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  • Napp, Eine Geschichtsreise in die Jahre der Weimarer Republik. Rheinbreitbach und Umgebung in den Jahren 1924 bis 1932

0.Eine Geschichtsreise in die Jahre der Weimarer Republik. Rheinbreitbach und Umgebung in den Jahren 1924 bis 1932

Junkers Flugzeug D-2000 auf dem Flughafen Berlin-Tempelhof[Bild: Georg Pahl, Bundesarchiv, Bild 102-09778 [CC-BY-SA 3.0]]

Am 5. Juli 1930, 12 Jahre nach Ende des Ersten Weltkrieges, zog ein neuartiges Junkers Flugzeug mit dem Namen D2000 unter donnernden Motorengeräuschen seine Kreise am Himmel über Bad Honnef und den umliegenden Ortschaften. Als „Befreiungsflug“ wurde dieses Ereignis bezeichnet, welches als öffentlichkeitswirksames Spektakel abgehalten wurde, um den Abzug der letzten alliierten Truppen (Franzosen, Amerikaner, Engländer und Belgier) aus dem Rheinland zu feiern und die Lufthoheit über das deutsche Gebiet wiederzuerlangen. Die D2000 war dabei eines von insgesamt über 70 Flugzeugen, das von Köln aus über Düren, Bonn, Koblenz, Wiesbaden, Worms usw. an diesem Befreiungsflug teilnahm und mit seiner fortschrittlichen Technologie als ein Aushängeschild der wieder aufkeimenden deutschen Luftfahrtindustrie galt. Die Honnefer sowie die Menschen in Rheinbreitbach, Unkel, Erpel und Bruchhausen dürften daher nicht schlecht gestaunt haben, als die viermotorige Junkermaschine über die Weinberge, Felder und Hausdächer der Menschen hinwegflog. Sie war nicht nur ein Symbol für den technischen Fortschritt, sondern auch für die lang ersehnte Besatzungsfreiheit.[Anm. 1]

Zeitweise hatten sogenannte „Separatisten“ aus Koblenz mit französischer Unterstützung versucht, eine eigene rheinische Republik zu gründen, um sich vom Rest Deutschlands abzuspalten (siehe Rheinbreitbach Heimatheft Nr. 8: Erinnerungen an das Jahr 1923).typo3/#_edn1[Anm. 2]typo3/#_edn1 Nachdem diese Bestrebungen gescheitert waren, folgte eine Phase der Zwangsverwaltung und Besatzungspolitik durch die Franzosen bis zum November 1924.[Anm. 3] Danach gehörte die Amtsbürgermeisterei Unkel wieder zum unbesetzten Deutschland. Wie das Leben der Menschen in der Bürgermeisterei Unkel im Alltag aussah und was diese von 1924 bis Anfang der 1930er Jahre erlebten, soll in Kapiteln zu Gesellschaft/Kultur, Politik, Wirtschaft näher beleuchtet werden. Entsprechend dieser Themen wurden die Artikel aus der Honnefer Volkszeitung ausgewählt, mit historischen Informationen ergänzt und in den Gesamtkontext eingegliedert.

0.1.Von Turnveranstaltungen und nationalistischen Aufmärschen: Das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Rheinbreitbach und der Amtsbürgermeisterei Unkel

Das kulturelle und gesellschaftliche Leben zur Zeit der Weimarer Republik lässt sich in Rheinbreitbach sowie der Amtsbürgermeisterei Unkel als sehr gegensätzlich bezeichnen. Auf der einen Seite wollten die Menschen den verlorenen Krieg vergessen und endlich ein Leben wie vor dem Ersten Weltkrieg führen. Dies erschien vor allem ab Mitte der 1920er Jahre möglich durch den leichten wirtschaftlichen Aufschwung, den US-Kredite der deutschen und europäischen Wirtschaft nach der Ruhrkrise bescherten. Auf der anderen Seite waren der Arbeitsplatz und das eigene Einkommen nicht für jeden gesichert. Konkret bedeutet dies, dass die Menschen jederzeit gekündigt werden konnten – sobald die wirtschaftliche Auftragslage bei den Firmen sich verschlechterte – und die Löhne nicht besonders hoch ausfielen. Dadurch galt Deutschland in den 1920er Jahren als die Werkbank Europas, wo Unternehmer preisgünstig Waren herstellen und einkaufen konnten. Andererseits gab es viele positive Entwicklungen innerhalb der Kunst. Zum Beispiel boten neue Medien wie das Kino neue Eindrücke, um das Grauen des Krieges zu vergessen und das Heer von Arbeitslosen, das in der Inflation 1923 und in der Weltwirtschaftskrise 1929 auch durch die nachrückende junge Vorkriegsgeneration wuchs, bei Laune zu halten.[Anm. 4]

Das Leben stand daher in Rheinbreitbach und der Amtsbürgermeisterei Unkel keineswegs still. Vereine strengten sich mit verschiedenen Veranstaltungen an, ein abwechslungsreiches Programm auf dem Land zu bieten. Beispielhaft ist hier z.B. das Stiftungsfest des Rheinbreitbacher Turnvereins am 17. Juni 1926, der gerade jungen Menschen Freizeitbeschäftigung bot. Der Turnverein veranstaltete regelmäßige Schauturnen, für das die Teilnehmer kontinuierlich ihre körperliche Fitness trainierten. Überwiegend nahmen daran junge Männer teil, da dies in Tradition zum Kaiserreichs als vormilitärische Bildung weitergeführt wurde. Auch in Erpel fand am 14. August 1927 mit dem 7. Erpeler Bergfest – wahrscheinlich der Vorläufer des bis heute noch stattfindenden Nikolauslaufes des TUS Erpel – und Verbandsfest der Siebengebirgsturner eine große Sportveranstaltung statt. Über 300 Anmeldungen gab es von verschiedenen Vereinen, die belegen, welch hohe Strahlkraft das Turnen in der Amtsbürgermeisterei Unkel besaß. Bei dem Verbandsfest standen nicht nur Turnübungen, sondern auch Leichtathletik auf dem Programm. Wettkämpfe fanden in verschiedenen Klassen statt, die je nach Jahrgang über und unter 18 Jahren im Dreikampf ausgetragen wurden.typo3/#_edn1[Anm. 5]

Dass die Erpeler Ley nicht nur ein beliebter Austragungsort für Turn- und Sportveranstaltungen war, zeigt sich auch an anderen Ereignissen, die sich dort oben abspielten. Im Mai 1931 trafen sich zum Beispiel über 2.000 Pfadfinder aus ganz Deutschland auf der Erpeler Ley für eine Zusammenkunft. Eigens hierfür wurde ein Wasserturm auf der Erpeler Ley errichtet, der von der Bruchhausener Wasserleitung gespeist wurde. Diese Veranstaltung bedeutete für junge Menschen eine sinnvolle Beschäftigung – wie zum Beispiel Wanderungen, Liederabende, Freundschaften knüpfen uvm. – in den fragilen wirtschaftlichen und politischen Zeiten der Weimarer Republik (gerade nach dem Börsencrash und dem schwarzen Freitag von 1929).[Anm. 6]

Anzeige für ein Tanzturnier in der Honnefer Volkszeitung am 1. Oktober 1927[Bild: Thomas Napp]

Im Rheinbreitbacher Hof wurde ein Tanzturnier veranstaltet, welches von dem Ballett- und Tanzlehrer Weißkirchen aus Bonn geleitet und von Thelens Tanz- und Konzertorchester begleitet wurde. Hierbei wurden im Rheinbreitbacher Hof verschiedene moderne und alte Tänze aufgeführt. Gerade für die jüngeren Menschen, die nach den harten Jahren des Ersten Weltkrieges „leben“ wollten, waren solche Veranstaltungen wichtig.[Anm. 7]

Doch auch traditionelle Veranstaltungen, die es bereits vor dem Ersten Weltkrieg im Kaiserreich gegeben hatte, wurden weitergeführt. Neben der Kirmes und Feiertagen sticht hier immer wieder das Herbstpreisschießen mit anschließendem Wurstessen der Schützengesellschaft Rheinbreitbach heraus, wie im September 1927. Auch die Junggesellenvereine waren in der Zeit der Rheinlandbesetzung und der Weimarer Republik weiterhin aktiv, wie das Maifest 1927 des Junggesellenvereins von Unkel-Scheuren belegt.[Anm. 8]typo3/#_edn1

Zeitungsausschnitt aus der Honnefer Volkszeitung, 1926[Bild: Thomas Napp]

Eine Besonderheit in der Amtsbürgermeisterei Unkel stellen die Veranstaltungen des Roten Kreuzes dar. In Erpel wurde in den 1920er Jahren eine Sanitätskolonne gegründet, die dort auf großes Interesse stieß. Zur weiteren Ausbildung der eigenen, vor allem jungen, Leute, sammelten die Mitglieder Gelder in der Bevölkerung, um Verbandsmaterial und Krankentransportmittel zu kaufen. Die Sanitätskolonnen können als Vorläuferorganisationen der Unfallversorgung durch Krankenwagen gesehen werden. Die Sanitäter:innen (Frauen zur Wundversorgung, Männer zum Schleppen der Tragen) brachten die Menschen zum nächstgelegenen Krankenhaus, entweder nach Unkel, Bad Honnef oder Linz am Rhein. Dies war nötig, da sich durch den aufkommenden Autoverkehr in den engen Gassen der Rheindörfer vermehrt schwere Unfälle ereigneten (siehe Kapitel 4). Neben der Ausbildung bot die Sanitätskolonne jungen Menschen eine sinnvolle Aufgabe und es bildete sich ein Art Korpsgeist heraus, der sich in gemeinsamen Feiern, wie einer der freiwilligen Sanitätskolonne des Roten Kreuzes Unkel im Januar 1926, widerspiegelte. Dort feierte man den Abschluss des Jahres mit einer Verlosung und ließ das Jahr 1925 Revue passieren. Über 200 Mal waren die freiwilligen Sanitätskolonnen aller Ortschaften ausgerückt und über 80 Transporte ausgeführt worden. Gerade in der Zeit der Hochwasserkatastrophe 1919/1920 in der Amtsbürgermeisterei Unkel sei die Kolonne ein Segen für die Bevölkerung gewesen.[Anm. 9]

Reservistenvereine und deren Treffen spielten im gesellschaftlichen Leben nach dem Ende des Ersten Weltkrieges und dem Untergang des Kaiserreichs 1918 für die rechtskonservativen und nationalistischen Kreise weiterhin eine wichtige Rolle. Gerade in der Zeit der Rheinlandbesetzung hielten die Reservistenvereine das nationale Gedankengut mit dem Kerngedanken der schmachvollen Besetzung des Rheinlandes wach. Durch Ansprachen und paramilitärische Aufmärsche in verschiedenen Städten und Ortschaften gedachten sie der gefallenen „Helden“ im Ersten Weltkrieg und riefen dazu auf, gegen die Besatzer durchzuhalten und an das „national vereinigte Deutschland“ zu glauben. Gerade nach der Zeit der „separatistischen“ Umsturzversuche im Jahre 1923 spielten diese Gedankengänge in der Amtsbürgermeisterei Unkel sowie bis nach Neuwied eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Allein in Erpel fanden im Mai 1926, im Juli 1926 sowie im Juli 1929 Veranstaltungen und Reservistentreffen des rheinischen Infanterieregimentes Nr. 29 und ein Aufmarsch des Stahlhelms statt. Das rheinische Infanterieregiment bildete wie viele andere Regimenter auch einen Denkmalausschuss, um auf der Erpeler Ley ein Denkmal für die Gefallenen des Regimentes im Ersten Weltkrieg zu errichten. Dessen Grundsteinlegung sollte im Juli 1926 mit einer großen Feier in einem tausend Personen fassenden Festzelt gefeiert werden. Das Denkmal wurde jedoch aus heute nicht mehr nachvollziehbaren Gründen später auf der Rheinbrohler Ley errichtet.[Anm. 10]

Stahlhelm in Erpel, Zeitungsartikel vom 1. Juli 1929[Bild: Thomas Napp]

Doch besonderes Augenmerk verdient die Veranstaltung des Stahlhelms auf der Erpeler Ley. Der Stahlhelm, der als paramilitärische Vereinigung der Deutschnationalen Volkspartei nahestand und offen demokratiefeindlich war, zog tausende seiner Mitglieder für eine Kundgebung mit Fackelzug auf der Erpeler Ley im Juli 1929 zusammen, um demokratiefeindliche Parolen gegen die Weimarer Republik und die Schmach von Versailles zu verkünden. Den Platz auf der Erpeler Ley hatte man sich ausgesucht, da die Amtsbürgermeisterei Unkel (genau wie der „Freistaat Flaschenhals“) zwischen Köln und Koblenz gelegen eine neutrale Zone zwischen den Brückenköpfen Köln und Koblenz darstellte. Die Franzosen hatten zwar 1923 das rechtsrheinische Gebiet besetzt, räumten es aber nach dem Beschluss der Londoner Konferenz im November 1924 wieder. Nach dem Abrücken aller alliierten Streitkräfte aus dem Rheinland veranstaltete der Stahlhelm im Jahre 1930 den 11. Reichsfrontsoldatentag im Raum zwischen Bingen und Andernach.typo3/#_edn1[Anm. 11]typo3/#_edn1typo3/#_ednref1

Auch in den anderen Ortschaften in der Umgebung gab es Bestrebungen und Versammlungen der Reservistenverbände, um sich gegen die Besatzer zu vereinigen. In Unkel trafen sich bei einer Wiedersehensfeier im Juli und Oktober 1926 die Mitglieder des Infanterieregimentes Nr. 237.[Anm. 12]typo3/#_edn1

In Linz am Rhein versammelten sich 4.000 ehemalige Mitglieder des Pionierregimentes Nr. 8 im September 1927, die von Linzhausen aus in die Innenstadt von Linz am Rhein marschierten. Die Stadt war für die Pioniere reich beflaggt worden und der Festmarsch paradierte an der Linzer Burg an den ehemaligen Offizieren und dem ehemaligen Kommandanten Oberst Günther Rückbeil vorüber.[Anm. 13]

Ebenso gab es in Rheinbreitbach deutschnationale Bestrebungen und Aktionen, die den Eindruck eines stillen Widerstands breiter Bevölkerungskreise gegen die Rheinlandbesetzung untermauern. Im April 1928 wurde z.B. das Österreicherdenkmal zur Erinnerung an die verstorbenen österreichischen Soldaten in den Befreiungskriegen gegen Frankreich an der Unteren Burg in Rheinbreitbach errichtet. Zwar könnte es sich lediglich um die Errichtung eines normalen Gedenksteines handeln, doch durch die Wiederbelebung dieser Erinnerung gerade eines Krieges, den Preußen und Österreicher längerfristig gewonnen haben,typo3/#_edn1[Anm. 14]typo3/#_edn1 liegt es nahe, den Bau als stillen Widerstand zu deuten.

Der in Rheinbreitbach wohnhafte deutschnationale Schriftsteller Rudolf Herzog hingegen machte keinen Hehl aus seiner Abneigung gegen die Besatzungsmächte sowie die Weimarer Republik. In seinen Werken „Wieland der Schmied“ oder „das Fähnlein der Versprengten“ stellte er sich ganz in den Dienst der nationalkonservativen Kräfte, die den Mythos vom unbesiegten deutschen Heer und dem Versailler Schmachfrieden propagierten. Als Anhänger des ehemaligen Kaiserreichs und der Kaiserfamilie unterhielt er in der Zeit der Weimarer Republik weiterhin Kontakte zu kaisertreuen und teilweise republikfeindlichen Kräften. Es ist daher nicht verwunderlich, dass der persönliche Freund und spätere NS-Abgeordnete General Karl Litzmann im Januar 1925 seinen 75. Geburtstag in der Oberen Burg von Rheinbreitbach bei Rudolf Herzog feierte. Herzog und Litzmann waren alte „Kampfgefährten“ aus der Zeit des Ersten Weltkrieges und Litzmann besuchte Herzog regelmäßig auf der Oberen Burg und war in der Bevölkerung von Rheinbreitbach bekannt. Aber nicht nur Litzmann, sondern auch die zweite Frau Wilhelms II., Kaiserin Hermine, begrüßte Herzog auf der Oberen Burg. Welchen Stellenwert der Schriftsteller Rudolf Herzog in der Bevölkerung hatte, lässt sich auch an der weiteren Berichterstattung rund um seine Person in der Zeit der Weimarer Republik ersehen. Im Juni 1925 besuchte zum Beispiel die Bonner Liedertafel Rudolf Herzog auf seiner Burg und bot ihm eine Ehrenmitgliedschaft an, die er dankend annahm. Auch der Tod von Herzogs Gärtner, der für seinen wunderschönen und weit bekannten romantischen Park verantwortlich gewesen war, wurde in den Zeitungen veröffentlicht. Herzog und die Obere Burg stellten zu diesem Zeitpunkt einen nationalistischen Widerstandspunkt der monarchischen Kräfte gegen die Besatzung und die Weimarer Republik dar[Anm. 15]

Obere Burg, der Wohnort Rudolf Herzogs[Bild: Privatarchiv Thomas Napp]

Gleichzeitig gab es in der Zeit der Weimarer Republik in der Amtsbürgermeisterei Unkel und in Rheinbreitbach auch weniger politische Ereignisse. Hierzu gehören Goldene Hochzeiten, Festjubiläen, Todesfälle berühmter Persönlichkeiten oder Verleihungen von herausragenden Personen oder normalen Bürgern. Zu Anfang sei für Unkel der Tod des ehemaligen Zentrumsführers Karl Trimborn genannt sein, dessen Grabstein im Oktober 1925 auf dem Unkeler Friedhof von dem Münchener Künstler Professor Busch aus fränkischem Marmor geschaffen wurde. Obwohl Karl Trimborn ähnlich wie Konrad Adenauer das Rheinland von Preußen abspalten wollte, war er in den katholischen Kreisen und Parteien nach wie vor sehr beliebt. Dies zeigte im Jahr 1931, als eine große Feierlichkeit zu seinem 10. Todestag organisiert wurde.[Anm. 16]

Zu den berühmten Persönlichkeiten in der Amtsbürgermeisterei Unkel gehörte auch Konsul Hugo Meyer in Rheinbreitbach, der im Ersten Weltkrieg als Leiter der Reichsgetreidestelle eingesetzt gewesen war und dessen plötzliches Ableben im März 1926 bei den Menschen großen Gesprächsstoff auslöste. Vermutlich hatte der Konsul sich selbst in die Fluten des Rheines gestürzt, da seine Leiche flussabwärts am Rhein gefunden und in aller Stille beerdigt worden war.[Anm. 17]typo3/#_edn1

Ein weiterer einschneidender Todesfall, der das gesellschaftliche Leben in der Amtsbürgermeisterei Unkel berührte, war der der Frau des Kommerzienrates Schütte im September 1932, die wohl sehr bekannt gewesen ist. Außerdem starb der Bruchhausener Ortspfarrer Hackenberg am 29. Januar 1931 im Alter von 60 Jahren nach einer Amtszeit lediglich anderthalb Jahren. Im Dezember 1932 verstarb die älteste Einwohnerin von Unkel im Alter von 104 Jahren in Köln-Riehl in einem Altersheim. Über Marie Sophie Gaß geborene Richarz wird berichtet, dass diese in ihrer Jugendzeit mit Ferdinand Freiligrath, einem bekannten deutschen Lyriker und Übersetzer des 19. Jahrhunderts, noch auf dem zugefrorenen Rhein getanzt hätte. Im Jahr 1926 gründeten Bürger:innen des Dorfes Rheinbreitbach, das 1.200 Einwohner zählte, eine Sterbekasse. Notwendig erschien der Verein gerade zu dieser Zeit, da die Menschen durch fehlende oder unregelmäßige Arbeit bzw. Niedriglöhne kein ausreichendes Auskommen hatten, um bei Sterbefällen das Geld zur Finanzierung der Beerdigungskosten vollständig selbst aufzubringen. In Rheinbreitbach traten daher sofort 450 Menschen der Sterbekasse bei, um im Ernstfall 100 Mark Beihilfe für die Beerdigung eines Angehörigen zu bekommen - ein handfestes Beispiel aus dem harten Alltag der Menschen, die in der Region lebten.typo3/#_edn1[Anm. 18]

Neben diesen eher traurigen Ereignissen berichtete die Honnefer Volkszeitung aber auch erfreuliche Dinge aus der Amtsbürgermeisterei Unkel und aus Rheinbreitbach. Mehrere Ehepaare durften sich über das Fest der Goldenen Hochzeit sowie Einzelpersonen über das Erreichen eines hohen Alters erfreuen. Unter Anteilnahme sämtlicher Vereine aus Rheinbreitbach feierten das Ehepaar Henseler (Josef und Helene geb. Schöneberg) im Alter von 78 und 75 Jahren das Fest der Goldenen Hochzeit im Mai 1925. Auch das Ehepaar Aegidius und Katharina Lindener hatte vier Jahre später im März 1929 Goldene Hochzeit. Beide Hochzeiten waren zu dieser Zeit noch eine Seltenheit und wurden vom ganzen Dorf gemeinsam festlich begangen. In Unkel feierte im selben Jahr Fritz Henkel, der zweite Sohn des Firmengründers Fritz Henkel der Firma Henkel „Persil“, sein silbernes Ehejubiläum. Ihm zu Ehren für seine zahlreichen Verdienste um die Stadt (vor allem finanzieller Art) widmete die Stadt Unkel die Elisabethstraße in Fritz Henkel Straße um und die Vereine wie die Blaskapelle der Freiwilligen Feuerwehr sowie der Gesangsverein boten dem Jubelpaar ein Ständchen dar. Auch der Turnverein von Unkel führte ein paar Turnübungen unter Begeisterung der Anwesenden vor.

Großes Aufsehen gab es in Unkel zum 80. Geburtstag der Enkelin des Komponisten Karl Löwe im Juni 1928 sowie in Scheuren zum 94. Geburtstag des ehemaligen Ingenieurs J. Gareis am 3. Oktober 1929, der in jungen Jahren als Leutnant und Pionierhauptmann an den Befreiungskriegen 1866 und 1870/71 teilgenommen hatte. Besonders hervorzuheben ist der 70. Geburtstag der Adligen Frau Elisabeth von Werner geb. Neven Dueamont. Für ihre Leistungen zugunsten der Stadt Unkel, gerade im Hinblick auf das Christinenstift, erhielt sie von Bürgermeister Decku sowie dem Beigeordneten der Stadt Unkel eine silberne Plakette mit Stadtwappen überreicht. Im Wesentlichen leistete sie finanzielle Aufbauhilfe.typo3/#_edn1[Anm. 19]typo3/#_edn1

Wie im Kaiserreich wurden Auszeichnungen an herausragende Persönlichkeiten verliehen. In Unkel durfte sich im Juli 1926 der Verwaltungsanwärter Severin Schreiner über die Verleihung der Rettungsmedaille am Bande durch Bürgermeister Decku im Namen des preußischen Staatsministeriums freuen. Er hatte im Jahr 1924 einen jungen Menschen aus den Fluten des Rheines entrissen. Der Baumschulgärtner und Pomologe Albert Abendroth aus Rheinbreitbach wurde im Januar 1931 für seine Forschungstätigkeit in der Obstzüchtung ausgezeichnet, indem ihm die Mitgliedschaft in der „Society Pomologique de France“ angeboten wurde.[Anm. 20]

Unter den Katholiken der Bürgermeisterei machte im August 1928 die Überbringung einer Reliquie der heiligen drei Könige Furore. Dadurch, dass Erpel im Mittelalter Sommersitz der Erzbischöfe von Köln gewesen war und vor ca. 900 Jahren die Gebeine der heiligen drei Könige auf ihrer Reise von Mailand nach Köln hatte beherbergen dürfen, schenkte das Erzbistum Köln der katholischen Gemeinde Erpel ein Stück aus dem Haupt der heiligen drei Könige. Für das kleine Weinörtchen Erpel war dies eine große Ehrung, da mit dieser Reliquie Pilger angelockt werden konnten, von denen wirtschaftliche Impulse für die örtliche Gastronomie und Hotellerie ausgingen.[Anm. 21]

Überhaupt bemühte sich die katholische Kirche in dieser Zeit, den Blick der Menschen wieder auf die örtliche Kirche zu fokussieren und somit den radikalen politischen Strömungen entgegenzuwirken. Es wurden zahlreiche Arbeiten an den Kirchen vorgenommen, Kapellen eingeweiht sowie zwei Heiligenhäuschen aus den Jahren 1666 und 1712 in Unkel und Scheuren auf Wunsch des Provinzialkonservators (heute Denkmalschutzamt) erneuert.[Anm. 22]

Die Villa von Sayn vor 1940[Bild: Privatarchiv Thomas Napp]

In Rheinbreitbach wurde im September 1929 in der heutigen Villa von Sayn die Hauskapelle für das Verbandsheim der katholischen kaufmännischen Gehilfinnen und Beamtinnen geweiht. Das 1928 gekaufte Haus sollte mit seinen großen Räumlichkeiten und dem Obstgarten als Erholungsheim für Frauen dienen, aber auch als Tagungsort für Versammlungen. Das Verbandsheim selbst mit einem modernen Anbau wurde im Juli 1932 unter Anwesenheit der örtlichen Geistlichkeit eingeweiht.[Anm. 23]

Abschließend für dieses Kapitel sei noch erwähnt, dass in den 1920er Jahren mit dem Aufkommen des Straßenverkehrs sowie dem damit einhergehenden Bau von Straßen auch das Bewusstsein für die eigene Geschichte wuchs. Neben den nationalistischen Tendenzen, die sich der Geschichte als gemeinsamem Gesellschaftsfaktor bediente, um gegen die „Besatzer“ durchzuhalten, wurde den Menschen durch die Zerstörung der Landschaft sowie den zunehmenden Lärm schon früh bewusst, dass es auch das Alte für die „Heimat“ zu bewahren gilt. Ein Beispiel hierfür findet sich wie bereits erwähnt in der Errichtung des Österreicherdenkmals in Rheinbreitbach, aber auch in der Instandsetzung von alten Fachwerkhäusern in der gesamten Amtsbürgermeisterei Unkel, die keineswegs als „Deutschtümelei“ abgetan werden kann. Ganz im Gegenteil wuchs in dieser Zeit das Bewusstsein, dass gewisse Gebäude und Häuser identitätsprägend für einen Ort und seine Menschen sind. Daher ist es nicht verwunderlich, dass die Stadt Unkel den alten Gefängnisturm im Juni 1926 restaurierte, um ihn für die Nachwelt zu erhalten.

0.2.Straßenbau und Weinwirtschaft: Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in der Bürgermeisterei Unkel

Die wirtschaftliche Situation in den Jahren 1924 bis 1932 lässt sich in der Amtsbürgermeisterei Unkel und in Rheinbreitbach in die Zeit bis zum Schwarzen Freitag 1929 und die Übergangsjahre bis zur „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten 1933 einteilen. In der ersten Phase gab es eine relativ stabile Wirtschaftsentwicklung, die zumindest einem Teil der Bevölkerung einen sicheren Arbeitsplatz bei geringen Löhnen bot. Auch staatliche Arbeitsbeschaffungsprogramme boten den Menschen zeitweise eine Beschäftigung. Finanziert wurde dieser relative Wirtschaftsaufschwung im Wesentlichen durch amerikanische Kredite, die dem Wiederaufbau der europäischen Staaten dienen sollten.

Dieses Programm funktionierte jedoch im überwiegenden Teil der Weimarer Republik wesentlich besser als in der Besatzungszone bzw. in den entmilitarisierten Zonen des Rheinlandes, da Betriebe und Unternehmen eher aus dem Rheinland wegzogen als Arbeitsplätze im besetzten Teil Deutschland zu schaffen. Ein Beispiel für diese Entwicklung bietet der Niedergang der Pelzfabrik in Unkel und deren Abriss im Juli 1931. Dieser fand zwar zur Verbreiterung der Straße statt, jedoch hätten die Beteiligten dem Vorhaben wohl kaum zugestimmt, wenn die Fabrik noch intakt und funktionstüchtig gewesen wäre. Ein weiteres Beispiel stellt die Stilllegung einer Maschinenfabrik in Neuwied im Jahre 1926 dar oder die Entlassung von 2.000 Arbeitern im Werk Rasselstein im Februar 1926, da diese einer 10-prozentigen Kürzung des Lohnes nicht zugestimmt hatten.[Anm. 24]

Diese Entwicklungen wirkten sich auf die Anzahl der Arbeitslosen aus, sodass viele Menschen in der Amtsbürgermeisterei Unkel sowie in Rheinbreitbach auf den Anbau von Obst und Gemüse sowie Weintrauben im heimischen Garten angewiesen waren. Die Arbeitslosenzahlen schnellten nicht nur auf Grund der geringer gewordenen Zahl an Arbeitsplätzen in die Höhe, sondern auch, weil die nun arbeitsfähig gewordene Generation –durch den Krieg nicht dezimiert war. Diese konnte auch durch das altersbedingte Ausscheiden der älteren Generation aus dem Berufsleben nicht aufgefangen werden.[Anm. 25]typo3/#_edn1 Durch diese Not (und auch im Sinne einer besseren politischen Vertretung) entstand in Rheinbreitbach im September 1926 auch ein katholischer Gesellenverein, der sich als Handwerkervereinigung für das Wohl seiner Mitglieder einsetzte und Menschen auf Wanderschaft z.B. in einem Gesellenhospiz beherbergte. Junge Menschen hatten somit die Chance in ihrer Ausbildung kostenfrei bei Handwerkern zu wohnen und ihrer Ausbildung nachzugehen (sofern sie eine Arbeitsstelle bekamen). Gleichzeitig konnten die Interessen der Handwerkerschaft gegenüber der Politik besser kommuniziert werden. In diesen Gesellenvereinen waren die Handwerker und Unternehmen besonders geachtet, die schon lange am Markt waren, wie der Installateur Josef Kräften aus Rheinbreitbach, der am 17. Mai 1928 sein 50. Berufsjubiläum beging und dafür von der Handwerkskammer den Ehrenmeisterbrief bekam. Das Unternehmen Kräftens besteht bis heute unter dem Namen Runkel & Kräften in der Rheinstraße in Rheinbreitbach fort. Ob Kräften Mitglied des Gesellenvereins war, lässt sich auf Grundlage von Archivalien heute nicht mehr sagen.typo3/#_edn2[Anm. 26]

Dass der Gesellenverein durchaus einige Mitglieder hatte, lässt sich an der Anzahl und Art der Unternehmen sehen, die es zu Zeiten der Weimarer Republik in Rheinbreitbach gab. Insgesamt 5 Bäcker, 3 Schuhmacher, 4 Kolonialwarenläden, 2 Schneider, 3 Schreiner und 2 Metzger waren jeweils mit Meister und Gesellen in Rheinbreitbach ansässig. Hierbei war die überwiegende Mehrheit der Menschen katholisch geprägt.

Banknote im Wert von zehn Reichsmark, 1929[Bild: Bildarchiv der Deutschen Bundesbank, Frankfurt am Main]

Eine Herausforderung für viele Menschen stellte die starke Inflation bis Ende 1923 dar. Durch den Ersten Weltkrieg sowie die Ruhrbesetzung angeheizt, wurde diese mit der Einführung der Rentenmark beseitigt. Am 15. März 1924 wurde die letzte Papiermarknote im Wert von fünf Billionen Mark gedruckt, die durch die Währungsreform desselben Jahres fünf Rentenmark entsprach. Die Rentenmark wurde als Übergangslösung wenig später in die Reichsmark im Wertverhältnis 1:1 überführt und die Reichsbank wurde eine von der Regierung unabhängige Institution. Durch diese Maßnahmen stabilisierten sich die Nahrungsmittelpreise wieder in der Amtsbürgermeisterei in Unkel sowie im übrigen Deutschland bis zum großen Crash 1929.

Diese relativ stabile Zeit nutzten die Amtsbürgermeisterei Unkel sowie der Ort Rheinbreitbach, um die Infrastruktur wie Straßen, Schienen, Wasserleitungen und Elektrizität innerhalb der Amtsbürgermeisterei zu verbessern. Durch den zunehmenden Autoverkehr innerhalb der 1920er Jahre verstopften die engen Gassen der Rheindörfer der Amtsbürgermeisterei Unkel (vor allem in Erpel und Rheinbreitbach) und des Weinstädtchens Unkel zunehmend. Aus diesem Grund beantragte der Bürgermeister Decku im Juni 1926 auf dem preußischen Landgemeindetag West Geld für den Bau einer Umgehungsstraße für die Stadt Unkel (Vorgängerbau der heutigen B42). Bürgermeister Decku verfolgte dieses dringende Anliegen vor allem, weil der Auto- und Lastwagenverkehr eine große Gefahrenquelle für Leib und Leben in allen Ortschaften darzustellen schien. Auch der Kreis Neuwied sah großes Gefahrenpotential für die historischen Ortskerne und die jahrhundertealten Fachwerkhäuser durch die andauernden Erschütterungen der Fahrzeuge und unterstützte somit den Vorschlag den Verkehr um Ortskerne zu leiten. Er verfolgte daher einen Anschluss einer Rheinstraße an die nach Siegen führende Landstraße. Trotz des Bewusstseins der Dringlichkeit dieses Anliegens sollte es noch bis Anfang der 1930er Jahre dauern, bis der Ortsgemeinderat von Unkel die Umgehungsstraße bergseitig parallel zur Eisenbahnstrecke genehmigen und von der Provinzialbehörde bauen ließ. Wichtig war es dabei den Unkeler Amtsträgern, dass bei dem Bau die Unkeler Erwerbslosen sowie die lokalen Unternehmer von dem Bau der Straße als Arbeitsnehmer profitierten.[Anm. 27]typo3/#_edn1

Aber auch Rheinbreitbach versuchte man für den Autoverkehr befahrbar zu machen. Zum Beispiel ließ man in der Hauptstraße das Pflaster im Oktober 1926 neu verlegen und verbreiterte die Straße um zwei Meter, wodurch einige Arbeitslose zeitweise Beschäftigung fanden. Finanziert wurde dies über den Gemeindehaushalt und letztlich über (amerikanische) Kredite, die der deutsche Staatshaushalt durch den Dawesplan 1924 bekommen hatte. Hierbei wurde auch die Engstelle am Rheinbreitbacher Hof (heutige Rosen Apotheke) erheblich entschärft, indem die Gemeinde mehrere Meter Privatgrundstück kaufte, um die Straßenkurve zu verbreitern, wovon bis heute die Autofahrer innerorts profitieren.typo3/#_edn1[Anm. 28]typo3/#_edn1

Rheinbreitbach bemühte sich auch, die Wasserversorgung der Bevölkerung zu verbessern. Die in preußischer Zeit gebaute Wasserleitung war veraltet, sodass Verbesserungen vorgenommen werden mussten. Gerade die höher gelegenen Häuser an der Gebrüder-Grimm-Straße konnten kaum mit ausreichend fließendem Wasser versorgt werden. Aus diesem Grund beschloss man im Januar 1924, eine Pumpenanlage am Fuße der Straße zu errichten, die das Quellwasser vom Tal in die höher gelegenen Ortsteile verbringen sollte. Bis zum 1. April 1932 sollte die Firma Dietrich die neuen Rohrleitungen unter Beteiligung der örtlichen Arbeitslosen und Firmen verlegen. Vorab musste die Gemeinde jedoch mit der Firma Mannesmann einen Pachtvertrag schließen, der ihr gestattete, das Wasser aus dem ehemaligen Bergwerk Marienberg für die Wasserleitung abzuleiten.[Anm. 29]typo3/#_edn2

Noch wichtiger als die Verbesserung der Straßenverkehrsführung sowie die Versorgung mit Wasser war die Verkehrsanbindung an die Großstädte. Durch den Ersten Weltkrieg war in Rheinbreitbach und der Amtsbürgermeisterei Unkel der Plan gescheitert, die Straßenbahn von Neuwied am Rhein entlang bis nach Bad Honnef zur Siebengebirgsbahn durchzubauen. Somit fehlte es an einem Verkehrsmittel, mit dem man schnell und kostengünstig zu den nahe gelegenen Bahnhöfen Unkel und Bad Honnef kommen konnte, um in die größeren Städte Köln, Bonn, Neuwied und Koblenz zu fahren. Aus diesem Grund wurde ab dem 20. Juni 1924 eine Postbusverbindung für die Menschen zwischen Königswinter und Aegidienberg über Bad Honnef sowie zwischen Bad Honnef und Rheinbreitbach eingerichtet. Eine Fahrt kostete zu diesem Zeitpunkt 10 Pfennig für einen Kilometer, mind. jedoch 30 Pfennige. Reisegepäck bis 10 Kilo Gepäck kostete 10 Pfennig. Für die Mitnahme eines Hundes zahlte man 50 Pfennig. Durch die Einrichtung dieser Postbus-Linie war es den Menschen ohne Kraftfahrzeug in Bad Honnef und Umgebung nun möglich, leichter zu Arbeitsplätzen im Großraum Bonn/Köln zu gelangen, da nun eine direkte Verbindung auch zum Bahnhof Bad Honnef bestand. Vom Bahnhof Unkel aus konnte man zudem ab dem 2. Juli 1928 mit einem regelmäßigen Personenzug über die Ludendorffbrücke über Remagen nach Kreuzberg und weiter ins Ahrtal fahren. Dass der Zugverkehr nicht zu unterschätzen ist, zeigt ein Artikel von Oktober 1928, in welchem die Erneuerung des Belages der Eisenbahnbrücke erwähnt wird. Grund hierfür war, dass die Holzbohlen durch den andauernden Zugverkehr und die glühenden Schlacken und Funken immer wieder in Brand gerieten. Sie wurden letztlich durch Eisenplatten ersetzt.[Anm. 30]typo3/#_edn1 Auch in Unkel versuchte man die Anbindungen an weiter entlegene Ortschaften zu verbessern. Neben dem Bahnhof wurde eine Haltestelle der Rheindampfschifffahrtsgesellschaft am Unkeler Rheinufer etabliert. Diese diente neben der normalen Personenbeförderung auch dem Tourismus.[Anm. 31]

Durch diese Maßnahmen ermöglichte man einigen Menschen phasenweise wieder, einer Erwerbsarbeit nachzugehen. Es gelang dem Kreis Neuwied durch öffentliche Bauprojekte wie die Umgehungsstraße in Unkel sowie Baumaßnahmen der einzelnen Ortschaften die Arbeitslosenzahlen von 3.888 im Januar 1927 auf 876 Personen im Juli 1927 zu reduzieren. Hierzu trug auch die Strategie des Kreises Neuwied bei, durch den Eisenbahnbau verschiedene Ton-, Bims- und Basaltabbaugebiete entweder wiederzubeleben oder neu zu erschließen. Dadurch sollten Menschen zeitweilig beim Eisenbahnbau selbst in Lohn und Brot kommen und längerfristig in den neu gegründeten Ton-, Bims- und Basaltwerken Arbeit finden, deren Produkte dann mit den neuen Eisenbahnlinien abtransportiert werden könnten. Auch die Planungen einer Rheinbrücke bei Neuwied 1932 gaben den Menschen Hoffnung auf Arbeit und Lohn.[Anm. 32]typo3/#_edn1

Ein anderer Ansatzpunkt, um die teilweise prekäre wirtschaftliche Lage zu überstehen, bestand in der Wiederbelebung und Vergrößerung der Weinbau- und Landwirtschaftsflächen in der Bürgermeisterei Unkel. Im gesamten Kreis Neuwied fanden daher Anfang der 1930er Jahre Bestrebungen statt, die Weinbauflächen zu vergrößern, unter anderem in Kasbach, Leubsdorf, Erpel und Dattenberg.  Obwohl die Ernte im Jahre 1930 in Unkel sehr schlecht ausgefallen war und viele Winzer es in den vorangegangenen Jahren infolge des stetigen Niedergangs des Weinbaues mit Obstbau versucht hatten, wurden diese Maßnahmen auch in der Amtsbürgermeisterei Unkel weiterverfolgt. Forderungen der Winzer z.B. aus Rheinbreitbach waren ein gut ausgebautes Wegenetz und eine Zusammenlegung von Weinbauparzellen.[Anm. 33]

Rheinbreitbacher Arbeiterkolonne Ende der 1920er[Bild: Heimatverein Rheinbreitbach]

Neben dem Weinbau war der Wald in der Amtsbürgermeisterei Unkel sowie in Rheinbreitbach eine wichtige Einnahme- und Versorgungsquelle. In Rheinbreitbach entschied sich der Waldbauverein 1932, die durch Brände geschädigten Wälder durch Neuanpflanzungen von 40.000 Fichten, die mit Hilfe von Arbeiterkolonnen gepflanzt werden sollten, wieder aufzuforsten. Der Einsatz von Arbeitskolonnen bei solchen Maßnahmen war zur Zeit der Weimarer Republik eine gängige Praxis, um die Arbeitslosenzahlen zeitweise zu verringern. In Bruchhausen wurden beispielsweise bei der Fruchtbarmachung von Ödland zu Feldern und Weiden ebenfalls Bedürftige in Kolonnen eingesetzt. In Rheinbreitbach beschloss man im Jahre 1932, dass das Ödland der Gemeinde Rheinbreitbach verschiedenen Genossenschaften zur Verfügung gestellt werden solle, um dort u.a. Kartoffeln anbauen zu können. Der Preis für die Pacht wurde auf einen 1 Doppelzentner Kartoffeln festgesetzt, welcher die ersten drei Jahre nicht zu zahlen war und erst nach sechs Jahren voll zu entrichten war.[Anm. 34]

Abschließend sei kurz auf den wachsenden Tourismus in der Zeit der Weimarer Republik hingewiesen. Während der 1920er Jahre wuchs die Anzahl der Touristen in den Weinorten stetig an. Man schätzte wie bereits im Kaiserreich die Landschaft und die gute Luft. Die Gemeinden versuchten mit touristischen Attraktionen wie der Pflege des Unkeler Gefängnisturmes oder der Wiederherstellung der historischen Fachwerkhäuser Anziehungspunkte zu setzen. Auch die Weinfeste waren beliebte touristische Ausflugsziele. Um noch mehr Touristen in die Rheinortschaften zu holen und somit auch den Verdienst der Gastwirte anzukurbeln, veranstalte man ab dem Jahr 1931 das Fest „Rhein in Flammen“. An diesem Tag wurden nachts Sehenswürdigkeiten wie Burgen und Schlösser mit roten Lichtern angestrahlt und eine Schiffskolonne fuhr den Rhein hinunter.[Anm. 35]

0.3.Das Zentrum als stabiler Anker der (Lokal)Politik

Das politische Leben in der Amtsbürgermeisterei Unkel sowie in Rheinbreitbach wurde im Wesentlichen durch die französische Besatzungsmacht und die turbulenten Ereignisse der Weimarer Republik bestimmt. Die allgemeine Polarisierung der Bevölkerung zwischen linken und rechten Parteien kam in geringerem Maße auch in Rheinbreitbach an, hatte hier jedoch weniger Strahlkraft als in größeren oder von vielen Arbeitern bewohnten Städten. Die Zentrumspartei, welche von der katholischen Kirche stark unterstützt wurde, prägte das Leben der Menschen in der Bürgermeisterei Unkel und im Kreis Neuwied. In Linz am Rhein fand zum Beispiel am 29. Mai 1929 ein Parteitag mit über 400 Mitgliedern statt, auf welchem der preußische Zentrumsführer Dr. Heß über die Preußenkoalition (die Regierung in Preußen als Große Koalition zwischen SPD und Zentrum) und das Konkordat sprach. Zudem wurden Forderungen nach Wahrung der ländlichen Selbstverwaltung und weniger staatlicher Aufsicht laut.[Anm. 36]typo3/#_edn1

Bei den Reichstagswahlen im Mai 1924 errang das Zentrum mit weitem Vorsprung mit 21.517 Stimmen den höchsten Anteil an Wahlstimmen im Kreis Neuwied. Weit abgeschlagen folgten die Sozialdemokraten mit 7.554 Stimmen und die deutsche Volkspartei mit 6.011 Stimmen. Entgegen dem Reichstrend erhielten im Kreis Neuwied die Deutschnationalen und die Kommunisten mit etwas mehr als 4.400 Stimmen nicht ganz so viele Stimmen. Stimmberechtigt waren im Kreis Neuwied 62.769 Menschen, von denen 47.997 Menschen eine gültige Stimme abgaben.[Anm. 37]

ParteiStimmen
Kommunisten4.692
Häusser Bund26
Sozialdemokraten7.554
Deutschsoziale316
Christlich-Soziale316
Deutsche Volkspartei6.011
Zentrum21.517
Demokraten1.138
Deutsch-Völkische384
Deutschnationale4.417
Wirtschafts(s)bund1.699

Ähnlich sah es 1925 in Rheinbreitbach bei den Wahlen zum Kreistag von Neuwied aus. Die Zentrumspartei erzielte die meisten Stimmen. Dahinter kamen die Sozialdemokraten mit 71 und die Verbindung aus Deutschnationaler und Deutschdemokratischer Partei mit 34 Stimmen. Die Kommunisten bekamen in Rheinbreitbach lediglich 21 Stimmen. Ähnliche Wahlergebnisse gab es in Rheinbreitbach auch für die Wahlen zum Provinziallandtag sowie bei der Wahl des Gemeinderates von Rheinbreitbach, wo die Zentrumspartei 8 Sitze, die Sozialdemokraten 2 Sitze und die Bürgerpartei 2 Sitze im örtlichen Rat errangen. Radikale Parteien wie die DNVP sowie die Kommunisten gab es im Rheinbreitbach nicht.[Anm. 38]

Im Kern waren sich aber alle politischen Parteien vor Ort einig, dass die Kriegswirtschaft und die Nachwehen des Ersten Weltkrieges überwunden werden müssen. Die hohe Arbeitslosigkeit und die damit verbundene Armut waren die Hauptprobleme, mit welchen sich die Lokalpolitiker auseinandersetzten. Es verwundert daher nicht, dass sich die Gemeinde Erpel im Jahre 1926 mit dem Bau eines Zweifamilienhauses für Bedürftige beschäftigte. Das Geld stammte dabei aus der Hochwasserunterstützung in Höhe von 8.000 Mark. Bei der Landesbank sollten für den Bau des Hauses 4.000 bis 5.000 Mark aufgenommen werden, sodass der Bau insgesamt nur 12.000 bis 13.000 Mark kosten solle. In Rheinbreitbach baute man im Jahre 1927 neun Häuser mit 14 Wohnungen, um der Wohnungsknappheit entgegen zu wirken. Selbst im alten Pastorat von Rheinbreitbach wurde ein Anbau mit Saal und Wohnung eingerichtet (die vermutlich für kirchliche Zwecke genutzt wurde). Auch der Bericht des Kreistags Neuwied vom 31. Dezember 1927 spricht über den Bau von 266 neuen und 206 noch im Bau befindlichen Wohnungen wegen Wohnungsknappheit. Unter den Armen wurden im selben Jahr insgesamt 20.000 Mark verteilt.[Anm. 39]

Auch die Bedienung der Schulden und die Erhebung neuer Steuern standen auf der Tagesordnung des Gemeinderates. Die Beschlüsse des Gemeinderates von Rheinbreitbach vom 25. April 1926 betrafen daher im Wesentlichen die Erhöhung der Grundsteuer, die vor allem Menschen mit großem Landvermögen zahlten. Der Vorschlag der Ortsgemeindeverwaltung war, dass die Grundsteuer von 150 auf 400 Prozent angehoben werden sollte. Nach zähem Ringen und zahlreichen Einsparungen sowie wahrscheinlich auch aus Angst vor den Vermögenden im Ort, die durchaus politischen und wirtschaftlichen Einfluss hatten, einigte man sich auf eine Erhöhung von 170 Prozent auf 320 Prozent. Diese Erhöhung war im Gegensatz zu anderen Gemeinden noch relativ gering. Im Jahre 1927 schloss der Haushalt von Rheinbreitbach mit einem Plus von 63.000 Reichsmark ab, was jedoch nicht bedeutete, dass die Gemeinde keine Schulden hatte. Im November 1926 hatte man erst beschlossen, alle Schulden bei der Landesbank zu einem Schuldenbetrag zusammenfassen zu lassen. Aufgaben wie die Reinigung der Wasserleitungen wurden verschoben, um keine Kosten zu verursachen.

Durch die Streichung einer Lehrerstelle an der Volksschule Rheinbreitbach sowie der Verkauf von Wegen konnte zudem eine erhebliche Entlastung des Gemeindehaushaltes erreicht werden. Im Jahre 1927 kam die Gemeinde für 10 Kleinrentner, 7 Sozialrentner, 7 sonstige Fürsorgeempfänger, 11 Arbeitslosenversicherungsempfänger bei einer Einwohnerzahl von 1262 Einwohnern auf. Die Gesamtsumme belief sich hierbei auf ca. 17.900 Reichsmark.[Anm. 40]

In diesen unruhigen Zeiten der Weimarer Republik wünschten sich die Menschen offensichtlich vor allem bekannte und solide Politiker, die entweder noch aus der Kaiserzeit stammten (und somit für Stabilität und Ordnung standen) oder im Ort bekannt und geschätzt waren. So wurde Heinrich Westhoven aus dem weit verzweigten Rheinbreitbacher Familienstamm derer von Westhoven am 24. Januar 1924 zum Ortsvorsteher von Rheinbreitbach gewählt.[Anm. 41]typo3/#_edn2

Aber auch in der Amtsbürgermeisterei Unkel spielten die Rheinbreitbacher eine Rolle. Am 5. Juli 1926 wurde Peter Latz, ein Bäckermeister aus Rheinbreitbach, zum Beigeordneten der Amtsbürgermeisterei Unkel vorgeschlagen und im Oktober 1926 gewählt. Als Beigeordneter hatte Latz somit Einfluss auf die Lokalpolitik der Amtsbürgermeisterei Unkel und konnte als Rheinbreitbacher für die Belange der eigenen Ortsgemeinde eintreten. Dass man es bei dieser Arbeit nicht allen Einwohner:innen recht machen konnte, wurde Latz sowie allen anderen Ratsmitgliedern noch einmal durch Bürgermeister Decku bewusst gemacht. In einer Rede im Jahre 1929 erläuterte Decku, dass in der Wahlperiode von 1924 bis 1929 viele Projekte in allen Ortsgemeinden umgesetzt worden seien, doch die unberechtigte Kritik daran nie ausbleiben werde und sich die Ratsmitglieder davon nicht beirren lassen sollten. Latz wurde in den Jahren 1930 bis 1933 Nachfolger von Ortsvorsteher Westhoven in Rheinbreitbach. In seine Amtszeit fiel die Diskussion über die Zusammenlegung der beiden Bürgermeistereien Linz und Unkel, die die Verwaltungskosten und die Steuern senken sollten.[Anm. 42]

0.4.Schattenseiten des Lebens in der Weimarer Republik

Der Steinweg (heutige Hauptstraße) mit dem Warnschild „Vorsicht Schritt fahren!“[Bild: Heimatverein Rheinbreitbach]

Die wirtschaftlich schwierigen Zeiten sowie die Verbreitung des Automobils ließen auch Probleme auftauchen, die sich in Unfällen, Morden oder Diebstählen niederschlugen.

Neben den Gefahrenquellen, die der Rhein und die Eisenbahnstrecke sowie steile Felsen boten, war eine der höchsten Gefahren das Aufkommen des Automobilverkehrs in den engen Orts- und Dorfstraßen. Dass sich Bürgermeister Decku für eine Umgehungsstraße für die Stadt und die Amtsbürgermeisterei Unkel und das gesamte Rheintal einsetzte, hatte durchaus ernstere Hintergründe: Am 28. Oktober 1925 ereignete sich ein schwerer Zusammenstoß eines Betrunkenen mit einem Auto in Kasbach. Der Betrunkene war auf der Straße unterwegs und lief in einen Personenwagen. Dieser wich aus, fuhr jedoch gegen den Eisenbahndamm. Das Auto erlitt einen Totalschaden. Der Autofahrer kam mit einer Armverletzung davon, der Betrunkene mit einer Kopfwunde und einer Quetschung.[Anm. 43] In Rheinbreitbach wurde am 8. Juli 1926 ein Verkehrsunfall mit einem LKW-Fahrer und zwei Passanten verhandelt. Der LKW-Fahrer hatte zwei auf den Postbus wartende Passanten mit seinem Anhänger bei einer Kurvendurchfahrt angefahren. Der Fahrer wurde nach Besichtigung des Tatortes und mehrfachem Durchfahren der Kurve mit LKW zu einem Monat Gefängnis wegen fahrlässiger Körperverletzung verurteilt. Wenig später ereignete sich am 13. Juli 1926 ein Zusammenstoß von zwei Fahrzeugen in Rheinbreitbach in der Steinstraße, heute oberer Teil der Hauptstraße. Hierbei wurden zwar keine Personen verletzt, jedoch entstand an einem der Wagen ein erheblicher Schaden.[Anm. 44]

Im März 1927 stießen zwei Personenkraftwagen kurz vor dem Unkeler Marktplatz zusammen, von denen einer einen schweren Schaden davontrug und abgeschleppt werden musste. Der Verkehr wurde durch andere schmalere Gassen umgeleitet. Im gleichen Monat geriet eine Frau in Gehrichtung Heister unter ein herannahendes Auto und wurde schwer verletzt. Tödlich endete für ein sechsjähriges Kind das Spiel mit einem LKW im Juli 1931.typo3/#_edn1[Anm. 45]typo3/#_edn1

Eine weitere Problematik stellten Diebstähle dar. Durch die schwierige wirtschaftliche Lage gab es eine Reihe an Diebstählen von Nahrungsmitteln und Holz. In Unkel wurden am 18. März 1924 von einem Holzhändler 6 laufende Meter Holz gestohlen. Diese fanden sich nach Untersuchung des Oberlandjägers in Honnef bei einem Sägewerk wieder, dessen Eigentümer jedoch mit dem Verschwinden des Holzes nichts zu tun hatte. Der Auftrag zum Schneiden der Hölzer war aus zuverlässiger Quelle gekommen, sodass der Täter ermittelt und vor Gericht gestellt werden konnte.

Im Mai 1926 wurde in Rheinbreitbach eine Zunahme der Felddiebstähle festgestellt. Hierbei wurde der Ruf nach mehr Polizeiüberwachung laut, da die Täter z.B. 6 Zentner Rhabarber mit Fuhrwerken abtransportieren, ohne auch nur aufgehalten zu werden.  Besonders pikant war auch der Prozess gegen drei Nahrungsmittelfälscher aus Scheuren und Rheinbreitbach, die zu sechs Wochen Haft und einer Geldstrafe verurteilt wurden. Auch der versuchte Überfall eines Zuges zwischen Bad Honnef und Unkel auf Höhe des Dorfes Rheinbreitbach dürfte der Erbeutung von Nahrungsmitteln gedient haben. Der misslungene Eisenbahnraub kam durch falsche Signale zustande, sodass der Zug anhalten musste. Der Versuch, die Güterwaggons aufzubrechen, gelang zwar, doch waren dort keinerlei Nahrungsmittel vorhanden. Bei der Verfolgung der Täter konnte nur herausgefunden werden, dass zwei verdächtig wirkende Gestalten am Rhein ein bereits verlassenes Lager aufgeschlagen hatten.[Anm. 46]

Neben diesen Unfällen und Verbrechen gab es Ereignisse, die nicht vom Mensch beeinflusst werden konnten. Hierzu gehörten Krankheiten und das alljährlich stattfindende Hochwasser von der Schneeschmelze. Zum Jahreswechsel vom 31. Dezember zum 3. Januar 1926 muss das Hochwasser in der Amtsbürgermeisterei Unkel sowie am Rhein außergewöhnlich gewesen sein. In Neuwied stand das Wasser zum Großteil bis zum 1. Stockwerk der Häuser und übertraf das große Hochwasser von 1920. Das Rasselsteiner Blech- und Eisenwalzwerk stand vollständig unter Wasser, sodass 2.000 Menschen entlassen wurden. Dies verschlimmerte auch die Arbeitslosensituation im Kreis Neuwied, die sowieso schon sehr angespannt war.[Anm. 47]

Eine weitere Katastrophe stellte der Ausbruch von Paratyphus in der Amtsbürgermeisterei Unkel dar. Drei Einwohner steckten sich dabei mit dieser Krankheit an, von denen einer verstarb. Infolge der großen Beunruhigung in der Bevölkerung und das Gerücht, dass der Paratyphus von verseuchtem Wasser käme, beauftragte die Amtsbürgermeisterei Unkel das hygienische Institut der Universität Bonn mit einer Wasserprobe, die jedoch negativ ausfiel. Wo sich die drei Personen angesteckt hatten, konnte nicht ermittelt werden. Doch verunsicherten solche Krankheitsausbrüche die Bevölkerung immer wieder, da es zu dieser Zeit noch keine wirksamen Heilmittel gab.[Anm. 48]typo3/#_edn4

Der Aufsatz zeigt, dass die Menschen in den 1920er Jahren in der Amtsbürgermeisterei Unkel zahlreiche Herausforderungen zu bewältigen hatten. Auf deren Lösung, wie zum Beispiel der Bau der B42, ist zum Teil unser heutiger Wohlstand aufgebaut. Gleichzeitig versuchten die Menschen das Leben nach dem Krieg aber auch wieder zu genießen. Man wollte die schlechte Wirtschaftslage sowie die Ereignisse der Vergangenheit vergessen. Vor allem rechtskonservative und nationale Kräfte versuchten die „Ehre des Reiches“, welcher durch den „Schmähfrieden von Versailles“ in ihren Augen beschmutzt worden war, durch Aufmärsche und den Kampf gegen die Republik wieder rein zu waschen.

Verfasser: Thomas Napp
Veröffentlicht am: 10.11.2021
Quellen- und Literaturverzeichnis

  • Dietz, Wolfgang: Landkreis Neuwied in der Weimarer Republik. Neuwied 1992.
  • Honnefer Volkszeitung (01.01.1924 bis 30.12.1932): General-Anzeiger Archiv.
  • Klaus, Benjamin: Die Geschichte der Gemeinde Unkel in den Jahren der Weimarer Republik. Köln 2005.
  • Longerich, Peter: Deutschland 1918-1933. Die Weimarer Republik. Handbuch zur Geschichte. Hannover 1995.

Anmerkungen:

  1. Vgl. Honnefer Volkszeitung (HVZ), 5. Juli 1930. Zurück
  2. Federhen, Franz-Josef [u.a.]: Rheinbreitbacher Erinnerungen an das Jahr 1923. Vor 80 Jahren Inflation – Separatistenherrschaft – Kirche und Vereine (Rheinbreitbacher Heimathefte), Rheinbreitbach 2003. Zurück
  3. Klaus, Benjamin: Die Geschichte der Gemeinde Unkel in den Jahren der Weimarer Republik. Köln 2005, S. 41 ff. Zurück
  4. Longerich, Peter: Deutschland 1918-1933. Die Weimarer Republik. Handbuch zur Geschichte. Hannover 1995, S. 171 f. Zurück
  5. Vgl. HVZ (17. Juni 1926; 14. August 1927), Longerich (1995, S. 166 ff.). Zurück
  6. Vgl. HVZ (18. Mai 1931). Zurück
  7. Vgl. HVZ (01. Oktober 1927). Zurück
  8. Vgl. HVZ (22. September 1927; 06. Mai 1927 Unkel-Scheuren). Zurück
  9. Vgl. HVZ (1. November 1925; 11. Januar 1926). Zurück
  10. „Denk-mal“ nach! Das Ehrenmal auf der Rheinbrohler Ley als Erinnerungsort (Stephan Walker), in: Pädagogisches Landesinstitut Rheinland-Pfalz (Hg.), 1914 – 1918 Kriegsalltag im Grenzland. Unterrichtsmaterialien zum Ersten Weltkrieg im heutigen Rheinland-Pfalz, Speyer 2015, S. 95f., 151f. URL:
    https://static.bildung-rp.de/pl-materialien/HR_Erster_Weltkrieg_Inhalt_Stand_16.10.15.pdf_Internetversion_komplett.pdf.
     Zurück
  11. Vgl. HVZ (26. Mai 1926; 30. Juli 1926; 01. Juli 1929). Zurück
  12. Vgl. HVZ (07. Juli 1926). Zurück
  13. Vgl. HVZ (09. September 1927). Zurück
  14. Vgl. HVZ (19. April 1928). Zurück
  15. Vgl. HVZ (19. Januar 1925; 29. August 1930; 30. Juni 1925; 09. November 1925). Zurück
  16. Vgl. HVZ (02. Oktober 1925). Zurück
  17. Vgl. HVZ (4 März 1926). Zurück
  18. Vgl. HVZ (29. Januar 1931; 21. Juni 1929; 22. September 1932; 19. Dezember 1932; 24. April 1926). Zurück
  19. Vgl. HVZ (20. Mai 1925; 02. März 1929; 19. Juni 1929; 12. Juni 1928; 03. Oktober 1929; 28. Dezember 1931). Zurück
  20. Vgl. HVZ (12. Juli 1926; 10. Januar 1931). Zurück
  21. Vgl. HVZ (31. August 1928).  Zurück
  22. Vgl. HVZ (10. September 1930), Longerich (1995, S. 196). Zurück
  23. Vgl. HVZ (09. August 1928; 09. September 1929; 06. Juli 1932). Zurück
  24. Vgl. HVZ (01. Juli 1931; 27 Januar 1926; 5 Februar 1926), Klaus (2005, S. 55 ff). Zurück
  25. Vgl. Longerich (1995, S. 171, 172, 173). Zurück
  26. Vgl. HVZ (28 September 1926; 17. Mai 1928). Zurück
  27. Vgl. HVZ (28. Juni 1926; 18. September 1930; 02. Februar 1927; 26. August 1930; 05. November 1932). Zurück
  28. Vgl. HVZ (27.Oktober 1926; 30 September 1926). Zurück
  29. Vgl. HVZ (22. Januar 1931; 16. Februar 1932). Zurück
  30. Vgl. HVZ (20. Juni 1924; 02. Juli 1928; 19. Oktober 1928). Zurück
  31. Vgl. HVZ (16. Juli 1926). Zurück
  32. Vgl. HVZ (04. Juni 1932; 6. Dezember 1926 Eisenbahnbau; 15. Juni 1927). Zurück
  33. Vgl. HVZ (21. November 1927; 04. Februar 1932; 29. September 1930). Zurück
  34. Vgl. HVZ (04. Juni 1932; 17. Mai 1932; 26. Juli 1932). Zurück
  35. Vgl. HVZ (30. Januar 1931). Zurück
  36. Vgl. HVZ (29. Mai 1929). Zurück
  37. Vgl. HVZ (04. Mai 1924), Dietz, Wolfgang: Landkreis Neuwied in der Weimarer Republik. Neuwied 1992, S. 149 ff. Zurück
  38. Vgl. HVZ (1925 Wahlen Kreistag Neuwied (Zeitungsartikel und Ergebnisse), 15 November 1929), Dietz (1992, S. 149 ff). Zurück
  39. Vgl. HVZ (08. Juli; 31. Dezember 1927; 19. Oktober 1926).  Zurück
  40. Vgl. HVZ (25. April 1926, Gemeindesituation Rheinbreitbach 1928). Zurück
  41. Vgl. HVZ (24. Januar 1924). Zurück
  42. Vgl. HVZ (05. Juli 1926; 5 Oktober 1926; 22. November 1932; 14. Dezember 1929). Zurück
  43. Vgl. HVZ (28. Oktober 1925). Zurück
  44. Vgl. HVZ (08. Juli 1926; 13. Juli 1926). Zurück
  45. Vgl. HVZ (06. März 1927; 11. März 1927; 08. Juli 1931). Zurück
  46. Vgl. HVZ (18. März 1924; 19. Mai 1926; 30 Dezember 1926; 04. Juli 1930; 06. Juli 1930). Zurück
  47. Vgl. HVZ (31. Dezember 1925 (1. Januar 1926); 03. Januar 1926). Zurück
  48. Vgl. HVZ (27. November 1929). Zurück