig Sebastian, wobei er Eberlein und "la parrocchia di Ommersheim" ausdrücklich nannte.[Anm. 6] Pacelli war niemand Geringeres als der spätere Papst Pius XII. Er erinnerte an Gasparris Schreiben an den Speyerer Bischof vom 20. Dezember 1920, in dem der Kardinalstaatssekretär unter Verweis auf auf CIC/1917 can. 1450 ("Nullum patronatus ius ullo titulo constitui in posterum valide potest") erläutert hatte, dass frühere konkordatäre Rechte ausdrücklich den katholischen Fürsten persönlich gewährt worden seien. Diese Rechte könnten nicht ohne Weiteres auf neue politische Autoritäten übergehen, insbesondere dann nicht, wenn diese provisorischen Charakter hätten.[Anm. 7]

Pacelli[Bild: Fratelli Alinari [Gemeinfrei]]

Der Präsident der Regierungskommission Victor Rault wandte sich in der Angelegenheit auch an die bayerische Regierung[Anm. 8]typo3/#_edn1 und an den deutschen Außenminister Gustav Stresemann.[Anm. 9] Nachdem der bayerische Ministerpräsident Heinrich Held in einem Referendum an den Heiligen Stuhl nach Erläuterung seiner Bedenken schließlich zugestand: "In diesem Teile Bayerns hat daher das neue Konkordat Gesetzeskraft nicht erlangt, sodaß dort noch die am 11. November 1918 in Kraft gewesenen Gesetze und Verordnungen über die Regelung der Beziehungen von Kirche und Staat in Geltung sind"typo3/#_edn3[Anm. 10], fiel in Rom die Entscheidung, dass die Saarregierung das Präsentationsrecht besitze. Eberlein musste eine erneute Bewerbung an die Regierungskommission in Saarbrücken richten, die ihn dann dem Bischof von Speyer "präsentierte". Am 20. Dezember 1925 wurde er schließlich feierlich in der Pfarrei eingeführt.[Anm. 11]typo3/#_edn4

Georg Friedrich Eberlein erwarb schnell Vertrauen und Respekt seiner Gemeindemitglieder. Von Anfang an stellte er klar, dass er großen Wert auf Unparteilichkeit lege und sich in die "Dorfpolitik" nicht einmischen werde. Sein Verantwortungsgefühl gebot es ihm aber, sich in der überregionalen Politik zu Wort zu melden. Im Jahr 1933 war er einer von 20 Verfassern eines "Beschwerdebriefs der katholischen Geistlichkeit des Saargebietes an Hitler". Im Vorfeld der der Saarabstimmung  bezeichneten die beteiligten Pfarrer zwar "die deutsche Rückgliederung 1935" als "das letzte große Ziel an der Saar", wiesen aber energisch die Stimmungsmache der Nationalsozialisten gegen die katholische Kirche zurück. Insbesondere Hermann Göring habe "am 5. November in Trier vor einer fast restlos katholischen Zuhörerschaft unerhörte Beleidigungen dem katholischen Volk an der Saar ins Angesicht geschleudert".[Anm. 12]typo3/#_edn5 Die Kenntnisnahme Hitlers ist dokumentiert, spätere Maßnahmen gegen die Unterzeichner sind nicht bekannt.

Die tiefe Verbundenheit mit seinen Pfarrangehörigen zeigte sich, als Eberlein Anfang September 1939 unter widrigen Umständen aus seinem Urlaub zurückkehrte, um seine Ommersheimer - der Ort lag in der sog. Roten Zone am Westwall und musste bei Kriegsbeginn geräumt werden - in die Evakuierung nach Franken, Thüringen und Hessen zu begleiten. "In der Wirtschaft Schnabel scheint noch Licht zu sein. Richtig, dort ist die Wachmannschaft. Ich gehe hinein, laute Freude. Ich muss in Kürze erzählen, wie ich hierher komme" - ausführliche Tagebucheinträge des Pfarrers wie diese vermitteln ein anschauliches Zeitbild.[Anm. 13]typo3/#_edn6

Auch nach der Rückkehr der evakuierten Bevölkerung im Jahr 1940 blieb die Lage während des gesamten 2. Weltkriegs in unmittelbarer Grenznähe zu Frankreich gespannt und eskalierte im Dezember 1944 bei heftigem Granatbeschuss durch die amerikanische Armee und schließlich im Februar/März 1945, als die Front endgültig näher rückte. Wieder war ein Teil der Einwohner - diesmal in Eigenregie - geflüchtet. Zurück blieben ca. 350 Leute - und auch der Pfarrer war in der entscheidenden Phase wieder vor Ort. "Über die Frontstellung konnte man nichts Bestimmtes herausbekommen. Für mich als Pfarrer war es auch gefährlich, sich darüber zu erkundigen. Gestapo und Feldgendarmerie waren am Ort", notierte er im Februar. Den Beschuss durch amerikanische Artillerie und Tiefflieger erlebten viele Gemeindemitglieder im Keller des Pfarrhauses, der aufgrund seiner Gewölbekonstruktion und des soliden Mauerwerks Schutz versprach. Die größten Schäden sind am 15. März zu verzeichnen: "Mein Gott, welche Zerstörung. Kein Haus ohne Schaden." Auch die Kirche wurde durch ca. 40 Treffer erheblich beschädigt, "der Kirchturm im oberen Drittel weggeschossen". Nach der Einnahme des Ortes war Eberlein Ansprechpartner für die amerikanischen Offiziere. "Sie wollen aus mir allerhand herausholen. Ich sage ihnen: Ich bin hier der Priester. Ich habe die Seelsorge für meine Leute. Seelsorge baut sich auf gegenseitigem Vertrauen auf. Ich kann Ihnen nicht über Dinge Auskunft geben, die ich durch vertrauliche Mitteilung meiner Leute erfahren habe … Mit rotem Kopf verlassen sie das Zimmer", schrieb er am 20. März.

Tatkräftig widmete sich Eberlein nach Kriegsende der Sanierung der Pfarrkirche. Die bisherige Pfarrscheune wurde Anfang der 50er Jahre zum Jugendheim umgebaut. Der Jugendarbeit galt in besonderem Maße die Aufmerksamkeit des Priesters. 1953 fand der Wiederaufbau der Kirche durch die Weihe und Installation neuer Glocken seinen krönenden Abschluss.

Die Leistungen Eberleins blieben auch der Bistumsleitung nicht verborgen. Er wurde zum Definitor und zum Bischöflichen Geistlichen Rat ernannt. Als seine Kräfte altersbedingt nachließen, wurde er 1959 auf seinen Antrag hin zur Kuratie Heckendalheim versetzt. In seinen beiden letzten Dienstorten wurde ihm die Ehrenbürgerwürde verliehen. Es war ihm nur ein kurzer Ruhestand vergönnt, den er von 1965 bis 1967 im pfälzischen Rödersheim verbrachte. Am 1. Dezember 1967 starb Eberlein in Ludwigshafen-Oggersheim. Seine Beisetzung erfolgte in Anwesenheit des Speyerer Bischofs Emanuel in Ommersheim.

Nachweise

Autor: Gerhard Abel

Erstellt am: 16.06.2020

Anmerkungen:

  1. Schematismus des Bistums Speyer : mit geschichtlichen Notizen ; amtl. Ausg. - Speyer, 1954, S. 417.  Vgl. auch: Sebastian, Ludwig: De providendis parochiis per commissionem gubernii territorii saariani …, Anlage. - In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Dokument Nr. 9362. - URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/9362 [Stand: 01.05.2020]. Zurück
  2. Reichsgesetzblatt. - Jg. 1919, Nr. 140, S. 768. Zurück
  3. Henßler, Patrick: Versailler Vertrag, 1919/20. - In: Historisches Lexikon Bayerns. - München : Bayerische Staatsbibliothek, 2007. - URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Versailler_Vertrag,_1919/20 [Stand: 01.05.2020]. Zurück
  4. Geistlicher Rat Georg Eberlein : Ehrenbürger von Heckendalheim. - In: 650 Jahre Heckendalheim : 1342 - 1992. - 1. - Heckendalheim, 1992, S. 208. Zurück
  5. Eugenio Pacelli: kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte von 1917-1929. Münster: Westfälische Wilheilm-Universität Münster [u.a.], 2010. URL: http://www.pacelli-edition.de/index.html [Stand: 01.05.2020]. Zurück
  6. Pacelli, Eugenio an Gasparri, Pietro vom 22. Mai 1925. - In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Dokument Nr. 4093. - URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/4093 [Stand: 01.05.2020]. Zurück
  7. Ebda. Zurück
  8. Rault, Victor, [Kein Betreff], Saarbrücken vom 07. Februar 1925 , Anlage. - In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Dokument Nr. 11031. - URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11031 [Stand:01.05.2020]. Zurück
  9. Rault, Victor an Stresemann, Gustav vom 18. April 1925 , Anlage. - In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Dokument Nr. 11032. - URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11032 [Stand: 10.05.2020]. Zurück
  10. [Held, Heinrich]: Saarpfalz und Konkordatsrecht, [München], vor dem 03. Juli 1925 , Anlage. - In: Kritische Online-Edition der Nuntiaturberichte Eugenio Pacellis (1917-1929), Dokument Nr. 11034. - URL: www.pacelli-edition.de/Dokument/11034 [Stand]: 01.05.2020]. Zurück
  11. Geistlicher Rat Georg Eberlein a.a.O. Zurück
  12. Zenner, Maria: Parteien und Politik im Saargebiet unter dem Völkerbundsregime 1920. - Saarbrücken : Thinnes  & Nolte, 1966. - (Veröffentlichungen der Kommission für Saarländische Landesgeschichte und Volksforschung ; 3), S. 388-389. Zurück
  13. Aufzeichnungen von Pfarrer G. Eberlein, Pfarrarchiv Ommersheim. - Abgedr. u.d.T.: Eberlein, Georg Friedrich: "The priest is a good man". - In: Zeitzeugen 2. Weltkrieg : Ommersheimer Zivilpersonen erzählen / Arbeitskreis Dorfgeschichte. [Interviews Thomas Bastuck ...]. - Ommersheim : Arbeitskreis Dorfgeschichte, 2009. - (Ommersheimer Dorfchronik ; 2), S. 26-79. Zurück